BELODIS * Berufseinstieg und Lohndiskriminierung

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Transcript BELODIS * Berufseinstieg und Lohndiskriminierung

BELODIS – Berufseinstieg und
Lohndiskriminierung?
Neue Erklärungsansätze zu einer Schlüsselphase
für geschlechtsspezifische Ungleichheiten
Women at Work: Beruf, Karriere, Geschlecht
Zürich, 17. Juni 2013
Kathrin Bertschy, Michael Marti
Facts & Figures: Aktuelle Zahlen aus der Schweiz
CHF
8'000
10%
7'000
Lohndifferenz
6'000
15%
100%
5'000
nicht erklärbar
4'000
75%
3'000
2'000
erklärbar
Bruttolohn standardisiert
1'000
0
Männer
Frauen
Standardisierte Bruttolöhne 2008 - Quelle LSE, Berechungen BASS
ECOPLAN
2
Facts & Figures: Gender wage gap OECD
%
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Gender wage gap, Vollzeiterwerbstätige (2008)
 Schweiz: 18.5%
 OECD: 15 %
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3
Facts & Figures … 45% der Frauen arbeiten Teilzeit
0
20
40
60
Netherlands
Switzerland
9%
45%
United Kingdom
Germany
Italy
80
… Teilzeiterwerbstätigkeit
von Frauen ist in der Schweiz
überdurchschnittlich häufig:
Frauen 45% 34 Männer 9%
Norway
OECD Durchschnitt
Denmark
…Hoher Erwerbsgrad
Turkey
France
Frauen 77% 34 Männer
88%
Spain
Sweden
United States
Finland
Portugal
… kombiniert tragen die
Frauen nur mit 36% zum
Beschäftigungsvolumen bei
Greece
Slovenia
Hungary
Slovak Republic
Bulgaria
Männer
ECOPLAN
Frauen
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Kritikpunkte: Methodische Grenzen bestehender
Analysen
Verschiedene Variablen nicht/nur ansatzweise kontrollierbar:
 Berufserfahrung
 Individuelle Fähigkeiten / Wissen
 Leistungsbereitschaft
 Unterschiedliche Berufe innerhalb einer Branche nicht
berücksichtigt
Und vor allem:
….Entstehungszeitpunkt der Lohndiskriminierung unklar
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1 Erster Themenblock
Leitfragen BELODIS: Ursachen und Entstehungszeitpunkt
 Inwiefern besteht bereits beim Berufseinstieg eine direkte oder
indirekte Lohndiskriminierung?
 Zu welchem Zeitpunkt im Erwerbsverlauf entstehen die
diskriminierenden geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede?
 Was sind die Ursachen für die indirekte Diskriminierung?
…unterschiedliche Massnahmen gefragt!
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Wie entsteht indirekte Lohndiskriminierung? Hypothesen und Vorgehen
Erklärungsansatz 1
Indirekte Lohndiskriminierung entsteht aufgrund vorgelagerter
Prozesse oder zwischen den Unternehmen:
– (Selbst-)Selektion in (Lehr-)Berufe welche auf dem Arbeitsmarkt aus
unterschiedlichen Gründen schlechter bezahlt sind
– Lohnunterschiede als Ergebnis horizontaler Segregation der Berufe
– Firma A zahlt bessere Löhne und beschäftigt mehr Männer als Firma B, Firma B zahlt
tiefere Löhne
Methodisches Vorgehen: ökonometrische Schätzungen auf Basis
der Schweizer Jugendlängsschnittstudie TREE
a Verbesserter Ansatz dank weiterer Erklärungsfaktoren
– Individuelle Fähigkeiten kontrollierbar (Abgeschlossene Ausbildung, Testergebnisse
PISA, Lehrabschussnoten)
– Kohortenvergleich zum Zeitpunkt Berufseinstieg (Berufserfahrung=1 Jahr)
– Ausgeübter Beruf, Tätigkeitsbereich, Firmengrösse, Erwerbsgrad
– Werthaltungen intrinsisch/extrinsische Motivation etc.
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Schweizer Jugendlängsschnitt TREE – Transitionen von der
Erstausbildung ins Erwerbsleben
Erwerb
2010
Tertiär
…
Erwerb 40%
2006
2005
2004
2001
2000
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Sek. II
Sek. II
Berufbildung
Erwerb 34%
Erwerb
20%
Sek. II Berufbildung 41%
Sek. II Berufbildung 65%
2003
2002
Sek
. II
Erwerb 43%
2007
ZL 5%
ZL 24%
Sek. II Berufbildung 64%
Sek. II Berufbildung 49%
T
B
Tertiär
TB
TB
Sek.
II
Tertiär
Tertiär
Tertiär
Sek. II Allgemein 26%
Sek. II Allgemein 26%
Sek. II Allgemeinbildung
27%
Obligatorische Schule 100%
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Methodisches Vorgehen TREE-Datenanalyse
 Gepoolter Datensatz Berufseinstiege 2004-2007 (n=1’603)
 Relevanter Abschluss -> Datum -> Berufseinstieg -> Analysejahr
 Variablen aufbereiten, u.a. Real und Äquivalenzlöhne
 Gewichtete OLS-Schätzung log. Löhne
 Lohndekomposition -> Zerlegung in Ausstattungsmerkmale und
nicht erklärbaren Anteil
 Verschiedene Verfahren
– Lohnverteilung der Männer als Referenzlohn -> Standardverfahren
– Gepoolter Referenzlohn -> «positive Diskriminierung» der Männer
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Resultate 2: Lohndiskriminierung beim Berufseinstieg?
CHF
CHF
6'000
6000
5'000
4.6%
3.3%
5000
3.4%
4.8%
4'000
100%
3'000
Lohndifferenz
8.1%
Lohndifferenz 7.9%
92%
4000
nicht erklärbar /
diskriminierend
3000
erklärbar
2'000
2000
Bruttolohn
standardisiert
1'000
1000
0
0
Männer
Frauen
Männer
Berufseinstieg (2004-2010)
Frauen
2010

