lernmöglichkeiten und autonomieentwicklung bei

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LERNMÖGLICHKEITEN UND
AUTONOMIEENTWICKLUNG
BEI MENSCHEN MIT
BEEINTRÄCHTIGUNGEN
ERNST BERGER
ROTHSCHILD´sches NEUROLOGISCHES
ZENTRUM ROSENHÜGEL
&
MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT WIEN


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BEEINTRÄCHTIGUNG
• ALLTAGSBEGRIFF
– UNSCHARF, WENIG BRAUCHBAR

• FACHTERMINUS
– WHO  ICIDH (1980):
• TEIL-SCHRITT BEI DER ENTSTEHUNG VON
BEHINDERUNG

– WHO  ICF (2001)
• BEGRIFF NICHT MEHR VERWENDET!


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ICIDH, WHO 1980
INTERNATIONAL CLASSIFICATION OF
IMPAIRMENTS, DISABILITIES AND HANDICAPS

• Biologischer Defekt: Zerstörung oder abnorme
Funktion eines biologischen Systems.
• Schädigung: unmittelbare funktionelle
Konsequenz des biologischen Defekts, z.B. die
Bewegungsstörung.
• Beeinträchtigung: Funktionsverlust im
persönlichen Alltag, z.B. den Hilfsbedarf beim
Ankleiden, Kochen etc.
• Behinderung: die sozialen Konsequenzen eines
Defekts, z.B. den Verlust des Arbeitsplatzes.


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KLASSIFIKATION DER
FUNKTIONSFÄHIGKEIT (ICF)
(WHO 2002)
• KÖRPERFUNKTIONEN, -STRUKTUREN
• AKTIVITÄTEN
– einschließlich Aktivitäten des persönlichen
Alltags

• PARTIZIPATION
– Teilhabe an verschiedenen Lebensbereichen


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AKTIVITÄTEN (ICF)
• Es gehört zu den zentralen
Eigenschaften menschlichen Daseins,
zu handeln, aktiv zu sein, zu arbeiten,
zu spielen, die Aufgaben und Arbeiten
des täglichen Lebens zu erfüllen.
• Störungen auf dieser Dimension werden
„Aktivitätsstörungen“ (activity limitations)
genannt.


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AKTIVITÄTSBEREICHE
A k tiv itä te n d e s L e rn e n s u n d d e r
W is s e n s a n w e n d u n g
A k tiv itä te n d e r K o m m u n ik a tio n
A k tiv itä te n b e zü g lic h K ö p e rp o s itio n ,
s o w ie d ie H a n d h a b u n g v o n
G e g e n s tä n d e n
A k tiv itä te n d e r B e w e g u n g
A k tiv itä te n d e r S e lb s tv e rs o rg u n g
H ä u s lic h e A k tiv itä te n
In te rp e rs o n e lle A k tiv itä te n
A u fg a b e n b e w ä ltig u n g u n d b e d e u te n d e
L e b e n s a k tiv itä te n


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ZUSAMMENFASSUNG
POSITION DER WHO
• „BEEINTRÄCHTIGUNG“ = BEGRIFFLICH
UNSCHARF, ÜBERHOLT
• AKTUELLE BEGRIFFE:
– AKTIVITÄTSSTÖRUNG (AKZENT: INDIVIDUELL)
– STÖRUNG DER PARTIZIPATION (AKZENT: UMWELT)

• „LERNEN“ = EINE FORM MENSCHLICHER
AKTIVITÄT


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KONKRETISIERUNG DES
THEMAS
WIE SCHRÄNKEN
– AKTIVITÄTSSTÖRUNGEN
UND / ODER
– STÖRUNGEN DER PARTIZIPATION

DIE MÖGLICHKEITEN DES
LERNENS EIN?


