Christoph Liel

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Rückfallrisiko von Partnerschaftsgewalttätern:
Validierung eines Evaluationsinstrumentariums für
Täterprogramme
Christoph Liel, München
Kontakt: [email protected]
Pilotstudie mit beteiligten Institutionen: Arbeiterwohlfahrt Familienglobus GmbH und Diakonie Düsseldorf, Münchner Informationszentrum für Männer e.V. und
Diakonisches Werk Rosenheim
Masterthesis an der Evangelischen Hochschule in Freiburg (2012)
Abb. 1: Erhobene Partnerschaftsgewalt
Hintergrund
Bei der Arbeit mit Partnerschaftsgewalttätern konzentriert sich die
Diagnostik und Evaluation auf die Beurteilung der
Rückfallwahrscheinlichkeit von Klienten. Die Erfassung von Rückfällen gilt
jedoch als aufwändig und verzerrungsanfällig. Proxyvariablen, die einen
empirisch bestätigten Einfluss auf die Rückfallquote haben, können
alternativ bzw. ergänzend zu Rückfallerhebungen genutzt werden.
leichte Gewalt (z.B. schubsen)
mittelschwere (z.B. ohrfeigen)
schwere (z.B. würgen, prügeln)
hohe Kontrolle (laut Partnerin)
Zielsetzung
80%
Im Rahmen einer Pilotstudie sollte ein proxybasiertes Erhebungsinstrumentarium über das Rückfallrisiko von Partnerschaftsgewalttätern an
drei Standorten validiert werden. Ausschlaggebend sollte die
Fachkräftebeurteilung der Informationen von Klienten, Akten und der
geschädigten Partnerin sein, ergänzt um zwei validierte
Klientenfragebögen: Interpersonal-Reactivity-Index (IRI, Davis 1983) und
Elternbelastungsscreening zur Kindeswohlgefährdung (EBSK, Deegener et
al. 2009).
60%
Methoden
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Stichprobe n=46
Abb. 2: Unterschiede Absolventen vs. Abbrecher
100%
40%
20%
0%
°
*
Programmabsolventen (70%)
p < 0,10
p < 0,05
Programmabbrecher (30%)
Abb. 3: Longitudinale Veränderungen bei Absolventen
Verantwortungsabwehr (Fachkräfteeinschätzung)
 Veränderung nach Stufen M=-0,63*
(SD= 1,10)
Empathiefähigkeit (Selbstbericht)
 IRI: Perspektivübernahme M= 3,57**
 IRI: Empath. Anteilnahme M= 2,20*
(SD= 5,21)
(SD= 3,98)
Kindeswohlgefährdung (Selbstbericht) (n=13)
 EBSK (Kritischer Wert)
M=18,82 n.s. (SD=40,35)
Außensicht durch geschädigte Partnerin (n=12)
 Rückfallgefährdung
M=-0,67 n.s. (SD=0,99)
 kontrollierendes Verhalten M=-2,09 n.s. (SD=2,12)
*p<0,05, **p<0,01
Abb. 4: Korrelation der Baseline-Fachkräfteeinschätzung
Korrelationen Fallschweregrad
 mit Programmausschlusskriterien
 mit EBSK (Kritischer Wert)
 mit Abschluss/Abbruch
Weitere Korrelationen
 schwere Partnerschaftsgewalt mit
IRI-Skala Perspektivübernahme
 Verantwortungsabwehr mit
Kontrollverhalten laut Partnerin
Rs = 0,376*
Rs = 0,551*
Rs = 0,447**
Rs =-0,494**
Rs = 0,689*
*p<0,05 **p<0,01
Schritt 1: Analyse des internationalen Forschungsstandes hinsichtlich
diagnostischer Einschätzungsaufgaben in Täterprogrammen und
hinsichtlich Proxyvariablen für eine Erhöhung/Senkung der
Rückfallwahrscheinlichkeit von Partnerschaftsgewalttätern bezogen auf
diese Einschätzungsaufgaben (Liel & Kindler 2009)
Schritt 2: Erstellen eines proxybasierten Erhebungsinstrumentariums für
Täterprogramme und Testung des Instruments in Düsseldorf, München
und Rosenheim über 12 Monate,
Schritt 3: Fachkräftebefragung und Falldatenauswertung zur Validierung
des Instruments nach empirischen Gütekriterien:
(1) Inhaltsanalyse der Fachkräfteinterviews (n=8) hinsichtlich der
Praktikabilität und Nützlichkeit (inkrementellen Validität) des Instruments
(2) Statistische Auswertung der Erhebungsbögen (n=46)
hinsichtlich der Sensivität des Instruments bei der Erfassung von
Gruppenunterschieden und der Aussagekraft der Ergebnisse
Die Sichtweise von Klient und Partnerin dienten beim letzten Schritt auch
als unabhängige Außenkriterien für die Bewertung der Fachkräfteeinschätzung.
Ergebnisse
Praktikabilität: mit zusätzlichem Arbeitsaufwand gut einsetzbar, geringe
Anwendungsprobleme und Veränderungsvorschläge
Nützlichkeit: systematische Fallerfassung schützt vor selektiver
Wahrnehmung, erhöht Handlungssicherheit und dient der Rechtfertigung
von diagnostischen Entscheidungen
Bewertungsproblem: juristisch bzw. medizinisch verifizierte aber von
Klienten bestrittene Gewalt (Glaubwürdigkeit von Klienten)
Sensivität: Mit dem Instrument wurden u.a. aussagekräftige Häufigkeiten
verübter Partnerschaftsgewalt (Abb. 1) und einige signifikante
Verteilungsunterschiede gemessen:
(1) zwischen Programmabsolventen und -abbrechern zu
Interventionsbeginn (Abb. 2) und
(2) bei Programmabsolventen im longitudinalen Vergleich (Abb. 3).
Validität: Bivariate Korrelationen der Fachkräfteeinschätzung zur Baseline
zeigen einige signifikante und starke Zusammenhänge mit der validierten
Einschätzung von Klient bzw. der geschädigten Partnerin sowie dem
späteren Programmabbruch/-abschluss (Abb. 4).
Diskussion
 Praktikabilität und Nützlichkeit: positiv bewerteter Nutzen durch
Systematisierung bei gleichzeitig negativ empfundener Formalisierung
der Diagnostik.
 Hohe diagnostische Relevanz: Glaubwürdigkeitsbeurteilung von Klienten
 Statistik deckt sich mit anderen deutschen und internationalen
Befunden (z.B. Helfferich & Bartz 2005; Sartin 2004, Jewell & Wormith
2010) und bestätigt die Sensivität des Instruments.
 Korrelationen liefern Hinweise auf eine gute Konstruktvalidität,
Aussagekraft und Vorhersagekraft (prädiktive Validität) des Instruments.
 Einschränkung: Es wurde kein Test der Reliabilität durchgeführt.