Starke Silben und Spracherwerb

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Transcript Starke Silben und Spracherwerb

Starke Silben und Spracherwerb
Phonetische Modelle des Spracherwerbs
Hauptseminar Phonetik SoSe 2007
Prof. Dr. Jonathan Harrington
Referentin: Larissa Nubert
Fragestellung
Welchen Beweis gibt es bei Erwachsenen für
eine rhythmisch/metrische SegmentierungStrategie („metrical segmentation strategy“
= MSS), um neue Wörter aufzudecken?
Einleitung
• Frage: Wie können Hörer in der
gesprochenen Sprache Wörter erkennen und
deren Bedeutung wahrnehmen?
• Problem: Die Wortgrenzen sind im
Sprachfluss nicht immer eindeutig
gekennzeichnet!
 Wieso funktioniert die Worterkennung
dennoch (fast) immer problemlos?
 Welche Mechanismen werden zur
Erkennung angewandt?
Gliederung
I.
II.
•
•
•
III.
3 Theorien zur Worterkennung
Studien/Ergebnisse
Studie/Ergebnisse Culter/Norris 1988: MSS
Studie/Ergebnisse McQueen et al. 1994
Studie Cutler/Butterfield 1992
MSS „metrical segmentation strategy“
I. Theorien zur Worterkennung
3 Theorien:
• Der sequenzielle Prozess
• Der prosodische Segmentierungsprozess
• Der Konkurrenzprozess
1. Theorie zur Worterkennung
Der sequenzielle Prozess:
• Die Wörter werden der Reihe nach von
links nach rechts wahrgenommen.
• Annahme: Der Onset des nächsten Wortes
kann erst dann erkannt werden, wenn das
aktuelle Wort erfolgreich erkannt worden
ist.
Voraussetzung für die sequenzielle
Erkennung: Die Wörter müssen vor ihrem
Offset „einzigartig“ sein und als diese
erkannt werden.
Probleme:
• Die meisten Wörter werden erst nach ihrem
Offset als eindeutig erkannt.
• Einbettung von Wörtern, sowie Suffixe
erschweren den Erkennungsprozess.
Bsp. boy - boycott, run – running – runner
2. Theorie zur Worterkennung
Der prosodische Segmentierungsprozess
• Die Worterkennung erfolgt über den Prozess
der lexikalischen Segmentierung.
• Basis: Die prosodische Struktur der Sprache
• Prinzip der MSS
Der prosodische
Segmentierungsprozess
Modell:
• Es gibt Annahmen darüber, wo Wortgrenzen
wahrscheinlich auftreten und dadurch wird
gefolgert, wo es angemessen ist mit dem
lexikalischen Zugang („lexical access“) zu
beginnen.
• MSS:
 Starke Silben setzten die Segmentierung in Gang
3. Theorie zur Worterkennung
Der Prozess der wortinternen Konkurrenz:
SHORTLIST (Norris, 1994)
• 2 Stufenmodell
• 1. Phase: Aktivierung:
Eine Kandidatenmenge wird als „Shortlist“ angelegt
• 2. Phase: Konkurrenz:
Die verbleibenden Kandidaten werden zu einem
Netzwerk verbunden, und durch laterale Inhibition
weiter verringert, bis das Zielwort erkannt ist.
Theorie: Kombination aus
SHORTLIST und MSS
• McQueen et al. (1994), Norris et al. (1995)
Annahme:
• Wörter mit starker erster Silbe werden stärker
aktiviert, als Wörter mit schwacher erster Silbe.
• Aktivierung nur an diesen Stellen (MSS); nicht
mehr an jeder möglichen Stelle (SHORTLIST)
• Konkurrenz Effekte sind größer für schwachstarke, als für stark-schwache Wörter.
II: Studien/Ergebnisse
• Cutler/Norris (1988): Annahme der MSS
• McQueen et al. (1994) und
Cutler/Butterfield (1992): Unterstützung
und Erweiterung der Theorie der MSS
Studie Cutler/Norris 1988
• MSS = „metrical segmentation strategy“
• Vorschlag: Die lexikalische Erkennung wird
bei Akzentsprachen (Bsp. Engl.) durch
metrische Segmentierung in Gang gesetzt.
