Prof. Dr. Wolfgang Glatzer - Frankfurter Netzwerk Ethik in der

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Transcript Prof. Dr. Wolfgang Glatzer - Frankfurter Netzwerk Ethik in der

Soziale Beziehungen älterer Menschen
in stationären Einrichtungen
Macht - Autorität - Gewalt
Prof. Dr. Wolfgang Glatzer
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Fachbereich Gesellschaftswissenschaften
Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse
Email: [email protected]
13.04.2015
Gliederung
Einstieg
Familiäre Erfahrungen mit älteren Menschen
Soziologie und Pflegeberufe
Soziale Beziehungen und Macht
Macht: die unentbehrliche, ambivalente Ressource
Autorität: die sanfte Macht
Gewalt: die brutale Macht
Fundamente sozialer Beziehungen
Vertrauen: die Grundlage sozialer Beziehungen
Anerkennung: ein Beitrag zur Gleichberechtigung
Reziprozität: ein Ausgleichsmechanismus in sozialen Beziehungen
Selbstbestimmung: ein Grundbedürfnis im menschlichen Zusammenleben
Resümee
13.04.2015
1
Familiäre Erfahrungen
Schloss Banz am Obermain
13.04.2015
2
Familiäre Erfahrungen
Wilhelm (geb.1865)
13.04.2015
Henriette (geb. 1863)
3
Familiäre Erfahrungen
Anna (geb. 1895)
13.04.2015
Emmi (geb. 1922)
4
Familiäre Erfahrungen
Paul (geb. 1911)
13.04.2015
5
Familiäre Erfahrungen
Klaus (geb. 1922)
Hedi (geb. 1922)
13.04.2015
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Soziologie und Pflegeberufe
Was ist Soziologie?
Soziologie ist einem ihrer großen Gründer - Max Weber – zufolge
„eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in
seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ (Weber 1947 S. 1).
Im Kontext der Pflegeberufe ist zu fragen: Wozu dient die Soziologie ?
In Analogie zu Max Weber kann man formulieren:
In der Profession der Pflegeberufe ist es kontinuierlich erforderlich soziales
Handel deutend zu verstehen und zu erklären, um sie dadurch in ihrem Ablauf
zieladäquat beeinflussen zu können.
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Soziale Beziehungen und Macht
Macht: die unentbehrliche, ambivalente Ressource
„Macht bedeutet jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehungen den eigenen Willen auch
gegen Widerstreben durch zu setzen." (Weber, 1947, S. 28).
Übersicht 1: Die Machtverteilung und ihre sozialen Konsequenzen
Machtträger A
Machtträger B
Machtpotential
13.04.2015
hoch
niedrig
Machtbalance
asymmetrische
Machtverteilung
hoch
niedrig
asymmetrische
Machtverteilung
Ohnmacht
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Soziale Beziehungen und Macht
Übersicht 2: Die wahrgenommene Machtverteilung und ihre sozialen Folgen
zugeschriebenes
Machtpotential
realistisches Machtpotential
13.04.2015
Macht
hoch
niedrig
hoch
gefestigte
Macht
überschätzte
Macht
niedrig
unterschätzte
Macht
labile
Macht
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Soziale Beziehungen und Macht
Autorität: die sanfte Macht
Autorität ist gekennzeichnet:
• einerseits durch den Autoritätsanspruch;
• andererseits durch die Folgebereitschaft.


