Systematisches Schreiben

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Theorie-Praxis-Seminar
Modul Schreiben / („Aufsatz“)
Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
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Modul Schreiben / Aufsatzunterricht
Die wichtigsten Positionen der Aufsatzdidaktik
Rhetoriklehre der Antike
19. Jh.: "Aufsatzlehre": Schreiben als Einübung
von stilistischen und "poetischen" Normen 
Gattungen, "Schreibarten" (z.B.: Geschäftsbrief Beschreibung - Schönerzählung - ...)
1910 – 1933: Reformpädagogen
(Kerschensteiner, Scharrelmann, Lamszus,
Münch, ...): expressives, "natürliches" Schreiben
Ziel: freie Entfaltung des Kindes
1970er: Kommunikativer Ansatz (Boettcher,
Haueis, Hoppe, ...): Mitteilungsfunktion von
Sprache; situative Einbettung der Schreibanlässe
Ziel: Fähigkeit zur Kommunikation
nach 1945: "sprachgestaltender" Aufsatzunterricht: "Stilformen" und ihre "Kennzeichen";
subjektiv  objektiv (Erzählung  Bericht;
Schilderung  Beschreibung, ...)
Ziel: Erreichen einer konstruierten Idealtypik
1970er: heuristischer Ansatz (Ingendahl):
Schreiben als Mittel zur Welterschließung
Ziel: Emanzipation des Schüler
1980er: kreativer / personaler Ansatz
(Mattenklott; Merkelbach; ...): Sprache als Mittel zu
Selbstreflexion und Kreativität
Ziel: Identitätsbildung; Förderung der Kreativität
seit 1990er: prozessorientierter Ansatz (Baurmann; Bräuer; ...): "What is basic to writing is not the words on the page
but how they get there“ (Glassner)
Ziel: Förderung der Schreibkompetenz
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Systematik der Aufsatzarten - Einteilung nach Marthaler 1962
(aus: Fritzsche 1994, II, 30)
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Systematik der Aufsatzarten - Einteilung nach Huijer 1963
(aus: Fritzsche 1994, II, 31)
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Systematik der Aufsatzarten - Einteilung nach Fritzsche 1994
(aus: Fritzsche 1994, II, 33)
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Adressatenorientierung
Produktorientierung
Schülerorientierung
Schreiben
lässt sich betrachten unter
dem Primat der …
Prozessorientierung
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Methodenorientierung
Aufgaben der Didaktik:
• Klassifizierung verschiedener
(Sach-) Textsorten
• Beschreibung der unterscheidenden
(Stil-)Merkmal
• Modellierung von Text-Prototypen
für die schulische Praxis
Grundprinzip:
Schüler lernt Schreiben am
Beispiel des Vorbilds
Produktorientierung
Beispiele:
• „der Bericht“
• „das Protokoll“
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Ein Schülertext ist umso besser, je näher er
dem Mustertext kommt.
• Das ermöglicht klare Arbeitsanweisungen und
(vermeintlich) objektive Beurteilungskriterien.
• Die entstehenden Texte sind
wirklichkeitsfremd. („Die Erörterung“ findet
man nur im schulischen Kontext.)
• Geringe Schreibmotivation
Aufgaben der Didaktik:
• Entwicklung und Beschreibung
möglicher „echter“ Schreibanlässe
• Projekte, …
Grundprinzip:
Echte Schreibanlässe mit echten
Adressaten schaffen Einsicht in die
kommunikativen Funktionen des
(sachlichen) Schreibens:
informieren, überzeugen,
beeinflussen, …
Adressatenorientierung
Beispiele:
• Projekt „Gestaltung des
Pausenhofs“ Brief an den
Direktor
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Leserorientierung wird Beurteilungskriterium
• Höhere Motivation durch Einsicht in Sinn des
Schreibens
• Keine schulischen Kunstformen
• Reduzierung auf bestimmte Textsorten und
Funktionen des Schreibens (es entfällt z. B.
das heuristische Schreiben)
Aufgaben der Didaktik:
• Entwicklung von Schreibaufgaben,
die an der Lebenswelt der Schüler
anknüpfen
Grundprinzip:
Berücksichtigung des Schülers,
seiner Interessen und seiner
Lebenswelt, denn: Schreiben ist nur
sinnvoll, wenn man auch etwas „zu
sagen“ hat und die Mitteilung einem
Mitteilungsbedürfnis entspringt
Schülerorientierung
Beispiele:
• Texte für die Schülerzeitung
• Protokollierung
naturwissenschaftlicher
Experimente
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Höhere Motivation durch eigene Betroffenheit
• Ausweitung der möglichen Textsorten
Aufgaben der Didaktik:
• Untersuchung von
Schreibprozessen
• Modellierung von
Unterrichtseinheiten, die der
Bedeutung der verschiedenen
Phasen des Schreibprozesses
Rechnung tragen
Grundprinzip:
Der Weg zum Ziel, nicht das Ziel
steht im Zentrum der
Aufmerksamkeit. Es genügt nicht, zu
wissen, was und wo das Ziel ist;
man muss vor allem wissen, wie
man dorthin gelangt.
