Einführung in die lateinische Paläographie Schnellkurs

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Transcript Einführung in die lateinische Paläographie Schnellkurs

Einführung in die
lateinische
Paläographie
Schnellkurs
© Th. Frenz, Passau 2003
1.
Von den Anfängen
bis zur
Karolingischen
Minuskel
Den Ausgangspunkt der Schriftentwicklung
bilden die (in ein Alphabet geordneten)
phönizischen Buchstaben, die zwischen
2000 und 1500 v. Chr. in Syrien/ Palästina
entwickelt wurden.
Sie bilden den Ursprung sowohl der
griechisch-lateinischen als auch der
hebräischen und der arabischen Schrift.
Aus der
phönizischen
geht über die
westgriechische
unter
maßgeblicher
Beteiligung der
etruskischen die
älteste Form der
lateinischen
Schrift hervor.
Phönizische
Schrift
Westgriechische
Schrift
etruskische
Schrift
Lateinische
Schrift
Ihre ältesten Buchstabenformen, wie sie
z.B. auf dem Lapis Niger auf dem Forum
Romanum zu beobachten sind, sind die
folgenden:
Aus dieser Schrift entwickelt sich durch
sorgfältige Ausführung der Buchstaben
die CAPITALIS, und zwar in 2 Varianten:
für Inschriften:
für Bücher:
Cap. Monumentalis Capitalis rustica
Die beiden Varianten unterscheiden sich
durch den Schreibwinkel: bei den
Inschriften sind die senkrechten Linien
dick, die waagerechten Linien dünn; bei
den Buchschriften ist es umgekehrt.
Inschrift
Buchschrift
Nur selten werden Bücher in Inschriftenschrift ausgeführt (Capitalis quadrata) oder
umgekehrt Inschriften in Bücherschrift
(Capitalis actuaria).
Breite Buchstaben
senkrechte Linien dick
Schlanke Buchstaben
waagerechte Linien dick
Inschriften
Capitalis
monumentalis
Capitalis
Actuaria
Buchschriften
Capitalis
quadrata
Capitalis
rustica
Für den täglichen Schriftgebrauch
entwickelte sich daneben die schwer
lesbare römische Kursive, wobei etwa
um 200 n. Chr. der Wechsel von einer
älteren zu einer jüngeren Form erfolgte:
Ältere Kursive
Jüngere Kursive
Aus der jüngeren Kursive entstanden
durch Stilisierung (teils unter dem Einfluß der Capitalis) alle späteren Schriften.
Und zwar zunächst die UNZIALE:
Und dann die sog. HALBUNZIALE, die
den heutigen „kleinen“ Buchstaben
schon recht ähnlich sieht.
Älteste römische Schrift
Capitalis Capitalis
monum. rustica
Unziale
ältere
Kursive
jüngere
Kursive
Halbunziale
Im gesamten antiken römischen Reich
waren die Schriften sehr einheitlich. Nach
dem Ende der Antike bildeten sich jedoch
aus der Halbunziale und der Kursive regional unterschiedliche Schriftstile heraus,
die man früher gerne als „Nationalschriften“ bezeichnete, und zwar
•
•
•
•
Die „insulare“ Schrift in Irland und England
Die „westgotische“ Schrift in Spanien
Die „beneventanische“ Schrift in Süditalien
Die „rätische“ Schrift im Gebiet der heutigen
Schweiz
• Die „merowingische“ Schrift im heutigen
Frankreich
Insulare Schrift
Insulare
Majuskel
Insulare
Minuskel
Westgotische Schrift
Beneventanische Schrift
Rätische Schrift
Merowingische Schrift
Schließlich entstand im späten 8. Jahrhundert (unter dem Einfluß der kulturellen Bestrebungen Pippins und Karls
des Großen) eine neue, ästhetisch hochstehende Minuskelschrift, welche im
Laufe der Zeit die „Nationalschriften“
verdrängte und Ausgangspunkt der
gesamten weiteren Schriftentwicklung
wurde, die KAROLINGISCHE MINUSKEL.
Während die Halbunziale und die sog.
Nationalschriften ganz außer Gebrauch
kommen, werden Capitalis und Unziale
als Auszeichnungsschriften in die
Karolingische Minuskel integriert.
