Entstehung der wichtigsten Pferderassen und

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Transcript Entstehung der wichtigsten Pferderassen und

Entstehung der wichtigsten
Pferderassen und
Zuchtverfahren
Vorlesung 3
Etwas Theorie vorweg…
Was ist eine Rasse?
• Rasse ist kein eindeutiger technischer Begriff
sondern Konvention.
• Definition Rasse: Eine Untergruppe von
domestizierten Tieren einer Population einer Art
mit definierten, von einer anderen Gruppe
unterscheidbaren, phänotypischen Merkmalen;
oder eine Gruppe von Tieren, die durch
geographische Isolierung von phänotypisch
ähnlichen Gruppen eine eigene Identität
erhalten haben.
Der Begriff Population
• Eine Population ist durch gemeinsame
Zuchtmassnahmen und Paarung und damit
durch gemeinsame Gene in unterschiedlicher
Frequenz charakterisiert.
• Eine Population kann identisch mit einer Rasse,
einer Rassengruppe, einem Landschlag oder
einer Linie sein.
• Die Genetik einer Population ist gleich der
Summe der Gene der Individuen.
• Eine Population ist immer dynamisch und
theoretisch unendlich in Raum und Zeit im
Gegensatz zum Individuum.
Unterscheidungsmerkmale einer
Rasse
• Unterschiedliche Eigenschaften (genetische
Variation kann – bei phänotypischer Ähnlichkeit
- grösser innerhalb als zwischen Rassen sein!)
• Zuchtverband
• Gemeinsame Zuchtgeschichte
• Gemeinsame kulturelle Bedeutung
• Offizielle Anerkennung und Registrierung
Pferderassen als
Markenzeichen
• Die definierten Eigenschaften einer
Nutztierrasse bestimmen die
Wettbewerbsfähigkeit und sind als
Vermarktungsinstrument einsetzbar
• Verdrängungswettbewerb
• Nischenpolitik der Spezialrassen und
zahlenmässsig kleinen Rassen
• Tendenz zur Spezialrasse
• Aussterben der nicht organisierten oder nicht
mehr wettbewerbsfähigen Rassen
Űbersicht Pferderassen
1. Vollblut
Reinzucht, Selektion auf Rennleistung
Arabisches Vollblut (ox)
Arabisches Vollblut (AV), Araber (A), Anglo-Araber (AA) – mind. 25%
xx bzw. ox, Anglo-Arabisches Halbblut (max 25% andere Rasse),
Shagya Araber
Englisches Vollblut (xx)
2. Warmblutrassen Kreuzung lokaler Populationen mit Vollblütern,
Selektion auf Reiteignung und/oder Fahren/Zugeignung
Europäische Reitpferderassen (Deutsches Reitpferd, Trakehner, Selle
Francais, Iberische Rassen,...)
Schweres Warmblut (z.B. Alt-Oldenburger, Ostfriesen, Friesen)
Nord- und Südamerikanische Reitpferderassen
3. Kaltblutrassen
4. Ponyrassen
5. Traber
Araberpferde
Geschichte: Araber übernehmen Transporte mit Kamelen für
die Römer ursprünglich keine Pferdehalter oder –zűchter
ab ca. 4. Jahrhundert n.C. Pferdezucht und Reiterei.
Mohammed - Religionstifter des Islam (622 n.Chr.) - erkennt
die Bedeutung der Kavallerie, um den Einflußbereich des
Islam militärisch zu erweitern
Hadban Enzahi, geb.
