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„Von Risiken & Nebenwirkungen..."

Abwägung von Risiken und Resilienzen Wann sind Eltern noch gut genug?

Prof . Dr. med. Jörg M. Fegert

Fachtag im Parkhotel Rügen 12.09.2012

Elternrecht und staatliches Wächteramt Art. 6 Abs. 2 GG „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Eingriffe bei Kindeswohl gefährdung Elternrecht + Elternpflicht Abwehr recht Anspruch Staatliches Wächteramt Hilfe und Unterstützung Familiengericht Kinder- und Jugendhilfe

Gratwanderung“ bei der Risikoabschätzung

Anna Freud: „zu früh zu viel oder zu spät zu wenig“

Ungerechtfertigte Eingriffe in das Elternrecht

Verlust von Vertrauen Verschluß vor weiteren Hilfsangeboten Schadensersatzansprüche

Ungenügende Berücksichtigung des Kinderschutzes

Schädigung des Kindes Strafbarkeit

KINDESWOHLGEFÄHRDUNG Definition BGH: Prognosefrage Kindeswohlgefährdung wird definiert als … „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt“ Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 14. Juli 1956 (BGH FamRZ 1956, S. 350).

Problem:

Statistische Prognose

(Riskochecklisten) vs.

Individualprognose

im Einzelfall

Kindeswohlgefährdung als „unbestimmter Rechtsbegriff“ Auslegungsbedürftigkeit: • Analyse der gegenwärtigen Gefahr • Prognose einer künftigen und erheblichen Schädigung • Gegenprobe der fachlichen Sicherheit nur sehr bedingt rechtlich zu leisten und daher vorwiegend mit den Mitteln der Human- und Sozialwissenschaften zu beantworten (Münder, J. 2000) fachliche Herangehensweise muss sich in jedem Einzelfall an der juristischen Definition

und

an sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren (Meysen, T. 2011)

Kinderschutz in Deutschland - in den letzten Jahren vermehrte Aufmerksamkeit auf das Thema

Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern

- Ziel

zahlreicher Initiativen

auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ist die Verbesserung des Kinderschutzsystems in Deutschland -

2005 Novellierung des SGB VIII

mit der Einführung des §8a: Konkretisierung des Schutzauftrages in der Kinder- und Jugendhilfe - Auf und Ausbau präventiver Ansätze, den sogenannten

Frühen Hilfen

(multiprofessioneller Ansatz zur Prävention von Kindeswohlgefährdung) - Runder Tisch sexueller Kindesmissbrauch - 01.01.2012

Bundeskinderschutzgesetz

Kindliche Basisbedürfnisse und deren Berücksichtigung in der UN-Kinderrechtskonvention

Basic need UN-Kinderrechtskonvention

Liebe und Akzeptanz Präambel, Art. 6; Art. 12, 13, 14 Ernährung und Versorgung Art. 27, Art. 26, Art. 32 Unversehrtheit, Schutz vor Gefahren, vor materieller emotionaler und sexueller Ausbeutung Art. 16, Art. 19, Art. 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40 Bindung und soziale Beziehungen Gesundheit Wissen und Bildung Art. 8, 9, 10, 11; Art. 20, 21, 22 Art. 24, 25, 23, 33 Art. 17; Art. 28, 29, 30, 31

Gliederung

Gut genug? Einleitung Misshandlungsdefinition Gelingendes Aufwachsen von Kindern und Entwicklungsrisiken Kinderschutz beginnt mit Prävention – Frühe Hilfen Elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen als Ansatzpunkt Früher Hilfen Aktuelle Entwicklungen in den Frühen Hilfen Interdisziplinäre Vernetzung Bundeskinderschutzgesetz

Schwierigkeiten einer Misshandlungsdefinition Das amerikanische

National Center for Diseases Control and Prevention

hat in einem umfangreichen Konsultationsprozess Empfehlungen entwickelt, die einen entscheidenden Schritt zur Bewältigung vieler Schwierigkeiten einer Misshandlungsdefinition darstellen (Leeb, Paulozzi, Melanson, Simon, & Arias, 2008). www.cdc.gov

Unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Diskurses wurde erstmals ein Konsens bezüglich operationalisierbarer Definitionen erreicht, der von der Medizin bis hin zur Sozialarbeit für statistische Angaben verwendet wird.

Prävalenz von Misshandlungen in Kindheit und Jugend

Häuser, Schmutzer, Brähler & Glaesmer, 2011 1 : • Umfrage in einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung • Auswertbare Daten von 2504 Personen (≥ 14 Jahre) • Demographische Angaben • Standardisierter Fragebogen (Childhood Trauma Questionnaire) ______________________________________________________________________ 1 Häuser W, Schmutzer G, Brähler E, Glaesmer H: Maltreatment in childhood and adolescence - results from a survey of a representative sample of the German population. Deutsches Ärzteblatt 2011; 108(17): 287–94.

Prävalenz von Misshandlungen in Kindheit und Jugend

Häufigkeit von Missbrauch und Vernachlässigung in Kindheit und Jugend

(N=2504; Mehrfachnennungen möglich) 60,0% 50,0% 40,0% 49,5% 48,4% 30,0% 20,0% 10,0% 15,0% 12,0% 12,6% 0,0% em ot io na le r M is sb ra uc kö h rp er lic he r M is sb ra uc h se xu el le r M is sb em ra ot uc io h na le V er na ch lä kö ss rp ig er un lic g he V er na ch lä ss ig un g

Prävalenz von Misshandlungen in Kindheit und Jugend

Schwere Formen von Missbrauch und Vernachlässigung in Kindheit und Jugend

(N=2504; Mehrfachnennungen möglich)

:

12,0% 10,8% 10,0% 8,0% 6,6% 6,0% 4,0% 2,0% 1,6% 2,8% 1,9% 0,0% sc hw er er e m ot io na le sc r M hw is er sb er k ra ör uc h pe rli ch er M sc is hw sb er ra er uc s h ex sc ue hw lle er r M e is em sb ot ra io uc na h le sc V hw er er na e ch kö lä rp ss er ig lic un he g V er na ch lä ss ig un g

