4. Besprechungsfall

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4. Besprechungsfall
V stellt Spezialschrauben für die Montage von Gerüsten her. Das hierfür
erforderliche Metall bezieht er von Z. In den AGB, die dieser bei jeder Bestellung
durch V in den Vertrag einbezieht, ist außer einem Eigentumsvorbehalt zum einen
vorgesehen, dass die Verarbeitung des Metalls für Z erfolgt; zum anderen sollen die
Forderungen gegen die Kunden des Empfängers abgetreten sein, bis der Kaufpreis
für die jeweilige Metalllieferung bezahlt ist. Der Empfänger des Metalls soll im
gewöhnlichen Geschäftsgang über die Produkte verfügen können. Außerdem steht
V in Beziehung zur Bank B, der er schon am Jahresanfang zur Sicherung eines
Kredits zum einen das Eigentum an allen von ihm hergestellten Schrauben, die er
aber bis auf Widerruf im ordentlichen Geschäftsgang veräußern können soll, zum
anderen alle Forderungen gegen Kunden mit den Anfangsbuchstaben L-Z
übertragen hat. Mitte November tätigt V eine Bestellung bei Z, um einen Auftrag
für X abzuarbeiten, der bei ihm 10.000 Schrauben zum Preis von 5.000 € bestellt
hat. Das Metall soll 2.500 € kosten und wird Ende November geliefert und sofort
verarbeitet. Noch bevor die Schrauben an X ausgeliefert werden, verlangt B die
Schrauben heraus. V hat deshalb Bedenken, die Schrauben an X herauszugeben,
lässt sich hierzu von X aber schließlich überreden. B verlangt nun von X die
Rückgabe der Schrauben, Z von X die Zahlung des vereinbarten Preises von 5.000 €.
Zu Recht?
„ V stellt Spezialschrauben für die Montage von Gerüsten her. Das hierfür
erforderliche Metall bezieht er von Z. In den AGB, die dieser bei jeder Bestellung
durch V in den Vertrag einbezieht, ist außer einem Eigentumsvorbehalt zum einen
vorgesehen, dass die Verarbeitung des Metalls für Z erfolgt; zum anderen sollen die
Forderungen gegen die Kunden des Empfängers abgetreten sein, bis der Kaufpreis
für die jeweilige Metalllieferung bezahlt ist. Der Empfänger des Metalls soll im
gewöhnlichen Geschäftsgang über die Produkte verfügen können.“
bedingte Übereignung (§ 449 Abs. 1)
Verarbeitungsklausel: Disposition über die Rechtsfolge von § 950 Abs. 1 oder
Bestimmung der Person des Herstellers?
Veräußerungsermächtigung nach § 185 Abs. 1
verlängerter Eigentumsvorbehalt: Vorausabtretung der Kundenforderungen
„Außerdem steht V in Beziehung zur Bank B, der er schon am Jahresanfang zur
Sicherung eines Kredits zum einen das Eigentum an allen von ihm hergestellten
Schrauben, die er aber bis auf Widerruf im ordentlichen Geschäftsgang veräußern
können soll, zum anderen alle Forderungen gegen Kunden mit den
Anfangsbuchstaben L-Z übertragen hat.“
Sicherungsübereignung der Schrauben: nicht gedeckt von
Verfügungsermächtigung durch Z
weitere Sicherungsabtretung der Kundenforderungen
Konflikt zweier Sicherungsabtretungen wird eigentlich nach dem
Prioritätsprinzip gelöst
aber Verstoß gegen § 138 Abs. 1: die Bank verleitet den Darlehensnehmer zum
Bruch der Verträge mit seinen Lieferanten, die unter verlängertem
Eigentumsvorbehalt liefern
„Mitte November tätigt V eine Bestellung bei Z, um einen Auftrag für X
abzuarbeiten, der bei ihm 10.000 Schrauben zum Preis von 5.000 € bestellt hat. Das
Metall soll 2.500 € kosten und wird Ende November geliefert und sofort
verarbeitet. Noch bevor die Schrauben an Z ausgeliefert werden, verlangt B die
