Input der Beratungsstellen

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Transcript Input der Beratungsstellen

Binnenmobilität und soziale Rechte von EU
Bürgerinnen und Bürgern
Soziale Kohäsion in Europa
Eindrücke aus Dortmund und
Düsseldorf
Fachgespräch 14. November Brüssel
Input von
Johanna Smith und Uta Schütte-Haermeyer, Diakonie Dortmund und Lünen
Antonia Annoussi, Diakonie Düsseldorf
Die Dortmunder Situation
Menschen aus Bulgarien und Rumänien in Dortmund (offiziell gemeldet)
4.500
4.000
3.500
3.000
2.500
2.000
1.500
1.000
500
0
2006
2008
2010
2011
3/2012
Bulgarien
Quelle: Stadt Dortmund, Fachbereich Statistik
6/2012
Rumänien
9/2012
12/2012
3/2013
Bulgarien und Rumänien
6/2013
9/2013
Die Dortmunder Situation
„Den Durchschnitt gibt es nirgendwo…“
kleinräumige Daten spiegeln Situation im Lebensalltag der Menschen
Die Zahl der Neuwander/innen ist
stadtweit von 573 auf 4.059 um etwa das 7-fache
in Innenstadt-Nord von 95 auf 2.308 um etwa das 24-fache und
dort in einigen Nachbarschaften auf das 100-fache
Gestiegen
Zielquartiere waren meist bereits vorher sozial belastet (hohe
Arbeitslosen-/SGB II-Quote)
Zunahme der Beratungszahlen am Beispiel Zuwandernder aus Griechenland
Die bundesgeförderte Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) ist zuständig für alle
Anliegen von Menschen, die neu nach Deutschland zuwandern mit festen
Aufenthaltstiteln. Die Beratung neu Zugewanderter aus EU-Staaten ist in den letzten 2
Jahren deutlich gestiegen. Die seit 2011 stark zugenommenen Beratungszahlen aus
Griechenland in der MBE der Diakonie in Düsseldorf stehen exemplarisch für die
gesteigerte Inanspruchnahme der Migrationsberatung durch EU-Bürger aus Süd-,
Südost- und Südeuropa:

Beratungsfälle neu zugewanderter Griechen
in der MBE der Diakonie Düsseldorf 2011: 98

