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Prof. Dr. Eike Albrecht BTU Cottbus Lehrstuhl für Zivil- und Öffentliches Recht mit Bezügen zum Umwelt- und Europarecht

UMWELTRECHT

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Prof. Dr. Eike Albrecht Brandenburgische Technische Universität Cottbus Fakultät für Umweltwissenschaften und Verfahrenstechnik Lehrstuhl für Zivil- und Öffentliches Recht mit Bezügen zum Umwelt- und Europarecht Erich-Weinert-Str. 1 Lehrgebäude 10, 335 03046 Cottbus Telefon: 0355 – 69 2749 E-Mail: [email protected]

www.tu-cottbus.de/recht

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MGANG MIT DEM

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ITIERWEISE

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Umgang mit dem Gesetz

Gesetzessammlung enthält verschiedene umweltrechtliche Gesetze und Rechtsverordnungen Abkürzung des Gesetzes/ der RVO oben rechts, z.B. WHG = Wasserhaushaltsgesetz jedem Gesetz/ jeder RVO ist eine Nummer zugewiesen zu Beginn: Schnellregister und Inhaltsverzeichnis am Ende: Sachverzeichnis, Stichworte werden den Gesetzen/RVO zugeordnet (erste Ziffer fett formatiert) und dann dem/den jeweiligen Paragrafen (nachfolgende Ziffer(n)) -

Zitierweise

Immer so genau wie möglich zitieren! Artikel bzw. Paragraf = Art. bzw. § Absatz: gekennzeichnet durch arabische Ziffern in runden Klammern (1) – Darstellung: Abs. 1 oder I Satz: gekennzeichnet durch hochgestellte arabische Ziffern, Darstellung: S. 1 oder 1 Aufzählung: fortlaufende Nummerierung durch arabische Ziffern, Darstellung: Nr. 1 Am Ende immer die Abkürzung des Gesetzes bzw. der RVO Bsp.: § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 WHG

oder

§ 6 I 1 Nr. 7 WHG – nicht vermischen! Prof. Dr. Eike Albrecht,

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ITERATUR Michael Kloepfer,

Umweltrecht

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3. Aufl. 2004,1964 S., 128,00 €, ISBN 978-3-406-52044-0

Umweltrecht (UmwR) – beck-Texte im dtv, Umweltgesetze, 24. Aufl. 2013 Michael Kotulla, Umweltrecht,

5. Aufl. 2010, 256 S., 26,50 €, ISBN 9783415045668

Prof. Dr. Eike Albrecht,

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I. Begriff „Umwelt“

weites und enges Begriffsverständnis je nach umweltrechtlicher Norm

Weiter Umweltbegriff:

Umwelt ist der gesamte Lebensraum des Menschen einschließlich der Mitmenschen und allen sozialen, kulturellen und politischen Einrichtungen; z.B. § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG

Enger Umweltbegriff:

Umwelt sind die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen. Dazu gehören die Umweltmedien Boden, Wasser, Luft, Klima, Natur- und Landschaft mit ihren Lebensräumen für Pflanzen, Tiere und sonstige Organismen; z.B. § 6 BNatSchG -

II. Begriff „Umweltrecht“

Zum Umweltrecht gehören alle staatlichen Normen, die dem Schutz der Umwelt dienen.

Umweltrecht ist ein

Querschnittsrecht

, d.h. umweltrechtliche Normen finden sich in allen Rechtsgebieten und auf allen Stufen der Normenhierarchie. Im Fokus der Vorlesung steht das Öffentliche Umweltrecht und dort insbes. das Umweltverwaltungsrecht, welches die Beziehungen zwischen dem Staat/Behörden und Privaten (natürliche und juristische Personen des Privatrechts) regelt.

Normen finden sich insbes. in formellen Gesetzen, Rechtsverordnungen u. Satzungen..

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Recht Öffentliches Recht

Verwaltungs rech

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Straf recht Verfas sungs recht

Privatrecht

BGB Handels- und Gesellschafts recht

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7 III. Weitere Systematisierungsansätze

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Nach Regelungsbereich:

Umweltrecht im engeren Sinne:

Normen sind primär auf den Umweltschutz ausgerichtet, stellen das Hauptziel der Norm/des Gesetzes dar

Umweltrecht im weiteren Sinne:

Vorschrift ist für den Umweltschutz relevant, ist aber nicht primäres Ziel der Regelung; z.B. § 1 Abs. 5 BauGB Vielzahl von Vorschriften mit zum Teil sich überdeckenden, z.T. sich widersprechenden Regelungen; immer noch kein Umweltgesetzbuch -

Nach Schutzgütern: Medialer Umweltschutz:

Regelwerke dienen dem Schutz eines bestimmten Umweltmediums; z.B. Schutz des Bodens durch das BBodSchG

Kausaler Umweltschutz:

Düngemittelgesetz Vorschriften reglementieren den Umgang mit bestimmten gefährlichen Stoffen, um Umweltgefährdungen durch Emissionen dieser Stoffe zu vermeiden; z.B.

Vitaler Umweltschutz:

Regelwerke dienen dem unmittelbaren Schutz von Tieren und Pflanzen; z.B. BNatSchG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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III. Weitere Systematisierungsansätze (Forts.)

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Nach Rechtsgebiet: Umweltverwaltungsrecht:

Öffentliches Umweltrecht; Schutz der Umweltgüter durch den Staat; Amtsermittlungsgrundsatz und Vorbehalt des Gesetzes

Umweltprivatrecht:

Rechtsverhältnisse zwischen Privaten, z.B. Nachbar und Anlagenbetreiber oder zwischen verschiedenen Sanierungsverantwortlichen nach BBodSchG; Privatautonomie und Beibringungsgrundsatz; zivilrechtliche Beweisregeln

Umweltstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht:

zur Abwehr besonders sozialwidriger oder – schädlicher Verhaltensweisen zum Schutz von Umweltgütern; Strafrechtsprinzipien und Beweisregeln; Schuldprinzip

Umweltverfahrensrecht/Rechtsschutz:

Ausnahmen zum Grundsatz des subjektiven Rechtsschutzes; altruistische Verbandsklage; umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Polizeirecht Allg. Umweltrecht Verwaltungsrecht Umweltrecht Sozialrecht Bes. Umweltrecht Baurecht, etc. …

UIG UVPG URbG, etc. … BImSchG BNatSchG KrWG BBodSchG WHG, etc. …

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IV. Umweltrecht als Technikrecht

Umweltrecht enthält verschiedene Technikstandards, die das vom Gesetzgeber für notwendig erachtete Maß an Vorsorge wiederspiegeln a usgestaltet als unbestimmte Rechtsbegriffe, die weitere Konkretisierung bedürfen -

1. „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“

schwächste Stufe Techniken , die sich in der Praxis bewährt haben, wobei neuere oder aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft und Technik keine oder erst später Berücksichtigung finden dient der Verwirklichung des Vorsorgeprinzips; z.B. § 62 Abs. 2 WHG -

2. „Stand der Technik“

s tärkere Ausprägung Legaldefinition z. B. in § 3 VI S.1 BImSchG und § 3 Nr. 11 WHG Hierbei werden technische Fortentwicklungen früher berücksichtigt, weil sie sich nicht bereits allgemein durchgesetzt haben, sondern nur in ihrer praktischen Eignung gesichert erscheinen müssen Prof. Dr. Eike Albrecht,

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3. „Stand von Wissenschaft und Technik“

h öchstes technisches Anforderungsniveau Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach anerkannten Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung (der jeweils h.M.) zum Schutz von Gefahren und zur Vorsorge gegen Risiken für die Umwelt und den Menschen erforderlich sind. Bsp.: § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG Konkretisiert werden diese unbestimmten Rechtsbegriffe durch zahlreiche Umweltstandards in privaten Regelwerken, wie z.B. DIN-Normen oder VDI-Regeln.

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IV. Umweltrecht als „Querschnittsrecht“

Umweltrecht ist zum größten Teil öffentliches Recht, aber Fallgestaltungen mit Bezügen zu allen Rechtsgebieten möglich

Bsp.: A-GmbH betreibt auf einem von der B AG gepachteten Gelände ein Tanklager. Nach Ende der Pachtzeit und Beendigung des Tanklagerbetriebs stellt die B AG fest, dass auf dem Grundstück erhebliche Kontaminationen vorliegen.

Privatrecht: Ansprüche aus Mietvertrag (Schadensersatz wegen Verunreinigung des Grundstücks nach §§ 535 ff, 280; beachte aber: §§ 538 (vertragsgemäßer Gebrauch) und § 548 (kurze Verjährung) sowie aus § 24 Abs. 2 BBodSchG Öffentliches Recht: Untersuchungs- und Sanierungsanordnung nach § 17 BImSchG oder §§ 9, 10 i.V.m. § 4 BBodSchG bzw. Wasserrecht Strafrecht: § 324a StGB bzw. § 324 StGB bei Gewässerverunreinigung

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I. Völkerrecht

regelt die Beziehungen zwischen Staaten bzw. zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder internationalen Organisationen untereinander Einzelpersonen werden grds. weder verpflichtet noch berechtigt

1. Völkervertragsrecht

werden zw. mind. zwei Staaten abgeschlossen, binden nur die beteiligten Staaten z.B. Klimarahmenkonvention v. 09.05.1992 mit Zusatzprotokoll (Kyoto-Protokoll) v. 11.12.1997

Kritik: selten ausr . konkret, Geltungsbereich beschränkt, zwangsweise Durchsetzung möglich, aber praktisch nicht relevant (außer Verletzung von Atomabkommen)

2. Völkergewohnheitsrecht

e ntsteht durch langjährige allgemeine Übung (gefestigte Staatenpraxis – „

consuetudo

“) und die Überzeugung der beteiligten Kreise, dass eine Pflicht zur Beachtung der dieser Übung zugrunde liegenden Verfahrensregel besteht („

opinio juris

“) z.B. Gebot der fairen und natürlichen Aufteilung natürlicher Ressourcen Kritik: nicht bei schnell lösungsbedürftigen Problemen -

3. „soft law“

Entschließungen, Deklarationen, Empfehlungen, Beschlüsse der internat. Organisationen nicht rechtsverbindlich, Vorbereitungs- und Appellfunktion Prof. Dr. Eike Albrecht,

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II. Europäisches Umweltrecht (Recht der Europäischen Union) 1. Primäres Unionsrecht

Vorschriften in den Gründungsverträgen der EU und den Änderungsverträgen Vertrag über die Europäische Union (EUV): Art. 6 EUV i.V.m. Art. 37 GR-Charta: hohes Umweltschutzniveau und Verbesserung der Umweltqualität als Bestandteil der Unionspolitik Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV): Art. 191 ff. AEUV enthalten umweltpolitische Ziele und Grundprinzipien ähnlich dem deutschen Recht -

2. Sekundäres Unionsrecht

von Organen der EU erlassene Rechtsakte,

Art. 288 AEUV a) Verordnungen:

verbindlich für jeden Mitgliedstaat (MS) und jeden Unionsbürger; z.B. Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 v. 14.06.2006 über die Verbringung von Abfällen

b) Richtlinien:

verbindlich für MS und Unionsbürger erst nach Umsetzung ins nationale Recht, verbindlich sind nur die vorgegebenen Ziele, über Form und Mittel zu deren Erreichung entscheidet jeder MS selbst; z.B. Umwelthaftungsrechtlinie v. 21.04.2004

c) Beschlüsse:

auf den Einzelfall bezogen, verbindlich für MS und Unionsbürger

d) Empfehlungen und Stellungnahmen:

unverbindlich Prof. Dr. Eike Albrecht,

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15 III. Deutsches Verfassungsrecht

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1. Art. 20a GG

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere […].“

Staatszielbestimmung, d.h. die Staatsgewalten sind verpflichtet ihr Handeln an den Zielvorgaben auszurichten, aber ohne Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen -

2. Gesetzgebungskompetenzen im Umweltrecht grds . sind die Länder gesetzgebungsbefugt

, es sei denn das GG verleiht dem Bund die Kompetenz, Art. 70 Abs. 1 GG

Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz

Art. 71 GG: grds. ist allein der Bund befugt, Gesetze zu erlassen, Katalog des Art. 73 GG, z.B. Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG Atomrecht

Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz

Art. 72 GG: Der Bund kann für die in Art. 74 GG genannten Materien Gesetze erlassen; bleibt der Bund untätig, können die Länder eigene Regelungen schaffen, z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung, Nr. 29 Naturschutz- und Landschaftspflege, Nr. 32 Wasserhaushalt

Abweichungsgesetzgebung und

nach Art. 72 Abs. 3 GG als Ausnahme zur konk. Kompetenz. Bund Länder können Regelungen erlassen, es gilt das zeitlich jüngere Gesetz Prof. Dr. Eike Albrecht,

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TEUERUNG UMWELTRELEVANTEN

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I. Grundprinzipien im Umweltrecht

p rägen das gesamte Umweltrecht Rechtsverbindlichkeit erst nach einfachgesetzlicher Fixierung -

1. Vorsorgeprinzip

b ereits das Entstehen von Umweltgefahren und Umweltschäden soll soweit wie möglich vermieden werden, z.B. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG Primäres Ziel: Emissionsvermeidung -

2. Verursacherprinzip

Derjenige, dem eine Umweltbeeinträchtigung/ -gefahr zuzurechnen ist/wäre, soll für deren Beseitigung, Verminderung, Ausgleich, Verhinderung herangezogen werden, z.B. § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG Gegenstück: Gemeinlastprinzip (Allgemeinheit trägt die Kosten für die Vermeidung von Umweltgefahren bzw. Beseitigung von Umweltschäden) -

3. Kooperationsprinzip

Umweltschutz ist nicht nur Aufgabe des Staates, sondern soll durch ein Zusammenwirken aller gesellschaftlicher Kräfte realisiert werden z.B. Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren § 10 BImSchG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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II. Umweltpolitische Instrumente 1. Planungen

Vorbeugendes/vorsorgendes Instrument, unmittelbar Ausdruck des Vorsorgeprinzips

a) Umweltprogramme:

Allgemeinste Form der Planung, künftige Umweltpolitik der jeweiligen Bundesregierung wird dargestellt

b) Gesamtplanungen:

auf best. räumliches Gebiet bezogen, Umweltschutz nicht primäres Ziel findet aber Berücksichtigung, z.B. Raumordnungsplan, Bebauungsplan

c) d) Umweltspezifische Fachplanungen:

Umweltschutz ist vorrangiges Planungsziel, z.B. Abfallwirtschaftsplanung, Landschaftsplanung nach BNatSchG

Schutzgebiets- und Schutzobjektsausweisungen:

Planung im weiteren Sinne, zusätzliche Verhaltensanforderungen für bes. schutzwürdige/schutzbedürftige Bereiche -