Lohnunterschied von 280 CHF

Lohnunterschied von 400 CHF

41% (116 CHF) nicht erklärbar

Davon sind 42 % (165 CHF) nicht erklärbar
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Resultate 3: Sind Unterschiede eine Frage der
beruflichen Segregation?
Lohnentwicklung innert der ersten 5 Berufsjahre
% 2005-2010
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
male-typed
mixed
female-typed
Total
Lohnentwicklung VZÄ 2005-2010, p.a. Frauen
Lohnentwicklung VZÄ 2005-2010, p.a. Männer
Durchschnittliche jährliche Lohnentwicklung (standardisierte Bruttolöhne)
 Die unterschiedliche Lohnentwicklung findet primär in gemischten
Berufen statt
 Keine qualitativen Unterschiede Teilzeit/Vollzeit und real/standardisiert
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Resultate 4: Wie entwickeln sich die Reallöhne innert
der ersten 5 Berufsjahre bei Elternschaft?
9000
8000
7000
2'770
6000
5000
1'200
Wachstum
4000
Ausgangslohn 2005
3000
2000
4'790
5'540
1000
0
Frauen
Männer
Reallöhne
Reallöhne
Wie wirkt sich eine Elternschaft auf die Einkommensentwicklung aus?
 Die Reallöhne der Mütter entwickeln sich unterdurchschnittlich im Vergleich zu
den Löhnen der Väter. Dies gilt auch bei Vollzeiterwerbstätigen.
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1 Erster Themenblock
Resultate 5: Eine Frage der Werthaltungen?
Extrinsische
Arbeitsmotivation
Aufstiegsmöglichkeiten
Viel Geld/guter Lohn
Anerkennung
dazulernen können
Anderen helfen
Fähigkeiten einsetzen
Intrinsische
Arbeitsmotivation
etwas Sinnvolles
arbeiten
Partnerschaft leben
Familie /
Partnerschaft
Wunsch selber Familie
aufbauen
Kinderwunsch
 Die Aussagen zu den Wertorientierungen unterscheiden sich nur
gering zwischen Frauen und Männern
 Frauen sind intrinsischer motiviert, aber nicht weniger extrinsisch
 Kein signifikanter Einfluss auf den Lohn
 Werthaltungen wirken vor- und nachgelagert
 müssen nicht dem gelebten Wertemodell entsprechen…
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Resultate 6: Eine Frage der innerfamiliären Arbeitsteilung?
Wie teilen sich junge Paare die Familien- und Hausarbeit auf?
60
50
40
30
20
10
0
immer/meistens ich
beide/halbe halbe
Titel
Frauen
immer/meistens Partner/in
Männer
Vollzeiterwerbstätige Befragte, Durchschnitt der Aufteilung der verschiedenen Haus- und Familienarbeiten
Ob waschen, putzen, kochen, einkaufen…
 Männer sagen… sie seien zu 7% alleine/mehrheitlich zuständig, 51% würden
halbe/halbe machen und zu 42% mache die Partnerin meistens/immer alles
 Frauen sagen… sie seien zu 44 % alleine/mehrheitlich zuständig, 43% würden
halbe/halbe machen und zu 13% mache der Partner meistens/immer alles
