Weniger ist mehr - der Polypharmazie vorbeugen

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Weniger ist mehr - der
Polypharmazie vorbeugen
Dr.med. Stefan Neuner-Jehle, MPH
Institut für Hausarztmedizin Zürich
Praxis Zug
UpdatePrävention/Gesundheitsförderung im Alter
Baar
November 2012
1
Polypharmazie
>= 4-5 Medikamente beim gleichen Patienten
2
Der Fall: 72jährige Patientin
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Marcoumar 3mg nach INR *
Dafalgan 1g 1-1-1 *
Mefenacid 500mg in Res. (selten!)*
Novalgin Tr. 20-20-20
Gliclazid 30mg 2-1-0 *
Insulatard 50-60 IE abends
Losartan 50mg 1-0-0 *
Torasem 10mg 2-0-0 *
Metolazone 5mg 1-0-0 3x/Woche *
Pravastatin 40mg 0-0-1
Arimidex 1mg 1-0-0
* = metabolisiert über CYP 2C9


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
Zolpidem 10mg
0-0-0-1
Symbicort TH 200/6
2-0-2
Padmed 2-2-2
Iscador Amp.
2x/Woche s.c.
Valverde Schlafdrg.
1-2 in Reserve
3
Der Fall: 72jährige Patientin (2)



hypertensive HK, tk VHF
St. n. TVT‘s und LE‘s, dauerantikoaguliert
invasiv-duktales Mamma-CA 1991


Pleurametastasierung links 1/2011
metabolisches Syndrom:

mittelschwere Dyslipidämie, BMI 26kg/m2

Diabetes mellitus Typ 2 seit 1998

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
HbA1c um 8%
M. Bechterew, thorakale Kyphose
mildes kognitives Defizit; rezid. depressive
Verstimmungen
mittelschwere Niereninsuffizienz, Crea-Cl um 30 ml/min
subklinische Hypothyreose
Lebersteatose
4
Multimorbitität bei
Praxispatienten
80+
Age group (years)
70-79
60-69
50-59
40-49
30-39
20-29
0
10
20
30
40
50
Prevalence of multimorbidity (%)
FIRE, CH
5
Einschätzung der RestLebenserwertung bei Polymorbiden
Co-Morbidität
Punkte
Myokardinfarkt
1
Herzinsuffizienz
1
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
1
Cerebrovaskuläre Erkrankung
1
Chronische Lungenerkrankung
1
Demenz
1
Rheumatische Erkrankung
1
Peptische Ulcuserkrankung
1
Milde Lebererkrankung
1
Diabetes
1
Nierenerkrankung
2
Diabetes mit Komplikationen
2
Hemiplegie oder Paraplegie
2
Maligne Erkrankung
2
Milde bis schwere Lebererkrankung
3
Metastasierender solider Tumor
3
AIDS
6
Punktzahl
1-JahresMortalität
10-JahresMortalität
0
12 %
8%
1
2
25 %
26 %
3
48 %
59 %
4
52 %
5
85 %
Charlson‘s Komorbiditätsindex
Charlson ME et al. J Chronic Dis
1987;40:373-83
6
Polypharmazie schadet

pro weiteres Medikament Anstieg der medikamentenassoziierten Probleme um 8.6%
DRP=
drug related
problems
Viktil K, Blix H, Morger T, Reikvam A, Br J Clin Pharmacol 2006
7
Welche Medikamentengruppen
schaden?
10%
OAK
3%
4%
Tc-Hemmer
Insulin
orale Antidiabetica
3%
33%
9%
ZNS
Antiinfektiva
Chemotherapeutica
Kardiaka
11%
14%
13%
andere
Blutungen: 41% gastroint., 6% intracerebral
Hypoglykämien
Neurologica: 42% Verwirrtheit, 15% Stürze
Kardiaka: 33% Elektrolyt/Vol.störungen, 18%
Arrhythmien
n = 5077 case control
Hosp. wegen UAW
2007-09, USA
8
Budnitz D et al, NEJM 2011
Welche Einzelsubstanzen
schaden?
Budnitz D et al, NEJM 2011
9
Wie Schäden durch
Polypharmazie vermeiden?
1

