5.Inhalt des SchV II

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Transcript 5.Inhalt des SchV II

Schuldrecht AT, 22.04.2014
PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)
Beispiel für die Konkretisierung nach § 243 Abs. 2:
Student S hat beim Versandbuchhändler V im Internet
ein Lehrbuch zum Schuldrecht bestellt. V hat das Buch
auch ordnungsgemäß verpackt und bei der Post
aufgegeben. Bei S ist das Buch indes nie eingetroffen.
Muss V jetzt ein weiteres Buch an S schicken?
• Rechtsfolge der Konkretisierung: Bei Untergang der
Sache wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht
befreit (§ 275 Abs. 1 BGB).
• Die sogenannte Leistungsgefahr geht auf den
Gläubiger über.
• Unterscheide: Leistungsgefahr und Preisgefahr
• Preisgefahr: Muss der Gläubiger die Gegenleistung
erbringen (regelmäßig: zahlen), obwohl er die
Leistung nicht erhält?
Beispiel für die Konkretisierung nach § 243 Abs. 2:
Student S hat beim Versandbuchhändler V im Internet
ein Lehrbuch zum Schuldrecht bestellt. V hat das Buch
auch ordnungsgemäß verpackt und bei der Post
aufgegeben. Bei S ist das Buch indes nie eingetroffen.
Muss V jetzt ein weiteres Buch an S schicken?
• Rechtsfolge der Konkretisierung: Bei Untergang der
Sache wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht
befreit (§ 275 Abs. 1 BGB).
• Die sogenannte Leistungsgefahr geht auf den
Gläubiger über.
• Unterscheide: Leistungsgefahr und Preisgefahr
• Preisgefahr: Muss der Gläubiger die Gegenleistung
erbringen (regelmäßig: zahlen), obwohl er die
Leistung nicht erhält? Antwort: § 326 BGB.
I. Arten der Schulden
3. Geldschuld
• Geldschulden sind nach h.M. keine
Gattungsschulden
• Der Schuldner muss eine Geldsumme leisten, keine
Geldscheine oder Münzen mittlerer Art und Güte.
Beispiel:
J hat über lange Jahre bei der B-Bank auf einem Sparbuch
500 Euro gespart. Nun möchte er sein Geld abheben.
Statt den erhofften schönen fünfzig Euro Scheinen will
ihm der Schalterbeamte aber nur einen völlig verknickten
Fünfhunderter aushändigen. J sieht, dass in der Kasse
genügend schöne Scheine liegen.
Kann J den Fünfhunderter zurückweisen?
Währungsrechtlicher Annahmezwang:
• Der Euro ist gesetzliches Zahlungsmittel
(Art. 128 I 3 AEUV), daraus folgt Annahmezwang
Beispiel:
X möchte in seinem Urlaub in Rotterdam im
„Flaamsch Broothuys“ dessen berühmtes
Sauerteigbrot kaufen. Als er ein Brot ausgesucht
hat und den Preis von 3 Euro bar bezahlen will,
verweigert die Verkäuferin V die Annahme der
Münzen. V verweist auf ein Schild „PIN only –
No cash“ und sagt, dass nur eine Kartenzahlung
möglich sei. X sind die Gebühren seiner Bank für
Auslandseinsätze seiner Karte zu hoch. Er
verlässt deshalb den Laden hungrig, ohne Brot
und voller Ärger. Ist sein Ärger berechtigt?
Währungsrechtlicher Annahmezwang:
• Der Euro ist gesetzliches Zahlungsmittel
(Art. 128 I 3 AEUV), daraus folgt Annahmezwang
• Gemäß Art. 11 S. 3 Verordnung 974/98/EG ist
niemand verpflichtet, mehr als 50 Münzen bei
einer einzelnen Zahlung anzunehmen.
• Sonderregelung für Gedenkmünzen in § 3 Abs. 1
MünzG (nicht mehr als 200 Euro)
• Gemäß § 3 III 1 MünzG ist niemand verpflichtet,
Zahlungsmittel anzunehmen, die durchlöchert,
verfälscht oder anders als durch den
gewöhnlichen Umlauf verändert sind.
