Präsentation zum Herunterladen

Download Report

Transcript Präsentation zum Herunterladen

Finanztransaktionssteuer
Völker- und unionsrechtliche
Bedenken gegenüber
extraterritorialen Effekten
Joachim Englisch
Überblick
1. Der KOM-Vorschlag (2013) für eine FTS
im Wege Verstärkter Zusammenarbeit
2. Völker- und unionsrechtliche Kritik und Reaktion der KOM
3. Detailanalyse der Kritik
a) Völkerrechtliche Aspekte („genuine link“)
b) Unionsrechtliche Aspekte (Art. 326 ff. AEUV)
2
EU-FTS: Entwicklung und Stand der Dinge
2010: KOM favorisiert noch eine FAS für den Finanzsektor
2011: KOM legt IA vor, das sich kritisch zur FTS äußert
2011: Auf Druck der MS legt die KOM gleichwohl einen
Vorschlag für die Einführung einer FTS (statt FAS) vor
2012: Der Vorschlag erhält nicht die Unterstützung aller MS
2013: Der Rat autorisiert 11 MS, eine FTS über VZ einzuführen
2013: Die KOM legt einen modifizierten Vorschlag für eine
EU11-FTS und eine Ergänzung des bisherigen IA vor
2014: Als Kompromiss zwischen divergierenden Interessen der
11 MS deutet sich die schrittweise Einführung der FTS an;
das FinMin rechnet für 2015 nicht mehr mit Aufkommen
3
Weiter Anwendungsbereich der EU11-FTS
• „Triple A“-Ansatz zwecks Eindämmung von Steuerflucht
– All markets
– All instruments
– All actors
Einige MS dringen auf Ausnahmen (Derivate, Repos, etc.) → bei
schrittweiser Einführung evtl. zunächst nur Börsenumsatzsteuer
• Insbesondere: weiter territorialer Anwendungsbereich
–
–
–
–
Ansässigkeitsprinzip strictu sensu
Erweitertes Ansässigkeitsprinzip
Gegenparteiprinzip
Ausgabeortprinzip
4
Rechtl. Bedenken einiger MS
• GB hält die Ermächtigung zur Verstärkten Zusammenarbeit für
rechtswidrig und klagt beim EuGH dagegen (C-209/13);
es beanstandet die Vereinbarkeit extraterritorialer Effekte …
– mit Völkerrecht
– mit den Vorgaben der Art. 326 und 327 AEUV
• Der Juristische Dienst des Rates teilt diese Bedenken jedenfalls bzgl. des Gegenparteiprinzips (2013/0045 (CNS))
• Der Juristische Dienst der KOM hält die Bedenken hingegen in
einem “Non-Paper” für unbegründet
• Einige der tMS sind unschlüssig
5
Bedeutung der Kritikpunkte
• Steuerpolitisch brisant:
– Weiter territoriale Anwendungsbereich ist Kernelement der
Anti-Steuerumgehungsmaßnahmen
– Fiskalischer Erfolg wie lenkungsteuerliche Legitimation hängen
entscheidend davon ab
• Auch juristisch ist die Kritik ernst zu nehmen, denn:
– der EU-Gesetzgeber ist an Völkergewohnheitsrecht gebunden
(st. Rspr. des EuGH, vgl. auch Art. 3 (5) EUV)
– die Art. 326 ff. AEUV sind ebenfalls voll justiziable Vorgaben
… obschon der EuGH jeweils nur zurückhaltend prüft
6
Völkerrecht & extraterritoriale Effekte
• Überholt: Ständiger IGH, Lotus-Fall 1927 (keine Begrenzung)
• Post-WWII-Entwicklung: Derartige Gesetzgebung erfordert
grds. “genuine link”; inzwischen Völkergewohnheitsrecht
• Hinreichend sachgerechte Anknüpfungspunkte ergeben sich
 aus dem Personalitätsprinzip (Staatsangehörigkeit) ODER
 aus dem Territorialitätsprinzip (incl. der “effects doctrine”)
• Tendenz: Abstellen auf gesetzgeberische Zielsetzungen
• All dies gilt selbstverständlich auch für Steuergesetzgebung
7
Exkurs: Offizielle Zwecksetzung der EU-FTS
• Signifikantes Steuermehraufkommen
• Ergänzung von regulierungsrechtlichen Ansätzen zur
Verhinderung künftiger Finanzkrisen
• Beteiligung des Finanzsektors an Folgekosten der Finanzkrise,
“level playing field” im Verhältnis zu anderen Wirtschaftssektoren (Kompensation vermuteter USt-Unterbesteuerung)
• Lenkungsteuer zur Verbesserung der Finanzmarkteffizienz
8
Beurteilung des Gegenpartei-Prinzips (I)
… gemessen an den Zielsetzungen der FTS?
• “Fairer Beitrag” zur Bestreitung der Kosten der Krise im tMS?
– Nein, allenfalls – zu – entfernter Zusammenhang
• Ausgleich für vermutete USt-Unterbesteuerung im tMS?
– Nein
• Verbesserung von Effizienz/Stabilität d. Finanzmärkte im tMS?
– Nein; allenfalls entfernte / schwache mittelbare Wirkungen
• Gerechtfertigt zwecks Vermeidung von Steuerflucht?
– Nein; dies begründet keinen legitimen Anknüpfungspunkt
• Ähnlich das IA 2011 / der Juristische Dienst des Rates
9
Beurteilung des Gegenpartei-Prinzips (II)
… gemessen an der Besteuerungstechnik (KOM-Ansatz)?
• KOM: Die FTS ist Rechtsverkehrsteuer
→ Es genügt, wenn eine Partei des Rechtsverkehrsvorgangs im tMS
ansässig ist, um den Verkehrsakt als solchen der nat. Steuerhoheit
