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Freihandel vs. Menschenrechte in
Kolumbien – Warum die EU ihre
Prinzipien über Bord wirft
Nicola Jaeger und Christoph Mayer,
WEED e.V.
www.weed-online.org
WEED steht für
• klare Analysen weltwirtschaftlicher
Rahmenbedingungen
• tiefgreifende Reformperspektiven und
solidarische Gestaltung der Globalisierung
• Kampagnen und Engagement in politischen
Netzwerken
Aufbau des Workshops
1. Menschen- und Gewerkschaftsrechte in
Kolumbien
2. Warum die EU ihre Prinzipien über Bord wirft.
3. Was tun? Ideen, Anregungen, Diskussion
Überblick
1) Der Konflikt in Kolumbien
2) Die Menschenrechtssituation
a) Extralegale Hinrichtungen
b) Vertreibungen
c) Die Situation von Arbeitnehmern und Gewerkschaftern
d) Repressionen gegen die politische Opposition
3) Die Lügen der Regierung
4) Die unrühmliche Haltung der EU
1) Der bewaffnete Konflikt in
Kolumbien
• Akteure:
Polizei, Militär, Paramiltärs, Drogenbanden und Guerillas
• Ursachen:
– Waffen- und Drogengeschäfte
– Zugang zu Ressourcen und Land
=> Zivilbevölkerung wird stark in Mitleidenschaft gezogen
2) Die Menschenrechtssituation
Ausgangsfrage: Inwiefern verschärft
die Regierung Uribe mit ihrer Politik
den Konflikt und die
Menschenrechtssituation in
Kolumbien?
2a) Extralegale Hinrichtungen
• Jedes Jahr werden mehrere hundert
unschuldige Menschen durch extralegale
Hinrichtungen getötet
• Alleine zwischen 2002 und 2007 wurden 955
Menschen extralegal hingerichtet (70% mehr als
in den fünf Jahren davor)
• Nur in 3% der Fälle werden die Täter verurteilt
Und die Regierung?
… vergibt Prämien auf die Denunzierung von
Rebellen und nimmt dadurch in Kauf, dass
vermehrt unschuldige Menschen als Terroristen
gebrandmarkt werden.
2b) Vertreibungen
• Zwischen 2006 und 2008 wurden ca. 900 000
Menschen vertrieben
• Kolumbien hat die zweitmeisten
Binnenflüchtlinge weltweit
• Gründe:
– Flucht aus Konfliktgebieten
– Landaneignung durch Großkonzerne
Und die Regierung?
... subventioniert den großflächigen Anbau von
Monokulturen wie z. B. Palmöl
2c) Die Situation für Arbeiternehmer
und Gewerkschafter
• Weltweit jährlich ca. 2/3 aller Morde an
Gewerkschaftern in Kolumbien
• Kaum Arbeitnehmerrechte:
Gewerkschaftsverbote, Streikverbote,
eingeschränkte Versammlungsfreiheit
=> Nur 5% der arbeitenden Bevölkerung gehören
einer Gewerkschaft an; nur 2% profitieren von
Tarifverträgen
• Gründung sogenannter Kooperativen als
Ausbeutungsinstrument:
- Arbeiter sind Mitglieder dieser Kooperativen
- Unternehmen leihen Arbeiter bei Kooperativen
=> Arbeiter verlieren Anspruch auf Arbeitnehmerrechte
Und die Regierung?
… duldet und forciert die Senkung der
Arbeitnehmerstandards zum Gefallen von
Investoren
Repression gegen die politische
Opposition
• Menschenrechtsorganisationen und
Gewerkschafter werden von der Regierung in
die Ecke des Terrorismus gedrängt
=> Willkürliche Anklagen und Verhaftungen
Die Lügen der Regierung
• Laut Uribe
… gibt es in Kolumbien keinen bewaffneten Konflikt
mehr
… hat sich der Paramilitarismus aufgelöst
Die unrühmliche Haltung der EU
• Konzerninteressen werden vor Menschenrechte
gestellt
• Die Demokratieklausel im Vertrag zum Schutz
von Menschenrechts- und Arbeitnehmernormen
ist unverbindlich
• Die EU belohnt und legitimiert die
verantwortungslose Politik der Regierung
Die EU als Wahrerin der
Menschenrechte?