Gliederung

Gut genug? Einleitung Misshandlungsdefinition

Gelingendes Aufwachsen von Kindern und Entwicklungsrisiken

Kinderschutz beginnt mit Prävention – Frühe Hilfen Elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen als Ansatzpunkt Früher Hilfen Aktuelle Entwicklungen in den Frühen Hilfen Interdisziplinäre Vernetzung Bundeskinderschutzgesetz

Gelingendes Aufwachsen von Kindern Weitaus größter Teil der Kinder entwickelt sich positiv bzw. unauffällig aber

Verunsicherung bei Eltern

(Erziehungsgutachten des wiss. Beirats für Familienfragen, 2005)

Shell Studie: 50% der befragten Eltern wissen nicht, woran sie sich in der Erziehung halten sollen

(Deutsche Shell, 2000)

Zunahme von Verhaltens /psychischen Störungen

- Kinder und Jugendliche: 18% bis 27%

(Petermann et al., 2000)

- Kindergartenkinder: ca. 18%

(Hahlweg, & Miller, 2001)

unter Dreijährige: ca. 20%

(Remschmidt,1998)

Bedeutung von Familienbeziehungen Bella Studie

(Ravens-Sieberer, 2006) (2006, 2007 www.kiggs.de

)

und RKI Survey KIGGS bestätigen englische Befunde:

21,9% der Kinder und Jugendlichen zeigen Hinweise auf psychische Störungen oder Suchtverhalten

• • - doppeltes Risiko bei Alleinerziehen (OR: 2,09) fünffaches Risiko bei aktuellen Familienkonflikte (OR: 4,97) Risiko für psychische Erkrankung steigt mit mehreren Belastungen: - bei 3 Risiken 30,7% - bei 4 Risiken 47,7% aller betroffener Kinder

Erziehungsgutachten des Familienbeirats 2004 Entwicklungsspielräume durch

autoritative Erziehung („Freiheit in Grenzen“).

Baumrind, D. (1971) Current patterns of parental autority Stärkung der Beziehungs- und Erziehungs kompetenzen von Familien (wiss. Beirat BMFSFJ, 2005) So wenig staatliche Intervention wie möglich, so viel wie nötig. Dabei Berücksichtigung protektiver Faktoren und von Risikokonstellationen und Berücksichtigung möglicher Ressourcen und Koordinierung von Hilfen .

Entwicklungsrisiken für Kinder jugendlicher Mütter kognitive und sprachliche Verzögerung (East & Felice, 1990; Furstenberg, Brooks-Gunn & Chase-Lansdale, 1989) Hochunsichere Bindung (Hann, Castino et al., 1992; Osofsky, 1997) Vernachlässigung und Misshandlung (Furstenberg, Brooks-Gunn & Chase-Lansdale, 1989; Osofsky, 1997) Verhaltensprobleme (Aggressivität, geringe Impulskontrolle) (Osofsky, Wewers et al., 1993; Coley & Chase-Lansdale, 1998) Delinquenz (Jungen), frühe sexuelle Aktivität und Schwangerschaft (Mädchen) (Brooks-Gunn & Morgan, 1987; Coley & Chase-Lansdale, 1998)

Risikoeinschätzung drohender Entwicklungsgefährdung

geringes Risiko, wenn nur einzelne Risiken vorhanden hohes Risiko, wenn viele und chronische Risiken kumulieren und interagieren und/oder wenn keine Schutzfkatoren vorhanden, die Risiken abpuffern (Rutter, 2000)

Erfassung elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen (Jacobsen, 2005) Qualität bisheriger elterlicher Kompetenzen Qualität gegenwärtiger elterlicher Kompetenzen Wissen über Entwicklung und Erziehungseinstellungen Persönlichkeitsmerkmale und eigene Bindungsvorerfahrungen der Eltern Ausmaß der Kindeswohlgefährdung Qualität elterlicher Kompetenzen über die Zeit und unter Stress

Qualität bisheriger elterlicher Kompetenzen Beginn der Elternschaft „Wie war das, als Sie Mutter wurden, als Sie mit Ihrem (ersten) Kind schwanger waren? (Alter, Anzahl/Altersabstände der Kinder, unterstützende Faktoren) Krisen, Überforderungssituationen (Bedingungen, Umstände, Lebensphasen) vorhergehende schwerwiegende Misshandlung/Vernachlässigung Phasen positiver, gelingender Elternschaft Umstände, (öffentliche) Hilfen, ggf. Teilnahme an Interventionsprogrammen etc.

Qualität gegenwärtiger elterlicher Kompetenzen Fähigkeit für sich selbst und für andere zu sorgen adäquate Wohnsituation selbstständige Lebensführung/regelmäßiges Einkommen regelmäßige Mahlzeiten Sorgen für die eigene Sicherheit Sicherstellen kindlicher Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft, Kleidung und Sicherheit Sicherstellen kindlicher Gesundheit Sicherstellen regelmäßigen Schulbesuchs

Aus dem Grünbuch der EU

Abb.:

Langzeitkosten psychischer Gesundheitsprobleme, umgerechnet auf Euro zum Preisniveau 2002 (Scott, Knapp, Henderson & Maughan, 2001. Umrechnung in Euro durch David McDaid, Mental Health Economics European Network).

Quelle:

Scott, S., Knapp, M., Henderson, J. & Maughan, J. (2001). Financial costs of social exclusion. Follow-up study of anti-social children into adulthood.

British Medical Journal

, 323, 191-196.

Kostenberechnung (Meier Gräwe & Wagenknecht, 2011) Einzelfallbezogene Erfassung der Kosten, die im Rahmen der Frühen Hilfen (von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr) bei vorhandenem Risiko pro Fall aufgewendet wurden – Kosten der Vernetzung und Kooperation – Kosten durch Screening und erweiterte Hebammennachsorge im Krankenhaus – Kosten der Jugendhilfe bezogen auf die Maßnahmen im „Guten Start ins Kinderleben“ am Modellstandort Ludwigshafen 27

34.105

Euro Frühe Hilfen

Kostenverhältnis

1:34 1:13 432.950

Euro Kita 1.159.295

Euro Schule Zeitpunkt des Hilfebeginns

Besondere Verletzlichkeit von Säuglingen und Kleinkindern Im ersten Lebensjahr sterben mehr Kinder in Folge von Vernachlässigung und Misshandlung als in jedem späteren Alter 77% aller misshandlungsbedingten Todesfälle ereignen sich in den ersten 48 Lebensmonaten  abrupte Übergänge von dezenten Hinweisen bis zur akuten Gefährdung: Gefahr raschen Austrocknens bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr (z.B. Osnabrücker Fall, Erfurter Fall) Gefahr lebensgefährlicher Verletzungen aufgrund unbeherrschten Handlings (Bremer Fall)  extrem enges Zeitraster für die Planung von Hilfen und Notwendigkeit schnellen Einschreitens