Definition:
• In Majuskelschriften (z.B. Capitalis) sind alle
Buchstaben gleich hoch und lassen sich
oben und unten durch zwei Hilfslinien
begrenzen.
ABJP
• In Minuskelschriften sind die Buchstaben
unterschiedlich hoch. Einige haben
Oberlängen, andere haben Unterlängen,
wieder andere haben Ober- und Unterlängen
oder keines von beiden. Deshalb sind
zusätzlich je eine Hilfslinie ganz oben und
ganz unten, also vier Hilfslinien erforderlich.
abjp
Analyse der Buchstabenformen in der
Karolingischen Minuskel:
Link zu „Karolingische Minuskel.ppt“
In den INSCHRIFTEN unterbleibt die
Entwicklung zu den Minuskelschriften.
Statt dessen wird weiterhin die Capitalis
verwendet. Zeitweise dringen einzelne
Buchstabenformen aus der Unziale oder
aus anderen Schriften ein, z.B. auch aus
den germanischen Runen.
2.
Der Übergang zur
gotischen Schrift
Die gotische Schrift entwickelt sich etwa
seit der Jahrtausendwende aus der
Karolingischen Minuskel.
Sie ist gekennzeichnet durch
• die Brechung der Bögen
• die Bogenverbindung
• die starke Zunahme der Abkürzungen
Die gotischen Schrift entwickelt drei
Ausprägungen:
neben der ursprünglichen Minuskel
(Textura)
eine Kursive (Notula)
sowie eine „Rückkreuzung“ der
Kursive mit der Minuskel (Bastarda).
Die BRECHUNG erklärt sich am besten
als Folge einer seitlichen Pressung der
Schrift:
Deshalb können die Bögen der runden
Buchstaben wie o bzw. m, n usw. nicht
mehr als Kurve ausgeführt werden,
sondern müssen spitz umgebrochen
werden.
Bei der BOGENVERBINDUNG werden
Buchstaben mit einander zugekehrten
Bögen, wie z.B. pc oder od aneinander
gerückt, dann ineinander geschrieben
und endlich als Ligatur ausgeführt:
Die folgenden Graphiken zeigen, wie dabei
die Strichführung verläuft, z.B. bei bo:
Mit dem 3. Strich werden also Teile des 1. und
des 2. Buchstabens in einem Zug ausgeführt.
Später kann zwischen dem 3. und dem 4. Strich
ein Abstand auftreten, so daß die Ligatur aus
1 1/2 + 1/2 Buchstaben zu bestehen scheint.
3.
Die Abkürzungen
Es gibt folgende Typen von
Abkürzungen
•
•
•
•
Nasalstrich
Suspensions-Kürzungen
Kontraktions-Kürzungen
Abkürzungen durch besondere
Zeichen
• Abkürzungen durch besondere
Buchstabenformen
Nasalstrich
Der Nasalstrich ersetzt ein m oder ein n.
Er steht in der Regel über dem vorausgehenden Buchstaben:
dicut
sumus
= dicunt
= summus
Ein auslautendes m wird oft als flache 3
geschrieben:
cu3 = cum
Suspensions-Kürzung
Bei der Suspensions-Kürzung wird das
Wort normal begonnen, dann aber abgebrochen; statt dem 2. Teil des Wortes
steht das Abkürzungszeichen:
pont = pontificatus
Im Extremfall steht nur der 1. Buchstabe:
A = AUGUSTUS
Kontraktions-Kürzung
Bei der Kontraktions-Kürzung fällt eine
Buchstabengruppe im Innern des Wortes
weg; die vor allem im Lateinischen wichtige Endung bleibt erhalten:
nro = nostro
epm = episcopum
mia = misericordia
Nomina-Sacra-Kürzung
Ein Spezialfall der Kontraktionskürzung
sind die „Nomina-Sacra-Kürzungen“.
Hier werden Buchstaben in ihrer griechischen Lautbedeutung weiterverwendet:
Ih(sou)V = IHS = Iesus
Cr(isto)V = XPS = Christus
ab hier noch nicht voll ausgearbeitet
• humanistische Schrift = Wiederaufnahme
der karolingischen Minuskel
• humanistische Kursive (littera antiqua)
• humanistische Kursive (cancelleresca
italica)