Vom Gastarbeiterland zum Einwanderungsland – Zuwanderung nach Deutschland und ihre Ursachen
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Vom Gastarbeiterland zum Einwanderungsland – Zuwanderung nach Deutschland und ihre Ursachen Referenten: Alexander Junk & Anne Weber Gliederung 1.0 Definiton des Begriffs „Migration“ 2.0 Migrationsforschung 3.0 Begriffsdifferenzierungen 3.1 Deutsche nichtdeutscher Herkunft 4.0 Migrationshintergrund 5.0 Wanderungsphasen und –bewegungen: 5.1 Ost-West-Wanderung 5.2 Deutsche Aus- und Rückwanderer 5.3 Aussiedler und Vertriebene 5.4 Sozioökonomische Folgen 5.5 Flüchtlingsgruppen 6.0 Einbürgerungspraxis (Fallbeispiel) 7.0 Demographischer Wandel und Lösungsansätze 8.0 Fremdenfeindlichkeit 9.0 Positive Effekte der Zuwanderung 10.0 Öffentlicher und politischer Diskurs 11.0 Diskussionsfragen 12.0 Literaturverzeichnis 13.0 Abbildungsverzeichnis 1.0 Definition des Begriffs „Migration“ Bewegung, die mit der Verlagerung des Lebensmittelpunktes einhergeht. Erwerbs-, familienbedingte, politisch und/oder biographisch motivierte Wanderung Begrenzte/temporäre Wanderung vs. dauerhafte/permanente Wanderung 2.0 Migrationsforschung Hauptfokus auf Arbeitsmigranten und Flüchtlinge „Gender“ in der Migration Frauen nur „Anhängsel“? Frauen sind selbständige Akteure im Migrationsprozess 3.0 Begriffsdifferenzierungen Bis in die 1970er in der Umgangssprache und Öffentlichkeit: „Gastarbeiter“ Amtssprache: „Ausländer“ → In der Umgangssprache: „Ausländer“ Ausländer bezeichnen sich selbst als „Migranten“ Sozialwissenschaftliche Sicht: „ethnische Minderheiten“ 3.1 Deutsche nichtdeutscher Herkunft Ca. 1,6 Mio. „Ehemalige Ausländer“ 5,6 Mio. Arbeitsmigranten Probleme der Statistiken Abb. 1 Die 20 größten ethnischen Minderheiten 4.0 Migrationserfahrung und hintergrund Abb. 2: Migrationshintergrund der Bevölkerung (2005) 67,1 Mio. Deutsche ohne Migrationshintergrund (81%) 15,3 Mio. Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund (19%) 5.0 Wanderungsphasen und bewegungen 4 Phasen der Ausländerpolitik Anwerbephase (1955-73) Rotationsprinzip Konsolidierungsphase mit ersten Integrationsversuchen (1973-80) Anwerbestopp „Man hat Arbeitskräfte gerufen und es kommen Menschen“ (Max Frisch) Abwehrphase (1981-98) Steigender Zuwanderungsdruck durch Asylsuchende „Rennen nach einer Begrenzungspolitik“ Stille Metamorphose vom Gastarbeiter zum Einwanderer Akzeptanzphase seit 1998 Anwerbestopp durch Greencard für ITSpezialisten durchlöchert „Wettrennen der Parteien um gesetzliche Regelungen der Zuwanderung“ Ausländerpolitik wandelt sich zu Migrations- und Integrationspolitik 5.1 Ost-West-Wanderung Vor der Gründung der beiden deutschen Staaten: 730.000 Personen in den Westen übergesiedelt/geflohen Nach Gründung der DDR (1949) bis zum Bau der Mauer (1961): 3,8 Mio. Wanderungsstrom in die Gegenrichtung: 393.000 (1949-61) Ab 1961: Migrationsstrom kommt weitgehend zum Erliegen: DDR → BRD ca. 23.000 pro Jahr BRD → DDR ca. 3000 pro Jahr Fall der Mauer → unkontrollierte Massenabwanderung 5.2 Aussiedler und Vertriebene Bis Anfang der 50er Jahre ca. 12 Mio. Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten und aus Ostmitteleuropa 1950-87 ca. 1,4 Mio. Aussiedler 1988-96 ca. 2,3 Mio. Begriffliche Unterscheidung 1945-49 Vertriebene 1950-92 Aussiedler Seit 1993 Spätaussiedler 5.3 Deutsche Aus- und Rückwanderer Im 19. und frühen 20. Jhd. politisch, vor allem aber ökonomisch motivierte Auswanderungen nach Übersee 1800-1930 ca. 7 Mio. Deutsche in die USA, nach Kanada und Südamerika Beträchtliche Rückwanderungen während der Weltwirtschaftskrise 1929 1954-95 ca. 3,4 Mio. (west-) deutsche Auswanderer und ca. 