Literaturwissenschaftliche Methoden I

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Transcript Literaturwissenschaftliche Methoden I

Literaturwissenschaftliche
Methoden I
Einordnung der bisher betrachteten
Texte zwischen Philologie und
Intertextualität
Literaturwissenschaftliche
Methoden I
0. Normativität – 1. Philologie –
2.Formalismus –
3. Strukturalismus – 4. Hermeneutik – 5.
Diskursanalyse – 6. Intertextualität
VORSCHAU
Literaturwissenschaftliche
Methoden II
(Poststrukturalismus in/ und Ost[mittel]europa)
(späte) Kultursemiotik,
Dekonstruktion, gender studies, postcolonial studies
NICHT BEHANDELT
Literaturwissenschaftliche
Methoden III
Was vermissen Sie?
ERZÄHLEN SIE BITTE!
Welche Art von Wissen haben
Sie in der Bibliothek erhalten?
ERZÄHLEN SIE BITTE!
Welche Art von Wissen haben
Sie in der Bibliothek erhalten?
Nachvollziehbarkeit
ERZÄHLEN SIE BITTE!
Wie erscheint der Name des
russischen Nationaldichters im
Bibliothekskatalog und warum?
Nachvollziehbarkeit
DIE ANTWORT
Wie erscheint der Name des
russischen Nationaldichters im
Bibliothekskatalog und warum?
Puškin
Warum? Nachvollziehbarkeit
WEITERE FRAGE
Puškin
ш=š
Was ist das für ein Code?
Welches Prinzip steckt dahinter?
DIE ANTWORT
ш=š
Was ist das für ein Code?
Welches Prinzip steckt dahinter?
Eindeutige und nachvollziehbare
Dokumentation von Schrift bzw. von
Zeichen
WEITERE FRAGE
Eindeutige und nachvollziehbare
Dokumentation von Schrift bzw.
von Zeichen
Sehen Sie eine Alternative dazu?
ERSES FAZIT
Eindeutige und nachvollziehbare
Dokumentation von Schrift bzw.
von Zeichen
Auf dieser Technik fußt jede andere
Methode zur Lektüre von Literatur.
Ohne diese Technik
Zu den sechs Methoden
• Woher kommen diese Beschreibungen?
• Darf man diese Quelle zitieren?
• Wenn nicht, dann warum nicht?
Zu den sechs Methoden
• Woher kommen diese Beschreibungen?
• Darf man diese Quelle zitieren?
• Wenn nicht, dann warum nicht?
UNZUREICHENDE NACHVOLLZIEHBARKEIT!!!!
UNZUREICHENDE DOKUMENTIERBARKEIT!!!!!
Methode 0: Normativität bzw.
Zweckgebundenheit
• 100-prozentig
– Platon
– Goebbels
– Ždanov
– Šestov – Dostoevskij und Nietzsche
• Teilweise (philosophische Indienstnahmen)
– Aristoteles
– Hegels „Antigone“
– Bachtins Dostoevskij
Methode 0: Normativität
• Sonderfall „Sozialistischer Realismus“
– Doktrin entwickelt 1934, ab 1936 für alle Künste verbindlich
vorgeschrieben
– Nebulös und operativ eingesetzt, um Parteidiktatur in den
Künsten durchzusetzen; Literaturkritik bzw. –wissenschaft
schreibt normativ über den Grad der Anpassung an diese Regeln
– Hauptkriterien
• narodnost‘
• partijnost‘
• Positiver Held
• Kern der „hellen Zukunft“ in der Darstellung der „Realität“
Methode 0: Normativität
• „Sozialistischer Realismus“
theoriegeschichtlich
– verdrängt den deskriptiv-analytischen Zugang zur
Literatur per Verordnung
– Relativer Methodenpluralismus ca. ab 1956
– Lotman knüpft an Formalismus und an Bachtin
wieder an
Zweckgebundenheit hin oder her,
Ansätze sind immer orts- und zeitgebunden
•
•
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•
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•
Beispiel Russland 1910
Beispiel Russland 1918
Beispiel Tschechoslowakei 1918
Beispiel Deutschland 1938
Beispiel Tschechoslowakei 1948
Beispiel UdSSR 1949
Beispiel Paris 1968
Beispiel Erfurt 2013!