Prozessorientierung
Beispiele:
• Schreibjournal
• Prozessportfolio
• Schreibkonferenz
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Der Schreibprozess in seinen verschiedenen
Phasen wird begleitet
• Beurteilt werden die Fortschritte zwischen
den einzelnen Stadien bei der Entstehung
eines Textes
• Texte verbessern statt Texte korrigieren als
zentrale Aufgabe des Schreibunterrichts
Aufgaben der Didaktik:
• Entwicklung von Methoden, mit
denen die Schreibkompetenz erhöht
werden kann
Grundprinzip:
Schreibkompetenz vermitteln heißt,
dem Schüler bestimmte Methoden
zu vermitteln, mit denen er gute
Texte verfassen / Texte optimieren
kann
Methodenorientierung
Beispiele:
• Methoden zur Ideengenerierung
(Cluster, Brainstorming, …)
• Methoden zur Überarbeitung
(Textlupe, Feedback…)
• Methoden zur Erstellung eines
Schreibplans (Zielplanung,
Textsortenwahl, …)
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(Be-)Merkenswertes:
• Es gibt ein reichhaltiges Methodenrepertoire
z. B. in Bezug auf die Ideengenerierung
• Zu anderen wichtigen Aspekten der
Textproduktion (Textgestaltungskompetenz,
Arbeit am Stil etc.) finden sich nur vereinzelte
oder keine methodische Vorschläge
Fazit:
• Alle beschriebenen Ansätze erfassen wichtige und
bedenkenswerte Aspekte des Schreibens.
• Aus der historischen Perspektive erkennt man Phasen der
Übergewichtung bzw. der Vernachlässigung einzelner Aspekte
als didaktische Moden und Trends.
• Für die Schule kann die Lösung nicht in der Entscheidung für
einen dieser Ansätze (und gegen die anderen) liegen.
• Gefragt und gefordert ist vielmehr eine ausgewogene und
reflektierte Nutzbarmachung der Erkenntnisse, die hinter all
diesen Ansätzen stehen.
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Gelernt werden muss (und kann an jedem neuen Text),
glaubwürdig, verständlich und rhetorisch wirksam zu
formulieren.
!
Dazu brauchen Lernende Rückmeldungen von der
Lehrkraft, und diese sind unser schreibdidaktisches
Geschäft, nicht Texte ("Aufsätze") mit roter Tinte zu
überziehen.
Übrigens: 75% der Lehrer glauben nicht, dass die
Schreibkompetenz der Schüler durch die
Lehrerkorrekturen verbessert werden…
(vgl. Ivo 1982, 45)
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Perlenketten-Strategie
Drauflosschreiben
Durchhangeln
Kooperatives Schreiben/
Schreibberatung
Versionen-Schreiben
Kreatives Schreiben
Entwickelndes Schreiben
Schreibstrategien
für die Schule
Maurerstrategie
Immer-dem-Muster-nach
Im-Kopf-Planen
Standard-Strategie
Systematisches Schreiben
Textmuster-Training
Exposee-Schreiben
Geplantes Schreiben
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Schreibstrategien in der Schule (1)
• Perlenketten-Strategie: Schreiben von Einfall zu Einfall, von Satz zu Satz, manchmal miteinander
verhakt.
• Drauflosschreiben: Ein Thema löst einen Schreib-“flow“ aus, dem der Schreibende folgt.
• Durchhangeln: Ohne Konzept und Gedankensammlung wird ein erster Text verfasst.
• Versionen-Schreiben: Zu einem Einfall wird eine erste Version verfasst, diese regt zur zweiten
Version an, eventuell zu einer dritten ... (nur bei kleinen Textformen gebräuchlich).
• Maurerstrategie: Satz auf Satz geschichtete Gedankengänge werden ausgefeilt, ein Text nach
und nach entwickelt.