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ANTWORT
• DURCH DIE
EINSCHRÄNKUNG DER
MÖGLICHKEITEN DES
AUSTAUSCHS MIT DER
UMWELT
• „ISOLATION“


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ISOLATIONSKONZEPT
WOLFGANG JANTZEN 1979

• Vollzieht sich die individuelle
Entwicklung unter "isolierenden
Bedingungen",
• so ist der Aneignungsprozess
beeinträchtigt,
• die Abbilder sind inadäquat
• inadäquaten Abbilder führen zu
Konflikten, negativen Emotionen etc.
und halten auf diese Weise die
isolierenden Bedingungen aufrecht


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ISOLIERENDE BEDINGUNGEN
= RISIKOFAKTOREN
• MÖGLICHE DEFIZITE AUF DER
• BIOLOGISCHEN EBENE: Bewegung,
Wahrnehmung ...
• PSYCHISCHEN EBENE: Aufmerksamkeit,
Kognition, innere Abbilder (REPRODUKTION
VON ISOLATION!)...
• SOZIALEN EBENE: Kommunikation,
Kooperation, Beziehungen; mangelnde
Möglichkeiten des „Weges ins Leben“


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ISOLIERENDE
BEDINGUNGEN 2
• URSACHEN
– LÄSION
• ZERSTÖRUNG BIOLOGISCHER
STRUKTUR

– DEPRIVATION
• MANGELHAFTE AUSBILDUNG
VON STGRUKTUR DURCH
MANGELNDE „ÜBUNG“


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ZIEL DER
BEHINDERTENPÄDAGOGIK
ÜBERWINDUNG VON
ISOLATION  ERÖFFNUNG
VON LERNMÖGLICHKEITEN
WEG =
–INTEGRATION / WIEDERHERSTELLUNG
DER TEILHABE
–INCLUSION / VERMEIDUNG DES
AUSSCHLUSSES


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WAS IST LERNEN?
• SPEZIELLER BEGRIFF:
– LERNTÄTIGKEIT (LEONTJEW):
• DOMINIERENDE TÄTIGKEIT DES
SCHULALTERS
• ANEIGNUNG VON WISSEN/ KÖNNEN IST
EIGENTLICHER INHALT DER TÄTIGKEIT

• ALLGEMEINER BEGRIFF:
– PROZESS DER ENTWICKLUNG
LEBENDER SYSTEME (ORGANISMEN,
INDIVIDUEN) IM AUSTAUSCH MIT DER
UMWELT
– GEWINN HÖHERER STRUKTUR DER
AUSTAUSCHPROZESSE


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ELEMENTARE LERNFORMEN
(FEUSER 1984, JANTZEN 1990)

• WAHRNEHMUNGSLERNEN
– HABITUATION

• ASSOZIATIONSLERNEN
– AUSBILDUNG BEDINGTER REFLEXE

• INSTRUMENTELLES LERNEN
– AKKOMODATION (PIAGET)

Können in jeweils spezifischer Form auf
jedem Funktionsniveau realisiert werden –
sind somit allgemeingültig!


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FUNKTIONSELEMENTE DER
ZNS - TÄTIGKEIT
• VORGREIFENDE WIDERSPIEGELUNG
(ANOCHIN)
• BEDINGTE REFLEXE (PAWLOW)
• SIGNALSYSTEME (PAWLOW)


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VORGREIFENDE
WIDERSPIEGELUNG
ANOCHIN 1962

• Jedes Lebewesen muss die eigenen
Lebensprozesse mit Vorgängen in der
Umwelt in Übereinstimmung bringen
(„Anpassung“)
• Voraussetzung: Raum-Zeit-Strukturen
der Umwelt werden im Organismus als
chemisch-strukturelle Veränderungen
abgebildet („Widerspiegelung“)


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Vorgreifende Widerspiegelung 2
• "Anpassung" bedeutet, den Organismus
rechtzeitig auf künftige Ereignisse
einzustellen, also Künftiges vorbereitend
vorwegzunehmen. Ereignisabfolgen müssen
anhand ihrer "Vorboten" identifiziert werden
• ZNS = OPTIMAL SPEZIALISIERTER
APPARAT FÜR VORWEGNAHME
WIEDERHOLTER ÄUSSERER EREIGNISSE