Die Ausgangssituation der Frühen Hilfen

Vernachlässigung als zentrales Risiko

Ziel: kindliche Basisbedürfnisse sicherstellen Familienbeziehungen insbesondere Feinfühligkeit in der Eltern-Kind-Interaktion als wichtiger familienbezogener Ansatzpunkt Vernetzung als zentrales Problem und Ansatz der Verbesserung

Allgemeine Entwicklungsrisiken von Kindern

häufige Wechsel des Betreuungssettings sozioökonomische Belastung (Armut, Arbeitslosigkeit) Belastung durch Trennungsfolgen Belastung durch vorausgegangene Traumata Belastung durch Behinderung oder schwere Erkrankung eines Kindes psychische Erkrankung der Bindungsperson (Sucht und Drogen, Depression, Schizophrenie, emotional instabile Persönlichkeitsstörungen etc.)

Risiken treten häufig in Kumulation oder Wechselwirkung auf

Risikofaktoren

Stressoren in der Betreuungsumwelt

Armut beengte Wohnbedingungen chronische Disharmonie in der Familie jugendliche und allein erziehende Mütter psychische Erkrankung eines Elternteils Kriminalität eines Elternteils Vulnerabilität beim Kind schwieriges Temperament genetische Belastung geringes Geburtsgewicht

Resilienz oder Wider standskraft beim Kind

robustes, aktives, kontaktfreudiges Temperament überdurchschnittliche Intelligenz positives Selbstkonzept Schutzfaktoren

soziale Ressourcen in der Betreuungsumwelt

verlässliche und sichere Bindungsperson soziale Unterstützung der Familie Schulbildung

Besondere Verletzlichkeit von Säuglingen und Kleinkindern abrupte Übergänge von dezenten Hinweisen bis zur akuten Gefährdung: - Gefahr raschen Austrocknens bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr (z.B. Osnabrücker Fall, Erfurter Fall) Gefahr lebensgefährlicher Verletzungen aufgrund unbeherrschten Handlings (Bremer Fall)

( http://www.buergerschaft.bremen.de/dateien/9fc6731510da9c66a 94c.pdf

)

extrem enges Zeitraster für die Planung von Hilfen und Notwendigkeit schnellen Einschreitens

Kevin und andere Kinder Bei Kevins Geburt am 23. Januar 2004 hatte das Jugendamt eine engmaschige Betreuung und Begleitung der Problemfamilie festgelegt. Doch dieses Vorhaben sei nie umgesetzt worden: "Als das Kind ganz klein war, ist nichts passiert. Es gab keine Hausbesuche und auch keine Hilfe", heißt es im Bericht des Justizstadtrats Ulrich Mäurer …. (

Süddeutsche Zeitung, 31.10.2006)

Kevin Chronologie des Versagens (Süddeutsche Zeitung, 31.10.2006

Zusammenfassung Kapitel 2 Stichprobe

1.1.2007 – 17.4.2008:

133 Kinderschutzfälle

203 Kinder von Vernachlässigung oder Misshandlung betroffen

Geschlecht der betroffenen Kinder

88 Jungen 88 Mädchen (in 27 Fällen fehlende Angaben)

Alter der betroffenen Kinder

Median: 2 Jahre Mittelwert: 3 Jahre 11 Monate Minimum: neugeboren Maximum: 17 Jahre

Berichterstattung 2007 bis Frühjahr 2008 Betroffene Kinder in Altersgruppen

Altersgruppe Anzahl

Neugeborene unter einem Jahr ein Jahr bis zwei Jahre über zwei bis vier Jahre über vier bis acht Jahre über acht Jahre Gesamt 33 32 192* 35 38 32 22 * bei 11 Kindern war das Alter nicht zu ermitteln

Prozent

18,2 19,8 16,7 11,5 17,2 16,7 100

Zusammenfassung Kapitel 2 Art der Misshandlung Art der Misshandlung Anzahl Prozent

Tötung unmittelbar nach der Geburt Vernachlässigung/ Verwahrlosung Vernachlässigung/ Verwahrlosung mit Todesfolge Misshandlung 34 83 7 30 16,7 40,9 3,4 14,8 Misshandlung mit Todesfolge gezielte Tötung Gesamt 18 31 203 8,9 15,3 100

Zusammenfassung Kapitel 2 Täter der Misshandlung (mutmaßlicher) Täter Anzahl

leibliche Mutter 73

Prozent

58,4 leiblicher Vater neue Partnerin des Vaters neuer Partner der Mutter Vater und Mutter 21 1 14 14 16,8 0,8 11,2 11,2 sonstige Personen Gesamt 2 125* 1,6 100 *Keine Angaben in 8 Fällen

Besonderheiten in der Entwicklungspsychologie der frühen Kindheit In der frühen Kindheit werden nahezu alle Erfahrungen durch die Eltern vermittelt und gesteuert Säuglinge und Kleinkinder sind gleichermaßen physisch wie psychologisch auf elterliche Fürsorge angewiesen „

There is no such a thing as a baby “

(Winnicott,1949)

Hochunsichere Bindung – ängstigendes Elternverhalten

Hochunsichere Bindung

„Misshandlungen und Vernachlässigungen [sind] in den meisten Fällen Endpunkte einer von den Eltern nicht gewollten, verhängnisvollen Entwicklung , an deren Anfang vielfältige Überforderungen stehen.“ (Kindler, Sann 2007) Je früher Risiken erkannt und Benachteiligungen aufgefangen werden, desto eher können Gefährdungen des Kindeswohls, deren Folgen und dadurch entstehende gesellschaftliche Folgekosten vermindert werden.