Privatrechtlicher Annahmezwang:
• Parteien können abweichende Zahlungsregeln
gemeinsam vereinbaren.
• Durch Auslegung zu ermitteln!
• Im Übrigen gilt der Grundsatz von Treu und
Glauben (§ 242 BGB)
Beispiel:
K will ein Brötchen beim Bäcker B mit einem 100
Euro-Schein bezahlen. B verweigert die Annahme
des Scheins, obwohl er genügend Bargeld zum
Wechseln in der Kasse hätte. Kann X auf der
Zahlung mit dem 100 Euro-Schein bestehen?
• BGB geht von der Pflicht zur Barzahlung aus
(Übereignung von Bargeld nach §§ 929 ff. BGB)
• In der Praxis heute aber vielfach Zahlung mittels
„Buchgeld“ üblich:
– Schuldner verschafft dem Gläubiger einen
(Bargeldzahlungs-)Anspruch gegen ein Kreditinstitut
– Kreditinstitut erhält Aufwendungsersatzanspruch
gegen Schuldner
• Nach h.M. erfolgt die Zahlung mittels Buchgeld nur
„an Erfüllungs statt“ (§ 364 I BGB)
• Zahlung mittels Buchgeld muss vereinbart werden
• Mitteilung der Kontodaten auf Rechnung oder Brief als
konkludentes Einverständnis in bargeldlose Zahlung
H hat eine Rechnung des Malers M für umfangreiche Arbeiten in Höhe von 2000 € erhalten. Zwar
stehen auf der Rechnung keine Kontodaten. Aber in
einem früheren Brief des M findet H doch noch eine
Kontonummer, an die H die 2000 € überweist. Tatsächlich hatte M aber aus Versehen das Briefpapier
seiner Frau genutzt, so dass das Geld nun an das
Konto seiner mittlerweile geschiedenen Frau
gegangen ist. Sein eigenes Briefpapier enthält keine
Kontodaten, weil M eigentlich immer Barzahlung
wünscht.
Kann M weiter Zahlung der 2000 € von H
verlangen?
Sonderformen:
a. Fremdwährungsschuld (§ 244 BGB)
i. „Unechte“: Schuld lautet in fremder Währung,
aber Schuldner kann in Euro zahlen;
Umrechnung gemäß § 244 Abs. 2 BGB.
ii. „Echte“: Parteien haben vereinbart, dass eine
Zahlung in der fremden Währung erfolgen muss
(§ 244 Abs. 1 2. Fall BGB).
Beispiel: K benötigt dringend einen neuen Kredit und
wendet sich an den B. B ist auch bereit, dem K Geld zu
leihen, aber er fürchtet die kommende Inflation. Er
gewährt K deshalb nur einen Kredit in schweizer
Franken, den K auch in dieser Währung zurückzahlen
soll. Tatsächlich kommt es zur befürchteten Hyperinflation. Wie muss K den Kredit nun zurückzahlen?
b. Geldsortenschuld (§ 245 BGB)
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Wenn die Zahlung in einer Geldsorte vereinbart
wurde, die nicht mehr im Umlauf ist, wandelt sich
die Schuld in eine gewöhnliche Geldschuld um
Geldsorte muss gesetzliches Zahlungsmittel sein,
keine Sammlermünzen (dann Gattungsschuld)
§ 245 BGB ist dispositiv; Parteien können auch eine
„echte“ Geldsortenschuld vereinbaren, die als
Gattungsschuld zu behandeln ist.
