Ent-täuschungen Rafael Capurro Steinbeis Transfer Institut Information Ethics (STI-IE) http://sti-ie.de Zu dieser Präsentation siehe v.Vf.: „Höhlengleichnis“ (http://www.capurro.de/plato.html) Montag Stiftung Bildende Kunst 13.

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Transcript Ent-täuschungen Rafael Capurro Steinbeis Transfer Institut Information Ethics (STI-IE) http://sti-ie.de Zu dieser Präsentation siehe v.Vf.: „Höhlengleichnis“ (http://www.capurro.de/plato.html) Montag Stiftung Bildende Kunst 13.

Ent-täuschungen
Rafael Capurro
Steinbeis Transfer Institut Information Ethics (STI-IE)
http://sti-ie.de
Zu dieser Präsentation siehe v.Vf.:
„Höhlengleichnis“ (http://www.capurro.de/plato.html)
Montag Stiftung Bildende Kunst
13. Juni 2009
Höhle auf der Schwäbischen Alb
Quelle:
http://www.schwaebischer-albverein.de/wandern/waziele/hoehlen/index.html
2
Höhle mit dem Blick ins Freie
Palfauer Wasserloch (Steiermark)
Quelle: http://www.taucher.net/redaktion/35/Hoehlentauchprojekt_Palfauer_Wasserloch_3.html
3
Die Höhle unter dem Heiligen Felsen (Felsendom)
(Darstellung aus dem 19. Jh.)
Quelle: http://www.dendlon.de/Felsen.html
4
Socrates
5
Plato‘s Cave
http://www.youtube.com/watch?v=d2afuTvUzBQ&feature=related
Platon‘s Höhlengleichnis
„Stelle dir nämlich Menschen in einer
unterirdischen höhlenartigen Wohnung
vor, die einen gegen das Licht geöffneten
Zugang längs der Höhle hat. In dieser sind
sie von Kindheit an gefesselt an Hals und
Schenkeln, so daß sie an derselben Stelle
bleiben müssen und nur nach vorne
sehen, ohne sie ihre Köpfe umdrehen zu
können, da sie gefesselt sind.“
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Platons Höhlengleichnis
Quelle: http://wolfgangschmid.twoday.net/
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"Antrum Platonicum": Stich von Jan Saenredam (1565−1607) nach einem
Ölgemälde von Cornelis van Haarlem (1562−1638)
Quelle: Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hlengleichnis
9
Platons Höhlengleichnis
S. „Wenn ihn aber einer mit Gewalt von da weg
durch den holprigen und steilen Aufgang
schleppte, und nicht losließe bis er ihn an das
Licht der Sonne hinausgezogen hätte, wird er
nicht Schmerzen haben und sich ungern
schleppen lassen? Und wenn er nun an das
Sonnenlicht kommt und die Augen voll Strahlen
hat, wird er nichts sehen können von dem was
ihm nun für das Wahre gegeben wird?“
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Einführung
Platons Höhlengleichnis scheint auf den
ersten Blick eine ausgezeichnete
Grundlage für eine heutige Medienkritik zu
bieten. Platon beschreibt nämlich die Lage
der an einer medialen Pseudorealität
eingebetteten Menschen sowie den Weg
ihrer Befreiung.
11
Platons Höhlengleichnis