Erfurt 2013
• Bei der Neugründung wird die Disziplin
Literaturwissenschaft zum „Seminar“ an der
Philosophischen Fakultät
• Die „Philologien“ Anglistik, Germanistik,
Romanistik, Slawistik werden zu
„Studienrichtungen“
• Damit wird stillschweigend ausgesagt, dass
„Philologie“ kein Forschungs- sondern ein
Lehrgebiet ist
Philologie als bloßer NAME
(Nietzsche 1869)
Nietzsche zur Philologie (im Vortrag „Homer und die klassische
Philologie“):
„ ... In dem unorganischen Aggregatszustande verschiedenartiger
wissenschaftlicher Tätigkeiten, die nur durch den Namen ‚Philologie‘
zusammengebunden sind [...] Geschichte, insofern sie die
Kundgebungen bestimmter Volksindividualitäten in immer neuen
Bildern, das waltende Gesetz in der Flucht der Erscheinungen
begreifen will; Naturwissenschaft, soweit sie den tiefsten Instinkt des
Menschen, den Sprachinstinkt, zu ergründen trachtet; Ästhetik endlich,
weil sie aus der Reihe von Altertümern heraus das sogenannte
„klassische“ Altertum aufstellt, mit dem Anspruche und der Absicht
eine verschüttete ideale Welt herauszugraben und der Gegenwart den
Spiegel des Klassischen und Ewiggültigen entgegenzuhalten.
WEITERE FRAGE
Aus welcher Zeit stammen die
meisten von uns bisher
angesprochenen Methoden?
ANTWORT
Aus welcher Zeit stammen die
meisten von uns bisher
angesprochenen Methoden?
Aus der Zeit nach 1910: Zeit der
Gründung der modernen
Literaturwissenschaft
WEITERE FRAGE
Šklovskij
Jakobson
Saussure
Lotman
Mukařovský
Wie ordnen wir diese Ansätze den
Ansätzen zu?
MEIN VORSCHLAG
Šklovskij - Formalismus (bzw. FI)
Jakobson - Formalismus/Strukturalismus
Saussure - Strukturalismus
Lotman – strukturalistische Semiotik
Mukařovský – Formalismus (bzw. FIII) /Prager
Strukturalismus
Einverstanden?
Sprach- und Literaturbetrachtung in
Russland vor 1914
• Philologie in Russland 1750-1850
– Lomonosov – Rhetorik, „Grammatozentrismus“
– Karamzin vs. Šiškov – „nationalkulturelles Gedächtnis“
– Venevitinov – Literatur im Dienste von Geschichte und
Philosophie
– Odoevskij – „ästhetisch-philosophischer Textorganismus“
– Belinskij – „Projekt des ‚volkstümlichen‘ Schreibens >> Held
der Literaturbetrachtung des sozialistischen Realismus
• Dazu: Jurij Murašov: Jenseits der Mimesis,
• Realistisch orientierte historische Poetik: Veselovskij
• Humboldtianer in Russland: Potebnja
Sprach- und Literaturbetrachtung in Russland Kontexte um 1914
Mimesis und A-Mimesis
• Tendenzen in der Literatur, Tendenzen in der
Literaturbetrachtung
– Realismus/Mimesis – Symbolismus – Avantgarde
• Realismus
– Identifikation, Nationalliteratur und ‚literarische
Landeskunde‘
– Kompensatorische Funktion der Literatur, z.B. in
Russland aufgrund der scharfen politischen
Kontrollen
Jenseits der Mimesis
• Mimesis ist „Nachahmung“ hier nach dem
Muster der nachahmenden Identifikation mit
einer handelnden Gestalt (bei Aristoteles zum
Zweck der reinigenden Katharsis)
• Mimesis ist damit automatisch
psychologistisch, interessiert sich für
MOTIVATION (im Gegensatz zur
formalistischen MOTIVIERUNG)
• motivacija vs. motivirovka
Jenseits der Mimesis
• Bruch mit der Mimesis: historische Moderne
um 1900
• Das philosophische Pendant dazu:
Phänomemologie (Husserl), die unter
anderem ANTI-PSYCHOLOGISTISCH ist
• Roman Ingarden: Das literarische Kunstwerk
(1959) – polnischer Schüler Husserls
Jenseits der Mimesis
• Symbolismus in Russland und seine
‚philologischen Pendants‘
– Der Dichter-Philologe Vjačeslav Ivanov