Die Bereitschaft zum Gehorchenwollen beruht vor allem auf dem
Legitimitätsglauben, also der Annahme, dass der Machtanspruch gerechtfertigt
ist.
Die Durchsetzungsfähigkeit von Macht und ihre Akzeptanz stehen in einem engen
Zusammenhang mit ihrer Legimität.
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Gewalt: die brutale Macht
•
•
Gewalt ist "physische Zwangseinwirkung von Personen auf Personen, die
bestimmte angebbare Folgen hat" (Imbusch, S. 92).
Die Anwendung von Gewalt hat die Verletzlichkeit eines Menschen und die
Verletzungsmächtigkeit eines anderen zur Voraussetzung.
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Fundamente sozialer Beziehungen
Vertrauen: die Grundlage sozialer Beziehungen
"Vertrauen ist eine Annahme bzw. Wette über das künftige Verhalten anderer.“
(Roßteutscher 2009)
"Wie sehr und wie häufig wir Vertrauen schenken und uns auch selbst als vertrauenswürdig
erweisen , merken wir erst, wenn wir die Fähigkeit dazu verloren haben." (s.o)
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Anerkennung: ein Beitrag zur Gleichberechtigung
Anerkennung wird definiert als Achtung der Bedürfnisse von Menschen,
(insbesondere wenn sie) … einem nicht gleichgestellt sind (Becker 2009:78).
Ansehen, Ehre, Respekt sind verwandte Begriffe.
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Reziprozität: ein Ausgleichsmechanismus in sozialen Beziehungen
Reziprozität ist ein grundlegendes Steuerungskonzept für soziale Beziehungen.
Man gibt etwas und erwirbt dabei das Recht etwas wieder zu bekommen.
„Durch die ritualisierte Abfolge von Geben, Nehmen und Erwidern können
persönliche und enge Beziehungen erzeugt und intensiviert werden.“
(Hallein-Benze 2009:41)
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Selbstbestimmung: ein Grundbedürfnis im menschlichen Zusammenleben
"Tun oder unterlassen zu können, was man will, soweit man nicht andere
schädigt - das ist in freien Gesellschaften jedermann selbstverständliches Recht“
(Wagner 2001)
Selbstbestimmung ist kein Privileg, dass wenige Menschen beanspruchen
können, sondern ein Grundbedürfnis aller Menschen.
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Resümee
Thesen und Empfehlungen:
•
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•
•
•
•
Zwischen den älteren Menschen und dem Pflegepersonal besteht oft eine Machtimbalance
und noch wichtiger ist zu erkennen, dass die Machtressourcen von älteren Menschen und
Pflegern ganz verschieden sind. Der sanften Machtausübung durch Autorität, zum Wohl der
älteren Menschen, sollte der Vorzug gegeben werden.
Das Pflegepersonal ist gehalten Autorität, vor allem fachliche Autorität aufzubauen und damit
Einfluss auf die älteren Menschen auszuüben. Dies ist vor allem wichtig, wenn ältere
Menschen nicht mehr in der Lage sind ihre Interessen zu artikulieren und durchzusetzen.
Gewaltanwendung ist eine Reaktion, die meist auf Stresssituationen und Überforderung
zurückgeht, sowohl beim Pflegepersonal als auch bei älteren Menschen. Gewalttätiges
Verhalten muss normativ und institutionell streng kontrolliert werden.
Die Etablierung eines wechselseitigen Vertrauensverhältnisse ist als Basis der sozialen
Beziehungen unabdingbar. Die Zerstörung von Vertrauen ist beidseitig zu vermeiden.
Anerkennung und Respekt sind im Umgang von Pflegepersonal und älteren Menschen
wichtige Grundlagen, auch wenn die hierzu notwendigen Kompetenzen beeinträchtigt sind.
Es sollte auf Reziprozität in Beziehungen, zum Beispiel der wechselseitigen Bestätigung,
geachtet werden. Reziprozität kann in vielfältigen physischen und psychischen Formen der
Erwiderung und des Austausches erfolgen.
So weit wie möglich sollte der Selbstbestimmung Raum gegeben werden, sowohl der
Selbstbestimmung der älteren Menschen wie des Pflegepersonals. Kompromisse sollten nicht
einseitig, sondern in einer Machtbalance gefunden werden.
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Literatur
Becker, Maya/Krätschmer-Hahn (Hg.) (2009): Fundamente sozialen Zusammenhalts. Frankfurt am Main, Campus
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (1992, 2. Aufl.): Nomenklatur der Altenhilfe. Eigenverlag
Geiger, Helmut (Hrsg.) (2003): Die Würde des alten Menschen ist unantastbar. Rechtliche, medizinische , wirtschaftliche und soziale
Problem der lettzen Lebensphase. edition akademie Nr. 3
Görgen, Thomas (2000) Gewalt gegen älter Menschen im stationären Bereich.
http://www.bibb.de/redaktion/altenpflege_saarland/literatur/gewalt_03.htm
Heinzelmann, Martin (2004): Das Altenheim - noch immer eine "Totale Institution". Eine Untersuchung des Binnenlebens zweier
Altenheime. Göttingen, Dissertation
Imbusch, Peter (2006): Macht - Herrschaft - Autorität: In: Schäfers, Bernahrd/Kopp, Johannes (Hrsg.) 2006: Grundbegriffe der Soziologie.
Wiesbaden, VS-Verlag S. 164 - 171
Imbusch, Peter (2006): Gewalt. In: Schäfers, Bernhard/Kopp, Johannes (Hrsg.) (2006): Grundbegriffe der Soziologie. Wiesbaden, VSVerlag, S. 92 -94
Riedel, Annette/Stolz, Konrad (2009): Altenwohlgefährdung. Über die Schutzbedürftigkeit von älteren Menschen. Dr. Med. Mabuse
November/Dezember 2009
Schroeter, Klaus R./Rosenthal Thomas (Hrsg.)(2005): Soziologie der Pflege. Grundlagen, Wissensbestände und Perspektiven. Weinheim
und München, Juventa
Weber, Max (1947): Grundriss der Sozialökonomik. Wirtschaft und Gesellschaft. Halbband. Tübingen, Mohr/Siebeck
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