45

Kinder psychisch kranker Eltern (Kölch et al. 2007 ) Ingrid und Frank Stiftung

1. Belastung der Kinder:

80% der psychisch kranken Eltern sehen ihre Kinder als belastet durch die eigene Behandlung an

2. Integrierte Versorgung:

Eltern empfinden, dass Kinder nicht ausreichend bei Behandlung berücksichtigt werden, 35% werden nicht von Kindern besucht (vs. 7% ohne Kontakt außerhalb der Klinik)

3. Auswirkungen auf Behandlung der Eltern:

50% der Eltern hat bereits Klinikaufenthalte/Behandlung wegen der Kinder nicht wahrgenommen

4.

5. Versorgungssituation:

Im ländlichen Bereich werden die Kinder während der Behandlung zu 90% durch Partner oder Familie betreut ► aber 40 % sind mit der Betreuungssituation unzufrieden;

Hilfen durch öffentliche Jugendhilfe:

Ängste vor Jugendämtern: soziales Stigma, Ängste vor familienrechtlichen Folgen, Kontrolle (50,6% lehnen Kontakt komplett ab).

Kontakt zum Jugendamt vermieden, weil

27,7%

25

21,7% 19,3%

20

18,1% 18,1%

15 10 5 0 au s A ng st vo r B ev An orm gs t v un or An du So gs ng rge t v or rec Vo hts rur Be en tei ka tzu len nn g so te zia mi les t s Um ch lec fel d hte n E rfa hru ng en ke ine Hi lfe nö tig

Gliederung

Gut genug? Einleitung Misshandlungsdefinition Gelingendes Aufwachsen von Kindern und Entwicklungsrisiken

Kinderschutz beginnt mit Prävention – Frühe Hilfen

Elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen als Ansatzpunkt Früher Hilfen Aktuelle Entwicklungen in den Frühen Hilfen Interdisziplinäre Vernetzung Bundeskinderschutzgesetz

Prävention

Präventionskonzepte und Präventionsklassifizierungen „basieren auf der Vorstellung, dass durch aktives Handeln möglicherweise in der Zukunft eintretende unerwünschte Zustände oder Ereignisse verhindert bzw. abgemildert werden können" (Deutscher Bundestag, 2009).

Zur Prävention zählen: Förderung der Entwicklung und Erziehung Vorbeugung von Krankheiten Kinderschutz durch frühe Unterstützung, Bindungsförderung und wenn nötig: Interventionen in Gefährdungslagen

Frühe Hilfen und Kinderschutz kein Unterstützungs bedarf Frühe Hilfen Gefähr dung

Prävention

Förderung der Entwicklung und Erziehung Vorbeugung von Krankheiten

Kinderschutz durch frühe Unterstützung, Bindungsförderung

und wenn nötig: Interventionen in Gefährdungslagen

wissenschaftliche Definitionen (alt)

Primärprävention

= Prävention des Auftretens von z.B. Mißhandlung, Sucht oder Erkrankung (Ziel: Reduktion der Inzidenz)

Sekundärprävention

= Frühintervention zur Reduktion der Dauer (Ziel: Reduktion der Prävalenz )

Tertiärprävention

= Prävention möglicher Folgeschäden und Komplikationen (harm reduction) Vermeidung von Behinderung und Teilhabedefiziten (Rehabilitation)

Förderung der Entwicklung und Erziehung, Erziehungspartnerschaften, Intervention, Substitution „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ (§1 KJHG).

Prävention dient als multimodale und interdisziplinäre Aufgabe der Förderung des Individuums und des Allgemeinwohls :

Frühe Kindheit : Fokus Eltern/Kindbeziehung, Ausgleich körperlicher Risiken und psychosozialer Risiken.

Kindergarten- und Schulzeit : Erziehungspartnerschaften, Erzieher, Lehrer, etc.

Schulalter, Jugendlichenalter : Peergroups, Ausbilder, Partner, angeleitete Laien

The USIP-Treatment continuum

Universal Prevention

Selective Prevention Indicated Prevention Early Intervention

Treatment

Mögliche Maßnahmen:

setzen genaue Analysen der Rahmenbedingungen voraus Darauf aufbauend: - Informationsprogramme Verbesserung von Lebensbedingungen Sozial strukturelle Maßnahmen Besteuerungsmaßnahmen und ökonomische Transfers Interventionen

Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen“ Die Begriffsbestimmung wurde auf der 4. Sitzung vom Wissenschaftlichen Beirat des NZFH verabschiedet. Sie wurde von ihm gemeinsam mit dem NZFH erarbeitet und mit dem Fachbeirat des NZFH besprochen. Die Begriffsbestimmung spiegelt den derzeitigen Stand der Diskussion über Frühe Hilfen wider.

Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen“ Frühe Hilfen bilden

lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten Hilfsangeboten für Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren mit einem Schwerpunkt auf der Altersgruppe der 0- bis 3 Jährigen

. Sie zielen darauf ab, Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Eltern in Familie und Gesellschaft frühzeitig und nachhaltig zu verbessern. Neben alltagspraktischer Unterstützung wollen Frühe Hilfen insbesondere einen Beitrag zur

Vätern Förderung der Beziehungs und Erziehungskompetenz von (werdenden) Müttern und

leisten. Damit tragen sie maßgeblich zum gesunden Aufwachsen von Kindern bei und sichern deren Rechte auf Schutz, Förderung und Teilhabe.

Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen “ Frühe Hilfen umfassen vielfältige sowohl

allgemeine als auch spezifische,

aufeinander bezogene und einander ergänzende Angebote und Maßnahmen. Grundlegend sind Angebote, die sich an alle (werdenden) Eltern mit ihren Kindern im Sinne der Gesundheitsförderung richten (

universelle/primäre Prävention

). Darüber hinaus wenden sich Frühe Hilfen

Prävention).

insbesondere an Familien in Problemlagen (selektive/sekundäre

Frühe Hilfen tragen in der Arbeit mit den Familien dazu bei, dass Risiken für das Wohl und die Entwicklung des Kindes frühzeitig wahrgenommen und reduziert werden. Wenn die Hilfen nicht ausreichen, eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden, sorgen Frühe Hilfen dafür, dass weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes ergriffen werden.

Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen“ Frühe Hilfen basieren vor allem auf

multiprofessioneller Kooperation

, beziehen aber auch bürgerschaftliches Engagement und die Stärkung sozialer Netzwerke von Familien mit ein. Zentral für die praktische Umsetzung Früher Hilfen ist deshalb eine enge

Vernetzung und Kooperation von Institutionen

und Angeboten aus den Bereichen der Schwangerschaftsberatung, des Gesundheitswesens, der interdisziplinären Frühförderung, der Kinder- und Jugendhilfe und weiterer sozialer Dienste. Frühe Hilfen haben dabei sowohl das Ziel, die flächendeckende Versorgung von Familien mit bedarfsgerechten Unterstützungsangeboten voranzutreiben, als auch die Qualität der Versorgung zu verbessern.