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EREIGNISKETTE / BEISPIEL

EREIGNIS A:
WOLKEN

EREIGNIS B:
WIND

EREIGNIS C:
GEWITTER

„EREIGNIS C“ WIRD BEI EINTRITT VON „EREIGNIS A“
VORWEGNEHMEND IDENTIFIZIERT 
ANPASSUNGSVERHALTEN
= VORGREIFENDE WIDERSPIEGELUNG


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REFLEXE (PAWLOW 1922)
• "REFLEXE SIND BESTÄNDIGE
VERBINDUNGEN DER
INNEREN UND ÄUßEREN
REIZE MIT BESTIMMTEN
TÄTIGKEITEN DER
ARBEITENDEN ORGANE"


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Reflexe 2
• Reiz führt durch
Vermittlung des
Nervensystems zu
einer Tätigkeit eines
Organs
(Muskelkontraktion,
Drüsensekretion,
etc.).

• Verknüpfung entsteht
in der Phylogenese:
angeborener =
unbedingter Reflex
• Verknüpfung entsteht
in der Ontogenese:
erworbener =
bedingter Reflex


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Bedingter Reflex:
PAWLOW´scher HUND
• Voraussetzung = unbedingter Reflex
(Nahrung  Magensaftproduktion)
• häufige gleichzeitige Darbietung des
unbedingten Reizes (Nahrung) mit einem
neutralen Reiz (Glocke)
 der neutrale Reiz erhält SIGNALFUNKTION 
bedingter Reiz

• Bedingter Reiz  Magensaftproduktion


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Bedingter Reflex 2
• Entwicklung bedingter Reflexe =
„Konditionierung“ - ist an die Existenz
der Hirnrinde gebunden
• Bedingte Reflexe können gelöscht
werden
• bedingter Reflex = Mechanismus der
„vorgreifenden Widerspiegelung“
• Entwicklung komplexer Vorgänge – z.B.
optische Entfernungswahrnehmung –
beruht auf bedingten Reflexen


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SIGNALSYSTEME (PAWLOW)
• 1. SIGNALSYSTEM: BEDINGTER REIZ
= EINFACHER SENSORISCHER REIZ
• 2. SIGNALSYSTEM: BEDINGTER REIZ
= SYMBOL  „SPRACHE“
• Das 2. Signalsystem ermöglicht die
"Handhabung" von Gegenständen
unabhängig von ihrer sinnlichen
Wahrnehmung (Anwesenheit).


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ASPEKTE DER DIDAKTIK
• STRUKTURIERUNG DES
ANEIGNUNGSPROZESSES
– DIALOG!

• SUBSTITUTION BLOCKIERTER
ANTEILE (vgl. SDKHT nach FEUSER)
• ZONE DER NÄCHSTEN ENTWICKLUNG
(WYGOTSKI)
• FORMAT-STRUKTUR (BRUNER)


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KONZEPT „DIALOG“
• allgemeine Form
zwischenmenschlicher
Austauschprozesse,
die auf jeder Stufe
menschlichen Lebens
stattfinden kann
• bedeutungs- und
sinnstiftender Prozess
• jede Tätigkeitsform des
Individuums ist prinzipiell
als Zeichenträger des
Dialogs geeignet!

• Gilt auch für basale
KommunikationsStrukturen:
– frühe Lebensphasen,
– organische oder
psychische
Beeinträchtigungen,
– schwere ZNSFunktionsstörungen
(apallisches Syndrom
etc.)


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FORMAT
(JEROME BRUNER 1983)
• Dominanter struktureller Rahmen des Dialogs
in der Silbenphase
• Wiederholung einfacher Handlungs- und
Sprachsequenzen in Spielsituationen;
„vorhersagbarer Interaktionsrahmen, der als
Mikrokosmos für die Kommunikation und die
Definition gemeinsamer Realität dienen kann“
• Redundante Interaktionssequenz:
– Tätigkeit
– verbale Begleitung


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CLIP: „FORMAT“ (J. Bruner)


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„ZONE DER NÄCHSTEN
ENTWICKLUNG“ (Wygotskij)
2 Zonen des Lernprozesses:
• eigenständige Aufgabenbewältigung /
„invariante“ Verfügbarkeit (JANTZEN),
auch flexibel modifizierbar...
• kooperative Aufgabenbewältigung –
Nutzung von strukturierenden Angeboten
Erwachsener = ZONE DER NÄCHSTEN
ENTWICKLUNG / relevanter Bereich für
Entwicklung!


