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Institut für Sozialdienste Vorarlberg
Wir helfen WEITER.
Kinderpsychologische Aspekte
im Bereich der Abklärung von minderjährigen
Gewalt- und Missbrauchsopfern
(z.b. im Aufdeckungsprozess)
Krankenhaus der Stadt Dornbirn
25.10.2013
Dr. Ruth Rüdisser, ifs Kinderschutz + ifs Prozessbegleitung
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Trauma
= eine Verletzung
ursprünglich:
jetzt auch:
körperlich
seelisch
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Fallvignette
• Mädchen, schwerer sexueller Missbrauch von 3 bis 7
Jahren
• Objektive Beweismittel für die Verurteilung des Täters
• Sehr schüchternes Kind, schon mit 7 Jahren
zurückhaltend, sie selber hätte nichts gesagt – kein
Bedarf für Kindertherapie
• Keine Erinnerung mehr, außer ein paar Bilder, kein
Problem damit, keine Symptome
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Fallvignette
• Konfrontation mit dem Täter mit 14 Jahren und
Retraumatisierung
• Symptome: Schlafstörungen, Flashbacks, Alpträume,
SVV Ritzen, Suizidalität
Anliegen:
• Was ist passiert, Hilfe, um erinnern zu können und
• Schlafen können, Abhilfe der Bilder
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Traumatisierung entsteht, wenn ein Ereignis
im Leben eines Menschen
• vom Organismus als potenziell lebensbedrohlich
bewertet wurde
• mit überwältigenden Gefühlen von Angst und
Hilflosigkeit verbunden war
• daher nicht zeitgleich verarbeitet werden konnte
• für diese Verarbeitung auch in der Folge nicht
ausreichend Ressourcen vorhanden waren (Gesundheit
andere Menschen, Geld, Nahrung, Geborgenheit,…)
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Es gibt Ereignisse, die fast alle Menschen
überfordern:
•
•
•
•
körperliche Gewalt
Vergewaltigung
Folter
Bedrohung naher Menschen
und Ereignisse, die für viele andere vielleicht einfacher zu
verarbeiten wären
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Ob es zu Traumatisierung kommt, hängt
stark von der Hilfe nach dem Erleben ab
•
•
•
•
•
•
dass einem geglaubt wird
dass man geschützt wird
dass man verstanden wird
dass Hilfe schnell kommt
dass jemand da ist, verfügbar
DA SEIN
Stabile soziale Situation erleichtert die Traumaverarbeitung
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Aufdeckungsprozess:
kann sein:
• akut – Krisenintervention
• später – therapeutische Aufarbeitung aber auch
Prozessbegleitung
die 4 Säulen im Kinderschutz
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vernetzen
ressourcieren
stabilisieren
informieren
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vernetzen
ressourcieren
stabilisieren
informieren
Wie funktioniert unser Gehirn?
Abbildung aus: Hantke Lydia, Görges Hans-J.: Handbuch Traumakompetenz, 2012
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Aufbau des Gehirns und Integration
• Der Hirnstamm ist für alle grundlegenden Funktionen
unseres Körpers zuständig: Atmung, Herzschlag,
Temperatur, Stoffwechsel, Schlaf…
• Kleinhirn brauchen wir, damit wir mit dem Löffel den
Mund treffen und gehen können
• Das Limbische System ist die Schaltzentrale für die
Gefühle
• Die Großhirnrinde macht uns zum Menschen.
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Aufbau des Gehirns und Integration
• Man könnte sagen, dass wir aus 2 Teilen bestehen, dem
Säugetier in uns, zum Beispiel ein Häschen und dem
Denker, der sich das alles anschaut, überlegt und
entscheidet, was er tun und lassen will.
• Wenn alles ruhig ist und wir ganz entspannt sind,
spielen, uns amüsieren … dann arbeiten der Denker und
das Häschen gut zusammen. Der Kopf kann sich um den
Körper kümmern. Das Häschen ist schneller, weil es
nicht nachdenken muss, der Denker hat die besseren
Ideen. Das Häschen kann durch ein gutes oder
schlechtes Gefühl dem Denker zeigen, dass er etwas
verändern sollte oder dass alles gut ist.
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Kampf/Flucht – Freeze/Lähmung – Apathie/Ohnmacht
Abbildung aus: Hantke Lydia, Görges Hans-J.: Handbuch Traumakompetenz, 2012
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Notfallreaktion
Wenn Gefahr droht, gibt es drei wichtige Verhaltensweisen,
die sich so gut bewährt haben, dass sie vollautomatisch
funktionieren:
• fliehen (Schutz suchen),
• kämpfen oder
• totstellen.
Das Häschen kann das ganz alleine ohne Denker
durchführen. Der Denker bräuchte viel zu lange, deshalb
wird er einfach abgeschaltet, wenn es ums Überleben geht.
Der Denker muss hinnehmen was passiert.
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Notfallreaktion
• Wenn das limbische System auf Notfall umschaltet
passiert folgendes: Das Herz schlägt heftiger, die
Atmung wird kurz und schnell, Darm und Blase werden
entleert, damit dieser Ballast nicht auch noch stört.
Manchmal muss man dann ganz schnell aufs Klo. Alle
Energie soll zur Verfügung stehen zum Fliehen oder
kämpfen. Wenn beides nicht geht, wird der Körper starr
und fühlt sich an wie gelähmt und kann sich nicht
bewegen. Gleichzeitig ist man innerlich ganz angespannt,
aber die Spannung kann nicht raus.
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vernetzen
ressourcieren
stabilisieren
informieren
Kinder können ihre Gefühle und Bedürfnisse noch nicht
selbst regulieren: Sie brauchen die Zuwendung Erwachsener
Abbildung aus: Hantke Lydia, Görges Hans-J.: Handbuch Traumakompetenz, 2012
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Stabilisierung
• In der Traumatisierung hat vor allem der Körper etwas
gelernt und der Verstand kommt nicht so recht zum Zug.