1952 – Stempelhengst
der Araberzucht Marbach
Das Pferd im Islam
…die Kraft meiner Gemeinde liegt in den Hufen
ihrer Pferde und in den Spitzen ihrer Lanzen…
Am Schopf des Pferdes hängt das Glück dieser
Welt, reiche Beute und ewige Belohnung…
Für Pferde ausgegebenes Geld ist in den
Augen Allahs gleichbedeutend mit mildtätigen
Almosen
(zitiert nach Aurich, 2005)
Entstehung des ‚Arabers‘
Pferdezucht der Beduinen
Hochland von Nedschd (Saudi-Arabien)
keine Wildpferde in Arabien
Einfuhr von Pferden aus den Zuchtgebieten im
Norden und Osten (Palästina, Syrien, Irak, Iran)
Selektion unter harten Umweltbedingungen
>>> ausdauernde harte Pferde im
einheitlichen Typ (Reinzuchtverfahren)
keine ‚Reitkunst‘ bei den arabischen Reitern
Zuchtverfahren
Keine Aufzeichnungen - mündliche Weitergabe
der Abstammung der Pferde
verschiedene Zuchtlinien der Beduinenstämme:
Kuhaylan, Saqlawi, Abbayan
(O`Bayan), Hadban, Hamdani, Muniqi,
Nauwaq, Dahman, Kurush, Wadnan, Jilfan,
Jallabi
5 Stammstuten (asil): Kuhaylan Ajuz,
Saqlawiyah, Abbayah, Hadbah,
Hamdaniyah
Berber
Quadratpferd, bis 155 cm, typischer Ramskopf
● Zuchtgebiet: Marokko, Algerien, Tunesien
● Abstammung von den numidischen Pferden der Karthager
● seit der Islamisierung ständiger Einstrom arabischen
Vollbluts >>> Hauptrasse heute Araber-Berber
● Einfluß des Berbers auf die iberischen Pferde sowie das
englische Vollblut
● auf den Berber zurückgehende Rassen in Afrika:
Bornu-Pferd (Tschad), Dongola-Pferd (Ägypten)
● Erhaltungszucht des reinen Berbers durch die
marokkanischen Landgestüte mit Unterstützung
der französischen Gestütsverwaltung
Vollblut
Grűndungsväter:
1. Byerley Turk (geb. ca. 1679) Sire Line
2. Darley Arabian (geb. ca. 1701 Syrien) Sire
Line
3. Goldophin Arabian (geb. ??, import via
Frankrecih 1729 nach England) Sire Line
Etwa 200 Hengste beteiligt
General Stud Book 1793 geschlossen
Züchtungstheorien
• Vor 1700 bis heute: Aberglaube, Vererbung
erworbener Eigenschaften
• Bildung der Kulturrassen ab 18. Jh.,
hauptsächlich in England: Reinzucht und Inzucht
(„Gleiches führt zu Gleichem“)
• Rassenkonstanztheorie: „ Vererbungskraft, die
nicht wechselt“
• Ab 18. Jh. Herdbuchwesen
• Bodenständigkeit: „Rasse, ein Produkt der
Scholle“
Züchtungstheorien II
• Formalismus um 1860 (Darwin/Mendel):
Unveränderlichkeit der Arten (Linne 1707-1778;
Lamarck 1744-1829) vs. Evolutionsstheorie
• 1900 Individualpotenzlehre (Wiederentdeckung
Mendel)
• Populationsgenetik ab 1950 (Fisher, Wright,
Lush)
• Zell- und Molekulargenetik heute
Züchterischer Fortschritt:
Die Grundstrategien
1. Nutzung der genetischen Variation innerhalb
der Population durch Selektion und Paarung
2. Nutzung der genetischen Differenzen
zwischen Populationen
Die genetische Variation besteht aus additiven
und nicht-additiven Komponenten, woraus sich
verschiedene Verfahren ergeben.
Nutzung der genetischen
Varianz
1 Ausschliessliche Nutzung der additiv genetischen Varianz (nicht Heterosiseffekte etc.)
1.1 Selektion in geschlossenen Populationen
(Reinzucht – Inzucht)
1.2 Selektion in offenen Populationen:
Veredelungskreuzung-„Blutauffrischung“
Kombinationskreuzung – „Synthetics“
Verdrängungskreuzung – „upgrading“
Nutzung der genetischen
Varianz - II
2 Nutzung der allgemeinen und speziellen
Kombinationseignung (additiv und nicht additivgenetische Varianz)
‚Gebrauchskreuzung‘ (‚Hunter‘)
2.1 Diskontinuierliche Gebrauchskreuzungen als Einfach-,
Rück- und Mehrfachkreuzung
2.2 Kontinuierliche Gebrauchskreuzungen als Zwei- und
Mehrfachrotationen, Terminalrotationen (keine
praktische Bedeutung in der Pferdezucht)
2.3 Reziproke rekurrente Selektion (RRS): Selektion auf
Kreuzungsleistung innerhalb der Population (keine
praktische Bedeutung in der Pferdezucht)
Nutzung der genetischen
Varianz - III
3 Keine systematische Selektion:
3.1 Randomisierte Paarung
(Zufallspaarung) – auch zur Erhaltung von
Kontroll- und anderen Populationen
3.2 Unkontrollierte Gebrauchskreuzungen
(‚wildes Decken‘)
3.3 Artkreuzungen (Pferd – Zebra – Esel)
Reinzucht
• Geschlossene Zuchtpopulationen
(Vollblutzucht seit 1793)– Einkreuzung
erfolgt in den meisten
„Reinzuchtpopulationen“ früher oder
später
• Begrenzender Faktor: Effektive
Populationsgrösse Ne
Effektive Populationsgrösse Ne
Formel um Inzuchtsteigerung je Generation
unter Annahme von Zufallspaarung zu schätzen:
Massgeblich wird die effektive
Populationsgrösse durch das Verhältnis
Hengste (m = male) zu Zuchtstuten (f = female)
beeinflusst.