• Unterschiedliche Silbenstruktur:
starke vs. schwache Silben
• Starke Silben (s): Silben mit Vollvokal,
tragen Erst- oder Zweitakzent
• Schwache Silben (w): Silben mit
reduziertem Vokal, meistens [ə], tragen
keinen Akzent
Experiment Cutler/Norris 1988
• „word-spotting task“: Erkennung von realen
Wörtern eingebettet am Beginn von zweisilbige
Pseudo-Wörter
• Zeitmessung  Folgerung wie schnell (leicht)
oder langsam (schwer) die Erkennung war.
Bsp. Erkennung von mint in /mІnteІf/ (stark-starke
Silben) und /mІntəf/ (stark-schwache Silben)
MSS
• Starke Silben setzten die Segmentierung in
Gang.
• Starke Silben sind meist der Onset von
lexikalischen Wörtern und somit wird an
diesen Stellen der lexikalische Zugang
begonnen. (s. Cutler/Butterfield)
• Wichtig: Ein prälexikaler Mechanismus
muss starke Silben im Wortfluss erkennen.
Cutler/Butterfield 1992
• Annahme: starke Silben sind meist die initialen
Silben von lexikalischen Wörtern
• „Misperception“-Experimente; die Hörer bekamen
unverständliche/schwer verständliche
Wortäußerungen und sollten aufschreiben, was sie
gehört haben
• „Misperceptions“ treten an Wortgrenzen auf
• Mögliche Fehler: Grenzen hinzufügen oder tilgen
Ergebnis Culter/Butterfield
 vor starken Silben werden Grenzen
eingefügt; vor schwachen Grenzen getilgt
 Grenzeinfügung vor starken Silben führt
zur Wahrnehmung von lexikalischen
Wörtern; Grenzeinfügung vor schwachen
Silben spricht für grammatikalische Wörter
Folgerung:
 Starke Silben sind meistens die initialen
Silben von lexikalischen Wörtern, während
schwache Silben meistens nicht wortinitital
sind und verstärkt bei grammatikalischen
Wörtern auftreten.
• Engl.: 90% der Inhaltswörter beginnen mit
starker Silbe; ca. 75% aller starken Silben
sind die initialen Silben von Inhaltswörtern
(Cutler/Carter, 1987)
Ergebnis Cutler/Norris 1988
Annahme war:
• Starke Silben setzten die Segmentierung in
Gang.
• Starke Silben sind meist der Onset von
lexikalischen Wörtern und somit wird an
diesen Stellen der lexikalische Zugang
begonnen.
Ergebnis Cutler/Norris:
• Zu erkennende Zielwörter (s) (am Beginn
von Wörtern) sind schwieriger in ssPseudo-Wörtern zu erkennen, als in sw.
Bsp.: mint in /mІnteІf/ (stark-starke Silben) ist
schwieriger zu erkennen, als in /mІntəf/
(stark-schwache Silben)
 Zielwörter schwieriger zu erkennen in
ss, als sw
Grund:
• MSS besagt, dass an starken Silben eine
Segmentierung ausgelöst wird, also hier: an der
zweite Silbe /teІf/ in /mІnteІf/ (ss) wird eine
Segmentierung ausgelöst (die zweite Silbe von der
ersten getrennt) : und somit die Erkennung von
mint behindert wird.
• Bei /mІntəf/ (sw) ist das Erkennen von mint
einfacher, weil die schwache Silbe /təf/ keine
Segmentierung auslöst.
 Bestätigung der MSS: Segmentierung bei starken
Silben
McQueen et al. 1994
• SHORTLIST-Modell: Aktivierung und
Konkurrenz
• Annahme: SHORTLIST und MSS als
Kombinationsmodell der Worterkennung.
 Stärkere Aktivierung (SHORTLIST) der
starken Silben (MSS)
Experiment McQueen et al. 1994
• Worterkennungstest wie bei Cutler/Norris
• Erkennung von realen Wörtern in zweisilbigen
Pseudo-Wörtern, am Beginn oder am Ende
Bsp.: mess in /nəmεs/ (ws) und /dəmεs/ (ws)
 Zielwörter am Ende
Bsp.: sack in /sækrəf/ (sw) und /sækrək/ (sw)
 Zielwort am Anfang
Experiment McQueen et al.
