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„
Die Kipp-Beschleunigung zwischen ozeanischem und Ich-Bewusstsein“
Renaud van Quekelberghe
Das menschliche Bewusstsein, vermutlich aber auch das Bewusstsein von Tieren, ist grundsätzlich bi-modal oder januskopfartig.
Die Modalität des „Ich- oder Alltagsbewusstseins“ ist vor allem gekennzeichnet durch:
•in Raum und Zeit „mehr oder weniger“ gut orientiert, •aufs Engste an einen lebendigen Körper gebunden, •„ich-bezogen“ und zwar meist individuell oder auf Kleingruppen bezogen (z.B. Familie, Berufsgruppe etc.), •durch Eigenschaften wie „wach, achtsam, schläfrig, unaufmerksam „ leicht bestimmbar, •mit Gewohnheiten und Handlungsroutinen gut vertraut und ausgerüstet.
Das „Ich- oder Alltagsbewusstsein“ stellt in nicht archaischen Kulturen - wie in unserer europäischen Kultur die am ehesten fassbare Modalität menschlichen Bewusstseins dar.
Diese zweite
Modalität scheint:
•die üblichen Raum- und Zeitgrenzen zu überschreiten, •sich an keinen individuellen Körper binden zu wollen, •kennt kein „Ich“ bzw. ist trans-individuell oder universell, •ist mit Eigenschaften schwer bestimmbar, •besteht wie abseits von lernbaren Gewohnheiten oder Handlungsroutinen.
Ich nenne diese zweite Modalität des Bewusstseins: „ozeanisches Bewusstsein“, (
abgekürzt
OB).
Beide Bewusstseinsmodalitäten, Ich- und ozeanisches Bewusstsein, stehen zueinander
wie Figur und Grund
, wobei ozeanisches Bewusstsein als
Grund
fungiert, Ich- oder Alltagsbewusstsein meistens als
Figur
auftritt.
Figur und Grund
sind Begriffe aus der Wahrnehmungs- und Gestaltpsychologie. Sie wurden 1921 durch Edgar John Rubin in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt .
Die sog. „
Rubins Vase
“, die je nach Betrachtung des Wahrnehmungsfeldes mal als Pokal, mal als zwei Gesichter erscheint, steht seitdem als Paradigma für die vielfältigen Wahrnehmungsphänomene von
Figur und Grund.
Ein anderes Kippbild von Rubin ist übrigens auch: Ein Westler sieht als Figur ein Malteser Kreuz oder auch einen Sonnen- oder Regenschirm. Wenn ich Don Quichote heiße, dann sehe ich als Figur die vier Flügel einer Windmühle oder das Schutzschild eines mich angreifenden Feindes….
Bei sog.
Kippfiguren oder Vexierbildern
kann • •
ein Aufmerksamkeitswechsel …eine Änderung der „Figur Grund“-Organisation zur Folge haben
.
Eine solche Organisationsänderung der Wahrnehmung wurde in
•
praktisch allen Sinnes-, Gefühls- und Denkvorgängen beobachtet.
Sind alle Bedingungen konstant, werden die Teile des Wahrnehmungs- oder Handlungsfeldes eher als Figur wahrgenommen, die vertraut oder bedürfnisbezogen sind.
Beide
Bewusstseinsmodalitäten, nämlich Ich- und ozeanisches Bewusstsein, stehen zueinander
wie Figur und Grund
, wobei
ozeanisches Bewusstsein
per Definition
als „
Grund
“ gilt,
also GRUNDBEWUSSTSEIN .
Generell ist der „Grund“ im Verhältnis zur „Figur“ meist:
• • • • • • • •
weniger wenige
eng r strukturiert bzw. „homogener“
weniger
veränderlich oder beweglich bzw. stiller, ruhiger
weniger
begrenzt
weniger
fassbar oder bestimmbar
weniger
bedürfnisorientiert
weniger
(bedingungs-) abhängig
weniger
inhaltlich („leerer“)
Im Extremfall
ist der „
Grund
“, darunter das (ozeanische) „
Grundbewusstsein
“ im Vergleich zum Ich- oder Alltagsbewusstsein („
Figur
“) : •unendlich weit (vgl. Bodhidharmas Antwort: „unendliche Weite“) •völlig eins, unteilbar •unveränderlich (unbeweglich) •grenzenlos •unfassbar (dimensionslos, nicht begreifbar) •ich-los (ohne Begierde) •absolut unabhängig •absolut „leer“ (von einzelnen Inhalten etc.) Mehrere „Grund-Bewusstsein“ anzunehmen wäre wohl
absurd
. Daher ist das „
Grund-Bewusstsein
“, wenn überhaupt,
stets singular, nie plural.
