Altersarmut ist - überwiegend - weiblich

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Transcript Altersarmut ist - überwiegend - weiblich

Gleichstellungspolitische Strategien
gegen Working poor
Konferenz Working Poor Arbeiterkammer Salzburg 01.10.2013
Sissi Banos, IG Metall Vorstand, FB Organisation und Personal (Gender Mainstreaming)
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Permanent Prekär in Deutschland
Atypische Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu
– 75 Prozent der neu entstandenen Arbeitsplätze sind sog. atypische Beschäftigungsverhältnisse
– Die Hälfte der Erwerbstätigen sind Frauen, aber sie teilen sich nur 43% der vorhandenen
Erwerbsarbeit
Immer mehr Menschen können von ihrer Arbeit nicht leben
– 11 Milliarden Euro werden für Transferleistungen (sog. Aufstockungsleistungen) ausgegeben
– Gut ein Viertel aller Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnbereich. Zwei Drittel davon sind
Frauen.
– Ein Drittel der vollzeitbeschäftigten Frauen sind Geringverdienerinnen
Oase Deutschland ?
– Vier Millionen Menschen bekommen weniger als 7 Euro brutto / Stunde, davon 1,4 Millionen
weniger als 5 Euro brutto / Stunde
– 2,7 Millionen Menschen = 9 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stocken
ihr Gehalt mit einer zweiten Tätigkeit auf, mehr als die Hälfte davon Frauen.
– Deutschland wird bei der Niedriglohnquote europaweit nur noch von Litauen und weltweit
lediglich von Südkorea und den USA überboten.
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„Normalarbeit“ auf dem Rückzug
Quelle: Keller, Schulz, Seifert (HBS 2012)
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Junge Beschäftigte Prekarität gehört zum Alltag
Befristungen, Leiharbeit, Minijobs, Praktika und Werkverträge
sind alltägliche Erfahrung für junge Beschäftigte
– 32 Prozent der Beschäftigten unter 35 Jahren sind atypisch beschäftigt
– Ein Viertel der Berufstätigen unter 35 Jahren verdienen weniger als 1000 € brutto, mehr als die
Hälfte unter 2000 € brutto
– 40 Prozent der Befragten unter 35 Jahren hatten noch nie einen unbefristeten Arbeitsvertrag
(IGM-Studie Junge Generation 2012)
Atypische Beschäftigung beeinflusst Lebensbiografien...
– Schlechte Bezahlung, ungünstige Arbeitsbedingungen und persönliche Unsicherheit
– Individuelle Lebensplanung wird eingeschränkt
– Familiengründung nicht möglich
Atypische Beschäftigungsformen als Brückenfunktion ?
– Funktioniert in der Realität meist nicht
– Bedeutet Dequalifizierung qualifizierter Arbeitnehmer/innen
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Frauenarbeit ist prekär
Quelle: Wiso-Diskurs Oktober 2011
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Ein Fünftel aller Beschäftigen mit Minijob
Anteil an Minijobs an den Beschäftigungsverhältnissen
Quelle: Herzog-Stein 2010, HBS 2010
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Minijob = Minilöhne = Mini"rechte"
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•
Mehr als drei Viertel der Minijobber/innen bekommen weniger als 8,50 €
Stundenlohn.
Häufig Benachteiligungen auch bei anderen Ansprüchen (trotz gesetzlichem
Diskriminierungsverbot)
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Hoher Frauenanteil bei Teilzeit
 84 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen.
 Frauen arbeiten vor allem im Bereich „kurze Teilzeit“ mit 20 und
weniger Wochenstunden
 Die Hälfte aller Teilzeitbeschäftigten
erhalten ein Bruttoeinkommen unter 800 €.
 Rund die Hälfte der weiblichen Teilzeit beschäftigten geht aufgrund familiärer
Verpflichtungen einer reduzierten Tätigkeit
nach, bei den männlichen Teilzeitlern sind
es nur 8 Prozent.
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Gründe für Teilzeitarbeit von Frauen
im Vergleich zu Männern
(abhängig Erwerbstätige 15 – unter 65 jährige, Deutschland 2010, in Tausend)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus
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Kinder beeinflussen die Arbeitszeit
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Erwerbsunterbrechungen und ihre Folgen

Je länger die Erwerbsunterbrechung, desto geringer die Chance
auf Wiedereinstieg.
– Entwertung von Qualifikation und Verlust von spezifischen
Arbeitsplatzkenntnissen.

Mit der Dauer der Erwerbsunterbrechung sinkt die Chance, eine
gleichwertige Position bei demselben Arbeitgeber zu erhalten.
– Bei einer Rückkehr innerhalb von 5 Jahren liegt sie bei 50%.
– bei einer späteren Rückkehr sinkt sie auf 16%.

Arbeitszeitverkürzungen nach der Rückkehr in den Beruf senken
das Einkommensniveau, und ebenfalls häufig beruflicher Abstieg.

Unterschiedliche Unterbrechungszeiten = 18% des Entgeltunterschiedes zwischen Männern und Frauen (mother pay gap)
Gutachten Gleichstellungsbericht: Ausgewählte Ergebnisse und Kommentierungen Ressort Frauen-
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Erwerbsleben - Wie sieht´s aus beim Entgelt?