Schrauben heraus. V hat deshalb Bedenken, die Schrauben an X herauszugeben,
lässt sich hierzu von X aber schließlich überreden.“
Kaufvertrag mit X: Kundenforderung, die konkurrierenden
Sicherungsabtretungen unterliegt
Verhältnis von Verarbeitungs- und Materialwert 50:50: über Grenze von 60:100,
der für Ausnahme von § 950 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 entscheidend
kein gutgläubiger Erwerb durch B nach § 933, da die Schrauben nicht an sie
übergeben werden
Veräußerung an X ist von Ermächtigung durch Z gedeckt: X erwirbt Eigentum
nach §§ 929 S. 1, 185 Abs.1
„B verlangt nun von ihm die Rückgabe der Schrauben, Z die Zahlung des
vereinbarten Preises von 5.000 €.“
B macht einen Herausgabeanspruch nach § 985 geltend
bei der Prüfung der Eigentümerstellung von B kann man untersuchen,
 ob V das Eigentum durch Verarbeitung erlangt hat und daher als Berechtigter
zugunsten von B verfügt hat
 ob V der B das Eigentum als Nichtberechtigter verschaffen konnte, entweder
aufgrund von § 185 oder nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb
Z erhebt die abgetretene Kundenforderung aus § 433 Abs. 2
keine Einrede des nichterfüllten Vertrags, weil X Eigentum an den
Schrauben erlangt hat
I.
Anspruch der B gegen X auf Herausgabe der Schrauben aus § 985
B kann die Herausgabe der von X besessenen Schrauben verlangen, wenn sie deren Eigentümerin und X nicht
zum Besitz berechtigt ist. Da X sich für seinen Besitz nur auf den Kaufvertrag mit V berufen kann, der nicht
gegenüber B wirkt, besteht ein Herausgabeanspruch, wenn B Eigentümerin der Schrauben geworden ist.
Dann kann sie es auch nicht dadurch verloren habe, dass V zunächst zur Verfügung über die Schrauben befugt
war, weil B ihm diese Befugnis vor der Übergabe an X entzogen hat.
1.
Erwerb von V als Berechtigtem?
B könnte das Eigentum an den Schrauben gemäß §§ 929 S. 1, 930 von V erworben haben. V und B sind sich im
Vorhinein darüber einig geworden, dass V der B das Eigentum an den von ihm hergestellten Sachen überträgt,
und die Sicherungsabrede stellt wegen des potentiellen Herausgabeanspruchs des Sicherungsnehmers ein
Besitzmittlungsverhältnis im Sinne von § 868 dar (BGH, NJW-RR 2005, 288), das an die Stelle der direkten
Übergabe treten kann. Fraglich ist aber, ob V über die Schrauben auch als Berechtigter verfügt hat.
V könnte das Eigentum an den Schrauben seinerseits durch Verarbeitung gemäß § 950 Abs. 1 erlangt haben.
Das Metall gehörte zwar noch Z, als V es in seiner Produktion einsetzte. Da hieraus neue bewegliche Sachen
in Gestalt der Schrauben gefertigt wurden und der Wert der Verarbeitung auch nicht erheblich geringer war
als der Wert des Stoffes (nämlich mehr als 60 %, vgl. BGH, NJW 1995, 2633), ging das Eigentum an dem
Material jedoch unter und stand nach der gesetzlichen Regelung dem Hersteller der neuen Sache zu. Fraglich
ist jedoch, welche Wirkung der Verarbeitungsklausel zukommt.
a)
Abdingbarkeit der gesetzlichen Regelung?
Die Verarbeitungsklausel, die nach § 305 in den Vertrag einbezogen ist, könnte die Wirkung haben, dass die
Regelung des § 950 insgesamt abbedungen ist. Ein solcher Effekt ließe sich jedoch nicht mit dem Charakter
der §§ 946 ff. vereinbaren, die die Eigentumsverhältnisse bei der Umbildung von Sachen mit Wirkung
gegenüber allen festlegen und daher der Disposition einzelner Beteiligter entzogen sind (BGHZ 14, 114).
b)
Auswechslung des Herstellers?