2. Instrumente direkter Verhaltenssteuerung

Rechtsnorm oder behördliche Maßnahmen verlangen zwingend Tun, Dulden oder Unterlassen • • Gesetzliche Gebote und Verbote, z.B. § 23 Abs. 2 BNatSchG Anzeige- und Anmeldepflichten, z.B. § 15 Abs.1 S. 1 BImSchG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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• • • • • Auskunftspflichten, z.B. § 27 BImSchG Erlaubnisvorbehalte Pflichten zur Pflege, Erhaltung, Bewirtschaftung result. aus Eigentum oder Besitz, z.B. § 6 WHG Naturalleistungspflichten oder Geldleistungspflichten für die Verursacher von Beeinträchtigungen, z.B. § 15 Abs. 2 BNatSchG Behördliche Anordnungen, z.B. § 17 BImSchG -

3. Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung

Lassen dem Beteiligten die Wahl, versuchen aber diese zugunsten der umweltschonenderen Maßnahme zu beeinflussen • Informationen, Warnungen, Appelle, Empfehlungen von Behörden • Subventionen • • Umweltabgaben Umweltzertifikate • • Umweltabsprachen Haftungsregelungen (z.B. § 1 i.V.m § 6 UmweltHG)

4. Umweltverträglichkeitsprüfung und Strategische Umweltprüfung

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19 I. Umweltinformationsrecht

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1. Internationales Recht

Aarhus Konvention -

2. EU-Recht

Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, Abl. EG L 158, S. 56, abgelöst durch Richtlinie 2003/4/EG (ABl. L Nr. 41 vom 14. Februar 2003, S. 26) zur Umsetzung der Aarhus Konvention

3. Bundesrecht

UIG vom 8. Juli 1994 (BGBl. I, S. 1490) mit folgendem Geltungsbereich: Auskunftsanspruch gegenüber Behörden des Bundes als auch der Länder In Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG wurde das neue UIG erlassen (Inkrafttreten: 14. Februar 2005) mit folgendem Geltungsbereich: Auskunftsanspruch gegenüber informationspflichtigen Stellen des Bundes und bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts Ansprüche gegen Länderbehörden durch Landesrecht, oder, wo nicht existierend, durch Direktanwendung der o.g. Richtlinie. Prof. Dr. Eike Albrecht,

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4. Landesrecht

Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG ) vom 26. März 2007 (GVBl. I/07, S. 74; geänd. durch G vom 19. Dezember 2008, GVBl. I/08, S. 369) -

5. Bedeutung, Inhalt und Zweck

Traditionell im deutschen Recht Grundsatz der Beteiligung der Verfahrensbeteiligten (  akzessorischen Charakter); ansonsten Arkankultur UIG Informationsanspruch ist ein echter materieller Anspruch, der unabhängig von einem Verwaltungsverfahrens Zentrale Vorschrift ist § 3 Abs. 1 UIG: Anspruch von jedermann Ohne besonderes rechtliches Interesse selbstständig einklagbar Anspruchsgegner: informationspflichtigen Stellen, Behörden (und zwar alle Behörden, § 2 UIG, und nicht nur spezifisch umweltorientierte Behörden Prof. Dr. Eike Albrecht,

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5. Bedeutung, Inhalt und Zweck (Forts.)

für die Bundesbehörden gilt das UIG des Bundes, für die Landesbehörden das jeweilige Landes UIG. Anspruch auf umweltrelevante Information, nicht alle Informationen.

Übermittlung in verschiedener Form möglich Angemessene, aber den Anspruch nicht vereitelnde Gebühren sind möglich Kein Anspruch in bestimmten Fällen: Rechtsmissbräuchliches Informationsverlangen (z.B. schikanöse Anfragen, § 8 Abs. 2 UIG) Auskünfte aus einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren (§ 8 Abs. 1 UIG) Bei Betriebs und Geschäftsgeheimnisse, Patentinformationen oder Personendaten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes ( § 9 UIG) Prof. Dr. Eike Albrecht,

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22 II. Umweltverträglichkeitsprüfung und Strategische Umweltprüfung

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1. Internationales Recht

Grundsatz 17 der Rio Deklaration vom 14.06.1992 und Art. 14 Abs. 1 Biodiversitätskonvention vom 05.06.1992

Espoo Konvention über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im grenzüberschreitenden Rahmen vom 25.02.1991

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2. EU-Recht

UVP: Richtlinie 85/337/EWG vom 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten; aktueller Stand durch Richtlinie 2011/92/EU vom 13.12.2011

SUP: EG Richtlinie (2001/42/EG) vom 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme -

3. Bundesrecht

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.2010 (BGBl. I S. 94), das durch Artikel 6 des Gesetzes vom 08.04.2013 (BGBl . I S. 734) geändert worden ist – Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) Strategische Umweltprüfung für B-Pläne eingeführt ins Baugesetzbuch (BauGB) durch das EAG-Bau

4. Landesrecht

Zum Teil Regelungen zu weiteren, der UVP unterfallenden, Anlagen und Vorhaben Prof. Dr. Eike Albrecht,

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23 5. Bedeutung, Inhalt und Zweck

Die UVP ist ein gesetzlich vorgesehenes, systematisches Prüfungsverfahren, Zur Feststellung, Beschreibung und Bewertung unmittelbarer und mittelbarer Auswirkungen auf die Umwelt von Vorhaben ab einer bestimmten Größenordnung oder Bedeutung im Vorfeld der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens als unselbstständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren Die SUP auch „Plan-Umweltprüfung“ systematische Prüfung von (gesetzlich vorgeschriebenen) Plänen und Programmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen (positiv, wie negativ) auf die Umwelt bei Verwirklichung der Planungen Hintergrund: bestimmte planerische Vorfestlegungen können bei projektbezogener UVP nicht mehr geprüft werden; auch Alternativenprüfung meist nicht mehr möglich in der Projektphase Anwendungsfälle sind Regionalentwicklungspläne, Bauleitpläne, Lärmminderungspläne, Luftreinhaltepläne, Abfallwirtschaftspläne, etc.

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III. Umweltrechtsbehelfe

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1. Internationales Recht

Aarhus Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-making and Access to Justice in Environmental Matters vom 25.06.1998

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2. EU-Recht

Richtlinie 2003/35/EG vom 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten -

3. Bundesrecht

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.04.2013 (BGBl. I S. 753 Prof. Dr. Eike Albrecht,

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4. Bedeutung, Inhalt und Zweck

erstmalig Einführung der Verbandsklage in größerem Rahmen in das deutsche Verwaltungsprozessrecht Ausnahme zum Grundsatz des Individualrechtsschutzes Gilt für bestimmt umweltrechtliche Entscheidungen und Genehmigungen Klagerecht für anerkannte Verbände Inhaltlich: Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheides rügen, insbesondere, dass Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen wäre EuGH Entscheidung vom 12.05.2011 (sog. „Trianel-Entscheidung“), dass der frühere § 2 UmwRG gegen EU Recht verstieß Prof. Dr. Eike Albrecht,

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26 IV. Umweltschadensrecht

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1. Internationales Recht

Weltraumhaftungsübereinkommens vom 29. März 1972 -

2. EU-Recht

Richtlinie 2004/35/EG vom 21.04.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden

3. Bundesrecht

Umweltschadensgesetz vom 10.05.2007 (BGBl. I S. 666), das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20.04.2013 (BGBl . I S. 831) geändert worden ist -

4. Bedeutung, Inhalt und Zweck

einheitliche Anforderungen für die Sanierung von unfallbedingten Umweltschäden, neuartiges öffentlich-rechtliches Haftungskonzept für Schäden an Biodiversität, Gewässern und Boden Auch Ersatz von sog. Ökoschäden Schwierigkeiten bei der Bemessung der Schadenhöhe Prof. Dr. Eike Albrecht,

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EWÄSSERSCHUTZRECHT

I. Rechtsgrundlagen

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1. Internationales Recht

zahlreiche völkerrechtliche Verträge und Abkommen seit 1982 z.B. Schutz der Meere erstmals kodifiziert im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982

z.B. Übereinkommen zum Schutz grenzüberschreitender Flüsse, z.B. Übereinkommen über die internationale Kommission zum Schutz der Elbe vom 08.10.1990

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2. EU-Recht

zahlreiche Richtlinien, die entweder Qualitätsanforderungen an das Wasser für bestimmte Nutzungsarten festlegen (z.B. die sog. Trinkwasserrichtlinie 98/83/EG vom 03.11.1998, sog. Badegewässerrichtlinie 76/160/EWG vom 15.02.2006) oder den Schutz von Gewässern vor Ableitungen gefährlicher Stoffe bezwecken (z.B. Grundwasserschutzrichtlinie 80/68/EWG vom 17.12.1979, Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG vom 23.10.2000) Prof. Dr. Eike Albrecht,

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EWÄSSERSCHUTZRECHT

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3. Bundesrecht

Wasserhaushaltsgesetz des Bundes vom 31.07.2009 (WHG) daneben bestehen Spezialgesetze z.B. Grundwasserverordnung, Abwasserverordnung, Abwasserabgabengesetz, Wasch- und Reinigungsmittelgesetz -

4. Landesrecht

Wasserhaushalt unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 32 GG, von der der Bund durch Erlass des WHG Gebrauch gemacht hat Abweichungskompetenz der Länder gemäß Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG (außer bei stoff- und anlagenbezogenen Regelungen), Landeswassergesetze sind daher ebenfalls zu berücksichtigen w asserrechtliche Gebiete, die nicht zum Wasserhaushalt gehören, fallen gemäß Art. 70 Abs. 1 GG in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder, z.B. wasserrechtliches Nachbarrecht, verkehrs und wegerechtliche Bestimmungen für Gewässer (ausgenommen Bundeswasserstraßen) Prof. Dr. Eike Albrecht,

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II. Geltungsbereich und Zielsetzung

Das WHG gilt für folgende Gewässer und Teile dieser Gewässer: oberirdische Gewässer (stehend und fließend), Küstengewässer, Grundwasser (Legaldefinitionen in § 3 WHG) Ziel des WHG ist es, Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als nutzbares Gut zu schützen, § 1 WHG Mittel zur Zweckerreichung: N achhaltige Gewässerbewirtschaftung -

III. Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung 1. Allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung in § 6 WHG

Beispielhafte Aufzählung zur Konkretisierung der nachhaltigen Gewässerbewirtschaftung in § 6 Abs. 1 WHG, z.B. Nutzungsmöglichkeiten insbes. für die öffentliche Wasserversorgung erhalten und schaffen (Nr. 4), Gewässer sind so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit dienen und nur im Einklang mit diesem auch den Interessen Einzelner (Nr. 3), vermeidbare Beeinträchtigungen haben zu unterbleiben (Nr. 1) Adressat der Grundsätze (GS) ist der Staat/Verwaltung: • • • daraus ergibt sich ein staatlicher Bewirtschaftungsauftrag GS sind Leitlinien für die Auslegung und Anwendung aller Regelungen des WHG GS lenken das Bewirtschaftungsermessen im Planungs- und Genehmigungsverfahren Prof. Dr. Eike Albrecht,

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2. Allgemeine Sorgfaltspflichten aus § 5 WHG

richten sich an jedermann vor allem im Bereich der genehmigungsfreien Benutzungen relevant -

3. Grundsatz der öffentlichen Wasserversorgung aus § 50 WHG

Versorgung der Bevölkerung mit Wasser ist die wichtigste Nutzung der Gewässer und Aufgabe der Daseinsvorsorge Wasserbedarf der Bevölkerung ist grds. aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken (anders bei nicht ausreichender Menge/Güte oder unverhältnismäßigem Aufwand der Gewinnung), § 50 Abs. 2 WHG Gebot des sorgsamen Umgangs mit Wasser, um Wasserverschwendung zu vermeiden, § 50 Abs. 3 WHG -

4. Gewässereigentum und öffentlich rechtliche Benutzungsordnung gemäß § 4 WHG

Eigentümer der Bundeswasserstraßen ist der Bund gemäß § 4 Abs. 1 WHG abgesehen von Bundeswasserstraßen ist das Wasser eines fließenden oberirdischen Gewässers und Grundwasser sind nicht eigentumsfähig, § 4 Abs. 2 WHG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Für die übrigen Gewässer regeln die Landesgesetze die Eigentumsverhältnisse Ausübung des privaten Gewässereigentums stark eingeschränkt, weil die Gewässernutzung einer öffentlich rechtlichen Benutzungsordnung unterworfen ist: Gewässereigentum berechtigt nicht zu einer zulassungspflichtigen Gewässerbenutzung oder zum Gewässerausbau, § 4 Abs. 3 WHG Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Gewässers haben die Nutzung durch einen Dritten zu dulden, wenn diese zulassungsfrei ist oder der Nutzer eine Erlaubnis/Bewilligung vorweisen kann, § 4 Abs. 4 WHG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Flussgebietseinheiten in Deutschland 1.

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10.

Kartenquelle: wikipedia.de und mygeo.info

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IV. Wasserrechtliche Instrumentarien 1. Wasserwirtschaftliche Planung

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a) Maßnahmenprogramm § 82 WHG

Darstellung der Maßnahmen zum Erreichen der Bewirtschaftungsziele gemäß § 27 WHG für oberirdische Gewässer, § 44 WHG für Küstengewässer und § 47 Abs. 1 WHG für Grundwasser g esondert für jede Flussgebietseinheit zu erstellen (§ 7 WHG und Karte in Anlage 2 zum WHG) Ermessensleitende Funktion im Rahmen des behördlichen Genehmigungsverfahrens -

b) Bewirtschaftungsplan § 83 WHG

g esondert für jede Flussgebietseinheit Alle Daten, die die Gewässer beschreiben werden aufgeführt, z.B. Merkmale der Gewässer, Analyse des derzeitigen Wassergebrauchs, Schutzgebiete im Einzugsgebiet, Bewirtschaftungsziele und Maßnahmen des Maßnahmenprogramms -> Informationsgrundlage der Bewirtschaftung -

c) Risikomanagementplan § 75 WHG

s pezielles Planungsinstrument für den Hochwasserschutz Festlegung von Risikogebieten zur Vorbeugung gegen negative Folgen durch Binnen- und Küstenhochwasser Prof. Dr. Eike Albrecht,

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2. Wasserrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß §§ 8 ff. WHG

Bewirtschaftung und Benutzung der Gewässer im Rahmen einer öffentlich rechtlichen Benutzungsordnung Eröffnungskontrolle, d.h. grds. werden Gewässerbenutzungen als potenziell umweltgefährdend eingestuft und daher mit einem Verbot belegt, von dem im Ausnahmefall eine Befreiung in Form einer behördlichen Genehmigung erteilt werden kann -

a) Feststellen der Genehmigungsbedürftigkeit § 8 Abs. 1 WHG

: jede Benutzung eines Gewässers bedarf der Erlaubnis oder Bewilligung, es sei denn WHG oder eine aufgrund des WHG erlassene Vorschrift bestimmt etwas anderes Voraussetzungen der Genehmigungsbedürftigkeit: Gewässer i.S.d. WHG: §§ 2, 3 WHG Benutzung i.S.d. WHG: § 9 WHG k ein Ausschluss der Genehmigungsbedürftigkeit: § 8 Abs. 2, 3, §§ 20, 25, 26, 43, 46 WHG Ergebnis der Prüfung: Vorhaben bedarf der Erlaubnis/ Bewilligung oder ist genehmigungsfrei Prof. Dr. Eike Albrecht,

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aa) Benutzung eines Gewässers gemäß § 9 WHG

sog. echte Benutzungen aufgelistet in § 9 Abs. 1 WHG das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, das Aufstauen und Absenken von oberirdischen Gewässern, das Entnehmen fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern, soweit sich dies auf die Gewässereigenschaften auswirkt, das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Gewässer, das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser.

sog. unechte Benutzungen aufgelistet in § 9 Abs. 2 WHG das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch Anlagen, die hierfür bestimmt oder geeignet sind Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen.