Die Entgeltlücke (Gender Pay Gap) beträgt in Deutschland 25%.
– Gründe: unterschiedliche Berufe, Betriebe und Hierarchiestufen,
familienbedingte Erwerbsunterbrechungen, Zuweisung und Bewertung
der Arbeitstätigkeiten.
– Studien beweisen: auch bei gleichen Bedingungen erhalten Frauen
ein geringeres Entgelt als Männer.
– Über den Lebenslauf gesehen kumulieren die Einkommensdifferenzen
auf eine Einkommenslücke von 58% (Infratest 2000).

Minijobs erhöhen die Diskrepanz von Lohn und Leistung.

Frauen haben ein doppelt so hohes Risiko als Männer niedrig
entlohnt zu werden.
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Frauen leben länger – mit weniger Rente
Durchschnittliche Rentenhöhe
(Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und wegen Alters insgesamt)
Rückstände der Frauen in Prozent
Frauen
Männer
30%
Durchschnittliche
Versicherungsjahre:
47%
507
964
Westdeutschland
709
1008
Frauen
Männer
27 (West) / 39 (Ost)
40 (West) / 45 (Ost)
Ostdeutschland
Quelle: DRV, Stand Ende 2011
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Entscheidende Faktoren für die Rente
 Sozialversicherungspflichtige Erwerbseinkommen
 Ununterbrochene sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
> Rentenhöhe richtet sich nach der relativen Höhe des
sozialversicherungspflichtigen Entgelts im gesamten Erwerbsleben,
soweit dafür Beiträge gezahlt wurden.
> Das Rentenrecht belohnt jede Ausweitung der
versicherungspflichtigen Erwerbsarbeit.
> Eine Ausweitung der (Frauen-)Erwerbstätigkeit hat positive
Auswirkungen für eine eigenständige Absicherung von Frauen im
Erwerbsleben und im Alter.
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Erster Gleichstellungsbericht
der Bundesregierung 2011:
„Die entscheidenden Stellschrauben für den Aufbau
armutsvermeidender Rentenansprüche liegt im Erwerbssystem.
Ein zentraler Ansatzpunkt bei der Bekämpfung von Armut und
sozialer Ausgrenzung ist daher die Beendigung der Förderung
geringfügiger Beschäftigung sowie eine Stützung
ertragsschwacher Erwerbsformen durch Mindestlöhne.“
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Politik
Öffentlichkeit
Handlungsebenen/
-optionen
working poor
Betriebe
Tarifpolitik
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Handlungsoptionen: (An)forderungen an die Politik




Eindämmung und Regulierung prekärer Arbeitsverhältnisse
Gesetzlicher Mindestlohn
Sozialversicherungspflicht für alle Beschäftigungsverhältnisse
Langfristige Abschaffung der Mini-Jobs


Abschaffung von Anreizsystemen für prekäre Frauenbeschäftigung
(z.B. Ehegattensplitting)
Möglichkeit der Arbeitszeitreduzierung mit Entgeltzuschuss (z.B.
Kinderbetreuung oder Pflege)
Verbesserung der Infrastrukturen (Kinderbetreuung und Pflege)


Entgeltgleichheitsgesetz
Geschlechterquote Vorstände und Aufsichtsräte

Ausweitung der Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten bei prekärer
Beschäftigung
Bindung sozialer Kriterien („Gute Arbeit“) an Wirtschaftsförderung


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Handlungsoptionen: Öffentlichkeitsarbeit/Kampagnen

Kampagne „Leiharbeit fair gestalten“ (ab 2007)

Kampagne „Arbeit: sicher und fair“

Kampagne Bundestagswahl (September 2013)
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Anzeigenkampagne
Bundestagswahl
September 2013
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Anzeigenkampagne
Bundestagswahl
September 2013
mit Bezugnahme auf
betriebliche Umfrage
„Arbeit: sicher und fair“
Frühjahr 2013
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Handlungsoptionen: Tarifpolitik

Tarifbindung als wichtige Voraussetzung für „Gute Arbeit“
(betriebliche und öffentlichkeitswirksame Kampagnen)

Tarifvertragliche Regelungen zu
 Mindestlohn und Besserstellung prekärer Arbeitsverhältnisse
(Beispiele Wäschereigewerbe; Zeitarbeitsbranche)
 Regulierung prekärer Arbeitsverhältnisse
Beispiel Tarifbewegung Metall-/Elektroindustrie 2012


Leiharbeit: Ausweitung der Rechte von Betriebsräten, Beschränkung der
Einsatzdauer und -gründe, Prüfung der Übernahme; equal pay/
Branchenzuschläge
Befristungen: unbefristete Übernahme Auszubildende
 Vereinbarkeit Familie und Beruf

Diskriminierungsfreie Tarifverträge
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Handlungsoptionen: Betriebe

Festigung und Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung

BoB-Kampagnen – Betriebe ohne Betriebsrat

Nutzen und Erweiterung der Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten zur
Regulierung und Eindämmung prekärer Beschäftigung

Initiative „Auf geht´s – faires Entgelt für Frauen“

Bessere Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit von Familie und Beruf
(Betriebsvereinbarungen)
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Herzlichen Dank
für
Ihre Aufmerksamkeit
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