Diasystematische Markierungen in der Lexikographie

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Transcript Diasystematische Markierungen in der Lexikographie

Diasystematische Markierungen in
der Lexikographie
KRISTINA GROßER
01.06.2011
Gliederung
 1. Was ist Markierung
 2. Techniken der Markierung
 3. Wie valide ist Markierung
 4. Ein Makromodell der Markierung
 5. Mikrosysteme der Markierung
 6. Fazit
 Quellen
1. Was ist Markierung?
 Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie.
(Franz Josef Hausmann et. al.):
 sprachliche Phänomene einteilbar in Zonen
Normalität bzw. unauffälliger Durchschnitt
 auffällige Abweichung von der Normalität
Kriterium „Auffälligkeit“ bezieht sich auf die spontanen und intuitiven
Reaktionen eines Durchschnittssprechers
gemeint ist eine unmittelbare Auffälligkeit – nicht eine, die erst nach
eingehender linguistischer Analyse zutage tritt
Auffälligkeit ergibt sich durch ein gegenüber der Normalität
zusätzliches Merkmal, das der sprachlichen Einheit wie ein Etikett
anhaftet
 d.h. die sprachliche Einheit ist markiert
dem Durchschnittsphänomen fehlt dieses Merkmal
 d.h. die sprachliche Einheit ist unmarkiert





1. Was ist Markierung?
 für die Textproduktion ergeben sich aus der Markiertheit





Verwendungsrestriktionen und Wortverwendungsgrenzen
der Muttersprachler kennt diese Restriktionen und Verwendungsgrenzen
intuitiv
der Fremdsprachler muss diese genau wie phonetische, morphologische,
semantische, syntagmatische und paradigmatische Regeln lernen
im Wörterbuch wird die Markiertheit der Wörter mit Hilfe von
Markierungsetiketten, meist in Form von Abkürzungen, angegeben
diese Etiketten heißen im Englishen labels, im Französischen marques, im
Deutschen Marker
typische Marker sind z.B.



„ugs.“
„infml.“
„fam.“
umgangssprachlich
informal
familiär
 gesamter Problembereich heißt Markierung (E. labelling, F. marquage)
 gelegentlich abweichende Termini, z.B. Indizierung, Markierungsprädikate
2. Techniken der Markierung
 Markierungstechniken variieren stark
PONS Schülerwörterbuch Collins
arse [ɑː(r)s] n (fam!)
fam! = derb, vulgar
Oxford Advanced Learner‘s Dictionary Cornelsen
arse /ɑːrs/ noun (BrE, taboo, slang)
taboo, slang
Macmillan Dictionary (online)
arse noun [countable] British impolite /ɑː(r)s/
impolite
Langenscheidt Großwörterbuch Englisch - Deutsch
arse Br. vulg. sl.
vulgar, slang
2. Techniken der Markierung
ROTTER (Schweinehund, Schuft, someone who treats people badly)
Oxford Advanced Learner‘s Dictionary Cornelsen
rotter /ˈrɒtə(r)/ noun (old-fashioned, BrE, informal)
Dict.cc (online)
rotter [old-fashioned] [coll.]
Oxford Dictionaries (online)
rotter /ˈrɒtə/ noun informal , dated , chiefly British
Langenscheidt Großwörterbuch Englisch – Deutsch
rotter obs. Br. sl.
3. Wie valide ist Markierung?
„Die Markierungssysteme der Wörterbücher stehen
in der Regel auf schwachen theoretischen Füßen,
sind aber dennoch unverzichtbar.“
Franz Josef Hausmann
3. Wie valide ist Markierung?
 aus dem Inventar der Marker eines Wörterbuchs lässt sich das
angewandte Markierungsschema ableiten
 dieses Schema ist aber oft nicht Gegenstand der
Wörterbuchbenutzungsanweisung oder es widerspricht dieser
Darstellung
 oft werden nur die Abkürzungen kurz erklärt
 die Vergleichbarkeit der Markierung verschiedener
Wörterbücher ist außerdem oft erschwert; z.B. durch
unterschiedliche Marker (colloquial vs. informal) oder durch
unterschiedliche Markierungssysteme (dreistufiges vs.
vierstufiges System) oder unterschiedliche
Markierungsnormen (häufiger vs. seltener Einsatz von
formal)
4. Ein Makromodell der Markierung
 das jedem Wörterbuch zugrunde liegende




Markierungssystem als Makrosystem besteht aus einer
Anzahl von Mikrosystemen
Beispiel
Makromodell mit 11 Mikrosystemen
die Markierung wird jeweils als periphere Abweichung
von einem normalen Zentrum verstanden
eingetragen wird:





Markierungskriterium
Benennung des unmarkierten Zentrums
Benennung der markierten Peripherie
Art der Markierung
geläufige Marker
4. Ein Makromodell der Markierung
Kriterium
unmarkiertes
Zentrum
markierte Peripherie
Art der
Markierung
geläufige
Marker
1
Zeitlichkeit
gegenwärtig
alt-neu
diachronisch
[veraltet]
[dated] [obs.]
2
Räumlichkeit
gesamtsprachlich
regional/dialektal
diatopisch
[südd.]
[dial] [BrE]
3
Nationalität
nationalsprachlich
entlehnt/fremd
diaintegrativ
[anglicisme]
4
Medialität
neutral
gesprochen-geschrieben
diamedial
[ugs.]
[coll.]
5
sozio-kulturelle Gruppe
neutral
Oberschicht-Unterschicht
diastratisch
[fam.]
[pop.] [sl.]
6
Formalität
neutral
formell-informell
diaphasisch
[fml.]
[infml.]
7
Textsorte
neutral
bibl./poet./lit./
zeitungsspr./administrativ
diatextuell
[bibl.]
[poet.] [fig.]
8
Technizität
gemeinsprachlich
fachsprachlich
diatechnisch
[art.]
[comp.]
9
Frequenz
häufig
selten
diafrequent
[rare]
10
Attitüde
neutral
konnotiert
diaevaluativ
[derog.]
[euph.]
11
Normativität
korrekt
unkorrekt
dianormativ
[incorrect]
5. Die Mikrosysteme der Markierung
 bei den Mikrosystemen lassen sich verschiedene Typen
unterscheiden
 antonymische Systeme – in ihnen liegt der unmarkierte Raum
zwischen den markierten Räumen, z.B. ‘elevated’ and ‘formal’
through neutral (the unmarked zone) to ‘informal’ and
‘intimate’
 privative Systeme – in ihnen grenzt an den unmarkierten
Raum nur ein markierter Raum, z.B. diatechnische
Markierung
 die Abgrenzung der Systeme zueinander wirft oft zahlreiche
Probleme auf
 diastratische, diamediale und diaphasische Markierung
verhalten sich oft komplementär
 diaevaluative Markierungen (vulgar, offensive) überschneiden
sich mit diastratischen (slang) oder diaphasischen (informal)
6. Fazit
 diasystematische Markierungen bilden eine Art
Spiegelbild der jeweiligen Entwicklung einer Sprache
und der Sprachauffassung innerhalb der
Sprachgemeinschaft
 durch die Berücksichtigung derartiger Varietäten lässt
sich ein angemessenes Bild von der Vielfalt und der
Realität des Wortschatzes einer Sprache gewinnen
 diese Erkenntnis ist nicht nur für die Sprachwissenschaft
allgemein von Bedeutung, sondern auch für den Bereich
der Angewandten Sprachwissenschaft
 vielfach geben Wörterbücher aber ungenügende
Auskunft über Methodik und Systematik der jeweiligen
Markierungspraxis
6. Fazit
 die Form der Etikettierung einzelner sprachlicher Elemente ist vom
sprachlichen Norm- und Wertverständnis des jeweiligen Verfassers
geprägt und kann nicht von allgemein anerkannten Kriterien der
Glossierung abhängig gemacht werden
 d.h. die sprachlicher Markierung von Varietäten beinhaltet immer ein
statisches Element im Vergleich zum dynamischen Charakter der
Sprache, die sich – wie auch die Sprachgemeinschaft selbst –in einem
ständigen Entwicklungsprozess befindet und somit einem
kontinuierlichen Wandel unterworfen ist
 der Grammatiker bzw. Lexikograph kann in der Regel nur retrospektiv
auf innovatorische Tendenzen der Sprachentwicklung reagieren
 diasystematische Markierungen in der Lexikographie sind jedoch von
großem Nutzen für Nichtmuttersprachler und eine Möglichkeit der
Orientierung
Quellen
 Hartmann, Reinhard R. K. und James, Gregory (2001): Dictionary of
Lexicography. London: Routledge.
 Hausmann, Franz Josef (1989): „Die Markierung im allgemeinen einsprachigen
Wörterbuch: eine Übersicht.“ Hausmann, Franz Josef (1989) (Hrsg.):
Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Berlin: de
Gruyter.
 Holtus, Günter / Mühlschlegel, Ulrike (2000): „Die Wörterbücher von Raphael
Bluteau (1712/1728) und von Antonio de Moraes Silva (1789). Ein Vergleich am
Beispiel der diasystematischen Markierungen.“ Bruno Staib (2000) (Hrsg.):
Linguistica romanica et indiana. Festschrift für Wolf Dietrich zum 60.
Geburtstag. Tübingen: Narr.