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bb) Kein Ausschluss der Genehmigungsbedürftigkeit § 8 Abs. 2 WHG

: Benutzung dient der

Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr

für die öffentliche Sicherheit und der drohende Schaden wiegt schwerer als zu erwartende negative Gewässerveränderungen

§ 8 Abs. 3 WHG

: dort genannte Benutzungen im Rahmen von

Übungen und Erprobungen zur Abwehr von Gefahren

für die öffentliche Sicherheit oder zum Zwecke der

Verteidigung § 20 WHG

:

Fortgeltung von Genehmigungen/Befugnissen

, die nach älteren Fassungen des WHG ergangen sind

§ 25 WHG Gemeingebrauch

: betrifft nur oberirdische Gewässer, Landesgesetze bestimmen traditionell minder bedeutsame Arten der Nutzung, die genehmigungsfrei sein sollen, z.B. Baden, Tauchen mit Atemgerät, Viehtränken, Einbringen von Stoffen zur Fischerei

§ 26 WHG Eigentümer- und Anliegergebrauch

: unter den engen Vor. des § 26 WHG genehmigungsfreie Nutzung durch den Eigentümer oder Anlieger für den eigenen Bedarf

§ 43 WHG

Erlaubnisfreie Benutzung von Küstengewässern

§ 46 WHG

Erlaubnisfreie Benutzung des Grundwassers Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Beispielfall

Unternehmer A betreibt eine Fabrik und hat auf seinem Betriebsgelände einen Tiefbrunnen zur Grundwasserförderung. Dafür hatte er seinerzeit eine wasserrechtliche Genehmigung erhalten. Nun plant A eine Betriebserweiterung, wofür die Leistungsfähigkeit des Brunnens nicht mehr ausreichend ist. Deshalb möchte A den Brunnen vertiefen, um so die doppelte Menge an Grundwasser fördern zu können. Muss A für die Erweiterung eine wasserrechtliche Genehmigung bei der zuständigen Behörde beantragen?

Kurzlösung I. Rechtsgrundlage

für die Genehmigungsbedürftigkeit ist § 8 Abs. 1 WHG

II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Gewässer

: gemäß § 2 Abs. 1 WHG, hier Grundwasser § 2 Abs. 1 Nr. 3 WHG, Gewässer (+)

2. Benutzung

gemäß § 9 WHG: Entnehmen von Grundwasser § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG, Benutzung (+) Prof. Dr. Eike Albrecht,

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3. Kein Ausschluss der Genehmigungsbedürftigkeit

für § 8 Abs. 2 und § 8 Abs. 3 WHG gibt es keine Anhaltspunkte § 20 WHG gilt lediglich für den vorhandenen Brunnen, nicht für die Erweiterung §§ 25, 26 WHG scheiden aus, weil sie sich ausschließlich auf oberirdische Gewässer beziehen § 43 WHG scheidet ebenfalls aus, weil er sich ausschließlich auf Küstengewässer bezieht § 46 WHG: Entnehmen von Grundwasser (+) Für den Haushalt (-) Für den Hofbetrieb (-) Vieh tränken außerhalb des Hofbetriebes (-) = § 46 WHG ist nicht einschlägig Kein Ausschlusstatbestand einschlägig

III. Ergebnis

Die Betriebserweiterung ist eine wasserrechtlich genehmigungsbedürftige Benutzung. A muss vor der Vertiefung des Brunnens und der Verdopplung der Grundwasserförderung eine wasserrechtliche Genehmigung einholen. Prof. Dr. Eike Albrecht,

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39 Lösung

Fraglich ist, ob A vor der geplanten Betriebserweiterung eine wasserrechtliche Genehmigung bei der zuständigen Behörde beantragen muss. Rechtsgrundlage für die Genehmigungsbedürftigkeit ist § 8 Abs. 1 WHG. Danach ist eine Genehmigung einzuholen, wenn die Benutzung eines Gewässers vorliegt und die Genehmigungsbedürftigkeit nicht durch das WHG oder eine Vorschrift, die aufgrund des WHG erlassen wurde, ausgeschlossen ist. Ob es sich um ein Gewässer im Sinne des WHG handelt, bestimmt sich nach § 2 WHG. In diesem Fall soll Grundwasser gefördert werden und das Grundwasser ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 WHG ein vom WHG erfasstes Gewässer. Weiterhin muss es sich um eine Benutzung im Sinne des § 9 WHG handeln. A möchte mit dem Tiefbrunnen Grundwasser fördern. Dabei handelt es sich um eine echte Benutzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG, weil Grundwasser entnommen wird. Zu prüfen ist außerdem, ob die Genehmigungsbedürftigkeit ausnahmsweise ausgeschlossen wurde. A plant die Betriebserweiterung nicht, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren, so dass § 8 Abs. 2 WHG nicht einschlägig ist. Auch handelt es sich nicht um eine Benutzung im Rahmen einer Übung oder Erprobung für Zwecke der Verteidigung oder Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, so dass auch § 8 Abs. 3 WHG nicht in Betracht kommt. A hat zwar eine wasserrechtliche Genehmigung für die bisherige Nutzung des Brunnens, da er aber eine Erweiterung beabsichtigt und die Menge des geförderten Grundwassers verdoppeln möchte, kann § 20 WHG nicht zur Anwendung kommen. Die Ausschlussgründe der §§ 25, 26 WHG sind Prof. Dr. Eike Albrecht,

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ebenfalls nicht einschlägig, weil sie nur für oberirdische Gewässer gelten und vorliegend das Grundwasser betroffen ist. Gleiches gilt für § 43 WHG, der ausschließlich für Küstengewässer gilt. Zum Tragen kommen könnte daher nur § 46 WHG, der speziell auf das Grundwasser zugeschnitten ist. Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes erfüllt sind. Das Entnehmen von Grundwasser ist als Handlungsform von § 46 Abs. 1 S. 1 WHG erfasst. Genehmigungsfrei wäre die Benutzung aber nur dann, wenn sie zu einem Zweck erfolgt, der in § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 WHG genannt ist. Die Benutzung erfolgt für gewerbliche Zwecke, also nicht für den Haushalt und nicht für das Tränken von Vieh. Auch handelt es sich nicht um einen landwirtschaftlichen Hofbetrieb. Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass A die Fördermenge nur vorübergehend verdoppeln möchte. Es handelt sich außerdem nicht um eine gewöhnliche Bodenentwässerung im Sinne des § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG. Die Voraussetzungen des § 46 WHG sind daher nicht gegeben, so dass eine Genehmigungsbefreiung nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt. Da auch kein anderer Ausschlussgrund einschlägig ist, muss A vor der geplanten Betriebserweiterung eine wasserrechtliche Genehmigung einholen. Prof. Dr. Eike Albrecht,

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41 b) Wasserrechtliche Genehmigungsarten Erlaubnis § 10 Abs. 1 1. Alt. WHG

gewährt eine Befugnis schwächere Rechtsposition Regelentscheidung unbefristet oder befristet Widerruf jederzeit, § 18 Abs. 1 WHG Verfahren in Landesgesetzen geregelt Voraussetzungen § 12 WHG grds. keine privatrechtsgestaltende Wirkung

Bewilligung § 10 Abs. 1 2. Alt. WHG

gewährt ein Recht stärkere Rechtsposition nur in best. Fällen zulässig § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 WHG befristet § 14 Abs. 2 WHG Widerruf nur unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 WHG (grds. Enschädigung) förmliches Verfahren §§ 11 Abs. 2, 14 WHG Voraussetzungen §§ 12, 14 WHG privatrechtsgestaltende Wirkung, § 16 Abs. 2, 3 WHG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Inhalts und Nebenbestimmungen gemäß § 13 WHG

oft kann eine Erlaubnis/Bewilligung nur mit Inhalts- oder Nebenbestimmungen erteilt werden präzisieren die Genehmigung kann auch nachträglich angeordnet werden b eispielhafte Aufzählung der möglichen Inhalts- und Nebenbestimmungen in § 13 Abs. 2 WHG grds. nicht separat angreifbar wer entgegen der Inhalts- und Nebenbestimmung handelt, wird gestellt, als ob er ohne Genehmigung handelt -

Gehobene Erlaubnis nach § 15 WHG

rechtlich zwischen Erlaubnis und Bewilligung einzuordnen s tärkere Absicherung gegen Abwehransprüche Dritter als bei der Erlaubnis, weil diese ihre Einwendungen bereits im Erteilungsverfahren vorbringen können, § 15 Abs. 2 i.V.m. §§ 11 Abs. 2, 14 Abs. 3-5, § 16 Abs. 1 WHG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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c) Materielle Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung

richtet sich nach §§ 12, 14 WHG 2 stufige Prüfung: Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolge -

aa) Im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen ist zu prüfen, ob zwingende Versagungsgrün de des § 12 Abs. 1 WHG vorliegen.

Sobald mindestens ein Versagungsgrund gegeben ist, kann die Genehmigung nicht erteilt werden.

§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG: Die Genehmigung ist zu versagen, wenn durch die Benutzung schädliche Gewässerveränderungen zu erwarten sind, die nicht durch Nebenbestimmungen verhindert oder ausgeglichen werden können.

schädliche Gewässerveränderungen: Definition in § 3 Nr. 10 WHG Veränderungen der Gewässereigenschaften, § 3 Nr. 7 WHG dadurch Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit insbes. der öffentlichen Wasserversorgung

ODER

Unvereinbarkeit mit den Anforderungen wasserrechtlicher Vorschriften zu erwarten nicht durch Nebenbestimmungen ( § 13 WHG) zu verhindern oder auszugleichen Prof. Dr. Eike Albrecht,

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§ 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG: Die Genehmigung ist zu versagen, wenn andere Anforderungen nach öffentlich rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werden.

Behörde überprüft nicht nur die Vereinbarkeit mit wasserrechtlichen Vorschriften, sondern z.B. auch mit immissionsschutzrechtlichen Vorschriften, solchen des Naturschutzrechts, des Bodenschutzrechts, des Abfallrechts, des Bauplanungsrechts etc. -

bb) Anforderungen des § 14 WHG

Anforderungen gelten nur für die Bewilligung (und über § 15 Abs. 2 WHG für die gehobene Erlaubnis), nicht für die Erlaubnis Prüfung im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen Bewilligung nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 WHG: Gewässerbenutzung ist dem Benutzer nicht ohne eine gesicherte Rechtsstellung zuzumuten und dient einem bestimmten Zweck, der nach einem bestimmten Plan verfolgt wird und keine Benutzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 WHG macht ein Dritter die Beeinträchtigung eines Rechts durch die Benutzung geltend, kann die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Beeinträchtigung dr. NB vermieden/ausgeglichen werden kann, § 14 Abs. 3 WHG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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macht ein Dritter eine Beeinträchtigung gemäß § 14 Abs. 4 WHG geltend, kann die Genehmigung nur erteilt werden, wenn sie durch NB verhindert/ausgeglichen wird -

cc) Bewirtschaftungsermessen

§ 12 Abs. 2 WHG: „Im übrigen steht die Erteilung der Erlaubnis und der Bewilligung im pflichtgemäßen Ermessen (Bewirtschaftungsermessen) der zuständigen Behörde.“ Entscheidungsspielraum der Behörde – Zweckmäßigkeitserwägungen kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis/Bewilligung, sondern Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung Bewirtschaftungsermessen wird durch die Allgemeinen Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung ( §§ 1, 6 WHG), die Bewirtschaftungsziele (§§ 27, 44, 47 WHG) und die Vorgaben in den Maßnahmenprogrammen geleitet Prof. Dr. Eike Albrecht,

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46 Prüfungsschema: Rechtmäßigkeit einer wasserrechtlichen Erlaubnis/Bewilligung I. Anspruchsgrundlage § 12 WHG II. Formelle Rechtmäßigkeit

1. Zuständigkeit der Behörde 2. Verfahren 3. Form

III. Materielle Rechtmäßigkeit

1. Tatbestandsvoraussetzungen a) Genehmigungsbedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 1 WHG (siehe Folien 20-22) b) Keine zwingenden Versagungsgründe gemäß § 12 Abs. 1 WHG (siehe Folien 29-30) c) zusätzliche Anforderungen für die Bewilligung gemäß § 14 WHG (siehe Folien 30-31) 2. Rechtsfolge § 12 Abs. 2 WHG Ermessensfehlerfreie Ausübung des Bewirtschaftungsermessens Prof. Dr. Eike Albrecht,

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3. Die Gewässeraufsicht gemäß §§ 100 ff. WHG

Aufgabe der Gewässeraufsicht ist die Überwachung der Gewässer und der Einhaltung der wasserrechtlichen Vorschriften (Bundes- und Landesrecht), § 100 Abs. 1 S. 1 WHG d azu u.a. Überprüfung von wasserrechtlichen Zulassungen in regelmäßigen Abständen und aus besonderem Anlass und ggf. Anpassung, § 100 Abs. 2 WHG z uständige Behörde entscheidet im Einzelfall über Maßnahmen die erforderlich sind, um die o.g. Aufgaben zu erfüllen oder um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu verhindern bzw. zu beseitigen, § 100 Abs. 1 S. 2 WHG – Ermessensentscheidung § 101 Abs. 1 S. 1 WHG benennt die Befugnisse der zuständigen Behörde im Rahmen der Gewässeraufsicht der Gewässeraufsicht unterworfen sind auch Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, § 101 Abs. 2 WHG Ergänzende Vorschriften finden sich in den Landeswassergesetzen Neben der behördlicher Gewässeraufsicht gibt es die betriebliche Eigenüberwachung z.B. durch die Bestellung eines Gewässerschutzbeauftragten (§§ 64-66 WHG). Prof. Dr. Eike Albrecht,

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48 4. Andere wasserrechtliche Instrumente (Auswahl) a) Anlagenzulassung

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aa) Anlagen an, in, über, unter oberirdischen Gewässern

§ 36 WHG legt fest, dass bauliche Anlagen, Leitungsanlagen und Fähren so zu errichten und zu betreiben sind, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind. Genehmigungspflicht nicht bundeseinheitlich, aber in den Landeswassergesetzen -

bb) Rohrleitungen zum Befördern von Flüssigkeiten und Gasen

a llgemeine Sorgfaltsanforderungen gemäß §§ 32 Abs. 2 S. 2, 45 Abs. 2 S. 2, 48 Abs. 2 S. 2 WHG Transport darf nicht zu nachteiligen Veränderungen der Wasserbeschaffenheit führen

cc) Abwasseranlagen

Abwasseranlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die Anforderungen an die Abwasserbeseitigung eingehalten werden ( §§ 54 ff. WHG) Genehmigungspflicht für Abwasserbehandlungsanlagen in § 60 Abs. 3 WHG, sofern UVP-pflichtig -

dd) Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gemäß § 62 WHG

Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften nicht zu besorgen ist Eignungsfeststellung durch die Behörde für sog. LAU-Anlagen, § 63 WHG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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b) Schutzgebietsausweisungen

Die Ausweisung von Wasserschutzgebieten gemäß §§ 51 ff. WHG dient dazu, besonders schutzbedürftige Gebiete (Trinkwasser) strengeren Gewässerschutzanforderungen zu unterstellen – Präventivkontrolle. Ausweisung durch Rechtsverordnung des Landes z.B. Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes Teltow vom 02.12.2008

Voraussetzung für die Ausweisung: Erforderlichkeit für das Allgemeinwohl (Abwägung, Schutzwürdigkeit – Schutzbedürftigkeit – Schutzfähigkeit) und Verfolgung eines der in § 51 Abs. 1 Nr. 1-3 WHG genannten Ziele Schutzgebietsausweisung ist räumlich begrenzt und i.d.R. Unterteilung in Zonen, für die unterschiedliche Schutzanordnungen gelten m ögliche Schutzanordnungen genannt in § 52 Abs. 1 WHG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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50 c) Abgabenrechtliche Regelungen aa) Abwasserabgabenrecht

Für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1-3 WHG wird eine Abwasserabgabe erhoben, § 1 S. 1 Abwasserabgabengesetz (AbwAG).

