Gotteserregungen. Zu einer Theologie der Blasphemie

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Gotteserregungen.
Zu einer Theologie der
Blasphemie
Prof. Dr. Gregor Maria Hoff
Salzburg
Disposition
1.
2.
3.
Ein globales Szenario: Der Karikaturenstreit
Ein lokales Szenario: Der Streit um die
Performance ER-Lösung
Die Kunst als locus theologicus – eine notwendige
Ortsbestimmung
1. Ein globales Szenario:
Der Karikaturenstreit
1. Ein globales Szenario:
Der Karikaturenstreit

Der Karikaturenstreit ist von daher
Ausdruck einer komplexen Identitätspolitik
und zugleich ein theologischer Streitfall: Wer
von Blasphemie spricht, fürchtet jenen Zorn
eines beleidigten Gottes, den man im
Gegenzug auf den Beleidiger selbst
herabruft.
1. Ein globales Szenario:
Der Karikaturenstreit

Die Theo-Politik dieser Negation ist ein
Ikonoklasmus mit eigenem Bildwert –
schließlich wurde er medial bewusst ins Bild
gesetzt. Die Frage ist von daher, in welchem
Bild die Blasphemie liegt.
1. Ein globales Szenario:
Der Karikaturenstreit

Die Verletzung der eigenen religiösen Gefühle
nimmt nun eine besondere theologische Dynamik
an: Das eigene Empfinden führt zum Einspruch
im Namen Gottes. Die eigene Anwendung seines
Namens droht freilich zu einer konkreten
Nutzanwendung zu verkommen, sobald die
fremde, die falsche, die bewusst beleidigende
Bildgebung Gottes ihrerseits vernichtet wird. Ein
neues Gottesbild entsteht – es steht im Zeichen
strafender Gewalt.
1. Ein globales Szenario:
Der Karikaturenstreit

Hier wird eine spezifische Differenz
gewahrt, die Gottes heilige Wirklichkeit
betrifft und ihre profane politische Adaption
unter einen theologischen Vorbehalt stellt.
An der Fähigkeit, diese Differenz zu wahren,
entscheidet sich das theologische Urteil
darüber, was als blasphemisch zu gelten hat.
1. Ein globales Szenario:
Der Karikaturenstreit

An der Fähigkeit der Selbstrelativierung
entscheidet sich die Möglichkeit, mit einer
Gelassenheit auch auf bewusst beleidigende
Reden von Gott zu reagieren, die am
Bewusstsein der Transzendenz Gottes und
an der Grundunterscheidung zwischen der
eigenen Identität und dem Namen Gottes
hängt, auf den sie sich vereidigt.
2. Ein lokales Szenario:
Der Streit um die Salzburger Performance
„ER-Lösung?“
Das Leid kommt vor der Seligkeit. Geopfert wird einem höheren Ziel. Auch knapp 2000
Jahre nach dem Original verlaufen säkularisierte Glaubensbekenntnisse nach dem Vorbild
christlicher Heilslehre. ER-Lösung? ist ein stark rhythmisiertes Stationendrama
(choreographisches Szenario mit anschließender Kreuzigungsfeier) mit Heilspredigern,
Heilsfindern, Wunderheilern und Siegheilern.
ER-Lösung statt Lösungen ...
Das Flagellantentum feiert Urstände: Opferbereitschaft, Leidensfähigkeit und
Verzichtsideologie sind die heute wieder geschätzten Tugenden innerhalb einer
säkularisierten Gesellschaft, die aus dem Fundus religiöser Heils- und Erlösungslehre
schöpfen kann. In Salzburg in der Franziskanergasse (nähe Domplatz) warten ein
Holzkreuz und eine Frau auf ihren letzten gemeinsamen Weg. Ein Tross von
Opferungspropagandisten werden beide begleiten. Ein Trommel-Rhythmus treibt die
Gesellschaft voran und ein Heilsprediger verkündet das kommende Reich.
Das Opfer hat keinen Namen, keine Stimme und scheint einverstanden mit seinem Schicksal.
Die Auferstehung verlangt die vorauseilende Kreuzigung. Was aber, wenn das Opfer nicht
mehr daran glaubt und die ER-Lösung in Frage stellt?
(Marcus Hank, ARGE-Kultur – Salzburg)
2. Ein lokales Szenario:
Der Streit um die Salzburger Performance
„ER-Lösung?“

Der ästhetisch betriebene Austausch schafft also
keine Umstellung der gegebenen Verhältnisse,
sondern zeigt sie nur im Umkehrlicht, das die
alte Ordnung der Dinge als gültig voraussetzt.
Das Gegebene wird hier im Versuch der Kritik
beglaubigt.
2. Ein lokales Szenario:
Der Streit um die Salzburger Performance
„ER-Lösung?“

Die notwendige Provokation, die die Zurichtungen des
nackten Lebens aufdecken müsste, leistet vor allem eins
nicht: Sie kann den Differenzraum einer radikalen
Inversion allen Sprechens von Gott im Zeichen des
Kreuzes nicht zum Ausdruck bringen. Was fehlt: Dass
hier gerade jene Logik der Gewalt durchbrochen wird,
die im Zugriff auf das nackte Leben liegt. Am Kreuz
wird sie mit einer Lebensmacht Gottes konfrontiert, die
den nackten Menschen, also den Menschen wie er
geschaffen ist, will und sucht.
2. Ein lokales Szenario:
Der Streit um die Salzburger Performance
„ER-Lösung?“


In diesem Sinne ist der Mann am Kreuz ein Ort, der die
Geschlechterdifferenz nicht negiert: sein Geschlecht
wird benannt. Aber diese Differenz wird überschritten,
wo sie sich unheilvoll auswirkt. Am Kreuz wird jene
Logik der Gewalt durchbrochen, die feministischer
Einspruch gegen die patriarchale Bemächtigung des
Gottesbezugs aufdeckt.
Das nackte Leben des gemarterten Menschen am
Kreuz bestimmt den Bildwert aller Gottesrede fortan.
3. Die Kunst als locus theologicus – eine
notwendige Ortsbestimmung

In einem Prozess wechselseitiger
Grenzüberschreitungen und auch Zumutungen
braucht die Theologie die Blicke, die Sprachen,
die kritischen Impulse, die Verstörungen der
Kunst, um in der eigenen Sprachnot, die Rede
von Gott heute zu vermitteln, sprachfähig zu
werden.
3. Die Kunst als locus theologicus – eine
notwendige Ortsbestimmung

Offensichtlich besitzt die Theologie eine
Grenzüberschreitungskompetenz, die sie freilich
zu selten abruft, weil sie dem heißen
blasphemischen Kern, also den
Grenzüberschreitungen der eigenen Gottesrede
entweder nicht recht traut oder ihr nicht
konsequent ins Gesicht sieht.