Normae generales
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DE NORMIS GENERALIBUS
I. DAS KIRCHLICHE GESETZ
Materieller Gesetzesbegriff:
Thomas von Aquin (rationis ordinatio; bonum commune);
Francisco Suarez (commune praeceptum; stabile praeceptum).
Formeller Gesetzesbegriff:
1. Zuständigkeit des Gesetzgebers (gesamtkirchliche oder teilkirchliche Gesetzgeber;
Gesetzgeber für Personalkörperschaften);
2. Promulgation des Gesetzes (in den Acta Apostolicae Sedis oder in den
Diözesanverordnungsblättern);
3. Passiv gesetzesfähige Gemeinschaft
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I. DAS KIRCHLICHE GESETZ
Geltung des CIC 1983
c. 1: Beschränkung auf den lateinischen Ritus (lateinische Kirche)
c. 2: Eingeschränkte Weitergeltung des Liturgischen Rechts
c.3: Vorrang des Konkordatsrechts
c. 4: Weitergeltung wohlerworbener subjektiver Rechte (wenn noch im
Gebrauch und nicht ausdrücklich widerrufen) und vom Hl. Stuhl gewährter
Privilegien.
c. 5: Gewohnheiten: hundertjährige oder unvordenkliche G, die nicht
ausdrücklich verworfen wurden, können toleriert werden.
c. 6: Bisheriges entgegenstehendes Gesetzesrecht wird, soweit nicht
etwa hinsichtlich partikulärer Normen ausdrücklich anderes gesagt wird,
aufgehoben.
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I. DAS KIRCHLICHE GESETZ
Arten kirchlicher Gesetze
Universale Gesetze: für den Bereich der Gesamtkirche
. Partikuläre Gesetze : Für ein gewisses Gebiet erlassene Normen;
gilt nur für jene Personen, die dort einen Wohnsitz oder
Quasiwohnsitz haben und sich dort aufhalten.
Lex irritans: ein Gesetz, dass bestimmte Rechtshandlungen für
nichtig erklärt
Lex inhabilitans: ein Gesetz, dass bestimmmte Personen unfähig
macht, bestimmte Rechtshandlungen zu setzen.
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I. DAS KIRCHLICHE GESETZ
Voraussetzungen der Normunterworfenheit
Göttliches Recht gilt für alle Menschen
Kirchliche Gesetze (ius humanum) gelten für die in der Katholischen
Kirche Getauften oder in diese Aufgenommenen, bei
Vernunftgebrauch und nach Vollendung des siebten Lebensjahres:
- Taufe oder Aufnahme
- Vernunftgebrauch
- Vollendetes siebtes Lebensjahr
- Bei territorialen Gesetzen muss auch ein Wohnsitz oder
Quasiwohnsitz vorliegen u. tatsächlicher Aufenthalt.
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Person und Wohnsitz
A) incola = Person am Ort des Wohnsitzes
B) advena = Person am Ort des Quasiwohnsitzes
C) peregrinus = Person außerhalb von WS oder QWS
D) vagus = Wohnsitzloser
Es gibt einen Pfarr- und einen Diözesanwohnsitz
Wohnsitz: begründet durch den tatsächlichen Aufenthalt und den
Willen für immer dort zu bleiben. Oder 5-jährigen Aufenthalt
Qusaiwohnsitz: begründet durch den tatsächlichen Aufenthalt mit dem
Willen dort mind. 3 Monate zu bleiben: Oder 3-monatigen Aufenthalt.
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Fremdenrecht und Wohnsitzlose
Fremde: unterliegen nicht dem Recht ihres Wohnsitzterritoriums,
wenn sie von dort abwesend sind (außer personale Gesetze oder die
Übertretung schadet dem eigenen Territorium). Sie unterliegen auch
nicht dem Recht des Aufenthaltsterritoriums (außer den Normen die
die öffentliche Ordnung betreffen oder besondere Rechtsförmlichkeiten vorschreiben).
Wohnsitzlose: sind sowohl dem universalen als auch dem
partikularen Recht unterworfen, das an ihrem jeweiligen
Aufenthaltsort in Geltung steht.
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I. DAS KIRCHLICHE GESETZ
Aufhebung und Änderung kirchlicher Gesetze
A) Durch einen gesetzgeberischen Akt (abrogare, derogare, obrogare):
Grundsatz ein späteres Gesetz hebt ein früheres unter bestimmten
Voraussetzungen auf. Im Zweifel wird der Widerruf nicht vermutet..