Priorisieren und Abwägen
 Indikation für jedes Medikament immer wieder überprüfen
(MAI-Index, GPGP-Algorithmus), ebenso
Schadenspotential - Primum nil nocere
 Zeithorizont, Grenznutzen beachten
 Vermeidung von Verschreibungskaskaden (z.B. NSAR 
Antihypertensiva)

peer reviewing durch Kollegen (Prinzip Abteilungsvisite/Stv)

Rollentausch: "Wäre ich der Patient,..."
10
Wie Schäden durch
Polypharmazie vermeiden?
2

Berücksichtigung der geänderten Pharmakokinetik
 Abnahme der glomerulären Filtrationsrate: ab 70-80
Jahren beträgt die Crea-Clearance 30-60 ml/m, also die
Hälfte einer "jugendlichen" Nierenfunktion

Berücksichtigung von Interaktionen
 wichtige kennen (z.B. Orale Antikoagulantien)
 im Zweifelsfall Nachlesen
 im Alter: Negativliste (Beer's, STOPP); Negativliste mit
Alternativvorschlägen (PRISCUS)

Berücksichtigung von Co-Morbiditäten
 z.B.: mehr Stürze unter Diuretika
11
MAI
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Gibt es eine klare Indikation?
Ist die Wirksamkeit gegeben? Überwiegt der Nutzen das
Risiko?
Ist die Dosierung korrekt?
Sind die Einnahmevorschriften korrekt?
Interagiert das Medikament mit anderen?
Interagiert das Medikament mit vorhandenen
Krankheiten?
Gibt es für das Medikament spezielle
Anwendungsvorschriften?
Gibt es Doppelverschreibungen (gleiche Medikamente
oder Medikamente, die dem gleichen Zweck dienen)?
Ist die Behandlungsdauer adäquat?
12
Gibt es kostengünstigere Alternativen?
Priscus
www.priscus.net
13
GPGP (Garfinkel)
"Good-Palliative-Geriatric Practice"






70 Pat., Alter 82.8y (67-102)
Anzahl Medikamente pro Patient 7.7 (SD 3.7)
Reduktion von 4.4 Medikamenten (SD 2.5), in
81%
88% geben gebessertes Befinden an
3 Patienten: Anstieg im MMS von 14 auf 23-30 Pt.
keine adversen Ereignisse nach Absetzen, 2%
Wiedereinsatz
14
Garfinkel D, Mangin D. Arch Intern Med 2010
GPGP, Step 1+2
I
N
Indikation
Nebenwirkungen
Ist die Indikation für das Medikament gegeben, d.h. valide und
relevant bezogen auf Alter und Erkrankung dieses Patienten?
Nein: Medikament stopp
Ja
Ist der potentielle Nutzen des Medikaments im Alter und der
Erkrankung des Patienten grösser als potentielle oder bereits
bestehende Nebenwirkungen?
Nein: Medikament stopp
Ja
15
GPGP, Step 3+4
I
N
D
A
Indikation
Nebenwirkungen
Dosis
Alternativen
Kann die Dosis ohne signifikantes Risiko reduziert werden?
Ja: Dosis reduzieren
Nein
Gibt es eine dem jetzigen Medikament überlegene Alternative?
Ja: Medikament wechseln
Nein
16
Quick-Verlauf bei der Patientin
17
Unser Fall: Medikamentenliste neu











Fragmin 15'000 IE s.c., später Xarelto 10mg

Zolpidem 10mg
Marcoumar 3mg nach INR
0-0-0-1
Dafalgan 1g 1-1-1
TH
Mefenacid 500mg in Res. (selten!)  Symbicort
200/6 2-0-2
Novalgin Tr. 20-20-20

Padmed 2-2-2
Gliclazid 30mg 2-1-0

Iscador Amp.
Insulatard 50-60 IE abends
2x/Woche s.c.
Losartan 50mg 1-0-0

Valverde
Torasem 10mg 2-0-0
Schlafdrg. 1-2 in
Reserve
Metolazone 5mg 1-0-0 3x/Woche
Pravastatin 40mg 0-0-1
Arimidex 1mg 1-0-0
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Danke für die Aufmerksamkeit!
Diskussion
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