– Potebnja – innere Form << eine Idee der
Romantik, die er von Humboldt übernimmt
– Symbolismus/Moderne als Neoromantik
Jenseits der Mimesis II
• Avantgarde als Verschärfung des
Amimetischen
– Chelbnikov – zaum‘ (an der Grenze zwischen
symbolistischer Omnipräsenz der Bedeutung und
avantgardistischer Kontingenz)
– Majakovskijs Verschärfung und Politisierung der
Tolstojschen ostranenie
– Avantgarde – Bolschewismus – Marxismus
Formalismus in Russland (ab 1914)
• Startschuss der modernen
Literaturwissenschaft
• Warum?
Formalismus in Russland (ab 1914)
• Startschuss der modernen Literaturwissenschaft
• Warum?
• Weil hier erstmalig das Prinzip gesucht wird, die der
Literatur zugrundeliegt
• Literarizität, Poetizität
• Ästhetizität, allerdings NICHT mit dem Ziel, „eine
verschüttete ideale Welt herauszugraben und der
Gegenwart den Spiegel des Klassischen und
Ewiggültigen entgegenzuhalten “ (Nietzsche)
• Jakobson in der Chlebnikov-Arbeit (1921): „Ästhetische
Funktion“
Formalismus in Russland (ab 1914)
• Grundlegende Werke:
– Viktor Erlich (historischer Verlauf)
– Aage A. Hansen-Löve (3 Phasen des Formalismus)
Formalismus in Russland (ab 1914)
• 3 Phasen des Formalismus
– 1. Phase: Verfremdung (ostranenie) und
Sujetbildung
– 2. Phase: System – Dominante – Reihe –
Deformation; Ansätze zur Diachronie
– 3. Phase: pragmatisches Modell, Annäherung an
die Literatursoziologie
Formalismus in Russland (ab 1914)
1. Phase: Verfremdung (ostranenie)
a.
Wenn die von uns gelesenen Texte Šklovskijs als
Frühformalismus dient, worin besteht die
Verfremdung?
i.
ii.
stranno/seltsam-machen, d.h. Entautomatisierung
gemacht-sein
b. Stichwort „sjužet“ (auch Šklovskij) – Umstellung des
narrativen Materials zu einem Narrativen Text >>
fabula/sjužet
c. Boris Ėjchenbaum - „Wie Gogol‘s Mantel gemacht
ist“ – Verfremdung der literarischen Hochsprache
durch skaz
Formalismus in Russland (ab 1914)
2. Phase: System
a. Paradebeispiel ist Tynjanovs „Problem der
Verssprache“ (1924)
i. Verszeile als dominierender Faktor
ii. Dominanz und Deformation
iii. Einheit, Dichte, Dynamisierung, Sequenzialität
Systemdenken von FII >
Strukturalismus
– Spannungsfelder entstehen durch die Dynamik
der Struktur
– Paradebeispiele dafür sind Saussures und
Jakobsons Arbeit mit Paradigmatik und
Syntagmatik
Strukturalismus
Was tut sie. Einer meint dass sie
• „Strukturen und Beziehungsgefüge in den
weitgehend unbewusst funktionierenden
Mechanismen kultureller Symbolsysteme“
untersuche
• „Systemcharakter der Struktur“
• „Funktionalität der Teile im Verbund einer
Einheit“
• „Das Verständnis eines Objekts ergibt sich erst
durch den Vergleich mit anderen Objekten und
durch die Betrachtung ihrer Stellung“
Philologische Tendenzen
bei Jakobson
• „Russkij filolog“
• Linguistische Momente in den Definitionen
der poetischen Funktion der Sprache
– In der ersten Definition: Funktion der SPRACHE
– In der zweiten Definition: Paradigmatik
– Beispiel „Wir sind sie“ (Brecht)
• Metonymie und Metapher (Syntagmatik und
Paradigmatik)
Strukturalismen
slawisch
• Vladimir Propp – Morphologie des Märchens
– Märchen auf ein invarantes Ensemble von
„Funktionen“ reduziert
– Einzelmärchen nach dem Muster des „Sujets“ als
Auswahl und Reihung dieser Funktion
Strukturalismen
allgemein
• Férdinand de Saussure
• Claude Lévi-Strauss – anthropologisches
Auffinden von Mustern im Verhalten und
Zeichensetzung südamerikanischer Stämme,
mit binären Aufteilungen wie „roh“ vs
„gekocht“, „rund“ vs. „länglich“ usw.