• Artikel 1: allgemein und unpraktikabel
• Nachhaltigkeitskapitel: unverbindlich,
Kooperation und Dialog statt Streitschlichtung
und nur durch die Regierungen der Staaten
nutzbar
Doch: bereits jetzt tagtäglich
Menschenrechtsverletzungen
Die Prinzipien der EU bei den
Verhandlungen und was davon blieb
1. Block zu Block Verhandlungen
2. Assoziationsabkommen mit drei Säulen:
politischer Dialog,
Entwicklungszusammenarbeit und Freihandel
Reines Freihandelsabkommen mit Peru und
Kolumbien = Spaltung der Andengemeinschaft
Warum?
Ausrichtung der europäischen Freihandelspolitik
an den Wünschen von Konzernen und ihre
Verbände:
Öffnung von Märkten, Zugang zu Rohstoffen
und die Sicherung ihrer Investitionen etc.
Artikel 5: Ziele des
Freihandelsabkommens
• Handelserleichterung für Waren
• Erweiterte Liberalisierung von Dienstleistungen
• Liberalisierung des Zahlungs- und
Kapitalverkehrs für Direktinvestitionen
• Öffnung des öffentlichen Auftragswesens
• Schutz geistigen Eigentums
Freihandel - für wen?
Freihandel bedeutet also nicht den völligen Abbau
von Regeln, sondern die Schaffung neuer
Wettbewerbsregeln, die bestimmte Akteure
begünstigen.
Denn ungleiche Ausgangsbedingungen
begünstigen den wirtschaftlich stärker
entwickelten Partner.
Profite für einige Branchen/Produkte
und einige Transnationale
Unternehmen aus der EU:
• Milchprodukte, Schweinefleisch, Wein und
Spirituosen; Automobilindustrie, Maschinenbau
und Elektronik
• Unternehmen, die bereits jetzt stark vor Ort
engagiert sind und eine dominante Position in
bestimmten Kernsektoren haben: Telefónica,
Endesa, Rebsol, Aguas de Barcelona, die Banco
Santander etc.
Und in Kolumbien?
• Agrobusiness: Ethanol, Biodiesel, rohes Palmöl,
Zucker und Bananen
Flächeninanspruchnahme: Verknüpfung zu
Menschenrechtsverletzungen und
Unterdrückung der Gewerkschaftsrechte
Laura Rangel vom kolumbianischen Netzwerk
RECALCA: So werden die gewinnen, die immer
gewinnen und es werden die verlieren, die
immer verlieren.
Wodurch sich regionale und soziale Unterschiede
innerhalb des Landes weiter verschärfen.
Wirtschaftliche Entwicklung?
• Kolumbiens Rolle als Rohstofflieferant und
Agrarexporteur wird zementiert
• Entwicklung von Industrien und andere
Politikmöglichkeiten eingeschränkt
Fehlanzeige!
Verhandlungen unter Ausschluss
der Öffentlichkeit
„Wenn das Abkommen erst einmal in Kraft ist, werden
soziale Spannungen und Konflikte in Peru und
Kolumbien weiter zunehmen. Der Druck auf Land und
Ökosysteme, Vertreibungen und Pestizideinsatz wird
sich erhöhen, einheimische Wirtschaftsbranchen werden
aufgeben müssen, Banken, Versicherungen, Transport,
Wasserversorgung, Telefon werden in europäischen
Besitz übergehen.“
Gaby Küppers, Mitarbeiterin der Grünen im europäischen Parlament
Fazit
• weitreichende Rechte für Konzerne wie Schutz der
Investitionen oder den Zugang zu Rohstoffen
• Arbeits- und Gewerkschaftsrechte bleiben dagegen
unverbindlich
• Verschärfung der Menschenrechtssituation und
• Einschränkung der wirtschaftlichen
Entwicklungsmöglichkeiten Kolumbiens
Position der IG BAU
Unsere Meinung zum Thema
• Freihandelsabkommen zu Lasten von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Kolumbien
• keine positiven Effekte auf das Wirtschaftswachstum in
Europa
Stattdessen initiiert die weltweite Liberalisierung des
Handels einen immer schnelleren Wettlauf um die
weltweit besten Produktionsbedingungen – sprich
niedrige Arbeits- und Umweltstandards. Im Ergebnis
kommen durch ein solches Abkommen auch die
Arbeitsbedingungen in Europa unter Druck.