Geldsortenschuld heute ungebräuchlich. Anders
früher aufgrund unterschiedlicher
Edelmetallgehälter der verschiedenen Münzen
Besonderheiten von Geldschulden:
• „Geld hat man zu haben“: Auch unverschuldete
Armut entlastet nicht. H.M.: Vorrang der
Insolvenzordnung vor Unmöglichkeit (§ 275 BGB)
• Bei Versendung trägt der Versender das
Übermittlungsrisiko (§ 270 Abs. 1 BGB)
• Vertraglich vereinbarte Geldschulden sind im
Regelfall Geldsummenschulden,
Schadensersatzansprüche sind meist
Geldwertschulden (Nominalismus bzw. Valorismus)
Beispiel 1:
A hat sich 2005 bei seinem Freund F zur
Finanzierung eines Wohnungskaufs 10 000 Euro
für zehn Jahre geborgt. Als der Rückzahlungstermin 2015 ansteht, ist es auf Grund schwerer
Finanzkrisen im Euroraum zu einer hohen
Inflation gekommen. F meint, dass A ihm nun
eine Summe zurückzahlen solle, die dem von
ihm finanzierten Wohnungsanteil im Wert
entspricht.
Welche Ansprüche hat F jetzt gegen A?
Beispiel 2:
A hat mit einer Zigarette fahrlässig eine
Handtasche der B in Brand gesetzt, die diese
billig in ihrem letzten Chinaurlaub gekauft hatte.
Während A und B sich noch über das
Missgeschick des A streiten, zeigt sich die Frau
des neuen chinesischen Staatschefs mit einer
Tasche derselben Marke in der Öffentlichkeit,
und der Preis solcher Taschen steigt immens an.
Welche Ansprüche hat B nun gegen A?
Besonderheiten von Geldschulden:
• „Geld hat man zu haben“: Auch unverschuldete
Armut entlastet nicht. H.M.: Vorrang der
Insolvenzordnung vor Unmöglichkeit (§ 275 BGB)
• Bei Versendung trägt der Versender das
Übermittlungsrisiko (§ 270 Abs. 1 BGB)
• Vertraglich vereinbarte Geldschulden sind im
Regelfall Geldsummenschulden,
Schadensersatzansprüche sind meist
Geldwertschulden (Nominalismus bzw. Valorismus)
• Wertsicherungsklauseln unterliegen besonderen
Regeln (Preisklauselgesetz), die die
Geldwertstabilität garantieren sollen.
• Gesetzliche Aufwertung nur unter besonderen
Umständen (§§ 242, 313 BGB).
4. Zinsschulden (§§ 246-248 BGB)
• Geldschulden sind häufig zu verzinsen
Begriff der Zinsen:
Eine Vergütung für die Inhaberschaft eines Kapitals
über einen gewissen Zeitraum.
• Der Zins bemisst sich nach der Dauer der
Inhaberschaft und meist (aber nicht zwingend)
nach einem Prozentsatz des Kapitals.
• Zinsschuld setzt Kapitalschuld voraus, zu der sie
akzessorisch, dh. von deren Bestand und Höhe
sie abhängig ist.
• Zinsen können aufgrund Gesetzes oder
Rechtsgeschäfts entstehen (§ 246 BGB)
Beispiele:
a. A hat bei der B-Bank einen Kredit für den Kauf
seiner neuen Wohnung aufgenommen. Als Zinssatz
haben die Parteien 2,5% im Jahr vereinbart.
b. C muss dem D Aufwendungen in Höhe von 100 €
ersetzen, die dieser am 1.2. für ihn gemacht hat.
Wie ist dieser Betrag zu verzinsen?
c. E schuldet dem F 50 €. Trotz einer Mahnung des F,
in der E am 3.3. zur sofortigen Zahlung aufgefordert
wird, zahlt E nicht. Wie sind die 50 € zu verzinsen?
d. G schuldet dem H 70 €, was H jedoch bestreitet.
Deshalb erhebt H Klage, die am 15.3. rechtshängig
wird. Wie sind die 70 € zu verzinsen?
Höhe des Zinssatzes:
• Gesetzlicher Zinssatz von 4 % im Jahr, wenn nichts
anderes bestimmt oder vereinbart ist (§ 246 BGB)
• Im Handelsverkehr 5 % im Jahr gemäß § 352 HGB
• Im Prozess und bei Verzug 5 % (bzw. 8 %, wenn
kein Verbraucher beteiligt) über dem Basiszinssatz
(§§ 288, 291 BGB)
• Der Basiszinssatz ist ein variabler Zinssatz, der sich
an dem Zinssatz für die letzte Hauptrefinanzierungsoperation der EZB orientiert (§ 247 I 3 BGB)
• Geltender Basiszinssatz wird zum 1. Januar und 1.