Ne = (4 Nm x Nf ) / (Nm + Nf )
Ne sollte nicht unter 50 liegen um nicht mehr als 1%
Inzuchtsteigerung je Generation in Kauf zu nehmen
Reinzucht: Inzucht
• Inzucht: Paarung von im Durchschnitt näher
verwandten Paarungspartnern als zufällige
Paarungspartner
• Inzuchtdepression
• Mässige Inzucht durch Familien- oder
Linienzucht in der praktischen Pferdezucht
(‚Blutanschluss‘) – Schwieigkeit des
statistischen Nachweises eines Erfolges (!)
Linienzucht: Gratwanderung
A
Startpopulation
A-F: VäterLinienzucht auf
A und C
C
A:25%
1. Gen.
B
E
A:25 %; C:25%
2. Gen.
3. Gen.
A:18,75%; C:25%
D
F
Schema Einfachkreuzung
A
B
XX
OX
Warmblutrassen
oder -schläge
AB
Ziele von Kreuzungszucht
1. Schnelle (F1 bei Einfachkreuzung)
Nutzung genetisch additiver Effekte
spezieller Vater- und Mutterrassen
(Stellungseffekte), die mit Universalrassen
nicht zu erreichen sind. Überwindung
antagonistischer Eigenschaften.
2. Nutzung von Heterosiseffekten (nicht
additive Effekte), insbesonders von
Fitnessmerkmalen mit niedriger
Heritabilität.
Schema Dreifachkreuzung
(keine Anwendung in der Pferdezucht)
A
C
B
AB
C x AB
Selektion in offenen
Populationen
2.1 Veredelungszüchtung: Pferdezucht
Hannover, Trakehner, Haflinger;
2.2 Kombinationszüchtung (Synthetics):
Oldenburger;
Kombinationszüchtung mündet fast immer
öfters in Verdrängungskreuzung
Verdrängungskreuzung
B
A
B
F1
B
B
R1
R2
R3
A: weibliche Tiere
einer Landrasse/
Landschlag
Fortgesetzte Verdrängungskreuzung
führt zum ‘Aussterben’ alter Rassen!
Verdrängungskreuzung: Veränderung des
Genanteil innerhalb weniger Generationen
(>>Typänderung!)
Generation
0
1
2
3
4
5
6
Rasse A
(%)
100
50
25
12,5
6,25
3,125
1,526
Rasse B
(%)
0
50
75
87,5
93,75
96,875
98,438
Verhältnis
½
¾
7/8
15/16
31/32
63/64
Verdrängungskreuzung
(Clausen 1955; Klass. Zuchtversuch: Wildschwein zu Dän.
Landrasse)
Generation
Wildschw.
%
TGZ g
FV
Länge cm
R1 (W)
F1
R1 (D)
R2 (D)
R3 (D)
R4 (D)
Dän. L
75
50
25
12,5
6,3
3,1
0
286
469
528
592
621
695
678
5,79
4,44
3,74
3,57
3,12
3,12
3,15
83,7
86,1
89,4
91,2
91,7
96,5
93,3
Veränderung des Hengstbestandes
Oldenburger Rasse 1950-1985
Jahr
OLDB XX
AN
1950 143
0
0
Han. Sonst. Sum. %
WB
0
0
143 0
1960 60
1
1
0
0
62
3
1970 12
12
2
11
4
41
71
1975 20
22
6
22
5
75
73
1985 80
7
10
38
8
143
44
Literatur (Pflicht)
Haring, H. 2002: Pferderassen und Zuchtgebiete. In:
Thein, P. (Hrsg.): Handbuch Pferd, BLV Verlag
(Bibliothek) S. 28-79
Hartmann, O. 2006: Pferdezucht. Ulmer Verlag,
Hohenheim
Tierzuchtgesetz von 1998
Zuchtverbandsordnung der FN, Teil A und B (Kopie)