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Ist es immer gut für das Klima, wenn wir keine Fernreisen mit dem Flugzeug mehr machen? Eine erste Annäherung an die Gesamt-Klimabilanz des Verzichts auf Reisen am Beispiel Bali Deskstudy - Draft – nur für den internen Gebrauch Klaus Lengefeld GIZ Sektorvorhaben Tourismus und nachhaltige Entwicklung Im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 1 Die ökonomische Bedeutung des Tourismus in Bali: Arbeitsplätze insgesamt 1,9 Mio. Beschäftigte in Bali (2005) ca. 600.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt durch den Tourismus ca. 41.000 Gästezimmer (2006) direkte Arbeitsplätze (in der Tourismusindustrie): Hotels, Reiseagenturen, Restaurants (teilweise), Transportgewerbe (teilweise) etc. indirekte Arbeitsplätze (in vor- und nachgelagerten Branchen): Handwerk, Textilindustrie, Baugewerbe, Großhandel, Einzelhandel, finanzielle Dienstleistungen, andere Dienstleistungen etc. (Quelle: BPS - Statistics of Bali Province 2008; SUSENAS 2002) Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 2 Annahme: Da „Zero Tourism“, d.h. ein völliger Stopp des Reisens nach Bali unrealistisch ist (u.a. weil es ja auch erheblichen Binnentourismus gibt), gehen wir für das Szenario von einer 50% Reduzierung der Flugreisenden aus, v.a. aufgrund des Ausbleibens klimabewusster Europäer Konsequenz: Mind. 50% der vom Bali-Tourismus abhängigen Arbeitsplätze und Einkommen verschwinden, d.h. mind. 300,000 Personen (plus deren Familien) verlieren ihre Lebensgrundlage entspricht ca. 50% der vom Tourismus abhängigen Arbeitsplätze und Einkünfte und ist eine eher konservative Schätzung, da die internationalen Flugreisenden weit mehr ausgeben als die Binnenreisenden) aufgrund der vielfältigen Zulieferketten für Hotellerie und Tourismus (v. a. Agrarprodukte, Möbel, Souvenirs etc.) wären auch Arbeitsplätze in anderen Teilen Indonesiens (v. a. im benachbarten Java) betroffen Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 3 Was könnte die arbeitsintensive Tourismusindustrie ersetzen? Landwirtschaft, Ölpalmenplantagen, Textilindustrie, Erdölindustrie, Bergbau, Informationstechnologie, andere Industrien 13.04.2015 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 4 Arbeitsplätzezuwachs in Indonesien 1995-2006 25 + 20,2 % 20 + 15,8 % + 14,9 % 15 10 + 7,1 Mio. + 5,5 Mio. 5 + 1,5 Mio. 0 Landwirtschaft Industrie & Handwerk Sonstiges (v. a. Dienstleistungen) Quelle: Asian Development Bank 2007 Da von den 14 Mio neuer Arbeitsplätze 50% in der Landwirtschaft entstanden sind, 40% bei Dienstleistungen (u.a.Tourismus) und nur gut 10% in der Industrie, und die Tourismus-Arbeitslosen eher ein niedriges Bildungsniveau und meist keine technische Ausbildung haben, ist anzunehmen, dass für mindestens zwei Drittel (=200.000 Personen) die Landwirtschaft einzige Überlebensalternative ist. Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 5 „Zero-Tourism“ in Bali vielen Bauern, die Subsistenzwirtschaft betreiben, fehlen Zusatzeinnahmen aus dem Tourismus (als Handwerker, Musiker, Verkäufer etc.) ca. 300.000 Arbeitslose mind. zwei Drittel der Arbeitslosen würden in den Landwirtschaftssektor streben ein Drittel kämen in dem Bereich Industrie & Handwerk unter (sehr optimistisch!) Rückkehr zu den Familien (v. a. Wanderung vom Tourismuszentrum im Süden Balis in den Norden der Insel) Überbevölkerung und Lebensmittelknappheit