2,4 Mio. Rückkehrer 5.4 Sozioökonomische Folgen BRD: Gehört seit Gründung zu den wichtigsten Zuwanderungsländern der Welt Erzwungene Ost-West-Wanderung war wichtig für die Nachkriegsentwicklung Arbeitskräftepotenzial als „struktureller Wachstumsfaktor“ der Wirtschaft Profitierte von Zuwanderern aus der DDR → BRD sparte Ausbildungskosten → Zuwanderer wirkten sich positiv auf Altersstruktur aus Zuwanderung Löste starkes Bevölkerungswachstum aus Stimulierte wirtschaftliche und soziale Entwicklung Zuwanderungsdruck der letzten Jahrzehnte hat Westdeutschland eine internationale Spitzenposition als Einwanderungsland eingebracht DDR Vertriebene → Haben rückläufige Bevölkerungsentwicklung relativiert → Als ökonomischer Faktor Abwanderungen → Schrumpfen der Bevölkerung, wirtschaftliche, soziale, politische Krisen Verlust von hochqualifizierten Arbeitskräften Hälfte der Auswanderer bis zum Mauerbau waren jünger als 25 Jahre → negative Auswirkungen auf die Altersstruktur z.T. Vorteile für die Machtelite 5.5 Flüchtlingsgruppen Anerkannte Flüchtlinge: 265.000 (2003) De-facto-Flüchtlinge: 375.000 Bürgerkriegsflüchtlinge: 40.000 (2001) Asylbewerber: 130.000 Illegale: zwischen 150.000 und 1 Mio. 6.0 Einbürgerungspraxis Von der Einbürgerungspraxis eines Landes hängen die Ausländeranteile ab Abstammungsprinzip: Kinder ausländischer Eltern, die vor dem 1.1.2000 geboren wurden, erhielten Staatsangehörigkeit der Eltern Territorialprinzip: Kinder ausländischer Eltern erwerben mit Geburt die Staatsangehörigkeit des Geburtslandes 1993 Drittstaatenregelung 2000 Bluecard 2000 Greencard Seit 2002 Vermittlung von ausländischen Haushaltshilfen → dürfen bis zu drei Jahre in Vollzeitbeschäftigungen tätig sein 1.1.05 Erstes Zuwanderungsgesetz → Bekenntnis zu einem Einwanderungsland modernen Typs Fallbeispiel Kosovare arbeitet seit 10 Jahren in einem Unternehmen Muss Aufenthaltserlaubnis monatlich verlängern Ständiges Bangen, dass der Sacharbeiter wechselt oder die Bedingungen neu interpretiert werden Darf nur bleiben, wenn „öffentliches Interesse“ an seiner Beschäftigung besteht 7.0 Demographischer Wandel und Lösungsansätze Niedrige Geburtenraten in den Industrieländern UN-Studie zur Migration und Bevölkerungspolitik: Empfehlung von zusätzlicher Einwanderung Zunehmend problematische Relation zwischen Erwerbstätigen und Rentnern 1997 Gab es zum ersten Mal mehr Ältere als Jüngere Langfristige Trends: Geburtenraten bleiben auf niedrigem Niveau Alterung der Bevölkerung → „Pflegefall Deutschland“, Belastung für die sozialen Sicherungssysteme Bevölkerungsrückgang, lässt sich durch Zuwanderung nur mildern, nicht aufhalten Zuwanderung und Wachstum des multiethnischen Segments → Verdopplung in den nächsten 2 bis 3 Jahrzehnten Lösungsansätze Zuwanderung, Familien- und Altenpolitik müssen positiveren Stellenwert erhalten Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Erhöhung des Renteneintrittsalters Anstieg der Rentenbeiträge, Sinken des Rentenniveaus Steigerung der Frauenerwerbsquote Familien dürfen nicht mehr so stark benachteiligt sein Bessere Qualifizierung und Wertschätzung der älteren Erwerbsbevölkerung Integration der Einwanderer Abb. 3 „Unkontrollierte Zuwanderung“ 8.0 Problem Fremdenfeindlichkeit In den 80ern und 90ern Welle der Gewalt, als Ausländer- und Asylpolitik in Wahlkämpfen hochgespielt wurde Ausländerfeindliche Wahlkämpfe stärkten rechtsradikale Parteien Auch durch Greencard angefragte Spezialisten wurden durch Berichte über Ausländerfeindlichkeit in Deutschland abgeschreckt 9.0 Positive Effekte der Zuwanderung Ausländer/Migranten üben oft Tätigkeiten als un- und angelernte Arbeiter aus → füllen Lücken