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Resultate 6: Eine Frage der innerfamiliären Arbeitsteilung?
 Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Frau mehr als
50% des Haushaltseinkommens verdient.
 45% der (>90%) erwerbstätigen Frauen übernehmen
ausschliesslich oder mehrheitlich die Kinderbetreuung, bei den
Männern trifft dies gerade mal auf 4% zu.
Fazit:
 Doppelbelastung junger vollzeiterwerbstätiger Frauen häufiger
als bei den Männern
 Höhere Lohnentwicklung bei den Männer (gilt auch Vollzeit)
 Präferenzen «Familie/Kind» wirken sich unterschiedlich aus
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Wie entsteht indirekte Lohndiskriminierung? Hypothesen und Vorgehen
Erklärungsansatz 2
Es besteht eine Diskriminierung bei der Stellenvergabe:
– basierend auf der Theorie, dass Betriebe in prestigeträchtigen gutbezahlten
Berufen/Unternehmen lieber Männer einstellen, selbst wenn weibliche und
männliche Personen sich bewerben
Vorgehen:
 Mit TREE- (oder andern) Daten nicht überprüfbar:
Betriebsbefragung in ausgewählten Branchen mit vermuteter
Lohndiskriminierung oder hohen Lohnunterschieden
– Wird trotz Bewerbungen von Frauen mit gleichwertigen Qualifikationen
häufiger den männlichen Bewerbern der Vorzug gegeben?
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Betriebsbefragung Berufeinstieg: Vorgehen
 Auswahl und Anfrage der Betriebe aufgrund aktueller Stelleninserate.
Branchen mit hohen Lohnunterschieden und/oder grosser vermuteter
Diskriminierung
 Angefragt wurden 180 Betriebe im Zeitraum August – Nov. 2012
Branchen
Berufe z.B.:
Bemerkungen
N=
Metall-, Maschinenund Elektroindustrie
-
Elektrozeichner
Polymechanikerin
Konstrukteure
Automatiker/in
Frauenanteil in den Sek.IIAusbildungen sehr tief <15%
32
Banken und
Versicherungen
-
Sachbearbeiter/in
Kreditverarbeitung
Verkaufssupport
Hohe Lohnunterschiede bei
Kaderstellen, wie sieht es beim
Einstieg aus?
Viele Bewerbungen und hoher
Datenschutz
3
Pharma-,
Chemieindustrie,
Medizinaltechnik
-
Chemikanten
Laborantinnen
Monteur/innen
Medizinaltechnik
Kontrollgruppe, sehr geringe
Lohnunterschiede
4
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Betriebsbefragung Berufeinstieg
 Erfassung verschiedener Merkmale (Geschlecht, Alter, Wohnort)
 Einstufung (Einschätzung): Erfüllung der Stellenanforderung, adäquate
Qualifikation, Sprachkenntnisse etc.; Gesamtbeurteilung
 Entscheidungen
– Einladung zum Gespräch
– Vorgenommene Anstellung und Höhe der Einstiegslohns
Bewerber/-in
m/w
Jg.
Adäquat
… … GesamtEinladung Vorgenommene
qualifiziert
beurteilung Gespräch Anstellung
1
m
1989
---
---
---
---
2
m
1987