drohen (wie vor dem Massentourismus) Landwirtschaft gewinnt an Bedeutung / Anstieg des Flächenbedarfs (v. a. Subsistenzwirtschaft und Lohnarbeit in der Agroindustrie) zusätzlich gehen in Java zahlreiche Arbeitsplätze verloren (Direktinvestitionen und Souvenirherstellung) Abwanderung von mind. 20% der Arbeitskräfte (zurück nach Java bzw. in Regionen mit aufstrebender Landwirtschaft: Borneo, Sumatra) 1/3 Sonstiges 2/3 in den Landwirtschaftssektor (illegale) (Brand-)Rodung Reisanbau: mit Abstand wichtigstes landwirtschaftliches Erzeugnis Indonesiens und zur Ernährungssicherung der Balinesen notwendig Palmölproduktion: aufgrund der steigenden Nachfrage nach erneuerbaren Kraftstoffen aus den Industrieländern stark im Aufschwung Methanemissionen steigen CO2-Emissionen steigen Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 6 Quelle: Asian Development Bank 2007 Indonesien will die Produktion von Palmöl weiterhin steigern, da sich die weltweite Nachfrage bis 2020 nahezu verdoppeln wird. Quelle: WWF 2007 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 7 CO2-Emissionen durch Landwirtschaft und Flugverkehr CO2-Emissionen Indonesiens durch Landnutzung und Forstwirtschaft pro Jahr: ca. 560 Mio. t (Indonesian CCC Report) hinzu kommen ca. 1,8 Mrd. t CO2 pro Jahr durch Brandrodung und Trockenlegung der Regenwälder (FES 2007) CO2 in Biomasse pro ha (Indonesien): 268 t, die im Falle der Brandrodung freigesetzt werden (FAO 2007) CO2-Emissionen durch 1,5 Mio Touristenankünfte in Bali pro Jahr: ca. 4 Mio. t (myclimate 2007) 13.04.2015 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 8 Reisanbau und Methanemissionen in Indonesien Hauptquelle der Methanemissionen (CH4) ist die Landwirtschaft (davon allein 71% durch Nassreisanbau) 11,8 Mio. ha Reisanbaufläche im gesamten Land (2006) CH4-Emissionen pro Jahr durch Nassreis: ca. 3,3 Mio. t (entspricht ca. 70 Mio. t CO2) mittlere Emission eines Reisfeldes pro Hektar und Jahr: 0,28 t CH4 (= 5,88 t CO2) (Quelle: BPS - Statistics Inodnesia 2008; First National Communication on Climate Change Convention 1999 für UNFCCC) 13.04.2015 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 9 Palmölgewinnung und CO2-Emissionen in Indonesien in Indonesien wurden 2006 auf 3,7 Mio. ha 10,9 Mio. t Palmöl gewonnen Ertrag: ca. 3 t pro Hektar Emissionen bei der Produktion einer Tonne Palmöl (v. a. durch die Trockenlegung bzw. Oxidation des Torfbodens): 10-30 t CO2 (Quelle: BPS - Statistics Indonesia 2008; PEAT-CO2 2006) 13.04.2015 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 10 Annahme: Jeder Balinese, der durch den Wegfall des int. Tourismus arbeitslos geworden ist und in den Landwirtschaftssektor wechselt (200.000 Personen), vergrößert die landwirtschaftliche Nutzfläche um einen Hektar. 13.04.2015 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 11 Kurzfristige Klimawirkungen der Brandrodung Wenn nur ca. 15.000 ehemalige Tourismusangestellte (ca. 7,5% von 200.000) einen Hektar Regenwald abbrennen würden, erzeugen sie dabei genauso viel CO2 wie durch 50% weniger Flugverkehr pro Jahr eingespart wird. Würden 200.000 ehemalige Tourismusangestellte einen Hektar Regenwald abbrennen, würde soviel CO2 freigesetzt, wie durch den Flugverkehr der Touristen nach Bali in ca. 13 Jahren emittiert wird. 13.04.2015 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 12 Langfristige Klimawirkungen des Reisanbaus