Formen der Prävention (IOM)

(nach Munoz, Mrazek & Haggerty, 1994) indi zierte

bereits vorhandene Symptome und Auffälligkeiten beim Kind

selektive

Vorbeugung erwarteter negativer Entwicklungs verläufe beim Kind

universelle Intervention

Prozentsatz von in Frage kommenden Teilnehmer Allgemeine Verbesserung von Elternkompetenzen 66

Ethische und strategische Probleme der Implementierung

•Universelle Programme : breiter Ansatz – breite Akzeptanz •Selektive Programme: Angst der Eltern vor Überwachung ihrer Erziehungspraxis: fehlende gesellschaftliche Akzeptanz •USA, 80er Jahre, Budgetkürzungen  100 aufsuchende Angebote zur Prävention von Kindesmisshandlung verschwanden global präventiv angelegte Head Start Programme „überlebten“  Empfehlung verstärkt global präventive aufsuchende Angebote zu entwickeln (US Advisory Board on Child Abuse and Neglect, 1990) •aber: größere Wirksamkeit gezielt selektiver/sozialräumlicher Angebote (Karoly et al., 1998; Guterman,1999)

Gliederung

Gut genug? Einleitung Misshandlungsdefinition Gelingendes Aufwachsen von Kindern und Entwicklungsrisiken Kinderschutz beginnt mit Prävention – Frühe Hilfen

Elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen als Ansatzpunkt Früher Hilfen

Aktuelle Entwicklungen in den Frühen Hilfen Interdisziplinäre Vernetzung Bundeskinderschutzgesetz

Eltern als externe Regulationshilfe intuitive und kontinuierliche Regulation der wechselnden Erregungsniveaus und der emotionalen Befindlichkeit des Säuglings dyadische Emotionsregulation (Sroufe, 1996)

seelische Gesundheit ebenso wie psycho pathologische Entwicklungen vollziehen sich im

Kontext der Eltern-Kind-Beziehung

Modell Pears & Capaldi 2001 Frühe Elternschaft Elterliche Misshandlungs vorgeschichte Elterliche Psychopathologie Elterliches inkonsequentes Erziehungsverhalten SÖS Elterliche Misshandlung der Kinder Frühe Entwicklungs Probleme

Gliederung

Gut genug? Einleitung Misshandlungsdefinition Gelingendes Aufwachsen von Kindern und Entwicklungsrisiken Kinderschutz beginnt mit Prävention – Frühe Hilfen Elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen als Ansatzpunkt Früher Hilfen

Aktuelle Entwicklungen in den Frühen Hilfen:

Eigene Beiträge zur Palette der Frühen Hilfen Interdisziplinäre Vernetzung Bundeskinderschutzgesetz

Aktuelle Projekte in Deutschland (Beispiele)

Art Projekt

„Das Baby verstehen“ Cierpka, M. (2004) „Auf den Anfang kommt es an“ Ziegenhain, U., Reichle, B. et al. (2006)

Ort

deutschlandweit deutschlandweit

„Wir werden Familie“ Reichle, B. (1999)

deutschlandweit

Anzahl Besuche

5 nach Bedarf 3

SAFE Sichere Ausbildung für Eltern Brisch, K.-H. (2006)

deutschlandweit 10

„Schön, dass es dich gibt“ „Willkommen im Leben“

Krefeld Dormagen 1 1

„Hand in Hand“

Sigmaringen 1

„Gesunde Kinder“ Netzwerkprojekt STÄRKE

Niederlausitz Baden Württemberg nach Bedarf 5

Elternkurs Rheinland Pfalz

2. und aktualisierte Auflage des Elternkurses

„ Auf den Anfang kommt es an“ Evaluation Reichle & Franiek (2008) Prä-post-Design: • Befragung von 95 Eltern vor und nach ihrer Kursteilnahme mittels Fragebogen • parallel Erhebung derselben Fragebogendaten einer Kontrollgruppe, ebenfalls zu 2 Messzeitpunkten Ergebnisse: • signifikanter Wissenszuwachs • kein Abfall der Partnerschaftszufriedenheit (nur bei Besuch des Partnerschaftsmoduls) • signifikante Zunahme der Sicherheit im Umgang mit dem Kind

Gesundheitsförderung durch Förderung elterlicher Feinfühligkeit

„Die Chance der ersten Monate. Feinfühlige Eltern – gesunde Kinder“

Ein Projekt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie in Zusammenarbeit und Förderung mit der Techniker-Krankenkasse Baden Württemberg

Art

Aktuelle Projekte in Deutschland (Beispiele)

Projekt

Familienbesuch

Ort

Osnabrück

„Ich bin stark im Babyjahr“ Frühe Hilfen Aufsuchende Familienhilfe für junge Mütter „HOT“ HaushaltsOrganisationsTraining der Familienpflege

Berlin Steglitz-Zehlendorf Charlottenburg Wilmersdorf Niedersachsen Baden Württemberg

Anzahl

1 1 (dann nach Bedarf) 1 (dann nach Bedarf) nach Bedarf nach Bedarf

steps

Herford nach Bedarf

Wege aus der Krise

nach Bedarf

Wellcome (Weiterbildung für Ehrenamtliche) Familiengesundheitspfleger

Stuttgart Schleswig-Holstein, Hamburg (geplant in: Berlin, Dresden, Bayern, Niedersachsen) München, Essen nach Bedarf nach Bedarf

„Familienbesucher“ - Der Beginn

Familienbesucher: aktuell

Curriculum „Familienbesucher“ • • • • • • Fortbildungshandbuch 220 Seiten Präsentationen, Demovideos, Arbeits- und Infoblätter für die Fortbildung von Familienbesucherinnen 24 Module stehen für Multiplikatorinnen in Baden Württemberg kostenfrei zur Verfügung erfolgreich evaluiert mit Teilnehmerinnen aus den Modellstandorten fortlaufend überarbeitet und aktualisiert

Signifikanter Wissenszuwachs bei den Teilnehmerinnen F 1,33 = 32.4, p < .01

Familienbesucher Evaluation (Pillhofer et al., 2012, eingereicht) Teil II: Befragung der Eltern: • Die Eltern, die mit einem Besuch erreicht wurden, waren mit dem Angebot sehr zufrieden • Es konnten viele neue und passende Angebote vermittelt werden • Die Eltern sind sehr motiviert, die Angebote auch in Anspruch zu nehmen

Bewertung des Familienbesuchs durch die besuchten Eltern N=274

• • ausführliche Darstellung der Evaluationsergebnisse (Datenschutz-) rechtliche Expertise des DIJuF e.V.