• Immer-dem-Muster-nach: Eine formale Vorgabe löst in der Anwendung auf ein Thema einen oft
überraschenden Gedankengang und Text aus. Beispiele: Elfchen / Serielle Texte (Ich weiß ..., Ich
frage mich ..., Ich erinnere mich ..., ); TABZ-Texte: These, Argument, Beispiel, Zusammenfassung;
Viersatz-Muster: HS, HS + NS, NS + HS, HS; 30-Worte-Satz…
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Schreibstrategien in der Schule (2)
• Standard-Strategie: Zu einem Thema wird nach einer Phase des Überlegens in einer Aktion ein
Text verfasst. Dies ist wohl die schulübliche Grundform des Schreibunterrichts.
• Textmuster-Training: Erarbeitete Textordnungsmuster werden eingeübt und automatisiert.
• Geplantes Schreiben: Nach einem Stichwortgerüst oder nach einer Gliederung wird eine erste
Textfassung ausgearbeitet, eventuell später überarbeitet, neu gefasst.
• Exposee-Schreiben: Die Leitlinie für einen später zu erstellenden Text wird ausformuliert.
• Systematisches Schreiben: Teilschritte des Lern- und Schreibprozesses werden planvoll
nacheinander ausgeführt.
• Im-Kopf-Planen: Nach längerer inhaltlicher Auseinandersetzung mit einem Thema wird ein Text
direkt „runtergeschrieben“.
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Schreibstrategien in der Schule (3)
• Entwickelndes Schreiben (heuristisches Schreiben): Aus verschiedenen zusammengetragenen
Texten und Materialien wird ein eigener Gedankengang in einem eigenen Text dargestellt. Zum
Schreibbeginn stehen weder der Inhalt noch die Struktur des Textes fest. Das Schreiben pendelt
zwischen verschiedenen Materialien hin und her, bis es unter einen Hut gebracht werden kann
(Collecting + Connecting).
• Kreatives Schreiben (nach Clustern, Mind Maps): Aus nicht-linear notierten Ideenkernen und
Gedankennetzen, die assoziativ erstellt werden, entsteht ein „Gefühl“ für eine mögliche Richtung
des Textes, der dann - dieser „Eingebung“ folgend - in die lineare Form gebracht wird.
• Kooperatives Schreiben/Schreibberatung: Hier wird Schreiben als eine Sozialform des
Unterrichts aufgefasst. In Schreibkonferenzen, durch authentische Leserreaktionen, mit
rollenspielartigen Beratungen, durch „Experten“-Gutachten, durch Textinterviews, Textlupen und
andere Feedback-Formen werden intensive Auseinandersetzungen mit den Themen und den Texten
arrangiert.
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Schreiben im Lehrplan der Grundschule (4. Jgst.)
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Welche Text-Analyseraster und Möglichkeiten der Bewertung
von Texten gibt es?
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1. Das „Zürcher Textanalyseraster“ im Überblick
Raster
Korrelate / Bezugsgrößen (Wortschatz,
Textlänge, usw.)
A. Sprachsystematische und orthografische Richtigkeit
B. Angemessenheit
B1. Funktionale
Angemessenheit:
Verständlichkeit,
Kohärenz
B2. Ästhetische
Angemessenheit
B3. Inhaltliche
Relevanz
Nach: Peter Sieber (Hrsg.): Sprachfähigkeiten – besser als ihr Ruf und nötiger denn
je! Aarau: Sauerländer 1994, S.153-155; Vgl. die Darstellung in Nussbaumer 1996
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B1. Funktionale Angemessenheit: Verständlichkeit, Kohärenz
B.1.1 Gesamtidee, Thema, Absicht
B.1.2 Aufbau, Gliederung (Textmakrostruktur)
B.1.3 Thematische Entfaltung
B.1.4 Grad an Implizitheit/ Explizitheit
B.1.5 Ausdrückliche Rezipientenführung
B.1.6 Angemessenheit der Sprachmittel
B.1.7 Erfüllung von Textmusternormen
B2. Ästhetische Angemessenheit
B.2.1 Sprachlich-formales Wagnis
B.2.2 Qualität der Sprachmittel (Attraktivität/Repulsivität)
B3. Inhaltliche Relevanz
B.3.1 Inhaltliches Wagnis
B.3.2 Inhaltliche Wegqualität (Attraktivität/Repulsivität)
„Wir fassen einen Text in die Metapher des Weges, der „von irgendwo aus – irgendwo durch –
irgendwohin“ führt und den man gesamthaft als lohnend, vorwärtsbringend oder überflüssig, als
geradlinig oder labyrinthisch verschlungen, als Weg am Licht oder durch dunkle Gänge, als Weg
auf festem Grund oder über Sumpf und durch Morast, als steinigen Pfad mit unerwarteten
Aussichtspunkten oder als Autobahn in der sattsam bekannten und reichlich zersiedelten Ebene
(...) charakterisieren kann.“
(Ebd., 168)
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2. Texte bewerten in der Grundschule: Basiskatalog zur Textbeurteilung