Juli jedes Jahres bekannt gemacht (§ 247 II BGB)
Verbot von Zinseszinsen:
§ 248 Abs. 1 BGB: „Eine im Voraus getroffene
Vereinbarung, dass fällige Zinsen wieder Zinsen tragen
sollen, ist nichtig“
• § 248 BGB ist eine Schuldnerschutzvorschrift
• Zweck: Verhinderung einer Zinskumulation und
Schaffung von Zinsklarheit
• Gilt für gesetzliche und rechtsgeschäftliche Zinsen
Beispiel:
K konnte seinen Kredit bei der B-Bank schon eine Weile
nicht bedienen. Mittlerweile ist er mit 4000 € Zinsen in
Rückstand. K und B vereinbaren, dass die 4000 € zum
Kapital hinzugerechnet und fortan mit diesem verzinst
werden sollen. Wirksam?
5. Sonstige Schulden besonderen Inhalts
a. Aufwendungsersatzanspruch (§§ 256 f. BGB)
• §§ 256 f. BGB regeln nur den Inhalt von Aufwendungsersatzansprüchen, nicht deren Voraussetzungen!
Begriff der Aufwendung:
Freiwilliges Vermögensopfer, das dem Interesse eines
anderen dient.
• Aufwendungen, die einer Sache zugute kommen,
heißen Verwendungen.
Beispiel:
A hat seinen Freund K beauftragt, für ihn ein Bild von Emil
Nolde auf einer Auktion zu ersteigern. K steigert in
eigenem Namen mit und erhält tatsächlich den Zuschlag
bei 350.000 €. Den Kaufpreis kann K aber nicht aufbringen. Welche Rechte hat K gegen A?
b. Wegnahmerecht (§ 258 BGB)
• Wer eine Einrichtung mit einer Sache, die er
herausgeben muss, verbunden hat, darf die Einrichtung
häufig wegnehmen (u.a. §§ 539 II, 552, 581 II, 601 II 2,
997 I, 2125 II BGB).
• Begriff der Einrichtung: Alle Sachen, die dem
wirtschaftlichen Zweck einer anderen Sache dienen
und mit dieser körperlich verbunden sind.
• Wer zur Wegnahme berechtigt ist, muss die
herauszugebende Hauptsache wieder in ihren
ursprünglichen Zustand versetzen (§ 258 S. 1 BGB).
• Bei Unverhältnismäßigkeit der Wiederherstellung
entweder Schadensersatz in Geld analog § 251 BGB
oder Ausschluss des Wegnahmerechts nach § 242 BGB.
c. Der Inhalt von Auskunfts- und
Rechenschaftspflichten (§§ 259-261 BGB)
• Auskunftspflichten können auf Gesetz (u.a. §§ 402,
666, 675, 1605, 2057 BGB) oder Rechtsgeschäft
beruhen.
• Auskunftspflichten können sich auch aus Treu und
Glauben (§ 242 BGB) ergeben, wenn der Berechtigte
sich die benötigten Informationen nicht in zumutbarer
Weise selbst beschaffen kann und der andere Teil
durch die Auskunftspflicht nicht unangemessen
benachteiligt wird.
• Der Umfang der Auskunftspflicht ist nach den
Umständen des Einzelfalls zu bestimmen.
• Rechenschaftsbericht (§ 259 BGB) und Bestandsverzeichnis (§ 260 BGB) als besondere Auskunftspflichten
Literaturhinweise:
• Bernhard, Holschuld, Schickschuld,
Bringschuld – Auswirkungen auf
Gerichtsstand, Konkretisierung und
Gefahrübergang, JuS 2011, 9-15
• Martens, Grundfälle zu Geld und
Geldschulden, JuS 2014, 105-109, 200-205
• Schilken, Ansprüche auf Auskunft und
Vorlegung von Sachen im materiellen Recht
und im Verfahrensrecht, Jura 1988, 525-532
• Schreiber, Aufwendungsersatzansprüche, Jura
1997, 442-443