Aktuelle Projekte in Deutschland (Beispiele)

Art Projekt

MAJA (Weiterbildung für Hebammen) Familienhebammen „ADEBAR“ „Familienhebammen“

Ort

Bayern

Anzahl

nach Bedarf Stadt Hamburg Stadt Pforzheim, Stuttgart, Esslingen, Oldenburg nach Bedarf nach Bedarf

Familienpfleger, Familienpaten, Dorfhelfer, Heilerziehungspfleger, Landfrauen

diverse Gemeinden in BW nach Bedarf

Kirchliche Familienpflegedienste

diverse Gemeinden nach Bedarf

Gemeindeschwestern in zur Unterstützung des Gesundheitssystems

Mecklenburg Vorpommern (auch in der Schweiz, Rumänien, Weißrussland) nach Bedarf

EKiB Entwicklung von Kindern in Beziehungen

Oberspreewald-Lausitz 11x in 3 Jahren 1) In den Kommunen Braunschweig, Celle, Göttingen, Hannover, Laatzen, Garbsen, Wolfsburg 2) In den Kommunen Leipzig, Plauen, Dresden, Muldentalkreis, Vogtlandkreis

Aktuelle Projekte in Deutschland (Beispiele)

Art Projekt

„Pro Kind – Wir begleiten junge Familien“ Opstapje Schritt für Schritt STEEP Steps towards effective, enjoyable parenting Egeland, B. & Erickson, M.F (2000) Suess, G. & Kissgen, R. (2005) Entwicklungspsychologische Beratung Ziegenhain et al. (2004) Münchner Schreisprechstunde Papousek et al. (2004)

Ort

Niedersachsen 1 , Bremen, Sachsen 2 deutschlandweit, Niederlande deutschlandweit deutschlandweit München

Anzahl

nach Bedarf 78x in 2 Jahren wöchentlich über 2 Jahre nach Bedarf nach Bedarf

Nationales Zentrum Frühe Hilfen: Evaluation der Modellprojekte in den Bundesländern

Wie Elternschaft gelingt – WIEGE (Hamburg & Brandenburg) Guter Start ins Kinderleben (Bayern, Baden Württemberg, Rheinland Pfalz, Thüringen) Frühe Hilfen für Eltern u. Kinder und soziale Frühwarnsysteme (NRW, Schleswig Holstein) Frühe Intervention für Familien – Pfiff (Hessen, Saarland) Früh Start (Sachsen-Anhalt) Chancen für Kinder psychisch kranker und/oder suchtbelasteter Familien (Mecklenburg-Vorpommern) Evaluation und Coaching zum Sozialen Frühwarnsystem (Berlin) Familienhebammen: Frühe Unterstützung – frühe Stärkung? (Niedersachsen) Pro Kind (Niedersachsen, Bremen, Sachsen) 1) Pro Kind 2) Familienhebammen: Frühe Unterstützung – frühe Stärkung?

aus: (BZgA/DJI 2008)

Interdisziplinär abgestimmte Gewährung unterschiedlicher Hilfen spezifische Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen hoch belastete Familien mit Säuglingen und Kleinkindern

+

aufsuchende Interventionsprogramme (reduzieren Misshandlung/Vernachlässigung; Guterman, 1997) - Pro Kind ( Nurse Family Partnership , Olds et al., 1999) - Opstapje (Sann et al., 2004) Keiner fällt durchs Netz (Cierpka et al)

+

gezielte Förderung elterlicher Feinfühligkeit und aufsuchend (Bakermans-Kranenburg et al.,2003; Juffer et al., 2008) - STEEP („Wiege“; Ludwig-Körner, Suess; Erickson & Egeland, 2006) - Entwicklungspsychologische Beratung („Guter Start ins Kinderleben“; Ziegenhain et al., 2004)

Unterstützung und Versorgung im Frühbereich – Wer koordiniert?

Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) Kinder. klinik Frühförderung Familienbildungs stätte KinderärztInnen Geburtsklinik Hebamme Schwangerschafts beratungsstelle Jobcenter GynäkologInnen KiTa Erziehungs beratungsstelle Suchtberatungs stelle Mutter-Kind Einrichtung Sozialpädagogische Familienhilfe niedergelassene( r) PsychotherapeutIn niedergelassene(r) Erwachsenen psychiaterIn niedergelassene(r) Kinder- und psychiaterIn Klinik für Erwachsenen psychiatirie Klinik für Kinder und Jugend psychiatirie

Praxisprobleme im Frühbereich - Etablierung von Strukturen

One Face to the Customer

Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) Kinder. klinik Frühförderung Familienbildungs stätte KinderärztIn Geburtsklinik Hebamme Schwangerschafts beratungsstelle Jobcenter Gynäkologin/e KiTa Erziehungs beratungsstelle Suchtberatungs stelle Mutter-Kind Einrichtung Sozialpädagogische Familienhilfe niedergelassene( r) PsychotherapeutIn niedergelassene(r) Erwachsenen psychiaterIn niedergelassene(r) Kinder- und psychiaterIn Klinik für Erwachsenen psychiatirie Klinik für Kinder und Jugend psychiatirie

DISSEMINATION

professionell Beteiligte im Frühbereich

Jugendamt Jugendhilfe Erziehungs beratungsstellen KiTas Familienbildungs stätten freie Träger Jugendhilfe Mutter-Kind Einrichtungen Schwangerschafts beratungsstellen Frühförderung Gesundheitswesen Geburtskliniken Psychiatrie (Eltern/Kind) Hebammen GynäkologInnen Gesundheitsamt Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) KinderärztInnen Justiz/Inneres Sonstige Suchtberatungsstellen Familiengericht Rechtsanwälte Agentur für Arbeit Sozialamt Verbände Staatsanwaltschaft Polizei Schulen etc….