zu unterstellen und somit auch alle daran beteiligten Parteien
• Kritik: zu entfernter Anknüpfungspunkt / nicht sachgerecht
– Bei einer Verkehrsteuer muss der Verkehrsvorgang als solcher
(nach Gegenstand, Handelsort, Erfüllungsort etc.) einen
hinreichenden territorialen Bezug zum tMS aufweisen
– Ansässigkeit der Gegenpartei ist für Besteuerungswürdigkeit
irrelevant
10
Beurteilung des Ausgabeortprinzips (I)
… gemessen an den Zielsetzungen der FTS?
• “Fairer Beitrag” zur Bestreitung der Kosten der Krise im tMS? /
Ausgleich für vermutete Ust-Unterbesteuerung im tMS?
– Nein
• Höhere Effizienz der Finanzmärkte im tMS?
– Nein
• Beitrag zur Stabilität der Finanzmärkte im tMS?
– Bei Wertpapierhandel insb. bzgl. HFT denkbar; bei Derivaten (-)
Kann Ausgabeort bei allein auf Verkehrsteuertechnik abhebender
Betrachtung (KOM) einen „genuine link“ darstellen?
• Bei Wertpapieren wohl ja, bei Derivaten hingegen wohl nein
11
Beurteilung des Ausgabeortprinzips (II)
• Legt UK stamp duty (genauer SDRT) andere Beurteilung nahe?
– SDRT folgt dem Ausgabeortprinzip
• Keine Vergleichbarkeit im Lichte der jeweiligen Zielsetzungen:
– Historisch betrachtet war SD/SDRT zunächst eine Steuer auf die
Inanspruchnahme von Abrechnungssystemen und Registern
→ Rechtfertigung nach dem Äquivalenzprinzip
– Inzwischen: Konzeption als indirekte Steuer auf den Erwerb von
Beteiligungskapital
→ Ausgabeort erscheint als „genuine link“ noch vertretbar,
zumal Derivate ausgenommen sind
12
Unionsrecht & extraterritoriale Effekte
• Art. 326 AEUV: VZ darf …
– den Binnenmarkt nicht beeinträchtigen;
– den Handel zwischen den MS nicht behindern / diskriminieren;
– nicht zu Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen MS führen
• Art. 327 AEUV: VZ muss die Zuständigkeiten, Rechte und
Pflichten der übrigen MS achten
• FTS ist erst der dritte Anwendungsfall einer VZ
– Wenig case law; aber Rückgriff auf Grundfreiheits-Rspr. möglich
• Im Folgenden: nur ernsthaft in Betracht kommende Verstöße
13
Art. 327 AEUV
• EuGH: Die VZ darf ‘nicht zur Verabschiedung von Maßnahmen
führen, die nicht beteiligte MS an der Ausübung ihrer
Zuständigkeiten und Rechte hindern’
• Gegenpartei-Prinzip und Ausgabeortprinzip der EU11-FTS
beeinträchtigen aber das souveräne Recht der übrigen MS,
über “ob” und “wie” der Besteuerung und Regulierung ihrer
Finanzindustrie und ihrer Finanzmärkte zu entscheiden
– EU11-FTS hat Lenkungseffekte mit Blick auf bestimmte
Transaktionen auf den Finanzmärkten dieser MS
– EU11-FTS unterläuft (etwaige) USt-Erleichterungen für Finanzdienstleistungen, die im jeweiligen MS „konsumiert“ werden
14
Art. 326 AEUV
• Vorgabe: Keine Wettbewerbsverzerrungen zwischen MS
• KOM: EU11-FTS vermindert Wettbewerbsverzerrungen durch
Doppelbesteuerung / doppelter Nichtbest. zwischen tMS
• Aber: das ist schon anderweitig (hier: Art. 113) Voraussetzung
→ Art. 326 bezieht sich auf das Verhältnis zwischen tMS und
nicht-teilnehmenden MS
• Daher verstößt die EU11-FTS gegen Art. 326 AEUV
– Wettbewerbsverzerrungen bzgl. der Attraktivität der jeweiligen
Finanzmärkte sind offenkundig
• Davon abgesehen: Verringert die EU11-FTS wirklich das Risiko
von Doppelbesteuerung?
15
Ist Verstoß gegen Art.326 f. zu rechtfertigen?
• Art. 326 f. AEUV stehen nicht unter Rechtfertigungsvorbehalt
• Eine dahingehende Rechtsfortbildung durch den EuGH wäre
aber nicht überraschend und auch angemessen
– Aber: VHM-Kontrolle nach denselben (strengen) Maßstäben
•
Lassen sich Gegenpartei- und Ausgabeortprinzip aus Gründen
der Vermeidung von Steuerflucht rechtfertigen?
– Grundsätzlich ein vom EuGH anerkannter Rechtfertigungsgrund
– ABER: Verlagerung von Aktivitäten in MS mit attraktiverem
Steuersystem ist keine missbräuchl. Steuerflucht (st. Rspr. EuGH)
• Vhm Rechtfertigung mit Blick auf Finanzmarktstabilität?
– Allenfalls das Ausgabeortprinzip für Wertpapiere; s.o.
16
Interesse an vertiefter Auseinandersetzung?
• The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced
Cooperation Procedure (mit J. Vella / A. Yevgenyeva)
British Tax Review 2013, S. 223-259
• Europäische Finanztransaktionssteuer durch Verstärkte
Zusammenarbeit – wohlbegründet oder bloße Symbolpolitik?
Internationale Steuer-Rundschau, S. 387-396
• Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der
französischen Finanztransaktions-steuer (mit C. Krüger)
Internationales Steuerrecht 2013, S. 513-519
• [email protected]
17