Krank durch Heilen?

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Transcript Krank durch Heilen?

SS 2012

INSTITUT UND POLIKLINIK FÜR ARBEITS-, SOZIAL- UND UMWELTMEDIZIN DIR.: PROF. DR. MED. DENNIS NOWAK

Krank durch Heilen?

Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst Uta Ochmann, Dennis Nowak

1

Risikoerfassung

Was kann passieren?

Risikobewertung

Was darf passieren?

!

2

Schutzmaßnahmen T – O – P

!

Technisch

“stichsichere” Systeme Organisatorisch

Abwurfbehälter, Schulungen Persönlich

Handschuhe

3

Gefährdungen im Gesundheitsdienst

!

Infektionen

Hautbelastung (Handschuhtragen)

Schweres Heben und Tragen

Schichtarbeit

Psychomentale Belastung

Gefahrstoffe (Chemotherapie, Narkose)

Ionisierende Strahlung

4

Durch Blut übertragene Infektionskrankheiten

!

Gefährdete Berufsgruppen:

• • • Alle, die Kontakt zu Humanblut haben Pflegehelfer Reinigungskräfte

Gefährdungen durch:

• • • • Nadelstichverletzungen Operationen Zahnärztliche Tätigkeiten Notfallinterventionen 5

Beispiel Nadelstichverletzung

Das Risiko, sich bei Verletzung mit einer Nadel zu infizieren, ist stark abhängig von • Blutmenge • Art der Nadel (Hohlnadel) • Tiefe des Stichs • Kanüle vorher in Vene oder Arterie • Virenlast des Spenders

Im Mittel liegt das Risiko bei

• • •

Hepatitis B Hepatitis C HIV 30 % 3% ca. 0,3 % Handschuhe bieten keinen Schutz vor Nadelstich, reduzieren aber das Infektionsrisiko um ca. 50 %

!

6

• • • • • • • • •

Hepatitis B

weltweit 5-7% (300 bis 420 Mio.) chronisch mit HBV infiziert 8% der Bevölkerung in Ost- bzw. Südeuropa chronisch infiziert !

Übertragung fast ausschließlich parenteral 60-70% der Neuinfektionen in Deutschland durch sexuelle Übertragung Restrisiko durch unerkannt infektiöse Bluttransfusion: geschätzt 1 : 250 000 bis zu 1 : 500 000 Inkubationszeit 40 – 200 Tage Akut symptomloser bis fulminant tödlicher Verlauf möglich Infektiosität wenn HBV-DNA, HBsAg oder HBeAg positiv Behandlung der akuten Hepatitis B in der Regel nicht empfohlen 7

Hepatitis B - Impfprophylaxe (I)

• • • • Aktive Immunisierung mit rekombinantem Totimpfstoff Schema: 0 - 1 - 6 Monate Titerkontrolle 4-6 Wochen nach letzter Impfung wenn anti-HBs < 100 IU/l  weitere Impfungen ( bis zu 3, 4-8 Wochen Abstand)  wenn anti-HBs >10 aber < 100  low responder (Schutz wahrscheinlich)   wenn anti-HBs >10  non-responder wenn anti-HBs > 100 IU/l  10jährigen Schutz auszugehen „responder “ und (mindestens) • Nachimpfung (bei respondern ohne Titerkontrolle) alle 10 Jahre 8 !

• • • • • •

Hepatitis C

Inkubationszeit Wochen bis Monate Übertragung parenteral, bis zu 50 % ungeklärt 75 % ohne auffällige klinische Symptomatik oder mit unspezifischen, z.B. grippeähnlichen Symptomen. 25 % der Infizierten entwickeln eine akute, (häufig) milde Hepatitis mit meist nur mäßig erhöhten Transaminasenwerten. Fulminante Verläufe sind sehr selten.

Sehr häufige Chronifizierung (60-80%) mit hoher Gefahr der Leberzirrhose und des Leberzellkarzinoms !

Impfung nicht möglich, aber Therapie 9

HIV

nach drei bis sechs Wochen 50-90% der Infizierten ein ca. 4 wöchiges !

Stadium mit grippeähnlichen Symptomen: 80% Fieber 78% Abgeschlagenheit, Müdigkeit 68% Unwohlsein, Krankheitsgefühl 54% Kopfschmerzen 54% Appetitverlust 54% Arthralgien (Gelenkschmerzen) 51% Hautausschlag 51% Nachtschweiß 49% Myalgien (Muskelschmerzen) 49% Übelkeit 46% Diarrhoe (Durchfall) Danach jahrelange asymptomatische Inkubationszeit 10

11 !

• •

Vorgehen bei Nadelstichverletzung

Zeitpunkt der Einleitung einer PEP und PEP-Wirksamkeit • bis 2 Stunden Optimal • bis 24 Stunden Gute Aussichten • bis 48 Stunden Fragliche Aussichten • > 72 Stunden Nicht sinnvoll Infektiosität des Indexpatienten bestimmen (Zustimmung notwendig, Schweigepflichtentbindung für Weitergabe !): HBsAG, anti-HCV (ggf. PCR), anti-HIV (Schnelltest) Problem: diagnostisches Fenster  Untersuchung von Indexpatient von BGW nicht routinemäßig empfohlen !