Steigerung der Beratungsfälle 2012 auf 134 = + 36,7%

Weitere Steigerung v. 2012 auf 2013 allein bis Ende des 3.Quartals auf 206 Fälle = +
53,7%
Außerdem lassen sich viele telefonisch oder per Email beraten.
Diese werden nicht statistisch erfasst.
Bis vor zwei Monaten: fast täglich ca. 5-10 Anfragen von Neuzuwanderern aus Griechenland
Das Diakonische Werk Dortmund und Lünen im
Handlungsfeld Zuwanderung aus Süd-Ost Europa
Das Projekt Schritt-Weise Bildungsförderung und schulische Integration von
bulgarischen und rumänischen Kindern in Dortmund.*1 Zwei Mitarbeiterinnen
beraten, begleiten, vermitteln und informieren muttersprachlich
(Rumänisch/Bulgarisch). Griffbereit Gruppe / Sprachförderung
WAS TUN?! Multiplikatorenfortbildungen mit einer Roma-Selbstorganisation
RoMann, Aufsuchende Arbeit um in Kontakt mit Männern aus der Zielgruppe zu
treten, mittels einer angesehen Persönlichkeit aus der Roma Community
Netzwerk EU Armutswanderung, Steuerung gemeinsam mit der Stadt und der
Caritas
Migrationsberatung (MBE) / Beratungsstelle für Wohnungslose
Mitarbeit an der Entwicklung einer Wohnungszugangsstrategie
*1 Das Projekt ist
Bestandteil des
Integrierten
Handlungsprogram
ms „Soziale Stadt
NRW-Dortmund
Nordstadt und wird
durch die EU, den
Bund, das Land
NRW und die Stadt
Dortmund gefördert.
Wir werden im Januar 2014 mit einer ökumenischen Anlaufstelle für EUZuwanderer starten und damit Ressourcen bündeln.
Fallbeispiel
Mann, 39 Jahre alt aus GR, Ingenieur mit Berufserfahrung, spricht Englisch und
sucht Arbeit. Er mietet ein Zimmer in einer Pension und meldet sich bei der
Arbeitsagentur. Besucht gleichzeitig einen Deutschkurs. Die Arbeitsvermittlung der
Agentur kann ihm nur geringfügige Arbeiten im Bereich Lager oder Service
vermitteln, er wird nicht zur Hochschulberatung zugelassen, weil er sein Diplom
noch nicht anerkannt hat, heißt es, außerdem spricht er noch wenig Deutsch. Die
Kosten für die Anerkennung kann er nicht tragen. Nach ca. 4 Wochen reicht sein
Geld nicht mehr aus um die Kosten für seine Unterkunft und seinen Deutschkurs
zu bezahlen. Er steht auf der Straße und kommt in einer Notschlafstelle unter. Er
sucht nach Arbeit auch im Billiglohn-Sektor. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld
II hat er nicht. Nach ca. 2 ½ Monaten bekommt er ein Stellenangebot, geringfügige
Beschäftigung, in einer Firma, er räumt Regale ein. Nach 1 Monat wird er
entlassen. Er findet eine Arbeit als Küchenhilfe mit Schlafgelegenheit, wird nach
ca. 3 Wochen entlassen. Er ist bis dahin nicht krankenversichert. Für kurze Zeit
erhält er Leistungen des Jobcenters bis er eine Arbeit als LKW-Fahrer findet und
ein Zimmer. Jetzt bleibt ihm kaum Zeit, um einen Integrationskurs zu besuchen.
9. April 2015
Diakonie Düsseldorf / …
Seite 6
Zuwanderung aus Südeuropa nach Düsseldorf am
Beispiel Griechenland
Viele aktuell Zuwandernde sind:
 Hochqualifiziert
 Facharbeiter
 Selbstständige
Sie alle haben gemeinsam:
keinen Zugang zum Arbeitsmarkt im Herkunftsland
oder Zusammenbruch ihrer Existenzgrundlage
Häufigste Anliegen Ratsuchender in der bundesgeförderten Migrationsberatung (MBE):
 Arbeit
 Wohnung
 Deutscherwerb
 Krankenversicherung
“Unionsbürger sind gegenüber “drittstaatsangehörigen” Ausländern priviligiert und in
Deutschland den deutschen Staatsbürgern gleichgestellt. Soweit die Theorie. Die Praxis
sieht insbesondere nach der Erfahrung von Zuwanderern und Beratungsstellen oftmals
anders aus.” (Der Paritätische Gesamtverband: Ausgeschlossen oder priviligiert? 8/2013)
Welche Probleme stellen sich uns konkret? Fallbeispiel aus
Dortmund
Herr und Frau T. sind seit 15 Jahren nach Ritus verheiratet. Sie haben zwei schulpflichtige
Kinder, (6 Jahre, Junge und 12 Jahre, Mädchen) das dritte Kind ist unterwegs. Die Mutter ist
aufgrund der bevorstehenden Geburt nicht berufstätig und Analphabetin. Beide sprechen kein
Deutsch aber Bulgarisch und Türkisch. Der Vater hat in Bulgarien als Helfer gearbeitet jedoch
mehrere Monate keinen Lohn bekommen. Ihm wurde Arbeit in Dortmund in Aussicht gestellt,
daher ist die Familien mit ihrem ersparten/geliehenem Geld in Höhe von 2.000 € im Juni 2013
nach Deutschland eingereist. Ein „Patron“ hat bei der Wohnungssuche geholfen und eine
1-Zimmer-Wohnung für die Familie organisiert. Das Haus hat keine Heizung. Die Familien
zahlte für seine Dienstleistungen bisher 500,-€. Darunter fiel auch die Anmeldung der Eltern
und die Eröffnung zweier Gewerbe, die Kinder sind bisher nicht angemeldet. Der „Patron“
möchte für die Vermittlung in Arbeit, Kindergeldanträge, Begleitung zur Krankenkasse
zunächst weitere 500,-€. Ferner behauptet er, dass es ein Risiko sei die Kinder anzumelden,
da die Wohnung zu klein ist. Daraufhin gehen die Kinder zunächst nicht zur Schule, obwohl
dies Wunsch der Eltern ist.
Der Vater hat bereits mehrere Wochen gearbeitet und wird mit dem Versprechen hingehalten,
dass die Dokumente für ihn fertig gemacht werden, daher erhalte er noch keinen Lohn. Er
bekommt unregelmäßig und nach Drängen lediglich kleine Beträge um 20,-€. Der Familie ist
nicht klar, was der Status selbständig bedeutet. Es kommen viele Briefe, die nicht verstanden
werden.
Die kranken Kinder haben wir in der Sprechstunde für nicht krankenversicherte Kinder des
Gesundheitsamtes kennengelernt. Inzwischen hat die Mutter im Krankenhaus entbunden und
die Familie hat für die Entbindung eine Rechnung über 3.000 € erhalten. Inzwischen sind die
Rücklagen aufgebraucht und Schulden entstanden.
Die Familie will auf keinen Fall zurück nach Bulgarien.
Viele aus Rumänien und Bulgarien Zuwanderte sind:




Wenig bis gar nicht qualifiziert, häufig funktionale Analphabeten
Haben praktische Kenntnisse aber keinen erlernten Beruf
Selbstständige
Gehören ethnischen Minderheiten an
Sie alle haben gemeinsam:
Arbeitslosigkeit und prekäre Verhältnisse im Herkunftsland, völlig falsche Vorstellungen
über das Leben und die Möglichkeiten in Deutschland, Überforderung mit der
deutschen und bulgarischen Bürokratie. Sind häufig Ausbeutungsstrukturen
ausgeliefert. Alle wollen sich ein besseres Leben in Deutschland aufbauen. Bulgarien
ist keine Option mehr.
Häufigste Anliegen Ratsuchender im Projekt Schritt Weise
 Bildung und Zugang zu Bildungseinrichtungen
 Arbeit - Gewerbeanträge, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Rechte und
Pflichten  Gesundheit und Gesundheitsversorgung, Regelung der Versicherung
 Diskriminierung auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt
 Kostenlose Sprachkurse