• Algierdas Greimas – Weiterführung Propps
• Jacques Lacan – Einpassung der Theorien
Freuds in strukturelles Denken
Lotman und strukturalistische Semiotik
1
• Zeichentheorie gab es bei Saussure – Beginn
des Strukturdenkens in der Sprache
• Was meint Lotman mit „Kunst als Sprache“?
• „eine jede Sprache verwendet Zeichen, die ihr
‚Lexikon‘ bilden [...]; eine jede Sprache besitzt
bestimmte Regeln der Verknüpfung dieser
Zeichen; eine jede Sprache stellt eine
bestimmte Struktur dar, und diese Struktur ist
ihrem Wesen nach hierarchisch.“ (20)
Lotman und strukturalistische Semiotik
2
Unter „Sprache“ wollen wir jedes
Kommunikationssystem verstehen, das sich in
besonderer Weise geordneter Zeichen bedient.
(21)
natürliche Sprachen, künstliche Sprachen,
sekundäre Sprachen
Lotman und strukturalistische Semiotik
3
Sekundär modellbildende Systeme
• natürliche Sprache als Material UND
• Nach dem Typ der Sprache gebaut
• „Die Auffindung syntagmatischer und
paradigmatischer Zusammenhänge in der Malerei
und im Film (Ėjzenštejn, Tynjanov, Ėjchenbaum...)
gestattet es, auch diese Künste als Objekte der
Semiotik anzusehen, d.h. als Systeme, die nach
dem Typ der Sprachen gebaut sind.“ (23)
Lotman und strukturalistische Semiotik
4
„.. um die mit den Mitteln der Kunst
übermittelte Information empfangen zu können,
muß man ihre Sprache beherrschen.“ (29)
Marxismus – Strukturalismus Foucault
• Diskurs-Kampf statt Klassenkampf
• Diskursive Formationen statt Herrschaft einer
bestimmten sozialen Klasse (Feudalismus,
Kapitalismus, Merkantilismus usw.)
• Les mots et les choses (Ordnung der Dinge)
Foucault und Diskursanalyse
• Gefängnis, Heilanstalt, Sexualität und die
diskursive Macht des Ausklammerns
• „Was ist ein Autor“ ist im Kontext des
Nachvollzugs der Bedingung und Geschichte
der „Sagbarkeit“ zu sehen
• „Sagbarkeit“ ist abhängig von dem „Episteme“
einer Epoche und auch von den dazu
gehörenden Zwangsmaßnahmen
Frage 1 zum Anfang
der nächsten Sitzung
Warum haben wir Hermeneutik
hier nicht behandelt?
Frage 2 zum Anfang
der nächsten Sitzung
Wie ordnen Sie Wolf Schmid ein?
Frage 3 zum Anfang
der nächsten Sitzung
Wo ist die Theorie der
Intertextualität verortet? Und
Bachtin?
Frage 4 zum Anfang
der nächsten Sitzung
Wo kommt die Rhetorik hin?