Instrument der indirekten Verhaltenssteuerung – Abwassereinleiter sollen durch die finanzielle Belastung dazu gebracht werden, über Alternativen zur Abwassereinleitung nachzudenken, z.B. die Entwicklung abwasserarmer Produktionsverfahren Definitionen der Begriffe Abwasser und Einleiten in § 2 Abs. 1, 2 AbwAG abgabenpflichtig sind nur Direkteinleiter, z.B. Kommunen, Wasserverbände, industrielle Großeinleiter, nicht hingegen Indirekteinleiter, die an die Kanalisation angeschlossen sind, z.B. private Haushalte Abgabenhöhe bemisst sich nach der Schädlichkeit des Abwassers (Menge und Schadstoffgehalt), § 3 Abs. 1 S. 1 AbwAG

bb) Grund und Oberflächenwasserentnahmeentgelte

In den meisten Ländern bestehen Gesetze, die Entgelte für die Grund- und Oberflächenwasser entnahme festlegen, z. B. § 40 ff. BbgWG. Prof. Dr. Eike Albrecht,

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51 Gliederung

I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. Aufgaben des Immissionsschutzrechts Rechtsgrundlagen Das BImSchG: Ziele und Regelungsbereiche Die anlagenbezogene Genehmigung des § 6 BImSchG 1. Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage 2. 3. Der Ablauf des Genehmigungsverfahrens Materielle Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung 4. 5. Rechtswirkungen der (Voll-)Genehmigung Prüfungsschema: Rechtmäßigkeit einer Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG Weitere Genehmigungsformen und deren Rechtswirkungen Nachträgliche Entscheidungen zur Durchsetzung der dynamischen Betreiberpflichten Überwachungsmaßnahmen Nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen Änderungen durch die Umsetzung der Industrieemissions-Richtlinie Prof. Dr. Eike Albrecht,

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52 I. Aufgaben des Immissionsschutzrechts

Primäre Aufgaben des Immissionsschutzrechts sind Luftreinhaltung und Lärmschutz. -

II. Rechtsgrundlagen

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1. Internationales Recht

b esondere Bedeutung aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters der Luftverunreinigungen z.B. Klimarahmenkonvention vom 09.05.1992 mit Zusatzprotokoll (Kyoto-Protokoll) vom 11.12.1997 (konkrete Reduzierungsverpflichtungen für die sechs wichtigsten Treibhausgase; 2. Verpflichtungsperiode von 2013-2020) -

2. EU-Recht

zahlreiche Bestimmungen, in erster Linie Richtlinien (Art. 288 AEUV) quellenbezogene Richtlinien für Kraftfahrzeuge und Industrieanlagen, z.B. Richtlinie über Industrieemissionen (IE Richtlinie) 2010/75/EU vom 24.11.2010 (zentrales europäisches Regelwerk über die Zulassung von Industrieanlagen, Umsetzungsfrist 2 Jahre) quellenunabhängige Richtlinien, z.B. Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG vom 21.05.2008 Prof. Dr. Eike Albrecht,

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3. Bundesrecht

bedeutendste Rechtsgrundlage auf Bundesebene : Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) BImSchG wird durch Rechtsverordnungen (z.B. 4. BImSchV über genehmigungsbedürftige Anlagen) und Verwaltungsvorschriften (z.B. TA-Luft, TA Lärm) ergänzt daneben weitere Spezialgesetze (z.B. Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz) und zahlreiche Bestimmungen in Gesetzen, die nicht primär dem Immissionsschutz dienen (z.B. § 9 Abs. 1 Nr. 23, 24 BauGB)

4. Landesrecht

Bund hat die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz in den meisten Bereichen des Immissionsschutzes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 21 24 GG) und hat davon umfänglich Gebrauch gemacht Länder können Regelungen erlassen zum sog. verhaltensbezogenen Immissionsschutz zum Schutz gegen Immissionen, die von Menschen, Tieren oder Pflanzen unmittelbar ausgehen und in keinem inneren Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen, Fahrzeugen oder Verkehrswegen stehen, z.B. Verbrennen von Gartenabfällen, Benutzen von Musikinstrumenten, Hundegebell Prof. Dr. Eike Albrecht,

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III. BImSchG: Ziele und Regelungsbereiche

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1. Ziele

§ 1 BImSchG benennt die Zwecke des BImSchG: Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen auch Schutz vor schweren Unfällen und Störfällen Schutzgüter des BImSchG: der Mensch, Tiere, Pflanzen, der Boden, das Wasser, die Atmosphäre (inkl. Klima), Kultur und sonstige Sachgüter • • • • •

2. Regelungsbereiche

anlagenbezogener Immissionsschutz §§ 4 ff. BImSchG produktbezogener Immissionsschutz §§ 32 ff. BImSchG verkehrsbezogener Immissionsschutz §§ 38 ff. BImSchG gebietsbezogene Luftreinhaltung §§ 44 ff. BImSchG gebietsbezogener Lärmschutz §§ 47a ff. BImSchG Prof. Dr. Eike Albrecht,

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IV. Die anlagenbezogene Genehmigung des § 6 BImSchG

Eröffnungskontrolle, präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt -

1. Genehmigungsbedürftigkeit

Anlage gemäß § 3 Abs. 5 BImSchG Anlage im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG; über § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG wird in der 4. BImSchV verbindlich und abschließend festgelegt, welche Anlagen solche des § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG sind § 1 4. BImSchV bestimmt, dass: es sich um die die Anlage im

Errichtung Anhang

oder den

Betrieb

der 4. BImSchV einer Anlage handeln muss aufgeführt ist zu erwarten, dass die Anlage

länger als die 12 Monate

, die auf ihre Inbetriebnahme folgen

an demselben Ort

betrieben wird

NUR

bei den in § 1 Abs. 1 S. 3 4. BImSchV genannten Anlagen: Anlage dient der gewerbliche Nutzung oder wird im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen verwendet Prof. Dr. Eike Albrecht,

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-

2. Der Ablauf des Genehmigungsverfahrens

2 Genehmigungsverfahren: förmliches Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG i.V.m. 9. BImSchV vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG Zuordnung erfolgt über § 19 Abs. 1 S. 1 BImSchG und § 2 4. BImSchV: für Anlagen, die in Spalte c „Verfahrensart“ des Anhangs zur 4. BImSchV mit einem „G“ gekennzeichnet sind, ist das förmliche Verfahren durchzuführen für Anlagen, die in Spalte c „Verfahrensart“ des Anhangs zur 4. BImSchV mit einem „V“ gekennzeichnet sind, ist grds . das vereinfachte Verfahren durchzuführen Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Ablauf des förmlichen Genehmigungsverfahrens:

Vorfeldberatung:

§§ 2 Abs. 2, 2a Abs. 1 9. BImSchV

Antrag mit Antragsunterlagen:

§ 10 Abs. 1 BImSchG, §§ 3-7 9. BImSchV

Öffentliche Bekanntmachung:

§ 10 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 BImSchG, §§ 8, 9 9. BImSchV; spätestens zu diesem Zeitpunkt Behördenbeteiligung gem. § 10 Abs. 5 BImSchG, §§ 11, 11a 9. BImSchV

Auslegung: Öffentlichkeitsbeteiligung:

§ 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG, § 10 Abs. 1 S. 1 9. BImSchV; Dauer: 1 Monat nach Bekanntmachung

Einwendungen:

§ 10 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 Nr. 2 BImSchG, § 12 9. BImSchV; insbes. Präklusionswirkung nach § 10 Abs. 3 S. 5 BImSchG

Fakultativer Erörterungstermin:

§ 10 Abs. 6 S. 1 BImSchG, §§ 14-19 9. BImSchV

Entscheidung der Behörde:

§ 10 Abs. 6a, 7, 8 BImSchG, §§ 20-21a 9. BImSchV Prof. Dr. Eike Albrecht,

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vereinfachtes Genehmigungsverfahren: § 19 Abs. 2 BImSchG listet die Regelungen des § 10 BImSchG auf, die nicht zur Anwendung kommen sollen keine öffentliche Bekanntmachung, keine Auslage der Unterlagen zur Einsicht, keine Aufforderung Einwendungen geltend zu machen, Bescheid wird nicht veröffentlicht gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG kann auf Antrag des Trägers ein förmliches Verfahren statt einem vereinfachten durchgeführt werden Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Beispielfall zur Genehmigungsbedürftigkeit

Der Industrielle A plant in Cottbus an der Spree eine Textilbleiche zu erreichten. Dort sollen pro Tag 11 Tonnen Textilien verarbeitet werden. Für den Bleichvorgang wird neben chemischen Stoffen eine große Menge Wasser benötigt, die aus der Spree entnommen werden soll. Im Anschluss an den Verarbeitungsprozess soll das gereinigte Wasser wieder in die Spree geleitet werden, so dass von keinem erheblichen Wasserverbrauch auszugehen ist. A. Handelt es sich um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage?

B. Welches Genehmigungsverfahren ist durchzuführen? Begründen Sie Ihre Antworten unter Angabe der entsprechenden Fundstellen im Gesetz. Prof. Dr. Eike Albrecht,

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60 Kurzlösung Beispielfall A. Genehmigungsbedürftigkeit der Anlage

I. Rechtsgrundlage ist § 4 Abs. 1 BImSchG II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Anlage gemäß § 3 Abs. 5 BImSchG: Textilbleiche = Betriebsstätte, § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG 2. genehmigungsbedürftig gemäß §§ 4 Abs. 1 S. 1, 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 4. BImSchV a) Errichtung oder Betrieb: beides trifft hier zu b) Nennung im Anhang zur 4. BImSchV: trifft zu, Nr. 10.10 des Anhangs zur 4. BImSchV c) zu erwarten, dass die Anlage länger als 12 Monate an demselben Ort betrieben wird: ja, denn es ist nichts gegenteiliges bekannt III. Ergebnis: Es handelt sich um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage.

B. Art des Genehmigungsverfahrens

§ 19 Abs. 1 S. 1 BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 4. BImSchV, förmliches Verfahren, wenn die Anlagen im Anhang mit „G“ gekennzeichnet ist, vereinfachtes Verfahren für Anlagen, die mit „V“ gekennzeichnet sind; die Textilbleiche mit 11 Tonnen Verarbeitungsleistung pro Tag ist unter Nr. 10.10.1 mit „G“ gekennzeichnet ist, daher ist das förmliches Verfahren durchzuführen Prof. Dr. Eike Albrecht,

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3. Materielle Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung Anspruchsgrundlage § 6 Abs. 1 BImSchG Immissionsschutzrechtliche Pflichten Grundpflichten gemäß § 5 BImSchG Schutzpflicht

(Abs. 1 S. 1 Nr. 1)

Vorsorgepflicht

(Abs. 1 S. 1 Nr. 2)

Abfälle vermeiden, verwerten, beseitigen

(Abs. 1 S. 1 Nr. 3)

Energieeffizienz

(Abs. 1 S. 1 Nr. 4)

Nachsorgepflicht

(Abs. 3)

Verordnungen basierend auf BImSchG § 7

12. BImSchV (Störfall-Verordnung) 13. BImSchV

(Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen

) 16. BImSchV

(Verkehrslärmschutzverordnung)

39. BImSchV

(Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen

Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes

Öffentliches Baurecht

Arbeitsschutz

Kreislaufwirtschaftsrecht Vorschriften z.B. in: Bodenschutzrecht VO basierend auf § 8 ProdSiG Naturschutzrecht ChemG mit GefahrstoffVO Wasserrecht ArbSchG Straßen- und Wegerecht usw.

Unfallverhütungsvorschrif ten der Berufsgenossen schaften Prof. Dr. Eike Albrecht,

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Grundpflichten nach § 5 BImSchG

Dauerpflichten den Betreibers, die ständig dem Wandel der relevanten Gegebenheiten anzupassen sind

Integrationsklausel

„zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt“ Der Anlagengenehmigung muss eine medienübergreifende Betrachtung aller Umweltauswirkungen zugrunde liegen.

Schutzmaßnahmen, die nur einem Medium dienen, können dazu führen, dass die Beeinträchtigung lediglich auf ein anderes Umweltmedium verlagert wird und die Umweltbilanz insgesamt negativer ausfällt, als ohne die Schutzmaßnahme.