S. „Und wie, wenn er sich wieder seiner
ersten Wohnung, der dortigen Weisheit
und der damaligen Mitgefangenen
erinnert, meinst du nicht er werde sich
selbst glücklich preisen über die
Veränderungen und jene bedauern?“
12
Platons Höhlengleichnis
S. „Und wenn er wieder in der Begutachtung
jener Schatten wetteifern sollte mit jenen,
die immer dort gefangen gewesen,
während es ihm noch vor den Augen
flimmert eher er sich wieder angepaßt hat,
was nicht geringe Zeit der Eingewöhnung
verlangte,
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Platons Höhlengleichnis
würde man ihn nicht auslachen und von ihm
sagen, da er hinaufgestiegen sei, sei er
mit verdorbenen Augen zurückgekommen,
und es lohne sich nicht, daß man versuche
hinaufzukommen, sondern man müße
jeden, der sie lösen und hinaufbringen
wollte, wenn man seiner nur habhaft
werden und ihn umbringen könnte, auch
wirklich umbringen?“
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Platons Höhlengleichnis
Platons Gleichnis ist ein Bildungsgleichnis
(paideia). Wir stehen zunächst und
zumeist unter der Macht der Sinne. Der
Sinn der sinnlich wahrnehmbaren Dinge
und der Sinn des Sinnes, der den Sinn der
sinnlichen wahrnehmbaren Dinge
vernimmt, der Sinn der Vernunft (nous)
also, bleibt verborgen.
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Platons Höhlengleichnis
Im Höhlengleichnis ist die Vernunft und ihr
Sinn paradoxerweise wiederum sinnlich
durch Sonne und Licht versinnbildlicht.
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Platons Höhlengleichnis
Am Schluß des Dialogs kritisiert Platon die
herstellenden und darstellenden Künste.
Die herstellenden Künste, wie am Beispiel
eines Bettmachers oder Tischlers
ersichtlich, richten sich nach einem
vorausgehenden Begriff vom Bett oder
Tisch.
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Platons Höhlengleichnis
Die Idee des Tisches wird wiederum durch
den Gott hervorgebracht. Sie hat den
Vorrang gegenüber den beiden Tätigkeiten
der Werkbildner (demiourgoi) und der
Nachbildner (mimeten), die sich um die
Ausstattung der Höhle kümmern.
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Platons Höhlengleichnis
Platon schwächt seine Kunst- und
Medienkritik ab, indem er den Künstlern,
nach angemeßener Eigenverteidigung,
eine pädagogische und politische
Beteiligung zugesteht, allerdings unter
Klarstellung ihres untergeordneten Status
und nur sofern sie den höheren
Erkenntniszielen dienlich sind (Pol. 607608).
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Benny‘s Video

Benny's Video ist ein österreichischer Film
des Regisseurs Michael Haneke aus dem
Jahre 1992. Benny, ein zwölfjähriger
Junge, wird von Arno Frisch, seine Eltern
von Angela Winkler und Ulrich Mühe
gespielt. Benny lebt in der Höhle der
neuen Medien.
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21
Benny‘s Video
Der Film erzählt die Geschichte eines
tödlichen Spiels. Als Benny eines Tages ein
Mädchen zum Besuch seiner Medienwelt
einlädt, spielen beide mit einer zur Tötung
von Schweinen verwendeten Pistole.
Benny hatte sie von seinem Onkel, bei
dem er entsprechende Szenen gedreht
hatte.
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Benny‘s Video
Zunächst fordert Benny das Mädchen
spielerisch auf, auf ihn zu schießen. Dieses
weigert sich und wird von Benny als 'feige'
apostrophiert. Als sich das Spiel umkehrt,
hat es für das Mädchen tödliche Folgen.
Die Szene wird von den im Zimmer
befindenden Kameras aufgenommen. Sie
zeigt auffällige Parallelen mit dem anfangs
gezeigten Video über die Schweinetötung.
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Benny‘s Video
Die Medienhöhle macht Benny wiederum
nicht ganz stumpf für das, was geschehen
ist. Es sind Bennys Eltern, die alles
versuchen, um die Tat zu kaschieren und
es ist Benny, der zum Schluß zur Polizei
geht und die Tat gesteht.
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Benny‘s Video
Bennys Eltern leben zwar nicht in einer
elektronischen Medienhöhle, wohl aber
einer ganz konventionellen Kunsthöhle:
Ihr Wohnzimmer ist mit Bildern tapeziert!
Und sie leben ferne in der zur Höhle
gewordenen Konventionen ihres sozialen
Status.
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Benny‘s Video
Aus Platonischer Sicht sind nicht nur Benny,
sondern ebenso sehr die Eltern als die
Gefesselten anzusehen. Benny erfährt eine
Läuterung, indem er nicht an der VideoVorstellung seiner Tat verhaftet bleibt,
sondern sich dem Sinn dieser Tat öffnet.
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Benny‘s Video
Über die schwierige Loslösung von den
medialen Fesseln erfahren wir anhand von
Andeutungen: Er läßt sich die Haare
abrasieren - ein Zeichen von Scham -, und
er verliert seinen Frohsinn und seine
lebhafte Art.
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Benny‘s Video
Allerdings ist die Welt des Sinns der Sinne
für Benny keineswegs göttlich, sondern
zutiefst menschlich. Das Nicht-rückgängigmachen-können seiner Tat öffnet ihm die
Augen der Vernunft. Führt diese Erfahrung
notwendigerweise zu einer Abwertung der
(elektronischen) Medien?
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Die Speleologie, die Wissenschaft von den
Höhlen, hat als philosophische Metapher
für die Beschreibung des Weges zur
wahren Erkenntnis und zum richtigen
Handeln eine lange und wechselhafte
Entwicklung hinter sich.
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Es gab vielseitige Kandidaten für die
Platonische Höhle. Sie führten allesamt zur
Diskriminierung bestimmter Erfahrungen,
die dem Schattenhaften zugeschrieben
wurden.
30
Flammarions Holzstich
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Flammarions_Holzstich
31
Rene Descartes
http://de.wikipedia.org/wiki/Homunculus
32
Cartesianisches Theater (Urheber: Jennifer Garcia)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Homunculus
33
Immanuel Kant
http://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant
34
Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Während die Antike sich weitgehend an die
kosmologischen Inhalte des Höhlengleichnisses
orientierte und das Christentum die Gefangenen
als Sünder im irdischen Jammertal deutete,
geschah in der Neuzeit eine scheinbar radikale
Infragestellung des Platonischen Gedankens. Die
kosmologische Höhle verwandelte sich in das
subjektive Bewußtsein dem die objektive
Außenwelt gegenüberstand.
35
Wagner brütet den Homunculus im Glaskolben aus
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Faust_image_19thcentury.jpg&filetimestamp=200607141619
40
36
Sigmund Freud Museum London
37
Sigmund Freud: Das Ich und das Es (1923)
Quelle: http://loewenapothekebederkesa.wordpress.com/2008/10/
38
http://www.hollandsimpson.com/blog/archives/000513.html
39
Quelle: http://www.utdallas.edu/~jps033000/photo_html/cs.html
40
Quelle: http://www.bigideas.at/
41
Quelle: http://www.vvallo.com/2007/09/30/special-alles-zum-sub-notebook-asus-eee-pc/
42
Quelle: http://www.golem.de/0503/36731-handy_freenet_ip1.jpg
43
Quelle:
A Black Hole at the Centre of a Galaxy
http://plus.maths.org/latestnews/may-aug06/spacetime/index.html
44
The Visible Universe (whithin 14 billion light years)
http://www.atlasoftheuniverse.com/universe.html
45
How the Universe was born
Quelle: http://www.wired.com/techbiz/media/multimedia/2006/03/70425?slide=2&slideView=2
46
Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Die Höhlenmetapher ist deshalb nur bedingt
eine Aufklärungsmetapher, da sie im
Namen einer Sinndimension eine andere
Sinndimension abwertet und dieses
Schema nicht nur inhaltlich, sondern auch
strukturell festschreibt.
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik

Eine radikalere Kritik des Platonischen
Höhlenmythos bedeutet letztlich eine Kritik
des Mythos Höhle. Im Kern besagt diese
Kritik, daß wir nicht in einer wie auch
immer gearteten Höhle leben – von der
kosmologischen Höhle Platons, über die
neuzeitliche Höhle des Bewußtseins bis hin
zur Medienhöhle –
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
sondern einem offenen Horizont von
Sinndeutungen und Sinnentwürfe
ausgesetzt sind, dem wir uns allerdings
kapselartig verschließen können.
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Eine Höhle entsteht nur dann, wenn
bestimmte Seinsentwüfe oder
Konstruktionen sich verfestigen und als
unantastbar erscheinen.
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Erst dann stellt sich die metaphysische
Frage nach einem "Höhlenausgang" (H.
Blumenberg), während wir in Wahrheit
immer schon draußen, d.h. inmitten
offenbleibender Sinnstrukturierungen sind.
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Verfestigte Sinnentwürfe verwandeln sich in
Höhleneingänge. Wir können aber
Seinsentwürfe in ihrer Kontingenz
erfahren, sie also als Seinsentwürfe
wahrnehmen, weil wir immer schon einem
Möglichkeitsbereich offen sind.
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
In-der-Welt-sein bedeutet, dass wir
ursprünglich medial sind. Der Weltbegriff
ist der Inbegriff des Medialen. Die
Platonische Medienkritik betrifft nicht nur
die Medieninhalte, sondern sie bedeutet
eine Abwertung des Medialen oder des
Mittelbaren zugunsten einer angeblichen
im wörtlichen Sinne unmittelbaren
Erfahrung.
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Zur Kritik der platonischen Medienkritik
Diese Kritik beruft sich auf ein höheres,
göttliches Medium. Aber nicht die
Verabsolutierung eines Mediums, sondern
die Erfahrung der Medien in der Offenheit
des In-der-Welt-seins erlaubt uns die
hierarchische Struktur des Platonischen
Höhlengleichnisses zugunsten einer
offenen Medienvernetzung zu verlassen.
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