B) Durch Gewohnheitsrecht
C) Wegfall des Gesetzeszweckes
D) Durch derogatorische Wirkung zwischen universalem und
partikularem Recht
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I. DAS KIRCHLICHE GESETZ
Ergänzende Definitionen
Nicht-Rückwirkung von Gesetzen: G betreffen nur Zukünftiges und
nicht Vergangenes. Ausnahme: Im Gesetz wird ausdrücklich auf
Vergangenes Bezug genommen (c. 9).
Lex canonizata: Weltliche Gesetze, auf die das Recht der Kirche
verweist, werden so bezeichnet.. Die zivilen Rechtsfolgen gelten auch
im kirchlichen Bereich (c. 22). So bestimmt etwa c. 1290, dass die in
einem best. Land geltenden Bestimmungen des Vertragsrechts – mit
gewissen Einschränkungen – auch nach kanonischem Recht Geltung
haben.
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II. DIE AUFHEBUNG DER VERBINDLICHEN KRAFT
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II.1. Die „Aequitas Canonica“
Ein tragendes Prinzip im Kirchenrecht, das es erlaubt, im Einzelfall von der
Anwendung eines Gesetzes abzusehen oder dessen Anwendungsbereich
auszudehnen.
Träger: immer das rechtsanwendende Organ
Beispiele im weltlichen Bereich: Prätorisches Recht; Equity Law;
Handhabung der Abtreibung vor der Reform
Billigkeitsrecht ist ein allgemeines Phänomen der Rechtsgeschichte, wenn
gesellschaftliche Entwicklungen dem starren Recht davonzulaufen
beginnen.
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II. DIE AUFHEBUNG DER VERBINDLICHEN KRAFT
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II.2. Die Epikie
Ursprünge der Epikie sind dieselben wie die der Aequitas.
Unterschied: Träger der Epikie ist immer der Einzelne (der
Normadressat). Epikie ist der extremste Versuch, Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen.
Anwendungsfälle: 1. Wegfall des Gesetzeszweckes; 2. Faktische und
moralische Unmöglichkeit der Gesetzeserfüllung; 3. Normenkollision
Grenzen der Epikie: keine
Andere Bezeichnung: Eigenaequitas, Selbstdispens
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II.3. Die Dispens
Begriff: eine hoheitliche Befreiung von der Verpflichtung eines
Gesezes
Träger der Dispensgewalt: Inhaber exekutiver Gewalt (Bischöfe) und
jene, denen diese Gewalt ausdrücklich vom Recht oder durch
Delegation (Generalvikar) gegeben wurde.
Ausnahme: wenn die Dispenserteilung dem Heiligen Stuhl
vorbehalten wurde.
Iusta causa dispenstionis ist für jede Dispenserteilung erforderlich.
Unterschied Dispens und Privileg
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II. DIE AUFHEBUNG DER VERBINDLICHEN KRAFT
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II.4. Rechts und Tatsachenzweifel (c. 14)
Tatsachenzweifel (dubium facti): bei Zweifel ob ein unter den
Tatbestand eines Gesetzes fallender Sachverhalt wirklich alle vom G
geforderten Merkmale aufweist. In diesem Fall behält das G seine
verpflichtende Kraft.
Rechtszweifel (dubium iuris): bei Zweifel ob a) ein Gesetz besteht, b)
verbindliche Kraft besitzt oder c) einen bestimmten Sachverhalt
erfasst (=Subsumtionszweifel). Bei Rechtszweifel gilt der Grundsatz:
„lex dubia non obligat“.
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II.5. Die Gesetzesunkenntnis (ignorantia)
Gesetzeskenntnis ist im Kirchenrecht eine widerlegbare Rechtsvermutung
(c. 15). Im staatlichen Recht eine unwiderlegbare Rechtsvermutung (§2
ABGB). Abweichend davon §9 StGB 1974, dessen Regelung nahezu ident
mit kanonischem Recht ist: 1. Wer das Unrecht einer Tat wegen eines
Rechtsirrtums nicht erkennt, handelt nicht schuldhaft, wenn ihm der
Irrtum nicht vorzuwerfen ist (c. 1323, n.2). 2. Der Rechtsirrtum ist dann
vorzuwerfen, wenn das Unrecht für die Täter wie für jedermann leicht
erkennbar war …. (c. 1325). 3. Ist der Irrtum vorzuwerfen, so ist, wenn
der Täter vorsätzlich handelt, die für eine vorsätzliche Tat vorgesehene
Strafdrohung anzuwenden, … .
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II. DIE AUFHEBUNG DER VERBINDLICHEN KRAFT
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II.6. Toleranz und Dissimulation
Die Katholiken sind nicht nur der kirchlichen sondern auch der
staatlichen Rechtsordnung unterworfen, von denen letztere die
wirksamere ist.
Toleranz: = ausdrückliches Geschehenlassen bis zum
ausdrücklichen Gestatten (häufig in Konkordaten).