Schutzpflicht

gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) sollen nicht hervorgerufen werden Immissionen: § 3 Abs. 2 BImSchG „Störerqualität“ geeignet Beeinträchtigungen herbeizuführen; Konkretisierung durch Grenzwerte/Richtwerte/Zielwerte in untergesetzlichen Regelwerken, z.B. TA-Luft oder TA Lärm Schutz vor sonstigen Gefahren: Maßnahmen gegen mögliche Störfälle und unmittelbare Schadstoffeinträge in Boden und Wasser Prof. Dr. Eike Albrecht,

F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

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-

Vorsorgepflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG

Vorsorgemaßnahmen setzen im Vorfeld von Schutzmaßnahmen an, um bereits dem Entstehen von Immissionen vorzubeugen wichtigstes Instrument: Emissionsreduzierung (Vermeidung und Verminderung) Maßnahmen, die dem Stand der Technik entsprechen Emissionen: § 3 Abs. 3 BImSchG Stand der Technik: § 3 Abs. 6 BImSchG Begrenzung der Verpflichtung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit -

Pflicht zur Abfallvermeidung, Abfallverwertung und Abfallentsorgung

Gesetz legt zugleich Stufenfolge in der abfallrechtlichen Hierarchie fest Abfallbegriff des KrWG gilt, ohne die dort genannten Ausnahmen, § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG Abfallvermeidung: § 3 Abs. 20 KrWG Abfallverwertung: § 3 Abs. 23 KrWG (wenn Vermeidung nicht möglich ist) Abfallbeseitigung: § 3 Abs. 26 und Anlage zum KrWG (wenn Verwertung technisch nicht möglich oder unzumutbar ist) Prof. Dr. Eike Albrecht,

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F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

4. Rechtswirkungen der (Voll-)Genehmigung

-

a) Konzentrationswirkung

§ 13 BImSchG immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt andere anlagenbezogene behördliche Entscheidungen mit ein, ausgenommen die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung und behördliche Entscheidungen im Atomrecht -

b) privatrechtsgestaltende Wirkung

§ 14 BImSchG gegen eine unanfechtbar gewordene Genehmigung können privatrechtliche Abwehransprüche auf Einstellung des Betriebes einer Anlage, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, nicht geltend gemacht werden es bestehen aber Ansprüche auf Schutzvorkehrungen gegen benachteiligende Wirkungen oder falls diese nicht durchführbar oder nicht zumutbar sind auf Schadensersatz

c) Erlöschen der Genehmigung

in den Fällen des § 18 BImSchG Prof. Dr. Eike Albrecht,

F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

65 5. Prüfungsschema: Rechtmäßigkeit einer Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG I. Anspruchsgrundlage

§ 6 Abs. 1 BImSchG

II. Formelle Rechtmäßigkeit

1. Zuständigkeit der Behörde 2. Verfahren Anforderungen des Genehmigungsverfahrens gemäß § 10 BImSchG i.V.m. 9. BImSchV, § 19 BImSchG 3. Form

III. Materielle Rechtmäßigkeit

1. Tatbestandsvoraussetzungen a) Genehmigungsbedürftigkeit der Anlage gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG b) Vereinbarkeit des Vorhabens mit immissionsschutzrechtlichen Pflichten gemäß §§ 5, 7 BImSchG i.V.m. BImSchV c) Vereinbarkeit mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und den Belangen des Arbeitsschutzes 2. Rechtsfolge: gebundene Entscheidung Prof. Dr. Eike Albrecht,

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F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

V. Weitere behördliche Entscheidungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens

1. Teilgenehmigung § 8 BImSchG, § 22 9. BImSchV Genehmigung für die Errichtung einer Anlage/ eines Anlagenteils oder für Errichtung und Betrieb eines Anlagenteils Voraussetzungen: Antrag, berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Teilgenehmigung, die Genehmigungsvoraussetzungen für den beantragten Teil liegen vor und vorläufiges positives Gesamturteil hinsichtlich Errichtung und Betrieb der gesamten Anlage Bindungswirkung, es sei denn es liegt ein Fall des § 8 S. 2 BImSchG vor Bestandskraftpräklusion gemäß § 11 BImSchG 2. Vorbescheid § 9 BImSchG, § 23 9. BImSchV auf Antrag wird über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen oder den Standort der Anlage verbindlich entschieden wichtige Fragen sollen im Vorfeld geklärt werden Voraussetzungen: Antrag, berechtigtes Interesse an der Erteilung, Auswirkungen der gesamten Anlage können ausreichend beurteilt werden Der Vorbescheid ist keine Genehmigung und berechtigt weder zu Errichtung noch zum Betrieb. Bindungswirkung, es sei denn es liegt ein Fall des § 9 Abs. 2 BImSchG vor Bestandskraftpräklusion gemäß § 11 BImSchG

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F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

V. Weitere behördliche Entscheidungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens (Forts.)

3. Zulassung vorzeitigen Beginns § 8a BImSchG, § 24a 9. BImSchV Auf Antrag kann die Behörde zulassen, dass bereits vor der Entscheidung über die Genehmigung mit der Errichtung der Anlage und einem Probebetrieb begonnen werden kann.

Zulassung kann jederzeit widerrufen werden Voraussetzungen: Antrag, berechtigtes Interesse; es ist mit einer Genehmigungserteilung zu rechnen, der Antragsteller verpflichtet sich, für alle Schäden, die bis zur Entscheidung durch die Errichtung der Anlage entstehen, Ersatz zu leisten und den früheren Zustand wiederherzustellen, falls die Genehmigung versagt wird 4. Nebenbestimmungen zur Genehmigung § 12 BImSchG Genehmigungsvoraussetzungen können nur erfüllt werden, indem Bedingungen oder Auflagen an die Errichtung und den Betrieb der Anlage geknüpft werden 5. Änderungsgenehmigung § 16 BImSchG wesentliche Änderungen der Lage, Beschaffenheit und des Betriebes der Anlage bedürfen der Genehmigung

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F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

VI. Nachträgliche Entscheidungen zur Durchsetzung der dynamischen Betreiberpflichten

1. Nachträgliche Anordnungen § 17 BImSchG Vorsorge und Schutzmaßnahmen können/sollen nach Erteilung der Genehmigung angeordnet werden, wenn die Behörde befürchtet, dass Nachbarschaft und Allgemeinheit nicht ausreichend gegen schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren geschützt ist Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist einzuhalten wenn Vorsorgemaßnahmen abschließend in einer RVO geregelt sind, kann die Behörde keine weitergehenden Vorsorgemaßnahmen anordnen 2. Untersagung, Stilllegung, Beseitigung § 20 BImSchG Untersagung des Betriebes ganz oder teilweise (temporär) nach § 20 Abs. 1, 3 BImSchG bei Nichteinhaltung von Auflagen, nachträglichen Anordnungen, Pflichten aus RV oder Unzuverlässigkeit Stilllegung (dauerhafte Betriebseinstellung) und Beseitigung (Rückbau der Anlage) gemäß § 20 Abs. 2 BImSchG, wenn eine genehmigungsbedürftige Anlage ohne Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich verändert wird 3. Widerruf der Genehmigung gemäß § 21 BImSchG abschließende Spezialvorschrift für den Widerruf einer rechtmäßig erteilten Genehmigung Widerrufsgründe sind abschließend in § 21 BImSchG aufgeführt Entschädigungsmöglichkeit für den Betreiber

F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

69 VII. Überwachungsmaßnahmen

allg. Überwachungspflicht der zust. Behörde hins. Der Durchführung des BImSchG und der BImSchV gemäß § 52 Abs. 1 BImSchG 1. Mitteilungspflichten des Betreibers dienen der Informationsbeschaffung allgemeine Auskunftserteilungspflicht gemäß § 52 Abs. 2 BImSchG § 52a BImSchG: Mitteilungspflichten zur Betriebsorganisation § 15 Abs.1 BImSchG: Mitteilungspflicht bei Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage § 27 Abs. 1 BImSchG: Emissionserklärung 2. Anordnungsbefugnisse der Behörde §§ 26 ff., 52 BImSchG Emissionsmessungen/Immissionsermittlungen anlassbezogen und bei genehmigungsbedürftigen Anlagen auch in regelmäßigen zeitlichen Abständen oder als kontinuierliche Messung Stichproben nehmen (Zutrittsrechte vorgesehen)

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F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

VIII. Nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen

Alle Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG, die keiner Genehmigung bedürfen (siehe Folien zur Genehmigungsbedürftigkeit) Betreiberpflichten ergeben sich aus § 22 Abs. 1 BImSchG Verhinderungspflicht (Nr. 1) Minimierungspflicht (Nr. 2) Abfallbeseitigungspflicht (Nr. 3) weitergehende Pflichten können durch RVO festgelegt werden Anordnungen im Einzelfall gemäß § 24 BImSchG Möglichkeit der Betriebsuntersagung gemäß § 25 BImSchG

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F. I

MMISSIONSSCHUTZRECHT

IX. Änderungen durch die Umsetzung der Industrieemissions-Richtlinie 2010/75/EU v. 24.11.2010 (ABl. EU L 334, S. 17)

Umsetzungsgesetz, welches u.a. Änderungen im BImSchG, im WHG und im KrWG vorsieht, trat am 02.05.2013 in Kraft, weitere Änderungen erfolgten in zwei Verordnungspakten, in denen auch einige BImSchV neugefasst wurden, u.a. die 4. BImSchV Ziel: fortschreitende Vereinheitlichung der Umweltanforderungen auf EU-Ebene auch im Hinblick auf Wettbewerbsgleichheit Mittel: Anwendung der sog. Besten Verfügbaren Techniken (BVT) bei der Anlagenzulassung verbindlicher als bisher die Besten Verfügbaren Techniken beschreiben ein Vorsorgeprofil, welches bei der Anlagenzulassung zur Anwendung kommen soll (Konkretisierung in sog. BVT Merkblättern und BVT-Schlussfolgerungen; Emissionsbandbreiten) Anforderungen der IR RL gelten nicht für alle genehmigungsbedürftigen Anlagen, sondern nur für solche, die in Anhang I der 4. BImSchV mit einem „E“ gekennzeichnet sind neben Emissionsbandbreiten als materielle Anforderungen gelten für IE-Anlagen z.T. auch abweichende Verfahrensbestimmungen, z.B. ist eine Veröffentlichung des gesamten Genehmigungsbescheides unter Angabe der geltenden BVT-Schlussfolgerung im Internet zwingend vorgeschrieben ( § 10 Abs. 8a BImSchG n.F.)

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

Gliederung

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

Übersicht Rechtsgrundlagen 1.

2.

Internationale Vorschriften EU-Recht 3.

4.

Geltungsbereich und Grundbegriffe 1.

Geltungsbereich 2.

3.

4.

Bundesrecht Landesrecht Grundpflichten Behördliche Eingriffsinstrumentarien Sanierung von Altlasten Untergesetzliches Regelwerk Kostentragungspflicht Wertausgleich Prof. Dr. Eike Albrecht,

73

G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

I. Übersicht

Altlastenverdächtige Flächen Altablagerungen Altstandorte In den neuen Ländern (incl. Berlin) In den alten Ländern (excl. Berlin) militärische, kriegsbedingte und Rüstungsaltlasten Sonstige Altlasten Gefährdungsabschätzung abgeschlossen Altlasten Altlasten in der Sanierung Sanierung abgeschlossen Überwachungen

UBA 2000

362.689

100.129

259.883

111.293

251.396

5.000

3.667

BMU 2009

296.564

93.176

204.025

61.545

12.532

4.252

23.222

3.504

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

II.

Rechtsgrundlagen

-

1. Internationale Vorschriften

Artenschutzabkommen (CBD) Abkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD); sonst lediglich Initiativen und Aktionsprogramme ohne verbindlichen Charakter, vgl. z.B. UNEP Umweltrechtsprogramm von Montevideo.

-

2. EU-Recht

Bislang kein eigenständiger Sekundärrechtsakt Allerdings zahlreiche Regelungen in anderen Rechtsakten, die auch dem Bodenschutz dienen, z.B. IVU-Richtlinie, Umwelthaftungs-RL 2004/35/EG; Industrieemissionen-RL 2010/75/EU Die Schaffung einer sog. Bodenrahmen-RL wird weiterhin angestrebt.

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

-

3. Bundesrecht

Zentrale Regelung: Gesetz zum Schutz des Bodens (BBodSchG). Daneben enthalten zahlreiche weitere Bundesgesetze bodenschutzrechtliche Vorschriften.

Vollzug des BBodSchG durch die Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV ). Enthält u.a. Vorschriften: • • • • für die Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflächen und altlastenverdächtigen Flächen über die Anforderungen an die Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten für die Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderungen aufgrund von Bodenerosion durch Wasser zur Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen -

4. Landesrecht

Lückenschließungsfunktion Regelungen bzgl. Einrichtung und Zuständigkeiten der Behörden und Verwaltungsverfahren (§ 21 BBodSchG)

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

III.

Geltungsbereich und Grundbegriffe 1.

Geltungsbereich

Festlegungen in § 3 BBodSchG Regelungen zum Verhältnis zu anderen Fachgesetzen Definitionen: Die Grundbegriffe des BBodSchG werden in § 2 BBodSchG bestimmt.

Bsp. 1: B betreibt auf der Grundlage eines Pachtvertrags auf dem nach BImSchG genehmigten Betriebsgrundstück der A-GmbH ein Gewerbe. Zum Betriebsgrundstück gehört ein unbefestigtes Lager für Transportbehälter, das erheblich mit Schadstoffen kontaminiert ist. Die Behörde ordnet gegenüber B die Sanierung des Grundstücks an. Zu Recht?

Bsp. 2: Die A GmbH bietet an, eine Lagerhalle auf der Fläche, auf der bislang die Transportbehälter abgestellt wurden, zu errichten. Damit könne eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindert werden, was durch ein entsprechendes Gutachten belegt werden kann.

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

2.

Grundpflichten

a.

b.

Allgemeine Sorgfaltspflicht, § 4 I BBodSchG Sicherungspflicht, § 4 II BBodSchG Diese Vorschrift knüpft an die Zustandsverantwortlichkeit an. Es müssen Sicherungsvorkehrungen getroffen werden, damit Rechtsgüter anderer nicht beeinträchtigt werden.

Bsp. : Vom Grundstück der A-GmbH ausgehende Hangabrutschungen bedrohen das Wohngebäude des B.

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

c.

Sanierungspflicht, § 4 III BBodSchG Zentrale Vorschrift zu den Sanierungsverantwortlichen; verpflichtet sind: Verursacher und dessen Gesamtrechtsnachfolger.

Grundstückseigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück.

Der, der aus handels einzustehen hat, der ein Grundstück, das mit einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast belastet ist, gehört.

oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person Der, der sein Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt (Derelinquent).

Früherer Eigentümer, wenn er sein Eigentum nach dem 01.03.1999 auf einen Dritten übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste (§ 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG). Ausgenommen von dieser Haftung ist nur derjenige, der beim Grundstückserwerb darauf – im Einzelfall schutzwürdige – vertraut hat, dass schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nicht vorhanden sind (§ 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG).

Verpflichtung besteht ausschließlich zur „nutzungsadäquaten Sanierung“; es gilt also das Verbot von sog. „Luxussanierungen“.

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit durch BVerfG, Beschl. vom 16.02.2000, BVerfGE 120, 1 ff.

Fall 1 (Kaninchenfell- oder Hutstoff-Fall): Die A-GmbH kauft das benachbarte stillgelegte Betriebsgrundstück der B-GmbH als Reservefläche für die eigene Betriebserweiterung. B hatte dort Hutstoffe aus Kaninchenfell unter Nutzung verschiedener chemischer Färbe- und Gerbverfahren produziert. Bei Niederschlag bildeten sich, für A erkennbar, schillernde Lachen auf dem Grundstück der B; zudem roch es bei bestimmten Wetterlagen merkwürdig vom Grundstück der B her. Die zuständige Behörde nahm nach Feststellung erheblicher Kontaminationen auf dem ehemaligen Grundstück der B-GmbH die A-GmbH zur Sanierung in Anspruch. A legte nach Durchlaufen aller Instanzen 1991 Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein. Zu Recht?