als alternative Überlebensstrategie 200.000 ha zusätzlicher Reisanbau aller 200.000 arbeitslosen Tourismusangestellten (d.h. knapp 2% der aktuellen Anbaufläche) würden ca. 1,2 Mio. t zusätzliche CO2-Emissionen pro Jahr verursachen und damit fast 1/3 der durch 50% reduzierten Flugverkehr vermiedenen Emissionen Berücksichtigt man zusätzlich die Emissionen durch Brandrodung auf diesen Flächen, würde man erst 19 Jahre nach Halbierung des Flugverkehrs nach Bali beginnen, CO2 einzusparen! Etwa 680.000 ha Reisanbau (ca. 6% der indonesischen Reisanbaufläche) verursachen auf Dauer dieselbe Menge CO2 wie der gesamte Flugverkehr nach Bali (plus die einmaligen Emissionen durch Brandrodung). Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 13 Langfristige Klimawirkungen des Ölpalmenanbaus als alternative Überlebensstrategie 200.000 ha neue Ölpalmenplantagen durch alle 200.000 TourismusArbeitslosen (= gut 5% der derzeit 3,7 Mio ha) würden ca. 12 Mio. t zusätzliche CO2-Emissionen pro Jahr verursachen Ein Wechsel der Tourismus-Arbeitslosen in die Palmölindustrie würde jährlich gut 8 Mio. t mehr CO2 emittieren als der Tourismus (plus die einmaligen Emissionen durch Brandrodung) ! Nur ca. 66.000 ha dürfte die neu erschlossene Anbaufläche für Ölpalmen betragen (ca. 1,8% der aktuellen Fläche), damit auf Dauer nicht mehr CO2 als durch den Flugverkehr nach Bali emittiert wird. 13.04.2015 Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 14 Jährliche CO 2-Emissionen im Vergleich (in Mio. t, ohne Brandrodung) 14 12 12 10 8 6 4 4 1,2 2 0 1,5 Mio. Touristenankünfte 200.000 ha Reisanbau 200.000 ha zur Palmölgewinnung Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 15 Wahrscheinliche Flächennutzung Verhältnis der Flächennutzungen Reisanbau und Palmölgewinnung in Indonesien (2006): 3 zu 1 Würden durch Tourismus-Arbeitslose in Bali oder auf anderen indonesischen Inseln zusätzlich 150.000 ha für den Reisanbau und 50.000 ha zur Palmölgewinnung genutzt, entsprächen die jährlichen CO2-Emissionen in etwa denen des gesamten Flugverkehrs; allerdings ohne Berücksichtigung der Brandrodung, der Trockenlegung und der Inanspruchnahme neuer Flächen, wovon (einmalig) ein Vielfaches an Treibhausgasen wie durch den Flugverkehr emittiert werden würde ! Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 16 Jährliche CO2-Emissionen im Vergleich (in Mio. t) Ohne Brandrodung und Inanspruchnahme neuer Flächen! 4,5 4 4 3,88 3,5 3 2,5 3 2 1,5 1 0,5 0,88 0 1,5 Mio. Touristenankünfte 50.000 ha zur Palmölgewinnung 150.000 ha Reisanbau Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 17 Vorläufiges Ergebnis dieser Deskstudie: (unter Verwendung der realen Wirtschafts- und Klimadaten Indonesiens): Da die Ausweitung der Agrarfront mit (Brand-)Rodung und Trockenlegung von Regenwald im dicht bevölkerten Indonesien mit großer Wahrscheinlichkeit die meisten der erforderlichen Jobalternativen zum Tourismus generieren müsste, ist die Gesamt-Klimabilanz der Langstreckenflüge nach Bali vermutlich nicht schlechter als die möglicher alternativer Überlebens-Strategien Derjenigen, die durch einen drastischen Rückgang des Flugverkehrs Job und Einkommen verlören. (ist noch genauer vor Ort zu untersuchen): Dieses Ergebnis sollte durch eine Studie vor Ort überprüft werden Klaus Lengefeld Sektorvorhaben "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" im Auftrag des BMZ 13.04.2015 Seite 18