• Annahme: Die Erkennung von Zielwörtern wird
durch Konkurrenten erschwert.
mess in /dəmεs/ ist schwieriger zu erkennen, da
hier die Konkurrenten domestic, domesticated
auftreten.
mess in /nəmεs/ ist somit einfacher zu erkennen,
weil es keine Konkurrenten gibt.
sack in /sækrəf/ ist schwieriger (Konkurrent
sacrifice) zu erkennen, als in /sækrək/ (keine
Konkurrenten)
Ergebnis McQueen et al. 1994
• Kombinationsmodell SHORTLIST und MSS
• SHORTLIST: der lexikalische Zugriff ist effektiv
an allen mögliche Stellen möglich
• MSS: lexikalischer Zugang ist effektiv bei starken
Onsetsilben möglich
 Durch die Kombination der Modelle ergibt sich
nun eine Steigerung (stärke Aktivierung) für nur
die lexikalischen Kandidaten, die mit einer starken
Silbe im Onset beginnen.
Erkennung von Zielwörtern:
Die Erkennung von Zielwörtern in ws-PseudoWörtern ist einfacher als in sw-Wörtern. (=MSS)
• Antworten sind schneller, als auch akkurater in ws
(da hier: Segmentierung; stärkere Aktivierung,
Segmentierung direkt am Onset des Zielwortes),
als in sw-Pseudo-Wörtern (da hier: keine
Segmentierung)
 Die Erkennung ist schwieriger, wenn die
Zielwörter Onsets von realen längeren Wörtern
waren; einfacher bei richtigen Pseudo-Wörtern.
Fig. 1:
- ws = größere Aktivierung,
leichtere Erkennung
- Zielwort am Ende
- Konkurrenten: weniger
Aktivierung, Erkennung
schwieriger
- Keine Konkurrenten: stärker
Aktivierung
Quelle: McQueen et al. 1994, S. 626
Fig. 2:
- sw = geringere
Aktivierung, schwierigere
Erkennung
- Zielwort am Beginn
- Konkurrenten: weniger
Aktivierung, Erkennung
schwieriger
- Keine Konkurrenten:
stärkere Aktivierung
Quelle: McQueen et al. 1994, S. 627
Fig. 1
schwach-stark
größere Aktivierung, leichtere Erkennung
Fig. 2
stark-schwach
Geringere Aktivierung, schwierigere
Erkennung
Tabelle: Reaktionszeiten für ws vs. sw Wörter
Stress pattern
WS
RT (ms)
Error rate (%)
Example
SW
RT (ms)
Error rate (%)
Example
Word onset
Nonword onsets
Target matched
Target unmatched
665
44
/dəmεs/
558
26
/nəmεs/
569
24
/kləsæk/
843
57
/sækrəf/
847
45
/sækrək/
843
46
/mεstəm/
 Schnellere Reaktion bei
Pseudo-Wörtern
ws-Pseudo-Wörtern im Gegensatz zu sw-
III: MSS
• Worterkennung mit Hilfe von lexikalischer
Segmentierung im Sprachfluss
• Bei Akzentsprachen wie dem Engl. (s vs. w)
• Annahme, wo Wortgrenzen wahrscheinlich sind:
vor starken Silben
• Prälexikalischer Vorgang: Erkennung der starken
Silben
Starke Silben = Onset von lexikalischen Wörtern
Starke Silben setzen die Segmentierung in Gang
 Segmentierung an diesen starken Silben und hier:
„lexical access“
MSS
• Worterkennungsantworten sind sowohl schneller,
als auch akkurater in ws, als in sw-Wörtern.
• ws sind im Vorteil, weil sie am Onset der zweiten
(starken) Silbe segmentiert werden (= sogleich der
Onset des gesuchten Zielwortes)
• Diese Annahme beruht darauf, dass vom Hörer
angenommen wird, dass eine starke Silbe
wortinitial ist (der Beginn eines neuen
lexikalischen Wortes).
•  Hörer wenden eine Strategie an, bei der sie
Sprachsignale am Anfang von jeder starken Silbe
segmentieren.
MSS
• Initiale starke Silbe spricht meist für ein
lexikalisches Wort
 Mit Hilfe der Segmentierungs-Strategie
kommt es zu einer zuverlässigen
Worterkennung der starken Silben und
somit der lexikalischen Wörter.
Literatur:
-
-
-
McQueen, J.M., Norris, D., & Cutler, A. (1994). Competition in
spoken word recognition: Spotting words in other words. Journal of
Experimental Psychologie: Learning, Memory, and Cognition, 20(3),
621-638
Culter, A. & Butterfield, S. (1992). Rhythmic Cues to speech
segmentation: Evidence from juncture misperceptions. Journal of
Memory and Language, 31, 218-236.
Norris, D., McQueen, J.M. & Culter, A. (1995). Competition and
segmentation in spoken-word recognition. Journal of Experimental
Psychologie: Learning, Memory, and Cognition, 21(5), 1209-1228