Position der IG BAU
 Unsere Forderungen?
• Die Verhandlungen müssen gestoppt werden. Ein
derartiges Abkommen würde die derzeitige Politik der
kolumbianischen Regierung legitimieren und zu keiner
Verbesserung der Menschenrechtslage führen.
• EU-Kommission und Bundesregierung müssen der
Frage der Menschenrechte in der Außenhandelspolitik
oberste Priorität einräumen.
• Die kolumbianische Regierung ist gehalten,
Arbeitnehmern international anerkannte Arbeits- &
Vereinigungsrechte zu garantieren & effektiv für die
Einhaltung international anerkannter Menschenrechte in
Kolumbien zu sorgen.
Literatur
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Christoph Mayer (2010): WTO+ und Menschenrechte light: Das EU
Freihandelsabkommen mit Kolumbien, WEED-Hintergrund
Declaration of 221 organizations around the world: The Re-Conquest. A FTA
Colombia-Perú with Europe is coming.
IG Bauen-Agrar-Umwelt (2010): Stoppt das Freihandelsabkommen EU –
Kolumbien, Positionspapier
Raul Zelik (2010): Kolumbien: rechte sitzen im Wahljahr fest im Sattel,
Standpunkt International der Rosa Luxemburg Stiftung
Thomas Fritz (2010): Das EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien und
Peru, FDCL – Forschungs- und Dokumentationszentrum ChileLateinamerika e.V.
Trades Union Congress (TUC) (2009): Trading Away Human Rights. Why
the EU-Colombia Free Trade Agreement is a Step in the Wrong Direction
Das Abkommen ist unterzeichnet.
Die Ratifikation verhindern!
breite Front gegen das Freihandelsabkommen:
Gewerkschaften aus Deutschland (darunter
ver.di, IG-Metall, GEW, DGB und IG BAU),
Großbritannien und Kolumbien machen sich
ebenso gegen das Freihandelsabkommen stark,
wie zivilgesellschaftliche Organisationen und
soziale Bewegungen
Menschenrechte in Kolumbien - Mail-Aktion: Kein
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien
www.igbau.de > Politik/Themen > Internationales
Kolumbien ist weltweit das gefährlichste Land für
Gewerkschafter:
Über 2700 wurden seit 1986 ermordet, in 2008 waren es 49.
Die Menschenrechtslage ist katastrophal. Die kolumbianische
Regierung tut nichts für die Aufklärung der Gewaltverbrechen.
Angehörige des Militärs sind an illegalen Hinrichtungen direkt
beteiligt. Die Täter kommen oftmals straffrei davon. Mit der
kolumbianischen Regierung will die EU ein
Freihandelsabkommen abschließen. Das würde bedeuten,
dass die EU die jetzige Politik der kolumbianischen Regierung
anerkennt.
Die Menschenrechtssituation wird sich dadurch nicht
verbessern!
Das Europaparlament hat das Recht, ein
Freihandelsabkommen zu verhindern.
Wir bitten das Europaparlament, sich für Menschenrechte in
Kolumbien statt für ein Freihandelsabkommen einzusetzen.
Dazu brauchen wir Unterstützung, z. B. mit einer ProtestEmail an
Martin Schulz, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im
Europaparlament
und
Daniel Caspary, Sprecher für Handelspolitik der
Konservativen im Europaparlament.