Dimension
Kriterium
1
Sprache I
Orthografie
1. Werden die vermittelten Rechschreibregeln angewandt?
(Wortform)
2. Sind die Wortformen grammatisch richtig gebildet?
Satzbau
3. Sind die Sätze grammatisch korrekt?
Sprache II
Wortwahl
4. Wird ein der Aufgabe angemessenes Wortmaterial verwendet, z.B.
Fachwörter?
Sprachstil
5. Ist der gewählte Sprachstil der Aufgabe angemessen und wird er
beibehalten (sachlich, anschaulich ...)?
Wagnis
6. Sind Wortwahl und Satzbau dem Thema in bes. Weise angepasst
(wörtl. Rede, Leseranrede ...)?
Inhalt
(Gesamtidee)
7. Lässt der Text eine Gesamtidee erkennen (vgl. z.B. Überschrift)?
Umfang
8. Ist der Umfang der Aufgabe (und den Adressaten?!) angemessen?
Relevanz
9. Sagt der Text etwas für die Aufgabe bzw. das Thema Relevantes oder
Neues aus?
Aufbau
(Textmuster)
10. Wird ein der Aufgabe angemessenes Textmuster verwendet
(Erzählung, Beschreibung, Anleitung ....)?
Textaufbau
11. Ist der Text sinnvoll aufgebaut? Lässt er eine innere/äußere
Gliederung erkennen?
Prozess
(Planen/Überarbeiten)
12. Lässt der Text /lassen Entwürfe Planungs- und Überarbeitsspuren
erkennen?
Grad
0,5
0
(nach Böttcher/Becker-Mrotzek 2003, 56)
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Welche Verfahren des Umgangs mit Schülertexten gibt es?
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1. Die Schreibkonferenz (nach Donald Graves)
als „Lernumgebung“, die einen
Austausch von Strategien erlaubt
als „kleine kritische Öffentlichkeit“
(Vorbilder: Schriftstellerzirkel,
Dichtercafés)
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als Organisation eines
„rekursiven
Problemlösungsprozesses“
Woher kommt die Schreibkonferenz?
relativ neue Methode des Schreibunterrichts
• Anfang der 1980er Jahre in England von Donald H. Graves entwickelt, um die
Veränderung kindlicher Schreibstrategien möglichst genau beobachten und
dokumentieren zu können
• Ab 1989 vor allem von Gudrun Spitta in Deutschland aufgegriffen und
weiterentwickelt
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Was ist das Neue an der Methode der Schreibkonferenz?
1. Sozialpsychologischer und rollentheoretischer Aspekt
Aufbrechen der konventionellen Lehrerrolle, Schüler übernehmen Rolle des
Lehrers. Der Lehrer verliert die Position des Allwissenden und wird zum
Beobachter und Berater.
2. Unterrichtspraktischer Aspekt
Der Schüler handelt selbstverantwortlich in Bezug auf Zeitpunkt, Zeitdauer, Thema,
Textsorte usw.
3. Sprachdidaktischer Aspekt
Die wesentlichen Ergebnisse der Schreibprozessforschung erfordern eine neue
Didaktik des Texteverfassens. Innerhalb der Schülergespräche soll ein
emotionaler, inhaltlicher und sprachanalytischer Austausch über den Text
stattfinden.
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Selbstbewertung als Lernziel:
• auf Distanz zum eigenen Produkt(entwurf) gehen können (was würde ich davon halten,
wenn es nicht mein Text wäre?)
• in Alternativen denken können (wie könnte ich es noch machen?)
• eigene Schwächen erkennen und ausgleichen (womit habe ich meistens Schwierigkeiten
– wie ist es diesmal?)
• erkennen, wie und wo ein Entwurf entwicklungsfähig ist (was kann man draus machen?)
• Lesermeinungen einholen, Kritik und Ratschläge annehmen und abwägen können (wie
sieht mein Text in den Augen anderer aus?)