auf dem Arbeitsmarkt, die mit Einheimischen nicht geschlossen werden können Philipp Reimers (IHK Stuttgart): „Der bereits heute akute Fachkräftemangel wird […] durch die demographische Entwicklung ohne eine Zuwanderung von Arbeitskräften in den nächsten Jahrzehnten dramatische Ausmaße annehmen“ (Meier-Braun 2002, S. 168) Behauptung, Wanderung habe vor allem in die Sozialsysteme stattgefunden → Ausländer mit gleicher Altersstruktur brauchen aber nur ca. die Hälfte der Leistungen und Krankheitsaufwendungen Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Essen: Kosten für Nichtintegration in Bildungs- und Ausbildungssysteme 20 bis 40 Milliarden € pro Jahr Ausländische Arbeitskräfte zahlen erhebliche Beiträge in die Sozialkassen der Aufnahmeländer ein 10.0 Öffentlicher und politischer Diskurs Schon vor dem Wahlkampf 2002 wurde das Thema für parteipolitische Zwecke ge-/missbraucht Debatte um Begriff „Einwanderungsland“, obwohl es den Unterschied zwischen Zu- und Einwanderungsland in keiner anderen Sprache gibt Jahrzehnte lang wurde eine Politik betrieben, die keine Rücksicht auf die Interessen der betroffenen Bevölkerungsgruppe nahm Erklärtes Ziel der Regierung Kohl: Ausländerzahlen, vor allem die der Türken, zu verringern Abb. 4: Verzweifelter Architekt Auszug aus dem Kabarettprogramm „Aufhören!“ von Wilfried Schmickler, aufgenommen in der Comedia Köln (Juni 2003), Track 6 „Am kölschen Tresen soll die Welt genesen!“ 11.0 Diskussionsfragen Ist es angebracht, von Akzeptanz- und Integrationsphasen zu sprechen oder sind diese Begriffe zu euphemistisch? Wie nimmt man selbst den Ausländeranteil an der Bevölkerung wahr; gibt es dabei unterschiedliche Wahrnehmungen in verschiedenen Regionen Deutschlands? Ist das „Problem: Menschen mit Migrationshintergrund“ in der öffentlichen Diskussion nur noch im Zusammenhang mit „Pisa“ zu bemerken? 12.0 Literaturverzeichnis Geißler, R. 2006: Die Sozialstruktur Deutschlands. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Wiesbaden, S. 231-240 Geißler, R./T. Meyer 2006: Struktur und Entwicklung der Bevölkerung. In: Geißler, R. 2006: Die Sozialstruktur Deutschlands. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Wiesbaden, S. 56-67 Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V.: Mester 2003 „Unkontrollierte Zuwanderung“ (http://www.global-lernen.de/service/karikatur_der_woche/2003/unkontrollierte_zuwanderung Ulrich Kelber: „Verzweifelter Architekt“ 2001 (http://www.kelber.de/humor/cartoons/ansicht/index.html?nummer=6) Meier-Braun, K.-H. 1995: 40 Jahre „Gastarbeiter“ und Ausländerpolitik in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 35, S. 14-22 Meier-Braun, K.-H. 2002: Deutschland, Einwanderungsland, Frankfurt a. M. Münz, R./W. Seifert/R. Ulich 1997: Zuwanderung nach Deutschland. Frankfurt a.M./New York StBA2006 (Statistisches Bundesamt, Hg.): Leben in deutschland. Haushalte, Familien und Gesundheit – Ergebnisse des Mikrozensus 2005. Wiesbaden (Kap. 8: Migration). (Download: http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2006/mikrozensus_2005i.pdf) Klaus Stuttmann: „Die korrekte Antwort“ 2006 ( www.stuttmann-karikaturen.de) Tecchannel: Bayern färbt Greencard blau. 5.7.2000 (http://www.tecchannel.de/news/themen/business/405699/) Treibel, A. 2001: Migration In: B. Schäfers/W. Zapf (Hg.): Handwörterbuch der Gesellschaft Deutschlands. 2. Aufl. Opladen, S. 472-481 13.0 Abbildungsverzeichnis Abb. Abb. Abb. Abb. 1: 2: 3: 4: Die 20 größten ethnischen Minderheiten Migrationshintergrund der Bevölkerung (2005) Unkontrollierte Zuwanderung Verzweifelter Architekt Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! [email protected]