FIGUR
(Ich- oder Alltagsbewusstsein) vs.
GRUND (OB)
Phainein (SCHEIN)
Parmenides
Psychè („Seele”)
Platon, Aristoteles
Panta (das Viele)
Plotin
Einai (SEIN) Nous (“Geist”) Hen (das Eine) Wan wu (das Viele), Te Samsāra Jnānendriya (vielfältige Sinneswahrn.)
Lao Tse Buddha Patanjali
Zweite Genesis (Adam & Eva)
Thomas
(evangelium) Erste Genesis/Himmelreich Rūpa (Figur, Form)
Nagarjuna
Shūnya (leer, Grund) Māyā (Illusion der Vielheit)
Shankara
Advaita (nicht-dual) Sem (individuelles Bewusstsein)
Tsonkhapa
äußeres Auge
Eckhart
Rigpa („ozeanisches B.“) inneres Auge die Seele der Seelengrund 1. und 2. Erkenntnisgewinnung
Spinoza
Phänomene
Kant
Tao Nirvāna Samādhi dritte Erkenntnisgew.
Noumenon das Mentale
Aurobindo
explicate order
David Bohm
das Supramentale implicate order das sinnliche Auge
Ken Wilber
das Auge der Kontemplation Ich-Bewusstsein ich-loses Bewusstsein
Meine These
lautet:
Auch wenn die Allermeisten von uns dies nicht klar und bewusst wahrnehmen, sind doch
beide Modalitäten
, nämlich Figur- oder Ich Bewusstsein und Grund- oder ozeanisches Bewusstsein,
untrennbar voneinander und
ständig
in uns am Wirken
, Tag und Nacht, von den allerersten synaptischen Netzwerken im Fötus bis hin zu den allerletzten neuronalen Regungen im peri-mortalen Vorgehen.
Eins, unbegrenzt
begrenzt
unteilbar
mannigfaltig veränderlich
unveränderlich
mangelhaft
vollkommen
1. Der „Flachlandbewohner“ sieht nur mannigfaltig, veränderlich, begrenzt, mangelhaft etc.
2. Der „Halb-Weise“ sieht zunehmend im Hintergrund (dunkle Seite des Necker-Würfels) Eins, unbegrenzt, unveränderlich, vollkommen etc. Er lernt aber, sein „Kippen“ zu beschleunigen! (Mehrmals am Tag, sogar mehrmals in der Stunde!!!) 3. Der „Weise“ sieht meistens die „dunkle Seite“ des Würfels im Vordergrund. Die dunkle Seite wird gleichsam zur „Figur“ seines Bewusstseins…
4. Der „Vollweise“ überwindet das „beschleunigte Kippen“. Die absolute Verschränkung von Alltags- und ozeanischem Bewusstsein wird ständig …voll bewusst erfahren: Samsara ist Nirvana, Leere ist Form, GRUND ist FIGUR, FIGUR ist GRUND !!!
Tiere/Menschen brauchen die Bi-Modalität des Bewusstseins
Es gibt im „struggle for life“ (Darwin) genetisch bestimmte Reaktionsprogramme, die das ich-lose „Grund-Bewusstsein“ automatisch in den bewussten Vordergrund bringen.
Zum Beispiel: 1. Der
Totstellreflex
(Schreckstarre, startle response oder freezing) 2. Der
Orgasmusreflex
(-reaktion) Bei beiden Reaktionen kann jeweils ein Cocktail an „Dopamin, Endorphin, Met Enkephalin, Oxytocin etc.“ am Werk sein.
Viele Meditationsschulen nutzen solche jahrmillionenalten Überlebensstrategien (Totstell- und Orgasmusreflex), um die Trennung „Figur-Grund“ zugunsten vom „Grund“ aufzulösen .