3
w
1987


---
---
4
w
1990



---
4
m
1984

---
---
---
…
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Resultate 7: Was lehrt uns die Befragung der
Betriebe?
 Frauen werden im Schnitt besser beurteilt (Erfüllung der
Anforderungen)
 Und: Sie werden auch häufiger angestellt
…sofern sie sich denn bewerben
 Abhängig von Inseraten, werden Soft-Skills genannt?
…oder an Betriebe gelangen, welche Frauen durchs Band
schlechter bewerten
 Traditionelle Industrie: Beklagt unzureichende Qualifikationen
von Frauen und Männern
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Resultate 8: Gilt es die Berufswahlprozesse zu
hinterfragen?
 Frühe Entscheidung für Berufswahl; diese findet in einem
Zeitpunkt statt, in welchem Geschlechtsidentität entwickelt wird
 Berufsberatung erfolgt interessengesteuert; Berufswahlspektrum
der Mädchen ist kleiner und kaum auf Arbeitsmarkt und
Fachkräftebedarf ausgerichtet
 Horizontale Wechsel sind in der Berufsbildungsphase schwierig,
Verlust von Investment, Stigmatisierung bei Umstieg
 Fragen:
–
–
–
–
Muss die Berufsberatung stärker auf den Arbeitsmarkt ausrichten?
Wie kann die Berufsbildung durchlässiger / breiter gestaltet werden?
Werden am richtigen Ort Lehrstellen angeboten?
Braucht es Lehrberufssubventionen?
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Fazit – Lohnrelevante Mechanismen beim Berufseinstieg
Persönlichkeitsentwicklung
Rollendenken
Geschlechtsidentität
Elternhaus
Werthaltungen
Paarhaushalte, ungleiche
Verteilung der Haushaltsarbeit
Schulabschluss,
Gleiche Ausgangslage
Berufswahl
Berufsberatung
«interessengesteuert»
Selbstselektion
Berufsbildung
Wahl in frauentypische Berufe mit
geringer Aussicht auf guten Lohn
Einstieg
Einstieg in Branchen
- Schlecht bezahlt (frauentypisch)
- Diskriminierung (mixed)
Lohndiskriminierung
beim Berufseinstieg
Erste Berufsjahre
Werthaltungen
Institutionelle
Faktoren
Lohnunterschiede wachsen mit
Dauer der Erwerbstätigkeit
Lohnunterschiede gerade in
Berufen, wo man dies nicht
erwartet (mixed)
Ausmass der
Lohnunterschiede
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1 Erster Themenblock
Diskussionsfragen Konferenzen
 Welche Massnahmen sind zu ergreifen, damit Frauen in gut
bezahlte Berufe gehen und dort tätig bleiben (können)?
 Wie umgehen wir die Schwierigkeit «komparativer Vorteile»? Beide
sind im Beruf gut, sie ist jedoch zudem eine hervorragende
Hausfrau, er aber derart unpraktisch im Haushalt, dass…
schliesslich sie ihr Arbeitspensum reduziert
 Ist die heutige Teilzeittätigkeit volkswirtschaftlich sinnvoll
gegliedert? Arbeiten die «richtigen» Personen Teilzeit?
 Welches Interesse haben die Arbeitgeber, damit nicht bis zu 50%
des Arbeitspotenzials wegbrechen? Welche Möglichkeiten haben
sie zur Beeinflussung?
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