Dissimulation: = Hinwegsehen, weil ansonst schweres Übel zu
befürchten (Katholischer Richter fällt staatliche Scheidungsurteile)
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III. WEITERE NORMEN IM KIRCHENRECHT
III.1 Das Gewohnheitsrecht
Wichtigste Voraussetzung: Approbation des Gesetzgebers
Legalkonsens = stillschweigende Approbation: 1. Vernünftigkeit der
Gewohnheit; 2. Gesetzesfähiger Kreis; 3. Dauer der Gewohnheit; 4.
Verpflichtungswille
Verhältnis zum Gewohnheitsrecht: a) consuetudo secundum legem; b)
consuetudo praeter legem; c) consuetudo contra legem.
Außerkrafttreten: a) Durch gegenteiliges Gesetz; b) durch Endigung
eines Gesetzes; c) durch gegenteilige Gewohnheit; d) durch Wegfall
des Zweckes der Gewohnheit
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III. WEITERE NORMEN IM KIRCHENRECHT
III.2. Allgemeine Dekrete und Instruktionen
Allgemeine Dekrete: = Diese sind Gesetze und unterliegen den für
diese aufgestellten Bedingungen (c. 29).
Allgemeine Durchführungsdekrete (decreta generalia executoria):
Werden vom Träger exekutiver Gewalt erlassen, unterliegen bezüglich
Promulgation u. Inkrafttreten den für Gesetze geltenden Vorschriften
(vergleichbar den staatl. Verordnungen).
Instruktionen: führen ebenfalls G näher aus, richten sich jedoch
nicht an alle Normadressaten, sondern nur an jene, die mit der
Durchführung der G betraut sind (vergleichbar staatl. Erlässen)
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III. WEITERE NORMEN IM KIRCHENRECHT
III.3. Administrative Einzelakte
Werden von Trägern exekutiver Gewalt erlassen. Nur die
Verleihung v. Privilegien ist den Trägern legislativer Gewalt oder deren
Beauftragten vorbehalten.
1. Einzeldekret und Einzelbefehl: Kein Gegenstück im staatlichen
Recht zum Einzeldekret. Mit dem Einzelbefehl ist der Verwaltungsbefehl zu vergleichen.
2. Das Reskript: Auf einen Antrag (Bitte) hin erfolgt ein Gunsterweis (Vergleich mit Bescheid).
3. Das Privileg: Schafft neues objektives Recht (gewährt eine
bevorzugte Rechtstellung), ist durch Beständigkeit gekennzeichnet.
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III. WEITERE NORMEN IM KIRCHENRECHT
III.4. Statuten und Ordnungen
Statuten sind Anordnungen für Personengemeinschaften und
Sachgesamtheiten (gelten bei Gemeinschaften kraft Eintritts für die
Mitglieder, bei Sachgesamtheiten (=Anstalten) für die Leitungsorgane.
Statuten stammen meist von Personen ohne Gesetzgebungsgewalt,
ausnahmsweise auch von Trägern legislativer Gewalt.
Ordnungen (Geschäftsordnungen) sind Normen für kirchliche
Versammlungen und Feiern (zB. für ein ökumenisches Konzil), die
nur für die Teilnehmer verbindlich sind.
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I V. I N T E R P R E T A T I O N U N D L Ü C K E N F Ü L L U N G
IV.1. Die Interpretation
= Verständlichmachung, Sinnvermittlung
Das Subjekt der Interpretation = wer interpretiert? A) amtliche
Interpretation: authentische Interpretation und forensische
Interpretation; 2. Doktrinelle Interpretation; 3. Usuelle Interpretation.
Interpretationsregeln: Nach c. 17 primär grammatikalische und
logische Interpretation; sekundär systematische Interpretation,
teleologische Interpretation und historische Interpretation. Es gibt
auch a) eine interpretatio lata und eine interpretatio stricta und b) eine
restriktive und eine extensive Interpretation.
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I V. I N T E R P R E T A T I O N U N D L Ü C K E N F Ü L L U N G
IV.2. Die Lückenfüllung
Wenn ein Sachverhalt mit den Mitteln der Interpretation nicht zu
erfassen ist, weil es kein G gibt, handelt es entweder um einen
regelungsfreien Raum oder um eine Regelungslücke (= planwidrige
Unvollständigkeit).
Mittel der Lückenfüllung: 1. Gesetzes(Einzel-)analogie; 2.
Rechts(Gesamt-)analogie; 3. Allgemeine Rechtsgrundsätze; 4. Kurialpraxis; 5. Feste Schulmeinungen.
Ausschluss einer Lückenfüllung: a) Strafgesetze (nullum crimen,
nulla poena sine lege); b) leges irritantes und leges inhabilitantes.
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