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ZENTRALER ASPEKT VON
LERNEN / ENTWICKLUNG =
ENTWICKLUNG VON
AUTONOMIE


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WAS IST AUTONOMIE
• AUTONOMIE =
SELBSTBESTIMMUNG
• AUTONOMIE = PROZESS
• AUTONOMIEENTWICKLUNG =
SOZIALER PROZESS
(Lebensbedingungen, soziale
Beziehung)


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AUTONOMIEPARAMETER in der FRÜHEN
ENTWICKLUNG
• TODDLER´s AGE

• SÄUGLINGSALTER
– prim. biologisch
• Nahrungsaufnahme
• Rhythmusregulation
• Aufmerksamkeit
• Reizselektion
• Selbststeuerung von
Aktivität
– prim. Sozial
• Kommunikation

– prim. biologisch
• Regulation d.
Ausscheidung
• Bewegungsstrategien /
Selektion,
Automatisation

– prim. psychisch
• Initiative  Ding-WeltErkundung
• Zweck-Mittel-Denken,
Handeln
• Sexuelle Identitätsfindung

– prim. sozial
• Zeichengebundene
Kommunikation
• Initiative f. soziale Bezüge


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AUTONOMIEENTWICKLUNG
= ZENTRALES THEMA DER
ADOLESZENZ


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VORAUSSETZUNGEN DER
AUTONOMIEENTWICKLUNG IM
PSYCHOSOZIALEN FELD
• EBENE DER BEZIEHUNGEN
– ELTERN: „LOSLASSEN“ UND BEGLEITEN
– EINBETTUNG IN DIE PEER GROUP

• EBENE DER SOZIALEN BEDINGUNGEN
– MÖGLICHKEITEN EIGNER LEBENSWEGE
• ARBEIT
• WOHNEN
• FREIZEIT

• GILT FÜR BEHINDERTE UND
NICHTBEHINDERTE MENSCHEN


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AUFGABEN DER
HELFERSYSTEME
• BIOGRAFIE-ORIENTIERTE ANALYSE DER
AKTUELLEN LEBENSSITUATION
• REDUKTION ISOLIERENDER
BEDINGUNGEN
• UNTERSTÜTZUNG SELBSTBESTIMMTER
LEBENSFORMEN


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AUSGANGSPUNKT:
ANALYSE
• ISOLIERENDE BEDINGUNGEN
• KOMPETENZEN
• PROTEKTIVE FAKTOREN
• UMFELDRESSOURCEN


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INTERVENTION
• LEBENSBEDINGUNGEN (z.B.
außerfamiliärer Wohnplatz)
• SOZIALE BEZIEHUNGEN (Beratung,
Stützung, Psychotherapie)
• EINSTELLUNGEN, INNERE BILDER
(Psychotherapie)
KLIENTIN
FAMILIE


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AUFGABEN DER EXPERTEN
• „BEHINDERUNG“ ALS BEDINGUNG – NICHT
ALS URSACHE – PSYCHOPATHOLOGISCHER
SYMPTOMBILDUNG ZU VERSTEHEN
• DIE AUTONOMIEENTWICKLUNG IN DEN
PSYCHISCHEN UND SOZIALEN
DIMENSIONEN ZU STÜTZEN
• LERNPROZESSE ZU ERKENNEN UND ZU
ERMÖGLICHEN


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LEITSÄTZE FÜR
BEHINDERTENPÄDAGOGIK
UND REHABILITATION
• JEDER MENSCH IST
LERNFÄHIG!
• WIR MÜSSEN DIE
LEBENSSITUATION EINES
MENSCHEN ALS VERÄNDERBAR
BEGREIFEN UND IHM DIESE
VERÄNDERUNG ERMÖGLICHEN!