Fall 2 (Schießplatz-Fall): Die B-Gesellschaft verpachtete ein Grundstück in Mittelfranken an einen Schützenverein (e.V.). Nach jahrelangem Betrieb des Schießplatzes stellte die zuständige Behörde fest, dass das Grundstück erheblich mit Blei kontaminiert ist und nahm die B zur Sanierung in Anspruch. B legte nach Durchlaufen aller Instanzen 1999 Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein, u.a. mit dem Argument, die Pacht habe insgesamt weniger als 200.000 DM betragen, die Sanierungsaufwendungen in Höhe von ca. 4,5 Mio. DM stünden dazu in keinem Verhältnis. Hat B Recht?

80

G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit durch BVerfG, Beschl. vom 16.02.2000, BVerfGE 120, 1 ff.

Grenzen der Zustandshaftung als Haftungskorrektiv im BBodSchG.

• • grundsätzlich: Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung als Grenze für die Höhe der Kostenbelastung; Relativierung: Grundstück macht wesentlichen Teil des Vermögens des Eigentümers aus und er zieht keine Vorteile aus der weiteren Grundstücksnutzung, dann Kostenbelastung „bis zum Verkehrswert“.

Kostenbelastung übersteigt Verkehrswert: für Grundstückseigentümer nur unzumutbar, wenn Kontamination auf Gründen außerhalb der Risikosphäre des Eigentümers beruht, ansonsten zumutbar, wenn Eigentümer fahrlässige Unkenntnis von Risiken oder diese bewusst in Kauf genommen hat. Hier wiederum unzumutbar, wenn sein zur Verfügung stehendes und einzusetzendes Vermögen in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück steht bzw. mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück keine funktionale Einheit darstellt.

• • Frage des „guten Glaubens“ präzisiert vom VG Aachen vom 16.2.2005

Bedeutung für die Regelungen zur Gesamtrechtsnachfolge und „Nachhaftung“ des früheren Grundstückseigentümers: „Ungeschriebene“ Haftungskorrektive ?

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit durch BVerfG, Beschl. vom 16.02.2000, BVerfGE 120, 1 ff.

Fazit: • Beide Fälle passen überhaupt nicht zu den Kriterien, die das BVerfG in seiner Entscheidung selbst aufgestellt hat; • • • • Wenig praktikable Trennung von Haftung und Kostentragungspflicht; In beiden Fällen haben sich die am BVerfG obsiegenden Parteien im Vergleichswege z.T. erheblich an der Sanierung beteiligt; Fraglich, ob die Entscheidung auch für Fälle unter der Geltung des BBodSchG gilt, denn die frühere Opferposition des in Anspruch genommenen Grundstückseigentümers hat sich gegenüber der früheren Rechtslage erheblich verbessert; Alleine die Rettung hunderter Familien mit Eigenheim auf Altlast ist positiv zu verbuchen d.

Auswahlermessen Keine Vorgaben im Gesetz; die Reihenfolge in § 4 Abs. 3 BBodSchG ist zufällig Auswahlermessen richtet sich alleine nach dem Grundsatz der schnellen und effektiven Gefahrenabwehr Gleichstellung von Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers und Verursachers (aber: Sonderkonstellationen)

G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

82 VGH Mannheim, Beschl. vom 11.12.2000:

Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers? hier verneint Gefahrenabwehrpflicht muss bei „Verursacher“ bereits bestanden haben, nur dann Gesamtrechtsnachfolgehaftung; ferner muss ein – gesetzlicher – Gesamtrechtsnachfolgetatbestand vorliegen

Aber: BVerwG, Urteil vom 16.3.2006

Sanierungspflicht des Gesamtrechtsnachfolgers?

grundsätzlich ist der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers sanierungspflichtig (§ 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG) Frage, ob dies auch gilt, wenn der Gesamtrechtsnachfolgetatbestand vor Inkrafttreten des BBodSchG eintrat (hier: § 1 Abs. 1 UmwG von 1969).

BVerwG bejaht dies (anders: VGH Mannheim in der Vorinstanz, s.o.) unter Bezug auf eigene Rechtsprechung (aber: keine Fälle aus dem Polizeirecht, da vor Inkrafttreten des BBodSchG Ländersache und damit nicht revisionsfähig vor BVerwG.

Möglicherweise aber Legitimierung durch andere Rechtsakte (z.B. Bergrecht) und Prüfung der Verhältnismäßigkeit  Konsequenz: Übergang von Sanierungspflichten im Unternehmen prüfen, auch in Bezug auf Gesamtrechtsnachfolgetatbestände, die lange zurück liegen

G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

83 VG Aachen, Urteil vom 16.2.2005

Begriff des früheren Eigentümers (§ 4 Abs. 6 BBodSchG)?

Richtet sich nach Zivilrecht ( §§ 873 Abs. 1, 925 BGB); wer im Grundbuch eingetragen ist, gilt als Eigentümer auch im öffentlichen Recht, da die Vermutungsregelung des § 891 Abs. 1 (Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs) greift (aber Ausnahme bei evidenter Unrichtigkeit)

-

Begriff des Vertrauens auf Kontaminationsfreiheit des Grundstücks Gegeben, wenn Erwerber eines Grundstücks guten Glaubens vom Nichtvorhandensein schädlicher Bodenveränderungen oder Altlasten ausgeht; Erwerber trifft Nachforschungsobliegenheit (wenn auch keine tiefgründige), er darf dem Verkäufer nicht „blind“ vertrauen  Präzisierung von BVerfGE 102, 1 ff.

-

Verhältnis zwischen früherem und aktuellem Eigentümer bei behördlicher Inanspruchnahme?

Nach Gesetzeslage kein Vorrangigkeitsverhältnis zwischen aktuellem und früherem Eigentümer (aber: Besonderheit des Falles beachten: Anfechtung einer Vollmacht, die zur Unwirksamkeit des Kaufvertrags führte, d.h., zum Zeitpunkt der Anordnung stand Kläger als Eigentümer im Grundbuch).

Kritik: zu Lasten des früheren Grundstückseigentümer bei einer behördlichen Sanierungs- oder Untersuchungsanordnung greifen weder Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG („Eigentum verpflichtet“) noch der gefahrenabwehrrechtliche Grundsatz der schnellen und effektiven Gefahrenabwehr, da der früherer Eigentümer gerade nicht ohne weiteres auf dem Grundstück Maßnahmen ergreifen kann. Regelungszweck des § 4 Abs. 6 BBodSchG, Umgehungsgeschäfte zu verhindern (BT-Drs. 13/8182, S. 3), ist zu beachten

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

e.

Vorsorgepflicht, § 7 BBodSchG Ziel: Das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen durch zukünftige Einwirkungen von vornherein zu verhindern.

Verpflichtete: § 7 S. 1 BBodSchG.

3.

a.

Behördliche Eingriffsinstrumentarien

Untersuchungsanordnung, § 9 BBodSchG Soweit Anhaltspunkte vorliegen, soll Behörde geeignete Maßnahmen gem. § 9 Abs. 1 BBodSchG ergreifen. Abgestuftes Verfahrensschema zur Untersuchung und Bewertung schädlicher Bodenveränderungen.

§ 9 Abs. 2 BBodSchG regelt Frage, unter welchen Voraussetzungen die Behörde gegenüber dem Verpflichteten Gefahrerforschungseingriffe anordnen darf.

a.

Allgemeine Anordnungsbefugnis, § 10 BBodSchG § 10 Abs. 1 BBodSchG: zur Durchsetzung der dort genannten Pflichten § 10 Abs. 2 BBodSchG: Ausgleichsvorschrift

G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

85 4.

Sanierung von Altlasten

Ergänzende Vorschriften in den §§ 11-16 BBodSchG, insb. § 13 BBodSchG für komplexe Sanierungsfälle (Sanierungsuntersuchungen und Sanierungsplan).

Sanierungsuntersuchung Sanierungsplan

Sanierungsvertrag, § 13 Abs. 4 BBodSchG Inhalt: Sanierungsverpflichteter sonstige Modalitäten Verbindlicherklärung gem.

§ 13 Abs. 6 BBodSchG Anordnung gem. BBodSchG § 16

G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

86 IV.

Untergesetzliches Regelwerk

Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung vom 12.07.1999, BGBl. I, S. 1554 In-Kraft-Treten: § 14 BBodSchV Inhalt: • Nähere Bestimmung von Sicherungs-, Dekontaminations- und Beschränkungsmaßnahmen • • • • • • Festlegung der Anforderungen an die Sanierungsplanung und Festlegung der Anforderungen an die Vorsorge gegen künftige Bodenbelastungen im Einzelnen Von besonderer Bedeutung sind die Bodenwerte für bestimmte Nutzungen BBodSchV enthält keine „Sanierungszielwerte“, die das „wie“ der Sanierung betreffen Konkretisierung der Anforderungen des BBodSchG an die Untersuchung und Bewertung von Flächen mit dem Verdacht einer Bodenkontamination/Altlast Konkretisierung der Prüf- und Maßnahmenwerte • Prüfwerte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBodSchG)  Risikovorsorge • • Maßnahmenwerte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBodSchG)  Vorsorgewerte ( § 8 Abs. 2 BBodSchG) Gefahrenabwehr

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

Prüf- und Maßnahmenwerte Maßnahmenwert markiert die Gefahrenschwelle; bei Überschreiten sind Maßnahmen anzuordnen

Maßnahmenwert

----------------------------------------------------------------------------------------------- Bei Überschreiten des Prüfwerts tritt zuständige Behörde in Einzelfallprüfung ein, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind; Sanierungsanordnung möglich, aber nicht zwingend

Prüfwert

----------------------------------------------------------------------------------------------- Bei Unterschreiten: keine Maßnahmen erforderlich; Grundstück gilt als altlastenfrei und kann aus dem Altlastenkataster gestrichen werden  Verkehrsfähigkeit des Grundstücks (für jeweilige Nutzung) ist wieder gegeben

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

Prüf- und Maßnahmenwerte (Forts.) Problem: Was tun, wenn für Schadstoff keine Prüf- und Maßnahmenwerte festgelegt wurden?

• • Berechnung nach Methode BAnz. 161a Heranziehung der (früheren) Landeslisten

OVG Lüneburg, Beschl. vom 04.05.2000;

Heranziehung von sog. Landeslisten (hier: „Holland-Liste“ oder LAWA-Empfehlungen für die Behandlung von Grundwasser) trotz BBodSchV (seit 17.07.1999 in Kraft) rechtlich zulässig („indizielle Bedeutung“).

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G. B

ODENSCHUTZ

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UND

A

LTLASTENRECHT

V.

-

Kostentragungspflicht

§ 24 I BBodSchG regelt die Kostentragungspflicht. Der zur Durchführung einer angeordneten Maßnahme Verpflichtete ist danach grundsätzlich auch zur Kostentragung verpflichtet. Kostentragungspflicht erstreckt sich auch auf die auferlegten Untersuchungs- und Sanierungskosten, vgl. differenzierte Regelung in § 24 I 2 BBodSchG. Auswahl zwischen mehreren Kostenpflichtigen erfolgt nach pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. § 24 II BBodSchG enthält einen internen Ausgleichsanspruch zwischen mehreren Sanierungsverpflichteten. Die Höhe richtet sich nach den Verursachungsanteilen der einzelnen Verantwortlichen. Die Vorschrift ist abdingbar. Die Verjährung beträgt 3 Jahre.

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

VI.

Wertausgleich Fall:

Bankdarlehen für Industrieunternehmen wird über eine Grundschuld am Betriebsgrundstück abgesichert. Die zuständige Behörde stellt fest, dass das Grundstück erheblich kontaminiert ist. Die Sanierung kann vom Unternehmen nicht getragen werden; es droht Insolvenz. Um Arbeitsplätze zu sichern, übernimmt die öffentliche Hand die Sanierung des Betriebsgrundstücks. Kaum ist die Sanierung abgeschlossen, stellt die Bank den Kredit wegen drohender Zahlungsunfähigkeit fällig und betreibt die Zwangsvollstreckung in das nunmehr wieder wertvolle Grundstück. Der Erlös reicht zur Befriedigung der Darlehensforderung, nicht aber für die Kostenansprüche der öffentlichen Hand. Steht der Erlös aus der Zwangsversteigerung der Bank zu?

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G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

VI.

Wertausgleich (Forts.) Lösung:

Vor Inkrafttreten des BBodSchG konnte das tatsächlich passieren. Die Ansprüche der Behörde aus Ersatzvornahme oder unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme waren bestenfalls Ansprüche nach Rangklasse 5 („Ansprüche des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers“, § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG) im Zwangsversteigerungsverfahren und gingen den dinglich gesicherten Ansprüchen (Rangklasse 4) nach.

§ 25 Abs. 6 BBodSchG legt nun fest, dass der Wertausgleich als öffentliche Last auf dem Grundstück liegt. Damit rutscht der Ausgleichsanspruch der öffentlichen Hand an den dinglich gesicherten Ansprüchen vorbei in Rangklasse 3 und geht somit vor.

G. B

ODENSCHUTZ

-

UND

A

LTLASTENRECHT

92 VI.

-

Wertausgleich (Forts.)