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Ablauf der Schreibkonferenz
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Autor(in) liest vor, spontan werden Fragen gestellt. Möglicherweise gibt es einen
Kriterienkatalog.
Stellen, die für die Zuhörer inhaltlich unklar waren, werden besprochen, geklärt und
gegebenenfalls für eine Überarbeitung markiert.
Die Runde geht den Text Satz für Satz durch und achtet auf inhaltliche und sprachliche
Aspekte. Die / der Verfasser(in) markiert Stellen, die möglicherweise geändert werden
sollen, und notiert sich Vorschläge.
Rechtschreibprobleme werden gelöst.
Der Text wird von der Autorin / vom Autor inhaltlich, sprachlich und orthographisch
überarbeitet und der Lehrkraft zur Endredaktion vorgelegt.
Der Text wird „veröffentlicht“ (vorgelesen, mit Musik präsentiert, gedruckt, gestaltet, im
Internet publiziert…).
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Regeln für die Schreibkonferenz
„Autor(in)“:
„Leser(in)“:
• Widersteh dem Bedürfnis, sofort alles, was
„da steht“, gegen jede Kritik zu verteidigen!
(Ja, aber ...)
• Mach dir die Erwartungen klar, die Titel
und Genre, ggf. auch Autor(in), in dir
hervorrufen!
• Erkläre den Zuhörern dein Ziel und deinen
Schreibplan! (Ich habe eigentlich gedacht ...)
• Suche nicht nach „Fehlern“, sondern
nach Verbesserungsmöglichkeiten!
• Bemühe dich, die Perspektive zu verstehen,
aus der andere den Text sehen und
beurteilen! (Sagst du das, weil ...?)
• Äußere Kritik und Vorschläge
angemessen und mit sachlicher
Begründung! (Bei deinem Thema wäre
es vielleicht besser, wenn ...)
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Probleme und Stolpersteine
• Die Schreibkonferenz ist – wie alle Methoden – einzuüben. Anfängliche Misserfolge
sollten nicht entmutigen. Erst mit zunehmender Routine wird sie ihre Wirkkraft
entwickeln.
• Verschiedene Phasen bei der Einführung sind zu berücksichtigen. (Lehrer zieht sich z.B.
nur allmählich aus seiner Rolle zurück…)
• Empirische Untersuchungen (Becker-Mrotzek 2000) weisen darauf hin, dass Schüler
erhebliche Probleme mit diesem Verfahren haben, da es sehr komplexe
Gesprächsstrategien erfordert (vgl. Steinig/Huneke2004, 116).
• Antos (1982) weist darauf hin, dass derartige kooperative Formen des Überarbeitens
selbst Erwachsene überfordern kann.
• In vielen Fällen wird (zunächst) nur an der Oberfläche von Texten (z.B.
Rechtschreibung) gekratzt. Tiefergehende Textrevisionen sind eher selten.
• Mitunter werden Texte durch Schreibkonferenzen sogar schlechter. (!)
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Fazit
• Die Schreibkonferenz ist – entgegen anders lautender euphorischer Publikationen, die
sich gelegentlich finden – nicht die eierlegende Wollmilchsau der Schreibdidaktik! Vor
überzogenen Erwartungen ist zu warnen!
• Aber: Die Schreibkonferenz kann eine sinnvolle Ergänzung zum herkömmlichen
Schreibunterricht sein, weil sie kritische und selbstbewusste Schreiber hervorbringt.
• Der Erfolg ist weniger am einzelnen Produkt zu messen. Längerfristige Erfolge beim
Bemühen um eine Verbesserung der Schreibkompetenz sind insofern zu erwarten, als
eine geänderte Einstellung zum eigenen Schreiben antrainiert wird: der verfasste Text ist
nicht Endprodukt, sondern Zwischenstation; die Textüberarbeitung wird Routine.
• "Der Lernprozess ist wichtiger als das einzelne Produkt." (Spitta 1993, S.13)
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(zurück)
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2. Die Textlupe
Wie funktioniert die Textlupe?
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Die Schüler verfassen alle einen Text.
Es werden Gruppen gebildet (jeweils ca. 4 Schüler)
Jeder bekommt eine „Textlupe“.
Jeder reicht seinen Text zusammen mit der Textlupe an seinen Nachbarn weiter.
Nach ca. 10 Minuten wandern Text und dazugehörige Textlupe weiter.
Nach 30 Minuten erreichen Text und Textlupe wieder den Verfasser. Jetzt kann die
Überarbeitung beginnen.