• • • Vorstellung beim D-Arzt (Meldung Arbeitsunfall) Wenn Patient nicht infektiös  keine weiterer Handlungsbedarf Wenn der Patient mit Hep B, Hep C oder HIV infektiös oder Status nicht bekannt, dann....

12

Indikation zur HIV-PEP nach beruflicher Exposition

Empfehlen

• Perkutane Verletzung mit Injektions- / andere Hohlraum-Nadel, die Körperflüssigkeit mit hoher Viruskonzentration enthält: Blut, Liquor, Punktate, Organmaterial, Viruskulturmaterial • Tiefe Verletzung (meist Schnittverletzung), sichtbares Blut • Nadel nach intravenöser Injektion • Oberflächliche Verletzung bei hoher Viruslast (z. B. mit chirurgischer Nadel subcutan) !

Anbieten

• Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel subcutan) • Schleimhautkontakt oder Kontakt verletzter / geschädigter Haut mit Körperflüssigkeiten mit hoher Viruskonzentration

Nicht empfehlen

• Perkutaner Kontakt mit Urin oder Speichel • Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruslast) • Haut- oder Schleimhautkontakt mit Urin und Speichel 13

Hepatitis B – STIKO-Empfehlung 7/2007

Anti-HBs „Empfänger“

Responder und letzte Impfung ≤ 5 Jahre zurück aktueller Titer (≤ 1 Jahr) > 100 IE/l

Hepatitis B Aktiv Impfung Nein Nein

Responder und letzte Impfung > 5 Jahre zurück aktueller Titer ≥ 10 IE/l oder low-responder aktueller Titer < 10 IE/l oder non-responder

Ja Ja Ja Hepatitis B Passiv Impfung

!

Nein Nein Nein Nein Ja

unbekannt

Ja Ja

14

Hepatitis C

• • • • Bestimmung von sofort: Anti HCV, Transaminasen nach 2 und 4 Wochen: HCV-RNA (PCR), Transaminasen nach 6 Wochen: Anti-HCV und HCV-RNA (PCR), Transaminasen nach 12 Wochen, 6 und 12 Monaten: Anti-HCV, Transaminasen !

BGW, 2008 15

Tuberkulose - Infektionsrisiko

Wer ist gefährdet?

Hohe Gefährdung: Tb-Stationen, Laboratorien für Sputumproben, Bronchoskopie, Notfallintubation, Pathologie, Notfallaufnahme, Rettungswesen, Betreuung Hochrisikogruppen !

• • • • • • • • „Enger Kontakt“ mit mikroskopisch sputum-positiver Indexperson: intensiver respiratorischer Kontakt (Intubation, Absaugen, Bronchoskopie etc.) Pflegerische Maßnahmen Atemgymnastik Zahnärztliche oder HNO-ärztliche Untersuchung Obduktion 8 stündiger Raumkontakt Insgesamt 40 stündiger Raumkontakt bei kulturell gesichert, aber mikroskopisch negativem Indexpatient

Diel R et al. Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose… Pneumologie 2011;65:359-378

16

• • •

Tuberkulose Diagnostik - IFN Gamma Tests

T-Lymphozyten aus Heparinblut stimuliert mit Antigenen von Mycobacterium tuberculosis 6 – 8 Wochen nach Infektion produzieren T-Lymphozyten mit spezifischer Aktivität gegen Mycobacterium tuberculosis Interferon !

Gamma.

Spezifität (98-100%; andere Mykobakterien und BCG-Impfung ohne Einfluss)

QuantiFERON TB® Gold In-Tube

ELISA, weist Produktion Interferon γ nach, 4 ml Vollblut, mit Negativkontrolle über 20 Stunden mit TB-Antigenen inkubiert. Ab Konzentration von 0,35 IU/ml positiv.

T SPOT.TB®

Weist Produktion von Interferon γ und Anzahl der produzierenden T Lymphozyten nach, 8 16 ml Vollblut, für 20 Stunden mehrfach mit Antikörpern und Substratlösungen inkubiert. Positiv bei mindestens 5 positiven (farblich markierten) Spots 17

aerogen Fäkal-oral

„Kinderkrankheiten“

Nicht impfpräventabel !

impfpräventabel Masern Mumps Röteln Pertussis Windpocken Cytomegalie Ringelröteln Hepatitis A Salmonellose Noro-Virus ….

18

Mutterschutz im Gesundheitsdienst

!

- Arbeitszeiten (Nachtdienste, Wochenende, Mehrarbeit) - Ionisierende Strahlung Infektionsgefährdung - Gefahrstoffe (Narkosemittel) - Langes Stehen (> 4h ab 5. Monat) 19

Sekundärprävention von arbeitsbedingten Infektionen

!