Voraussetzungen: • • •  Einsatz öffentlicher Mittel bei Sanierungsmaßnahmen Verkehrswertsteigerung des Grundstücks Keine (vollständige) Kostentragung des Eigentümers Behörde legt Wertausgleich durch Festsetzung eines bestimmten Betrages fest; Verfahren folgt der Wertermittlungsverordnung analog baurechtlichen Verfahren durch Vergleich von Anfangs- und Endwert ( § 25 II BBodSchG) Rechtsfolge: • Ausgleichsanspruch entsteht als öffentliche Last (anders als z.B. bei städtebauliche Sanierungen nach §§ 136 ff., konkret § 154 Abs. 4 S. 4 BauGB) • • • Eintragung nach § 93b GBV (Grundbuchverfügung), ohne Wertbetrag Gültigkeit 4 Jahre ab Festsetzung, danach Erlöschen Keine Festsetzung in Härtefällen (  z.B. Eigentümer des Familieneigenheims, siehe BVerfGE 120, 1) oder bei öffentlichem Interesse (§ 25 Abs. 5 BBodSchG) Probleme: • Wertausgleichsanspruch auf Grundstück verringert Verkehrsfähigkeit • • 4 Jahresfrist in schwierigen Fällen (z.B. Insolvenzgefahr des Eigentümers) vielleicht zu kurz (aber Absehen wegen „öffentlichen Interesses“, s.o.) Unklares Verhältnis zw. Länder-Kostenersatzregelungen und § 25 BBodSchG

93

H. K

REISLAUFWIRTSCHAFTSRECHT

Gliederung

I. Rechtsgrundlagen II. Geltungsbereich und Grundbegriffe des KrWG III. Grundsätze und Grundpflichten IV. Abfallrechtliche Instrumentarien 1. Abfallwirtschaftsplanung 2. Instrumente direkter Verhaltenssteuerung 3. Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung Prof. Dr. Eike Albrecht,

H. K

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94 I. Rechtsgrundlagen

1. Internationales Recht Abkommen in erster Linie auf die Reduzierung des Müllexports ausgerichtet z.B. Basler Übereinkommen vom 23.03.1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung 2. EU-Recht grundlegendes Regelwerk: Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EU v. 19.11.2008 Ergänzung durch zahlreiche Einzelrichtlinien, z. B. Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge v. 18.09.2000

auf Verordnungsebene siehe z.B. Abfallverbringungs-Verordnung 1013/2006/EG v. 14.06.2006

3. Bundesrecht Primär Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) v. 24.02.2012, in Kraft seit 01.06.2012 (davor KrW-/AbfG-/AbfG) daneben z.B. Abfallverbringungsgesetz, Elektro und ElektronikgeräteG, Altölverordnung 4. Landesrecht Regelungen zur Behördenzuständigkeit und zu Einzelfragen, deren Beantwortung den Ländern zugewiesen ist Prof. Dr. Eike Albrecht,

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95 II. Geltungsbereich und Grundbegriffe des KrWG

1. Geltungsbereich § 2 Abs. 1 KrWG: dem Anwendungsbereich des KrWG unterfallen alle Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung, insbesondere die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, die nicht über Abs. 2 ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen sind (Def. Abfallbewirtschaftung in § 3 Abs. 14 KrWG) 2. Grundbegriffe Begriffsbestimmungen in § 3 KrWG a) Abfallbegriff alle Stoffe oder Gegenstände (keine Beschränkung des Abfallbegriffs auf bewegliche Sachen mehr, aber Einschränkungen im Geltungsbereich des KrWG) Abfallbesitzer: Def. § 3 Abs. 9 KrWG Entledigung des Stoffes/Gegenstandes, 3 Entledigungstatbestände: Variante 1 und 2 beschreiben den sog. „subjektiven Abfallbegriff“

Entledigung gemäß § 3 Abs. 2 KrWG

: Besitzer führt Stoff einer Verwertung nach Anlage 2 oder einer Beseitigung nach Anlage 1 zu oder gibt die tatsächliche Sachherrschaft über den Stoff auf unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung Prof. Dr. Eike Albrecht,

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II. Geltungsbereich und Grundbegriffe des KrWG (Forts.)

-

Entledigungswille gemäß § 3 Abs. 3 KrWG:

wird an angenommen -

Entledigungspflicht gemäß § 3 Abs. 4 KrWG

, sog. „objektiver Abfallbegriff“: Stoff wird nicht mehr entsprechend seiner ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet wird und ist auf Grund seines konkreten Zustandes geeignet ist, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt zu gefährden und bei Reststoffen, die im Produktions- und Verarbeitungsprozess nicht zielgerichtet anfallenden oder wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt/aufgegeben wird ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt Abgrenzung zu § 4 KrWG berücksichtigen – Nebenprodukte sind keine Abfälle Gefährdungspotenzial kann nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden.

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97 II. Geltungsbereich und Grundbegriffe des KrWG (Forts.)

b) Beendigung der Abfalleigenschaft gemäß § 5 KrWG Stoff war ursprünglich als Abfall zu qualifizieren, ist es nun aber nicht mehr, weil folgende Voraussetzungen vorliegen: Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens und Verwendung für einen bestimmten Zweck und Bestehen eines Marktes/einer Nachfrage und Erfüllung technischer und rechtlicher Anforderungen für Erzeugnisse und Verwendung führt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch/Umwelt

III. Grundsätze und Grundpflichten

§ 6 KrWG beschreibt eine fünfstufige Pflichtenhierarchie für Maßnahmen der Abfallvermeidung und Abfallbewirtschaftung unter Berücksichtigung der Rangfolge des § 6 Abs. 1 KrWG hat diejenige Maßnahme Vorrang, die den Schutz von Mensch und Umwelt am besten gewährleistet, vgl. § 6 Abs. 2 KrWG Verbindlichkeit für Abfallerzeuger und Abfallbesitzer über die dynamischen Grundpflichten Prof. Dr. Eike Albrecht,

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98 Abfallhierarchie 1. Vermeidung von Abfällen

§ 3 Abs. 20 KrWG

2. Vorbereitung zur Wiederverwendung

§ 3 Abs. 24 KrWG

3. Recycling

§ 3 Abs. 25 KrWG

4. Sonstige Verwertung

vgl. § 3 Abs. 23 KrWG zur Verwertung im Allgemeinen

5. Beseitigung von Abfällen

§ 3 Abs. 26 KrWG

Grundpflichten

• § 7 Abs. 1 verweist auf § 13 für die anlagenbezogene Abfallvermeidung und auf §§ 24, 25 basierende RVOen für die produktbezogene Abfallvermeidung, z.B. VerpackV • § 7 Abs. 1 i.V.m. § 13 und RVOen basierend auf §§ 24, 25 • Verwertungspflicht für Erzeuger und Besitzer aus § 7 Abs. 2 S. 1 , Einschränkung durch Abs. 4 • grds. Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung, § 7 Abs. 1 S. 2 • Verwertung ordnungsgemäß und schadlos, § 7 Abs. 3 • Vorrang der Verwertungsmaßnahme, die dem Schutz von Mensch und Umwelt am besten gerecht wird • getrennt halten und behandeln, § 9 • getrennt sammeln, § 14 • Beseitigungspflicht für Erzeuger/Besitzer, durch Beseitigungsmaßnahmen Verminderung von Menge und Schädlichkeit der Abfälle, getrennt halten und behandeln, § 16

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IV. Abfallrechtliche Instrumentarien

1. Abfallwirtschaftspläne §§ 30 ff. KrWG die Länder stellen für ihr Gebiet Abfallwirtschaftspläne auf (§ 30 Abs. 1 S. 1 KrWG) und stimmen diese aufeinander und untereinander ab ( § 31 Abs. 1 S. 1 KrWG) Inhalt der Pläne ist die Darstellung der Ziele der Abfallvermeidung, -verwertung und beseitigung, eine Beschreibung der bestehenden Abfallwirtschaftssituation mitsamt Verbesserungsmaßnahmen sowie eine Darstellung der zur Sicherung der Inlandsverwertung notwenigen Abfallentsorgungsanlagen ( derartiger Anlagen geeignet sind ( § 30 Abs. 1 S. 2 KrWG); daneben werden zugelassene Abfallentsorgungsanlagen ausgewiesen und Flächen, die für die Errichtung § 30 Abs. 1 S. 3 KrWG); möglich ist die Festlegung bestimmter Entsorgungsträger und Entsorgungsanlagen (§ 30 Abs. 1 S. 4 KrWG) Verbindlichkeit zunächst für nachgeordnete Behörden, bei Erklärung der Verbindlichkeit gemäß § 30 Abs. 4 KrWG unmittelbar verbindlich für die Entsorgungspflichtigen § 33 KrWG reglementiert Abfallvermeidungsprogramme als Planungsinstrument speziell für die Abfallvermeidung; sie werden grds. vom Bund unter Beteiligung der Länder erstellt, erstmals zum 12.12.2013

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2. Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung neben den Grundpflichten sind weitere Leistungs- und Unterlassungspflichten im KrWG vorgesehen, z.B. Überlassungspflichten, Zulassungserfordernisse, Anzeige-, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten a) Überlassungspflichten Grundpflicht des Abfallerzeugers ( § 3 Abs. 8 KrWG) und des Abfallbesitzers zur Verwertung ( § 7 Abs. 2 S. 1 KrWG) bzw. Beseitigung (§ 15 Abs. 1 S. 1 KrWG) von Abfällen dieser Grundsatz der Eigenentsorgung wird durch die Überlassungspflichten an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gemäß § 17 KrWG durchbrochen Abfälle zur Beseitigung (§ 3 Abs. 1 S. 2 KrWG), die aus privaten Haushaltungen stammen, sind dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen, § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG.

Abfälle zur Verwertung (§ 3 Abs. 1 S. 2 KrWG), die aus privaten Haushaltungen stammen, sind den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, wenn sie nicht selbst auf dem zur privaten Lebensführung genutzten Grundstück verwertet werden können oder eine solche Verwertung nicht beabsichtigt ist, § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG.

Für Abfälle zur Beseitigung, die aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen stammen, besteht eine Überlassungspflicht grds. nur dann, wenn die Abfälle nicht in eigenen Anlagen beseitigt werden können oder sollen, § 17 Abs. 1 S. 2, 3 KrWG Für Abfälle zur Verwertung aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen besteht keine Überlassungspflicht.

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Ausnahmen von der Überlassungspflicht sind in § 17 Abs. 2 KrWG geregelt, so z.B. wenn eine Rückgabe- oder Rücknahmepflicht besteht, der Hersteller eine freiwillige Rücknahme anbietet oder eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung durch eine gemeinnützige oder gewerbliche Sammlung gewährleistet werden kann.

b) Zulassungserfordernisse für Abfallentsorgungsanlagen Für die Errichtung und den Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen – mit Ausnahme von Deponien – bedarf es einer Genehmigung gemäß BImSchG; einer weiteren Zulassung nach dem KrWG bedarf es nicht, § 35 Abs. 1 KrWG vor Errichtung, Betrieb und wesentlicher Änderung einer Deponie (§ 3 Abs. 27 KrWG) muss ein Planfeststellungsverfahren als besonderes Verwaltungsverfahren durchgeführt werden, an dessen Ende ein sog. Planfeststellungsbeschluss ergeht, § 35 Abs. 2 KrWG Planfeststellungsverfahren richtet sich nach §§ 72 ff. VwVfG materielle Genehmigungsvoraussetzungen enthält § 36 Abs. 1 KrWG keine gebundene Entscheidung, sondern planerischer Gestaltungsspielraum der Behörde

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c) Anzeige und Erlaubnispflichten Anzeigepflicht für Sammler, Beförderer, Händler und Makler von Abfällen gemäß § 53 KrWG bevor die Tätigkeit aufgenommen wird Behörde kann die Tätigkeit mit Bedingungen, Befristungen und Auflagen versehen, soweit dies zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist, § 53 Abs. 3 S. 1 KrWG Behörde hat die Tätigkeit zu untersagen, wenn Fach- und Sachkunde für die Tätigkeit nicht nachgewiesen werden oder der Inhaber bzw. Leiter des Betriebes unzuverlässig ist, § 53 Abs. 3 S. 3 KrWG Sammler, Beförderer, Händler und Makler von gefährlichen Abfällen (§ 3 Abs. 5 KrWG) unterliegen nicht der Anzeigepflicht, sondern der Erlaubnispflicht gemäß § 54 KrWG.

Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn Zuverlässigkeit, Sach- und Fachkunde gewährleistet sind, § 54 Abs. 1 S. 2 KrWG.

d) Auskunftspflichten und Mitwirkungspflichten Mitteilungspflichten zur Betriebsorganisation in § 58 KrWG Überwachung im Einzelfall durch Nachweis- und Registerpflichten für Entsorger, Sammler, Beförderer, Makler, Händler sowie Erzeuger und Besitzer von Abfällen, die nicht aus privaten Haushaltungen stammen; liegt im Ermessen der Behörde, § 51 KrWG obligatorische Nachweispflichten für die Erzeuger, Besitzer, Sammler, Beförderer und Entsorger von gefährlichen Abfällen, § 50 KrWG obligatorische Registerpflichten für die Betreiber von Abfallentsorgungsanlagen, § 51 KrWG

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e) Betriebsbeauftragter für Abfall staatliche Überwachung ergänzt durch Eigenüberwachung Betreiber bestimmter Anlagen sind u.U. verpflichtet, einen oder mehrere Abfallbeauftragte zu bestellen, § 59 Abs. 1 S. 1 KrWG Pflicht entweder im Gesetz vorgesehen, z.B. für Anlagen, in denen regelmäßig gefährliche Abfälle anfallen, oder aufgrund einer Anordnung der Behörde, § 59 Abs. 1, 2 KrWG Abfallbeauftragter übt Beratungs- und Überwachungsfunktion aus und hat dazu Informations und Kontrollrechte, § 60 KrWG 2. Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung Abfallrechtliche Ziele sollen dadurch erreicht werden, dass den abfallrechtlichen Akteuren ein Anreiz/eine Motivation dafür geboten wird, sich für Maßnahmen der Abfallvermeidung bzw. Abfallverwertung zu entscheiden, z.B. durch Hausmüllgebühren, die an die Müllmenge anknüpfen

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104 I. Rechtsgrundlagen

1. Internationales Recht Zahlreiche internationale Übereinkommen, z.B. sog. Washingtoner Artenschutzübereinkommen vom 3.3.1973.

2. EU-Recht Zahlreiche Verordnungen und Richtlinien, z.B. Vogelschutzrichtlinie RL 79/409/EWG, FFH Richtlinie RL 92/43/EWG.

3. Bundesrecht Kernvorschrift ist das seit 1.3.2010 geltende Bundesnaturschutzgesetz, das in weiten Teilen auf den vormals rahmenrechtliche Bundesregelungen beruht (BNatSchG), ergänzt durch die BArtSchV. Wie im Gewässerschutzrecht ist in Art. 125b GG eine Überleitung vorgesehen..

Zum Naturschutz im weiteren Sinn zählen: Forstrecht, Tierschutzrecht, Pflanzenschutzrecht, Jagdrecht und Agrarrecht. Naturschutzrechtliche Regelungen finden sich deshalb auch in den einschlägigen Fachgesetzen.

4. Landesrecht Die Schwerpunkte der Landesnaturschutzgesetze liegen in folgenden Bereichen:     konkrete Nutzungskollisionen Schutz von Grünbeständen Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen weitere Formen der Beteiligung im Naturschutz.

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ATURSCHUTZRECHT

II. Grundbegriffe

Das Naturschutzrecht versteht unter Natur und Landschaft die Erdoberfläche einschließlich der Wasser und Eisflächen mit ihren Pflanzen und Tieren sowie den darunterliegenden Erdschichten und dem unmittelbar darüber liegenden Luftraum.

Naturschutz ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung von Pflanzen und Tieren wildlebender Arten, ihrer Lebensgemeinschaften und natürlichen Lebensgrundlagen sowie zur Sicherung von Landschaften und Landschaftsteilen unter natürlichen Bedingungen.

Landschaftspflege ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Sicherung und Förderung der nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft.

III. Bundesnaturschutzgesetz 1. Allgemeine Vorschriften

Begriffsbestimmungen, vgl. § 7 BNatSchG Ziele, vgl. § 1 BNatSchG Grundsätze, vgl. §§ 1 Abs. 2, 8, 13, 20 BNatSchG

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2. Landschaftsplanung, §§ 8-12 BNatSchG

Landschaftsplanung ist sektorale und querschnittsorientierte Fachplanung für den Bereich des Naturschutzes, der Landschaftspflege und der Erholungsvorsorge.

§ 9 III BNatSchG legt die Mindestinhalte für alle Stufen der Landschaftsplanung fest.