Totstellreflex einer Schlange
Totstellreflex eines Käfers
Morro-Reflex beim Baby (ein Ableger der Schreckstarre)
(
nicht bewegen, nicht schreien, nicht weinen….Ertrinkensrisiko
in Badewannen mit wenig Wasser!!!)
Generell bewirkt das „freezing“ eine Todesähnlichkeit.
Somit soll das Beutetier dem Prädator gegenüber nicht auffallen, sich
nicht mehr
durch Bewegung
von der Umgebung abheben
.
•
Wenn das Beutetier dennoch entdeckt wird, dann soll es wie „längst tot“ erscheinen. Dennoch soll das Beutetier dabei höchst wachsam sein! Denn bei der geringsten Fluchtmöglikeit kann das Beutetier die (erfolgreiche) Flucht ergreifen .(In der Natur: Löwe (
Prädator
)-Gazelle (
Beutetier
), 5 bis max. 8% … erfolgreich!!!
Akinetische Trance, „Enstase“, baut auf
„Schreckstarre, Freezing“ auf!
Somit wird die Trennung zwischen lebendiger und …Todesstille überwunden… Ramakrishna 1836-1886 in akinetischer Enstase,… unzählige Male, Einziges Foto!
Die zweite biologische Reaktion ist der ...Orgasmusreflex
Gerade in der letzten Phase des Orgasmus stellen wir ein ich-loses, ekstatisches, lustvolles Erleben fest, das der Arterhaltung dient und somit die Unterscheidungen „Innen und Außen, „Ich und Du“, „Mann und Frau“, „Figur und Grund“, „Ich- und ozeanisches Bewusstsein“ außer Kraft setzt .
Es gilt zuerst das Paradigma „wild tanzender Shiva“, erst ganz zum Schluss das Paradigma … „im Parinirvana liegender Buddha“
Moderne Psychologen (z.B. Piron, van Quekelberghe, Wilber) unterscheiden in der Regel nicht mehr als ein halbes Dutzend Stufen für den Übergang vom Ich- zum
ozeanischen Bewusstsein (OB)
Pyramide-Modell der Bewusstseinstransformation (van Quekelberghe, 2005)
Phasenmodell des Übergangs vom Ich-Bewusstsein zum ozeanischen Bewusstsein (in aller Kürze!!!)
1. Bewusstwerdung einzelner Aspekte des ozeanischen Grundbewusstseins wie z.B. eine tiefe, ich-lose Ruhe und/oder ein intensives Gefühl, alles sei unteilbar eins.
2. Entdeckung –z.B. durch Meditation – einer umfassenden, allgegenwärtigen „ozeanischen Bewusstseinsmodalität „ mit Vorherschaft von a. Ichlosigkeit, b. Unteilbarkeit, c. Unendlichkeit, d. Unveränderlichkeit, e. Vollkommenheit, f. Unaussprechlichkeit.
3. Entstehung von zwei alternierenden „Ko-Bewusstsein“, die mehrmals am Tag oder in der Stunde oszillieren. „Ich-Bewusstsein“ und „Ozeanisches Bewusstsein“, wie das Kippen eines Vexierbildes 4. In der vierten Phase wird das himmlische, ozeanische Bewusstsein mehr und
mehr vorherrschend…
Der „Rishi“ sieht die nackten Frauen und die Säulen der Ballustrade in einem…
Ich- und O.-Bewusstsein als eins !!!
Hauptziel der Implementierung des „Grund = Figur Bewusstseins“ ist den Menschen glücklich zu machen, d.h.
ich-los und unsterblich
.
Hierzu können u.a. folgende Erfahrungen und Übungen hilfreich sein: • bedrohliche, todesnahe Erfahrungen • ekstatische, mystische „Alles-Eins!-Erfahrungen“ • regelmäßige meditative oder kontemplative Übungen (möglichst henologisch!) • meditative Lektüre ( sog.
lectio divina
) von henologischen Texten • Umgang mit gleichgesinnten, glücklichen Unsterblichen (Henologen/Henologinnen).
Durch solche Erfahrungen oder Übungen kann die Kippbeschleunigung zwischen beiden Bewusstseinsmodalitäten beschleunigt werden.
Dem Bewusstsein eines Sehenden entspricht ein „Verschränkungsfeld“ (Samsara = Nirvana) !