• • •

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 42

Rechtliche Grundlage: Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Ziel: „Gesundheitliche Beeinträchtigungen, die durch Infektionserreger entstehen, frühzeitig zu erkennen und zu verhindern “ Untersuchungen: • Anamnese, insbes. Impfanamnese, Infektionen, Immunsystem • Körperliche Untersuchung (insbes. Haut) • Blutbild, Blutzucker, Leberwerte 20

• •

Prävention von arbeitsbedingten Infektionen

!

G 42 (Fortsetzung)

Gesundheitliche Bedenken: • Erkrankungen mit chronischer Schwächung der Abwehrlage • Verminderte Abwehr infolge von Behandlung • Ggf.: Chronisch, therapieresistente Handekzeme Beratung: • Information über Übertragungswege • • • • Hygienemaßnahmen Persönliche Schutzausrüstung Immunisierung Sofortmaßnahmen bei Unfällen 21

Arbeitsbedingte Infektionen als Berufskrankheit

3 Durch Infektionskrankheiten oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten

!

BK 3101

Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war 22

Gesundheitliche Risiken durch ionisierende Strahlung

!

• • •

Deterministischer Strahlenschaden:

Schweregrad nimmt mit zunehmender Strahlenexposition zu; Schwellendosis Zerstörung sich schnell teilender Zellen (z.B. Darm, Knochenmark, Haut)  akute Strahlenkrankheit • • • •

Stochastischer Strahlenschaden:

Wahrscheinlichkeit nimmt mit zunehmender Strahlenbelastung zu Schweregrad nicht dosisabhängig keine Schwellendosis z. B. Leukämie 23

Strahlenschutzverordnung – Grenzwerte

!

Berufliche Belastung Strahlenschutz bereich Konsequenzen

> 1mSv /2000 h Kontrollbereich* Personen-Dosimeter > 6mSv /2000 h Überwachungs bereich Personen-Dosimeter, jährliche ärztliche Überwachung • • *

Kontrollbereich z.B.

z. B. Herzkatheter z. B. Nuklearmedizin, (Myokardszintigraphie) 24

Strahlenschaden als Berufskrankheit

!

2 Durch physikalische Einwirkungen verursachte Erkrankungen 24 Strahlen

BK 2402 Erkrankungen durch ionisierende Strahlen 25

Checkliste Rückenprävention

• rückengerecht arbeiten • Hilfsmittel nutzen • zu zweit arbeiten, wenn es notwendig und sinnvoll ist • Ressourcen der Patienten erkennen und nutzen • für die eigene Fitness sorgen • sichere, geeignete Schuhe tragen • Fortbildungen besuchen !

26

Bandscheibenschaden als Berufskrankheit

2 Durch physikalische Einwirkungen verursachte Erkrankungen

!

21 Mechanische Einwirkungen

BK 2108 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung 27

Checkliste Hautschutz

!

• vor der Arbeit Hautschutz creme auftragen • kein Schmuck bei der Arbeit • Hautschutzplan beachten • regelmäßig zwischen Feucht und Trockenarbeiten wechseln • bei Feuchtarbeiten Schutzhandschuhe tragen • Hände desinfizieren statt waschen • nach der Arbeit Pflegecreme verwenden www.bgw-online.de

28

Hauterkrankung als Berufskrankheit

!

5 Hautkrankheiten BK 5101

Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen 29

Psychisch belastende Tätigkeiten & Erkrankungen

• Kivimaki et al. (2006) Scand J Work Environ Health Überblicksanalyse über 14 Langzeitstudien mit 83.014 Beschäftigten •

RR Koronare Herzerkrankung: 1,43 (1,15-1,84)

!

• Stansfeld SA, et al. (1999), Occup Environ Med Langzeitstudie mit 3413 Frauen & 6895 Männern •

RR psychische Erkrankungen bei niedriger Entscheidungsbefugnis Männer: 1,29; Frauen: 1,37

30

• •

Psychische Erkrankungen bei Ärzten

Metaanalyse:

Ärzte haben ein erhöhtes Suizidrisiko

Männer + 40% - Frauen + 130%

(Schernhammer ES, Colditz GA; Am J Psychiatry 2004)

Depression und Angststörungen sind häufig die Ursache von Suiziden

(Juel K.; Int J Epidemiol 1999; Schernhammer ES, Colditz GA; Am J Psychiatry 2004)

!

31 P. Angerer

Überblick über klinisch relevante Gesundheitsgefahren im Krankenhaus

!

Prävention Belastungen Erkrankungen BK

Infektionserreger Irritativ-toxische und allergisierende Stoffe Schweres Heben Überstunden, Nacht- und Schichtarbeit, Bereitschaftsdienst Psychische Belastungen Infektionskrankheiten Handekzeme u.a.

Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS Schlafstörungen, evt KHK Psychische Erkrankungen, KHK ja ja ja nein nein Hygiene, Impfen, G 42 Hautschutzplan, G 24 Rückenschule, Fitness, Hebehilfen; G 46 Schichtpläne, Vorsorgeunter suchung ?

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Lernfall zum Thema „Krank durch Heilen?“ Ein praktisches Jahr mit Folgen (AM*) Was einem PJ ler so alles passieren kann… * AM = Arbeitsmedizin

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