Graphik: Netzwerk Kontakthäufigkeit Datengrundlage: Korrelation von .4 der Häufigkeit des Kontaktes bezüglich der Fallarbeit.

Aktionsprogramm "Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ (BMFSFJ)

Vernetzung im Kinderschutz Was hilft ? kommunale Herausforderungen

Projekt Zukunft für Kinder in Düsseldorf

– Clearingstelle interdisziplinär abgestimmte Hilfen ab der Geburt und in gemeinsamer Steuerungsverantwortung von Jugendamt und Gesundheitsamt  Pionierprojekt in Deutschland

Münchner Modell der Früherkennung und Frühen Hilfen für psychosozial hoch belastete Familien

v erbindliche Kooperation Sozialreferat und Referat für Gesundheit und Umwelt (administrative Verankerung und Steuerung/Monitoring, Schaffung neuer Stellen, Koordination und Vernetzung)

Frühe Hilfen im Ortenaukreis

- Fachstellen/Clearingstellen Fachstellen Frühe Hilfen an den Psychologischen Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche in fünf Raumschaften - Regelversorgung, Vernetzung Jugendhilfe/Gesundheitswesen

SPATZ in ULM •

Sp

ezifische

A

bschätzung von Entwicklungsrisiken und Hilfebedarf •

T

eilhabe von Eltern mit und ohne Migrationshintergrund an Regelangeboten und eventuell an bedarfsgerechten Hilfen •

Z

usammenarbeit der Professionen aus Jugendhilfe und Gesundheitshilfe •

in Ulm

Nachhaltige Etablierung interdisziplinärer Kooperations- und Vernetzungsstrukturen landespolitische Steuerung -

Systematische Verbreitung in die Fläche

 Beispiele Weiterentwicklungen aus dem Bundesmodellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“

www.eLearning-FrueheHilfen.de

Gliederung

Gut genug? Einleitung Misshandlungsdefinition Gelingendes Aufwachsen von Kindern und Entwicklungsrisiken Kinderschutz beginnt mit Prävention – Frühe Hilfen Elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen als Ansatzpunkt Früher Hilfen Aktuelle Entwicklungen in den Frühen Hilfen

Interdisziplinäre Vernetzung Bundeskinderschutzgesetz

Bundesland

Die Stichprobe einer Ulmer Befragung

Stadt Facharzt Häufigkeit Prozent

Ulm Kinderheilkunde Ulm Ulm Neu Ulm Allgemeinmedizin Ulm Gesamt Kinderheilkunde Neu Ulm Neu Ulm Allgemeinmedizin Neu Ulm Gesamt Gesamt 12 16 19 58 27 39 3 30,77 69,23 100,00 15,79 84,21 100 100

Ist die Schweigepflicht jetzt anders geregelt als früher?

ja nein weiss nicht verweigert gesamt Häufigkeit 12 32 9 5 58 Prozent 20,7 55,2 15,5 8,6 100,0

Wie ist die Schweigepflicht momentan in diesem Bereich für Sie als Arzt konkret geregelt?

 Zitat: „Weiß nicht. Ich rede mit Jugendschutz Menschen über alles was mir am Herzen liegt. Ich fühle mich da nicht unsicher.“  Zitat: „Die Schweigepflicht ist immer gleich geregelt.“ Nachfrage: „Wie denn konkret?“ Antwort: „Das weiß ich nicht. Das entscheide ich dann für mich."

Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)

Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen

Ziele: Frühe Hilfen und verlässliche Netzwerke schon für werdende Eltern Nachhaltige Stärkung des Einsatzes von Familienhebammen und der Netzwerke "Frühe Hilfen" Ausschluss einschlägig Vorbestrafter von Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe Verhinderung des "Jugendamts-Hopping" Befugnisnorm für Berufsgeheimnisträger zur Informationsweitergabe an das Jugendamt Regelung zum Hausbesuch 

zahlreiche Änderungen im SGB VIII

Das Bundeskinderschutzgesetz Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG): • • • § 1 Kinderschutz und staatliche Mitverantwortung § 2 Information der Eltern über Unterstützungsangebote in Fragen der Kindesentwicklung (durch Jugendhilfe) § 3 Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz •

§ 4 Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung

 Abgestuftes Vorgehen bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung

Bundeskinderschutzgesetz: § 4 KKG: Befugnisnorm • • § 4

Abs. 1

KKG: Berufsgeheimnisträger, die in unmittelbarem Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen:

ÄrztInnen, Hebammen, Entbindungspfleger, Angehörige anderer Heilberufe (staatl. Anerkennung), BerufspsychologInnen

, SozialarbeiterInnen, JugendberaterInnen, SuchtberaterInnen, LehrerInnen etc.

• Bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung sollen sie

„mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und soweit erforderlich bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt ist“

.

§ 4 KKG: Befugnisnorm • § 4

Abs. 2

KKG: • • Anspruch auf Beratung durch „insoweit erfahrene Fachkraft“ bzgl.

Gefährdungseinschätzung

für Berufsgeheimnisträger unter Angabe

pseudonymisierter

Daten!

§ 8b SGB VIII Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (1) Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen, haben bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung im Einzelfall

gegenüber dem örtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft.

(2) Träger von Einrichtungen, in denen sich Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages aufhalten oder in denen sie Unterkunft erhalten, und die zuständigen Leistungsträger,

haben gegenüber dem überörtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien

1. zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt sowie 2. zu Verfahren der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an strukturellen Entscheidungen in der Einrichtung sowie zu Beschwerdeverfahren in persönlichen Angelegenheiten.