Stufenaufbau: Bundesland <> Landschaftsprogramm § 10 I S.1 HS 1 BNatSchG SUP-pflichtig nach § 14b I Nr. 1 u. Anlage 3 Nr. 1.9 UVPG Teil eines Bundeslands <> Landschaftsrahmenplan § 10 I S.1 HS 2 BNatSchG SUP-pflichtig nach § 14b I Nr. 1 u. Anlage 3 Nr. 1.9 UVPG Kommunale Ebene <> Landschaftsplan § 11 BNatSchG SUP-pflichtig nach § 14b I Nr. 1 u. Anlage 3 Nr. 1.9 UVPG

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ATURSCHUTZRECHT

3. Eingriffsregelung, §§ 13-18 BNatSchG

Begriffsbestimmung in § 14 I BNatSchG. Verhältnis zum Baurecht, § 18 BNatSchG. Als Rechtsfolgen eines tatbestandlichen Eingriffs ergeben sich in einem Stufenverhältnis folgende Pflichten:

1. Stufe:

Vermeidbare Beeinträchtigungen sind zu unterlassen.

2.Stufe: s

ind Beeinträchtigungen unvermeidbar, sind sie durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorrangig auszugleichen oder in sonstiger Weise durch Ersatzmaßnahmen zu kompensieren.

3. Stufe:

Unvermeidbare und nicht kompensierbare Eingriffe sind zu untersagen, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege anderen Belangen bei der gebotenen Abwägung vorgehen.

4. Stufe:

Nach landesrechtlichen Vorschriften können für zulässige nicht ausgleichbare Eingriffe Ersatzzahlungen verlangt werden.

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ATURSCHUTZRECHT

4.

Flächenschutz, §§ 20-36 BNatSchG

§§ 22 ff. BNatSchG betreffen die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft durch Ausweisung. Die Erklärung der Unterschutzstellung erfolgt regelmäßig in der Form der Rechtsverordnung. Näheres regeln die Landesgesetze.

§ 22 I S. 1 BNatSchG gibt einen Mindestinhalt der jeweiligen Schutzerklärung vor.

Rechtsschutz: Es ist gerichtlich voll überprüfbar, ob ein Gebiet schutzwürdig ist. §§ 30 ff. BNatSchG regeln den gesetzlichen Biotop- und Gewässerschutz, d.h. die dort genannten Biotope genießen unmittelbaren gesetzlichen Schutz.

5.

Verbandsbeteiligung, §§ 63-64 BNatSchG

Den Naturschutzverbänden wird ein Recht auf Mitwirkung – nicht auf Mitentscheidung – bei der Vorbereitung staatlicher Entscheidungen eingeräumt. Die Gegenstände der Mitwirkung auf Bundesebene sind in § 63 I Nr. 1 – 4 BNatSchG abschließend aufgeführt, die auf Länderebene nicht abschließend in § 63 II S. 1 BNatSchG.

Anerkennungsvoraussetzungen, vgl. §63 BNatSchG i.V.m. § 3 Umwelt-RechtsbehelfsG § 64 BNatSchG enthält eine altruistische Verbandsklage.

Rechtsbehelfe i.S.v. § 64 I BNatSchG können Widerspruch, einstweiliger Rechtsschutz und Klage sein. Die Rechtsbehelfsgegenstände sind abschließend benannt.

§ 64 II BNatSchG enthält besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen.

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MWELTHAFTUNGSRECHT

I. Begriff

Ausgleich von Schäden (i.d.R. Personen-, Sachschäden) im Verhältnis zwischen einem oder mehreren Geschädigten und einem oder mehreren Schädigern. Schäden sind über den Umweltpfad entstanden (z.B. Luft, Wasser). Grundsätzlich kein Ersatz sog. Öko-Schäden (=Umweltverwaltungsrecht).

Für solche Schäden greift seit 14.11.2007 das Umweltschadensgesetz ein.

Ausgleich = i.d.R. Schadensersatz, auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

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II. Bundesrecht

 §§ 1, 2 UmweltHG (Gefährdungshaftung)    § 823 BGB (Verschuldenshaftung) § 89 WHG (Gefährdungshaftung) § 906 BGB, § 14 S. 2 BImSchG

(Nachbarrecht)

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MWELTHAFTUNGSRECHT

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    

III. Umwelthaftungsgesetz

Umwelthaftungsgesetz v. 10.12.1990 (BGBl. I S. 2634), zuletzt geänd. durch G v. 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631) Gefährdungshaftung des Anlagenbetreibers für Schäden durch bestimmte Anlagen Kreis der Anlagen im Anhang 1 zum UmweltHG (insgesamt 96 Anlagen) Zur Erleichterung der Beweisführung des Geschädigten Ursachenvermutung in § 6 Abs. 1 Satz 1 UmweltHG:

diese Anlage verursacht ist.“ „Ist eine Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet, den entstandenen Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch

Siehe aber § 6 Abs. 2 Satz 1 UmweltHG:

„Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Anlage bestimmungsgemäß betrieben wurde.“

 Entlastungsbeweis des Anlagenbetreibers ist möglich

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MWELTHAFTUNGSRECHT

   

III. Umwelthaftungsgesetz (Forts.)

Ausschluss der Vermutung bei mehreren geeigneten Anlagen ( § 7 UmweltHG) Auskunftsansprüche gegen Anlagenbetreiber und Behörden (§§ 8, 9 UmweltHG) Haftungshöchstgrenze 85 Mio. € (§ 15 UmweltHG), wie in der Produkthaftung Deckungsvorsorge ( § 19 UmweltHG)  wenige Fälle in der Rechtspraxis auf der Grundlage des UmweltHG, aber große Bedeutung für internes Risiko- und Umweltmanagement

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MWELTSTRAFRECHT

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I. Strafrecht / Ordnungswidrigkeiten – Übersicht Strafrecht (z.B. §§ 324 ff. StGB)

Individuelle Verantwortlichkeit (Schuldprinzip) Rechtsfolge: Geld- oder Freiheitsstrafe

Ordnungswidrigkeiten (in Umweltfachgesetzen)

Auch Unternehmen können verantwortlich sein Rechtsfolge: Bußgeld

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MWELTSTRAFRECHT

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II. Umweltdelikte im StGB

 Straftatbestände des 29. Abschnitts des StGB            § 324 Gewässerverunreinigung § 324a Bodenverunreinigung § 325 Luftverunreinigung § 325a Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen § 326 Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen § 327 Unerlaubtes Betreiben von Anlagen § 328 Unerlaubter Umgang mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Stoffen und Gütern § 329 Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete § 330 Besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat § 330a Schwere Gefährdung durch Freisetzung von Giften § 330d Begriffsbestimmungen

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MWELTSTRAFRECHT

III. Weitere Umweltdelikte im StGB

 § 304 Gemeinschädliche Sachbeschädigung    § 306 Abs. 1 Nr. 5 Inbrandsetzen von Wäldern, Heiden oder Mooren § 307 Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie § 308 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion      § 309 Missbrauch ionisierender Strahlen § 311 Freisetzen ionisierender Strahlen § 312 Fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage § 313 Herbeiführen einer Überschwemmung § 314 Gemeingefährliche Vergiftung

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MWELTSTRAFRECHT

IV. Weitere Umweltdelikte außerhalb des StGB

 Strafvorschriften im Nebenstrafrecht, meist in öffentlich rechtlichen Umweltgesetzen    § 71 BNatSchG § 27 ChemG § 39 GenTG    §§ 59-62 LuftVG § 39 PflSchG § 17 TierSchG

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MWELTSTRAFRECHT

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V. Umweltdelikte im StGB – Einteilung

   Nach Schutzobjekten  § 324 Gewässerverunreinigung   § 324a Bodenverunreinigung § 325 Luftverunreinigung  § 329 Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete Umgang mit gefährlichen Stoffen   § 328 Unerlaubter Umgang mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Stoffen und Gütern § 330a Schwere Gefährdung durch Freisetzung von Giften Bestimmte Tätigkeiten  § 325a Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen   § 326 Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen § 327 Unerlaubtes Betreiben von Anlagen

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MWELTSTRAFRECHT

VI. Statistiken

(Quelle: PKS 2011)

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MWELTSTRAFRECHT

VI. Statistiken

(Quelle: PKS 2011) – Forts.

(Forts.)

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MWELTSTRAFRECHT

VI. Statistiken

(Quelle: PKS 2011) – Forts.

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MWELTSTRAFRECHT

VI. Statistiken

(Quelle: PKS 2011) – Forts.

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MWELTSTRAFRECHT

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VII. Verwaltungsrechtsakzessorietät

Was verwaltungsrechtlich erlaubt ist, kann kein strafbares Verhalten sein (Abhängigkeit des Umweltstrafrechts vom Umweltverwaltungsrecht). Inzwischen „gelockerte“ Verwaltungsrechtsakzessorietät: Die Staatsanwaltschaft prüft, wie behördliche Erlaubnis, Genehmigung etc. zustande gekommen ist (ob z.B. durch Täuschung, Drohung), dann kein Schutz im Strafrecht durch diese behördliche Entscheidung!

VIII. Amtsträgerstrafbarkeit

Kein eigener Straftatbestand im StGB. Strafbarkeit lediglich nach allgemeinen Strafbarkeitsregeln z.B. bei behördlichem Dulden oder Gestatten von strafbaren Verhaltensweisen Dritter.

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IX. Betriebliche Verantwortlichkeiten

 

Eigenes strafbares Verhalten (Handeln/Unterlassen) Aus § 14 StGB „abgeleitetes“ strafbares Verhalten (z.B. Überwachungs- oder Organisationsverschulden bei Geschäftsführer,

Werksleiter)

Die Strafbarkeitsrisiken für betrieblich Verantwortliche hat im  Bereich des Umweltstrafrechtes erheblich zugenommen. Mitglieder der Geschäftsleitung können sich durch Aufgabendelegation von der strafrechtlichen Verantwortung grundsätzlich nicht befreien. Auch Mitglieder der Geschäftsleitung können in strafrechtlicher Hinsicht der Tatvorwurf in Bezug auf einen aufgetretenen Organisationsfehler treffen.

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IX. Betriebliche Verantwortlichkeiten (Forts.)

Lederspray-Urteil, BGH, Urteil vom 06.07.1990 , AZ.: 2 StR 549/89  Leitgedanke des Urteils:  Für die gesamte Geschäftsleitung besteht in Krisenfällen und in Ausnahmesituationen eine „Generalverantwortung und  Allzuständigkeit“ In den übrigen Fällen bleibt es bei der sog. Ressortzuständigkeit.  Ist das Ressort Umwelt nicht besetzt, ist die gesamte Geschäftsführung verantwortlich.

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IX. Betriebliche Verantwortlichkeiten (Forts.)

Leitsätze

BGH, Urteil vom 06.07.1990 , AZ.: 2 StR 549/89 („Lederspray“)

:

1. Der Ursachenzusammenhang zwischen der Beschaffenheit eines Produkts und Gesundheitsbeeinträchtigungen seiner Verbraucher ist auch dann rechtsfehlerfrei festgestellt, wenn offenbleibt, welche Substanz den Schaden ausgelöst hat, aber andere in Betracht kommende Schadensursachen auszuschließen sind.

2.

3.

Wer als Hersteller oder Vertriebshändler Produkte in den Verkehr bringt, die derart beschaffen sind, dass deren bestimmungsgemäße Verwendung für die Verbraucher entgegen ihren berechtigten Erwartungen - die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden begründet, ist zur Schadensabwendung verpflichtet (Garantenstellung aus vorangegangenem Gefährdungsverhalten). Kommt er dieser Pflicht schuldhaft nicht nach, so haftet er für dadurch verursachte Schäden strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt der durch Unterlassen begangenen Körperverletzung.

Aus der Garantenstellung des Herstellers oder Vertriebshändlers ergibt sich die Verpflichtung zum Rückruf bereits in den Handel gelangter, gesundheitsgefährdender Produkte.

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IX. Betriebliche Verantwortlichkeiten (Forts.)

Leitsätze

BGH, Urteil vom 06.07.1990 , AZ.: 2 StR 549/89 („Lederspray“) – Forts.: 4.

Haben in einer GmbH mehrere Geschäftsführer gemeinsam über die Anordnung des Rückrufs zu entscheiden, so ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um diese Entscheidung herbeizuführen. 5.

6.

7.

Beschließen die Geschäftsführer einer GmbH einstimmig, den gebotenen Rückruf zu unterlassen, so haften sie für die Schadensfolgen der Unterlassung als Mittäter. Jeder Geschäftsführer, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterlässt, seinen Beitrag zum Zustandekommen der gebotenen Rückrufentscheidung zu leisten, setzt damit eine Ursache für das Unterbleiben der Maßnahme. Dies begründet seine strafrechtliche Haftung auch dann, wenn er mit seinem Verlangen, die Rückrufentscheidung zu treffen, am Widerstand der anderen Geschäftsführer gescheitert wäre.

Führt die Verletzung desselben Handlungsgebots nacheinander zu mehreren Schadensfällen, so liegt insgesamt nur eine einzige Unterlassungstat vor.

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IX. Betriebliche Verantwortlichkeiten (Forts.)

Dreigeteilte Pflichten des Unternehmers/der Verantwortlichen im Unternehmen: 1.

Pflicht zur Risikoanalyse. Welche Bereiche des Unternehmens können gefahrenträchtig sein; aus welcher Richtung können eventuelle Gefahren wirken. Pflicht, zum Schutz gegen die potentielle Gefährdung personalgeeignete Anweisungen zu geben.

2. Dem Unternehmer muss Kontrollsystem errichten, mit dem er seine Aufsicht bis auf die untersten Ausführungsebenen ausüben und er diese zur Gefahrenabwehr anhalten kann.

3.

Er hat die Verpflichtung, ein Informationssystem aufzubauen, das ihn zuverlässig über die Einhaltung der erlassenen Anweisungen unterrichtet.

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    

IX. Betriebliche Verantwortlichkeiten (Forts.)

Umfang der Organisations- und Aufsichtspflichten bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Keine rechtliche Vorgabe über Art und Weise, wie das Unternehmen seine Organisationsaufgabe erfüllt (aber: § 289 HGB, § 315 HGB, § 93 AktG und DIN ISO 31.000 als „Standard“ für Risikomanagement). BGH: „innerhalb der Geschäftsleitung müsse ein Mitglied mit dem Aufgabenbereich Umweltcontrolling betraut und ein innerbetriebliches Überwachungssystem aufgebaut werden.“ Risiko unzureichender oder unzutreffender Ausübung des Organisationsermessens verbleibt beim Unternehmen. Keine Ausführungen des BGH über Details, also z.B., welche personellen Ressourcen aufgewandt werden müssen, um diesem Pflichtenkatalog zu genügen und wie ein mittelständisches Unternehmen diese finanzieren soll.

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   

X. Umweltordnungswidrigkeiten

Verfahren theoretisch bei der zuständigen Behörde, praktische aber bei der Polizei (Ersatzzuständigkeit) Achtung: Strafklageverbrauch möglich Ziel: Begrenzung der Zahl der wirklich relevanten Fälle für strafrechtliche Ermittlungen; schnelle Erledigung von Bagatellen Sanktionen grds. auch gegen Unternehmen möglich

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!