Versuch und Rücktritt §§ 22 – 24

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Transcript Versuch und Rücktritt §§ 22 – 24

Die Abgrenzung der
räuberischen Erpressung (§§ 253, 255)
vom Raub (§ 249 StGB)
Prof. Dr. Georg Steinberg
Abgrenzung der §§ 253, 255 von § 249
Prüfungsschema zu § 253 I
zu §§ 253 I, 255
1. objektiver Tatbestand
- Erpressungsmittel:
- Gewalt gegen eine Person/
- Gewalt/
- Drohung mit gegenwärtiger
- Drohung mit empfindlichem Übel
Gefahr für Leib oder Leben
- Opferverhalten:
Handlung/Duldung/Unterlassung
= Vermögensverfügung (str.!)
- Erfolg: Vermögensnachteil
2. subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Absicht, sich oder Dritten zu Unrecht zu bereichern
3. Rechtswidrigkeit
- keine Rechtfertigungsgründe
- Verwerflichkeit i.S.v. Absatz 2
4. Schuld
Prof. Dr. Georg Steinberg
Abgrenzung der §§ 253, 255 von § 249
Dogmatische Deutung der §§ 253, 255:
nach der „Verfügungstheorie“
nach der Rechtsprechung
Strukturanalogie zu § 263:
§ 253 als Selbstschädigungsdelikt
Betonung der Nähe zu § 240:
§ 253 nicht zwingend
Selbstschädigungsdelikt
erfordert „Vermögensverfügung“;
vis absoluta kein taugliches
Erpressungsmittel
„Vermögensverfügung“ nicht
erforderlich; auch Duldung einer
Wegnahme ist tatbestandsmäßig
Vermögensverfügung hinreichend
„freiwillig“, wenn das Opfer glaubt,
seine Mitwirkung sei für den
Erfolgseintritt unentbehrlich
„Freiwilligkeit“ unerheblich;
Unterscheidung zwischen
Wegnahme und -gabe nach dem
äußeren Erscheinungsbild
§§ 253, 255 stehen zu § 249 in
strengem Alternativitätsverhältnis.
§ 249 ist lex specialis zu §§ 253,
255.
Prof. Dr. Georg Steinberg
Abgrenzung der §§ 253, 255 von § 249
Fall 1: „7,50 DM“
= BGHSt 7, 252 ff. (1955)
Sachverhalt:
A und B gehen nach einem Kneipenbesuch mit dem leicht alkoholisierten
C spazieren; sie führen ihn an eine abgelegene Stelle und fordern ihn
unter Androhung von Prügeln auf, sein Geld herauszugeben. C übergibt
seine Geldtasche. A entnimmt die darin befindlichen 7,50 DM.
Lösung nach der Rechtsprechung:
- § 249 I scheitert mangels Wegnahme
- aber §§ 253 I, 255 gegeben.
Lösung nach der „Verfügungstheorie“:
- trotz andersartigen äußeren Erscheinungsbildes Wegnahme (§ 249 I)
- denn: das Opfer glaubte nicht, den Gewahrsamswechsel verhindern zu
können.
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Abgrenzung der §§ 253, 255 von § 249
Argumentationslinien
 Argumente gegen die Auffassung des BGH
– Deutung des § 249 als lex specialis widerspricht Gesetzessystematik
• Voranstellung der lex specialis unüblich; Rechtsfolgenverweis der
lex generalis auf die lex specialis unüblich
• § 249 wird, obwohl tradierter Kernbestand des StGB, überflüssig
– Verzicht auf Strukturanalogie zu § 263 bedeutet auch Verzicht auf
dogmatische Dichte und Konsistenz im Bereich Vermögensdelikte
– äußerliches Wegnehmen/-geben zufallsabhängig
 Argumente für die Auffassung des BGH
– „Freiwilligkeit“ bei Erpressung fragwürdig, ebenso der Bezug auf § 263
– Ausschluss der vis absoluta als Erpressungsmittel wenig plausibel
– sachliche Nähe von Raub/Räub. Erpressung spricht gegen Alternativität
– Praktikabilität (Beweisschwierigkeiten der Gegenauffassung)
– Vermeidung von „Strafbarkeitslücken“.
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Fall 2: „Die Spritztour“
BGHSt 14, 386 ff. (1960)
Sachverhalt:
A schoss dem im Taxi sitzenden Taxifahrer T mit einer Gaspistole ins
Gesicht, was diesen zwang, den Wagen zu verlassen. A unternahm
daraufhin eine Spritztour mit dem Wagen und brachte ihn sodann
plangemäß zurück: „Er habe so gern einmal Auto fahren wollen.“
Lösung nach der Rechtsprechung:
- § 249 I scheitert mangels Zueignungsabsicht (kein Enteignungsvorsatz)
- aber §§ 253 I, 255 sind gegeben (Vermögensnachteil: Besitzentziehung),
§250 II Nr. 1 Alt.1
Lösung nach der „Verfügungstheorie“:
- § 249 I scheitert mangels Zueignungsabsicht
- §§ 253 I, 255 scheitern mangels Vermögensverfügung
- es verbleiben: §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 1; § 240 I; § 248b I.
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Abgrenzung der §§ 253, 255 von § 249
Hinwiese auf didaktische Literatur
 Entscheidungen:
– BGHSt 7, 252 ff. (= „Fall 1“); BGHSt 14, 386 ff. (= „Fall 2“);
– BGHSt 25, 224 ff. (Abpressung eines Forderungsverzichts)
– BGH NStZ-RR 2011, 80 (Bestätigung von BGHSt 7, 252 ff.)
 Aufsätze:
– Brand, Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung am
Beispiel der Forderungserpressung, JuS 2009, S. 899 ff.
– Rönnau, Grundwissen Strafrecht: Abgrenzung von Raub und
räuberischer (Sach-)Erpressung, JuS 2012, S. 888 ff.
 Übungsfälle:
– Noak/Sengbusch, Jura 2005, 495 f.; Böse/Keiser, JuS 2005, 443 f.;
Kretschmer, Jura 2006, 220 f.; Radtke/Matula, JA 2012, 265 ff.
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