§ 4 KKG: Befugnisnorm • • § 4

Abs. 3

KKG = eigentliche Befugnisnorm:

„Scheidet eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos und halten [die genannten Berufsgeheimnisträger] ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen infrage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten mitzuteilen.“

Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 KKG im Einzelnen • Befugnis zur Weitergabe der personenbezogenen Daten (Geheimnisse iSd § 203 StGB) an das Jugendamt, wenn 1. Hinwirken auf Inanspruchnahme weiterer Hilfe bei den Eltern a) „ausscheidet“ oder b) erfolglos bleibt 2. Tätigwerden des Jugendamtes zur Abwendung einer „Kindeswohlgefährdung“ für erforderlich gehalten wird

Befugnisnorm in Bezug auf die Schweigepflicht Abgestuftes Vorgehen im Rahmen der Güterabwägung Bei Anhaltspunkten für Kindeswohlgefährdung: Stufe 3 Stufe 1 Prüfung der eigenen fachlichen Mittel zur Gefährdungsabschätzung und Gefährdungsabwehr Mitteilung an das Jugendamt (Befugnis) wenn: Stufe 2 Hinwirken auf die aktive Inanspruchnahme von Hilfen durch die Personensorgeberechtigten  Tätigwerden dringend erforderlich ist  Personensorgeberechtigte nicht bereit oder nicht in der Lage sind, an Gefährdungseinschätzung oder Abwendung der Gefährdung mitzuwirken

§ 294a SGB V Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden

(1)Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor,

sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen.

Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen den Krankenkassen die erforderlichen Angaben versichertenbezogen.

(2) Liegen Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, den Krankenkassen die erforderlichen Daten mitzuteilen. Die Versicherten sind über den Grund der Meldung nach Satz 1 und die gemeldeten Daten zu informieren .

Diagnostik im Rahmen der ICD-10 und InEK Kodierrichtlinie Nach der Kodierrichtlinie des InEK dürfen in deutschen Krankenhäusern, obwohl in der offiziellen deutschen Fassung der ICD-10 (ICD 10GM) die misshandlungsrelevanten Diagnosen (T74) vorgesehen sind, diese Diagnosen nicht gestellt werden. Auch die Zusatzkodes in den Kapiteln Y und Z werden nicht verwandt, obwohl sie relevante Kostentrenner darstellen können. Solche Diagnosen sind aber gerade im Krankenhaus und gerade in Bezug auf sexuellen Missbrauch reliabel (vgl. McKenzie et al. 2011).

T74.-

IDC-10 Kodierung

Missbrauch von Personen Kodiere zunächst die akute Verletzung, falls möglich T74.0

T74.1

Vernachlässigen oder Imstichlassen Körperlicher Missbrauch Ehegattenmisshandlung o.n.A.

Kindesmisshandlung o.n.A.

T74.2

T74.3

T74.8

T74.9

Sexueller Missbrauch Psychischer Missbrauch Sonstige Formen des Missbrauchs von Personen Mischformen Missbrauch von Personen, nicht näher bezeichnet Schäden durch Missbrauch: - eines Erwachsenen o.n.A.

- eines Kindes o.n.A.

Wegen einer Kodierrichtlinie sollen diese Kodes derzeit im Krankenhaus nicht angegeben werden. Eine Überarbeitung der Richtlinie ist nach dem Beschluss des Runden Tisches sexueller Kindesmissbrauchs („Diagnostik und Intervention bei sexuellem Missbrauch, Vernachlässigung und Kindesmisshandlung sollten im Gesundheitswesen dokumentier und abrechenbar sein.“ „Die bestehenden Hilfsangebote müssen besser vernetzt werden, damit alle Betroffenen möglichst schnell Hilfe und qualifizierte medizinische Behandlung erhalten.“) derzeit in Diskussion.

Abrechenbarkeit von Diagnostik und Bedeutung der Verdachtsabklärung Beispiel: Schweizer Lösung, Schweizer Code CHOP 99.A4 und 99.A5

Eine vergleichbare Lösung in den deutschen OPS Kodes war von der GKinD e.V. in Deutschland beim DIMDI, einer nachgeordneten Behörde des BMG, beantragt worden. Der Antrag wurde abgelehnt.

Schweizer Gesundheitswesen definiert Abklärungsleistung inkl. Vernetzung: „Zusammenarbeit mit externen Stellen…“

Hier beißt sich die Katze in den Schwanz Vorgeschriebene Klassifikation nicht verwenden! Kodierrichtlinie Vernetzung im Kinderschutz durch wohlgemeinte Appelle oder Bundeskinderschutzgesetz fordern, Abklärung von Miss handlung und die notwendige Vernetzung im Gesundheits wesen aber nicht regeln !

Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung im Deutschen Gesundheitswesen:

Was gesehen wird soll nicht dokumentiert werden, was zur Abklärung und Wahrnehmung geleistet wird, soll nicht bezahlt werden und wenn doch gesehen und dokumentiert wurde, tragen die Opfer das Risiko, dass ihre Krankenkasse Strafanzeige stellt, um einen Regress gegen den Täter durchzuführen, ganz unabhängig, ob der/die Betroffene das will oder nicht.

• Das System ist blind für Entwicklungen in diesem Bereich, dabei sind Daten aus dem Gesundheitswesen die wichtigsten Indikatoren für eine erfolgreiche Kinderschutzpolitik.

• Weltweite Vergleiche sind unmöglich • Problemspezifische Planungen und Verbesserungen sind ebenfalls unmöglich • Betroffene fühlen sich persönlich unter Druck gesetzt

Nichts hören, nichts sehen … nichts sagen, weil sonst der Staatsanwalt kommt ?

Künstlerin: Anna Skrabal, Kinder- und Jugendpsychiaterin

Fazit : Gut genug?

Frühe Hilfen und Kinderschutz: Interdisziplinär abgestimmte Gewährung unterschiedlicher Hilfen Interdisziplinär ausgerichtetes Angebotsrepertoire 

passgenaue und interdisziplinäre Ausgestaltung Früher Hilfen

Regelung koordinierter Leistungserbringung im SGB V, im SGB IX und im SGB VIII

gesetzliche Regelungen im SGB V erforderlich um Vernachlässigung, Misshandlung und sex. Missbrauch im Gesundheitssystem dokumentierbar und Abklärung abrechenbar zu machen

Risiken, Ressourcen und Resilienzfaktoren e inzelfallbezogen abwägen

„Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“ Albert Einstein * 1889 Ulm

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm Steinhövelstraße 5 89075 Ulm www.uniklinik-ulm.de/kjpp Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert

Gliederung

Gut genug? Einleitung Misshandlungsdefinition Gelingendes Aufwachsen von Kindern und Entwicklungsrisiken Kinderschutz beginnt mit Prävention – Frühe Hilfen Elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen als Ansatzpunkt Früher Hilfen Aktuelle Entwicklungen in den Frühen Hilfen Interdisziplinäre Vernetzung Bundeskinderschutzgesetz