Auch wenn § 950 Abs. 1 grundsätzlich unabdingbar ist, ist einer Parteivereinbarung doch insoweit Raum
eröffnet, als sich die Person des Herstellers festlegen lässt. Dass diese nicht naturalistisch bestimmt werden
kann, zeigt schon der Fall der fremdbestimmten Arbeit, bei der das Eigentum nicht dem Angestellten,
sondern seinem Arbeitgeber zufällt. Ebenso muss dieser die Herstellereigenschaft auch einem Dritten
zugestehen können, für den er tätig wird (BGHZ 14, 114). Dementsprechend hat V hier Z durch die
Verarbeitung des Metalls zum Eigentümer der Schrauben gemacht.
c)
Bedeutung der zeitlichen Reihenfolge?
Da V sein Eigentum kraft Gesetzes erlangt hat, spielt es keine Rolle, dass die Vereinbarung über die
Verarbeitung der Sicherungsübereignung an B zeitlich nachgefolgt ist. Das Prioritätsprinzip würde nur dann
zugunsten von B eingreifen, wenn zwei Übereignungstatbestände vorlägen.
2.
Erwerb von V als Nichtberechtigtem?
Die von Z erteilte Ermächtigung zur Veräußerung der Schrauben deckte ihre Übereignung an Kunden und
keine Sicherungsübereignung ab, so dass V zugunsten von B auch nicht nach § 185 Abs. 1 verfügen konnte.
Ein gutgläubiger Erwerb von Sachen, die im unmittelbaren Besitz des Veräußerers bleiben, setzt nach § 933
voraus, dass diese dem Erwerber vom Veräußerer übergeben werden. Hieran fehlt es, wenn der Veräußerer
die Sachen wie im vorliegenden Fall einem Dritten überlässt, der in keiner Beziehung zu dem Erwerber steht.
3.
Ergebnis
Da B das Eigentum an den Schrauben nicht erlangt hat, kann sie auch nicht deren Herausgabe von X
verlangen.
II.
Anspruch des Z gegen X auf Zahlung von 5.000 € aus § 433 Abs. 2
Aus dem Vertrag zwischen V und X ergibt sich nach § 433 Abs. 2 ein Anspruch auf Zahlung des vereinbarten
Kaufpreises. Z kann diese verlangen, wenn ihm diese Forderung wirksam abgetreten worden und
durchsetzbar ist.
1.
Abtretung an Z
Die nach § 305 in den Vertrag einbezogenen AGB von Z enthalten eine Vereinbarung über den Übergang der
Forderungen, die V gegen die Kunden erwirbt, für die er mit dem von Z verarbeiteten Metall Schrauben herstellt. Davon
ist auch die Forderung gegen X erfasst, die durch die Bezugnahme auf den Materialeinsatz hinreichend bestimmt war.
2.
Kollision mit Abtretung an B
Fraglich ist, wie sich die Sicherungsabtretung an B auswirkt. Auch sie erfasst die Forderung gegen X. Da sie schon zu
Jahresanfang erfolgt ist und der erst im November erfolgten Abtretung an Z damit vorangeht, müsste sie nach dem
Prioritätsprinzip den Vorrang genießen und für einen Übergang der Forderung auf B sorgen. Dies gälte jedoch nur, wenn
sie nicht ihrerseits wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 unwirksam ist. Sittenwidrig können Vereinbarungen
insbesondere dann sein, wenn sie eine Seite zum Bruch eines Vertrags mit einem Dritten veranlassen, indem sie dessen
Sicherungsinteresse unterlaufen (vgl. BGH, NJW 2005, 1192). Hier verleitet die Bank B, die weiß, dass V sein Material nur
im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts geliefert bekommt, zum Verstoß gegen die nachfolgenden Verträge
mit seinen Lieferanten. Die Sicherungsabtretung ist daher sittenwidrig und nichtig.
3.
Einrede des nichterfüllten Vertrags?
X könnte dem Anspruch des Z die Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 Abs. 1 entgegenhalten, wenn er noch
nicht in den Genuss der ihm im Gegenzug zum Kaufpreis geschuldeten Übereignung an den Schrauben gekommen ist. X
hat jedoch das Eigentum an den Schrauben erlangt, weil V hierüber gemäß § 185 Abs. 1 mit Zustimmung des Z als
Berechtigtem verfügt hat.