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„Textlupe“ zu _____________________
Wie schaut eine Textlupe aus?
Das hat mir
gut gefallen!
Leser 1
Leser 2
Leser 3
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Hier stört
mich etwas:
Ein
Vorschlag:
Literatur:


Bobsin, Julia: Textlupe: neue Sicht aufs Schreiben. In PRAXIS Deutsch, 137/1995, 45-49.
Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur
Literaturdidaktik, Kallmeyer 2002, 108 ff
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3. Die Schreibberatung durch peer feedback
Was ist Feedback?
„Rückmeldung“ an den Autor, ob bzw. wie sein Text(entwurf) verstanden wird / ankommt / wirkt.
Warum Feedback?
Jeder Schreiber, jede Schreiberin hat Stärken und Schwächen; gegenseitige Beratung und Hilfe kann
Schwächen ausgleichen und dafür in der Lerngruppe schon vorhandene Kompetenzen nutzen.
Was ist zu beachten?
• Nicht bewerten, sondern beschreiben! (Nicht „Du hast das nicht verständlich ausgedrückt“ –
sondern: „Hast du damit sagen wollen, dass ...?“)
• Nicht nur nach Schwächen suchen, sondern Stärken hervorheben und nach Möglichkeiten der
Verbesserung suchen!
• Als „Feedbacker“ die eigene Position deutlich machen: Was erwarte ich von dem Text?
• Aber auch den Willen des Autors respektieren; den Text nicht „umbiegen“, sondern in ihm
Angelegtes unterstützen!
Was muss noch in das Feedback?
• sagen, was man sich von dem Text noch wünschen würde
• sagen, was einem gut gefallen hat
• Anregungen geben, welche Veränderungen oder Umstellungen gut wären
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Schreibberatung in der Klasse (nach Gerd Bräuer):
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Grundprinzipien der Schreibberatung (nach Gerd Bräuer):
• Die nicht-direktive Beratungsmethode spielt eine zentrale Rolle.
• Mithilfe offener Fragen und des Spiegelns dessen, was im Text vorgefunden wird, treten die
Schreibberater/innen im Gespräch über die jeweils vorliegende Schreibaufgabe als
authentische Leser/innen auf.
• Sie fragen, wenn sie etwas nicht verstehen, anstatt Fehler festzustellen. Sie beschreiben ihre
Wahrnehmungen im Leseprozess, anstatt das Gelesene aus ihrer Sicht zu interpretieren.
• Dort, wo Textstellen nicht klar formuliert sind, stellen sie die möglichen Lesarten und die damit
verbundenen Missverständnisse vor, anstatt eine neue Formulierung vorzugeben.
• Insgesamt geht es also bei der nicht-direktiven Beratungsmethode darum, gemeinsam
Handlungskonzepte zu entwickeln, anstatt von Seiten der TutorInnen Handlungsrezepte
vorzugeben.
• Damit verbleibt die Verantwortung für den entstehenden Text stets in den Händen der Autorin
oder des Autors.
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Betrachten Sie das Bild.
Verfassen Sie zu diesem Bild einen kurzen Text.
Sie haben 15 Minuten Zeit…
Verdichten Sie nun das, was Ihnen an Ihrem
Text als zentrale Aussage erscheint, in einem
Haiku.
(Ein Haiku besteht aus insgesamt 17 Silben und
gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt.
Als Aufbau ist vorgegeben:
1. Zeile: 5 Silben
2. Zeile: 7 Silben
3. Zeile: 5 Silben)
Die letzte Zeile sollte eine Pointe / eine
überraschende Wendung enthalten.
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Versuchen Sie 4 Kriterien zu formulieren, nach denen ein solcher Text beurteilt werden
könnte.
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Folgerungen für den wertenden Umgang mit Texten:
• Bewertungskriterien müssen in Hinblick auf die jeweilige Gattung, das Genre, die
Textsorte interpretiert oder angepasst werden.
• Es gibt so viele Lösungen, wie es entstandene Texte gibt; ein Vergleich zwischen
ihnen führt weniger zu einer klaren Rangfolge als zu einer Abwägung zwischen
Beobachtungen in verschiedenen Wertungskategorien.
• Kriterien können nicht sinnvoll angewandt werden, ohne dass der beurteilte Text
mit einem „hermeneutischen Blick“ gelesen wird und damit denselben
Vertrauensvorschuss hinsichtlich erwarteter Sinnhaftigkeit erhält wie jeder
(andere) literarische Text.
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