• Auch wenn im Nachhinein die Notfallreaktion etwas
übertrieben war, hat der Körper gelernt „ich habe
überlebt, weil ich auf die Notfallreaktion umgeschaltet
habe. Alles, was den Körper nun an die
Ursprungssituation erinnert (Reden über das Trauma)
versetzt ihn in Alarmzustand und forciert eine neue
Dissoziation.
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Stabilisierung
• Der Verstand allein kann das nicht einordnen und hat von
Gefühlen keine Ahnung. Hilfreich ist, wenn Verstand und
Gefühl (Häschen und Denker) wieder in Kontakt
miteinander kommen.
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Stabilität heißt
• Ich kann meine Aufmerksamkeit lenken
• Ich kann meinen Körper regulieren (Aufbau Ressourcen,
Zusammenarbeit Denker und Häschen)
• Ich kann Nähe und Distanz in Beziehungen regulieren
• Ich kann mich immer wieder neu wahrnehmen und
entwickeln
• Ich kann mein Umfeld wahrnehmen
• Ich kann mein Erleben in der Zeitlinie einordnen
• Ich gebe meinem Erleben Sinn und erlebe mich als Teil
der Welt
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Stabilität heißt
• Traumaerinnerungen werden integriert
• Grenzziehung, Distanzierung und Selbstfürsorge
verringern die dissoziative Barriere zwischen
Traumaerleben und bewusster Wahrnehmung, zwischen
Häschen und Denker.
• Dem Denker die Einordnung ermöglichen
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Stabilisieren
•
•
•
•
•
•
•
Atmen
Erden
Bewegen
Berührungsreize
Notfallkoffer
5-4-3-2-1 Übung
Einordnen in der Zeitlinie
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Im Trauma werden Erfahrungen nicht eingeordnet:
Wenn etwas davon wieder auftaucht, fühlt es sich an, als
würde es jetzt passieren.
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Erst ein stabiles Hier und Jetzt macht einen Unterschied
erlebbar, erlaubt das Aussortieren
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Sie lernen, was Körpersignale bedeuten und
probieren aus, wie man auf sich aufpassen kann
Abbildung aus: Hantke Lydia, Görges Hans-J.: Handbuch Traumakompetenz, 2012
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vernetzen
ressourcieren
stabilisieren
informieren
Ressourcen erweitern
•
•
•
•
•
•
Sicherer Ort: gemeinsam entwickeln
Tresore oder andere Zwischenlager
Vorbilder und innere Helfer
Ressourcenkoffer packen
Schreiben
Malen
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Am Beispiel der Fürsorge erlernen sie Selbstregulation und
erweitern so ihren Ressourcenbereich
Abbildung aus: Hantke Lydia, Görges Hans-J.: Handbuch Traumakompetenz, 2012
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vernetzen
ressourcieren
stabilisieren
informieren
Vernetzen mit den Partnern im Kinderschutz
•
•
•
•
•
•
Krankenhaus
Kinder- und Jugendhilfe
Polizei
soziale Institutionen
Schulen
Kindergärten
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Trauma-Viereck
Mitwisser
Täter
Opfer
Retter
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Trauma-Viereck
Empathische
Zeugin
Mitwisser
Täter
Opfer
Retter
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„Empathische Zeugin“
•
•
•
•
•
Empathie
Respekt
Angemessene Distanz
Offenheit
Klarheit
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„Empathische Zeugin“
• Aufnehmen, Beobachten und Einordnen des Gefühls der
Betroffenen, den Anker bilden im Hier und Jetzt, nicht mit
hineinzuschliddern in abgrundtiefe Gefühle
• Strukturell in einem Machtverhältnis
• Klientin kann sich in die Opferrolle gedrängt fühlen
• Welche Gefühle löst die Klientin in mir aus – Ziel ist, dass
die Klientin lernt, sich selbst wahrzunehmen, sich
kennenzulernen, neue Verhaltensweisen auszuprobieren.
Ich bin für meine eigenen Grenzen selbst verantwortlich
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„Empathische Zeugin“
• Wenn Gefühle stark werden – frage ich mich nach meiner
Rolle
• Aus der angemessenen Distanz und mit Blick auf die
Ressourcen wird Empathie möglich.
• Mit mir selbst und meinen Ressourcen gut im Kontakt
bleiben.
• Ich nehme das Leid wahr ohne mitzuleiden. Das hilft der
Klientin beim Ausstieg aus der Opferrolle
• Zeit für Reflexion
• Auf die eigenen Grenzen achten.
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Dann weiß der Denker und das Häschen fühlt: es ist vorbei.
Altes ist vergangen, im Hier und Jetzt kann man sich freuen
auf das was kommt.
Abbildung aus: Hantke Lydia, Görges Hans-J.: Handbuch Traumakompetenz, 2012
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Literaturliste
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Hantke Lydia, Görges Hans-J.: Handbuch Traumakompetenz, 2012
Freiberger Anna-Maria, Mandl Petra, Scshwarzinger Friedrich:
Praxishandbuch Kinder- und Jugendschutz, 2013
Freund Ulli, Riedel-Breidenstein Dagmar: Sexuelle Übergriffe unter
Kindern, Handbuch zur Prävention und Intervention
Hüther Gerald, Michels Inge: Gehirnforschung für Kinder, 2009
Storch Maja, Cantieni Benita, Hüther Gerald, Tschacher Wolfgang:
Embodiment, Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen
und nutzen, 2010
Levine Peter: Sprache ohne Worte: Wie unser Körper Trauma
verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt, 2012
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