Kinder- und Jugendliteratur als Bestandteil der interkulturellen

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Transcript Kinder- und Jugendliteratur als Bestandteil der interkulturellen

Kinder- und Jugendliteratur
- Spannungsfeld zwischen
Literaturwissenschaft, Pädagogik
und Didaktik innerhalb
der interkulturellen Germanistik
PhDr. Tamara Bučková, PhD.
Wintersemester 2009/2010
Literaturwissenschaftliche
Überlegungen
zum Begriff
Kinder- und Jugendliteratur
Vorlesung 1
Interkulturelle Germanistik
• Germanistik = Erforschung der „Welt der
deutschen Sprache“, an der
unterschiedliche Wissenschaften beteiligt
sind.
• Es handelt sich
– sowohl um linguistische Disziplinen
(Strukturlinguistik + anwendungsbezogene
Gebiete der Linguistik),
– als auch um literaturwissenschaftliche
Disziplinen (Literaturgeschichte,
Literaturtheorie, Literaturkritik).
Interkulturelle Germanistik
• Germanistik
• DaF
• Interkulturelle Germanistik = „Begegnung“
der einen mit der anderen Germanistik
– Fremdsprachengermanistik
(„Auslandsgermanistik“)
– Muttersprachengermanistik („Germanistik“)
– Alois WIERLACHER, Andrea BOGNER, Peter J.
BRENNER, Leo KREUTZNER, Lothar BREDELLA
etc.
Aus der Sicht
der Literaturwissenschaft
• Interkulturalität = Bildung von unterschiedlichen
hermeneutischen Welten
– Aspekt traditioneller Hermeneutik (z.B. Erklärung
eines Textes aus seinen Entstehungsbedingungen
heraus) wird durch einen räumlich-kulturspezifischen
Aspekt ergänzt (z.B. Rezeption aus der Sicht einer
anderen Kultur);
– Bei der Auslegung des Textes wird die
„Innenperspektive“ durch eine Vielzahl möglicher
„Au3enperspektiven“ relativiert und erweitert.
– Aspekt der Alterität (= Aspekt der Differenz):
„Fremdheit“ und „Vertrautheit“
Aus der Sicht des Rezipienten
(der die Rolle des Lesers künftig für die
Rolle des Text-Vermittlers wechseln kann)
Aspekt der Alterität ein Spannungsfeld von („das Fremde“
und das Eigene“) als Impulse für die
Auseinandersetzung mit der eigenen Welt
• Es handelt sich um ein ästhetisches Lesen, d.h. Ein
Spannungsfeld von soziokulturellen Determinanten des
Lesens und Determinanten des interkulturellen
Verstehen.
• Weltliteratur: kulturüberschreitende Rezeption (crosskultural reading)
• Langue-Literaturen: kulturspezifische und – differente
Rezeptionsbedingungen und Lektüreweisen für eine
interkulturelle Literaturwissenschaft.
(NORBERT MECKLENBURG
In Handbuch der interkulturellen Germanistik, 2003)
Kinder- und Jugendliteratur
- innerhalb der interkulturellen Germanistik
• Vergleich der literaturwissenschaftlichen Systeme
•
•
der KJL in den deutschsprachigen Ländern und der
Tschechischen Republik.
Unterschiedliche Systeme, der gleiche Gegenstand:
Literatur als künstlerischer Spiegel realer
Kinderwelten.
Poetologische Aspekte:
 Literarisch dargestellte Kinderwelten– Zusammenhang
zwischen dem Werk, Stil des Autors und der Rezeption
des literarischen Textes.
System der KJL
in den deutschsprachigen Ländern
und der Tschechischen Republik
Kinder- und Jugendliteratur
ist eine Gesamtheit kinder- und
jugendliterarischer Botschaften
(Hans-Heino EWERS,
Universität in Frankfurt am Main)
Kinder- und Jugendliteratur
(Hans-Heino EWERS, Malte DAHRENDORF, Carsten GANSEL etc.)
Symbolsystem der KJL
1. die Gesamtheit der für Kinder und Jugendliche
als geeignet empfundenen Texte
(intentionale KJL)
2. die Gesamtheit der für Kinder und Jugendliche
geschriebenen fiktionalen und nicht fiktionalen
Texte (spezifische KJL)
3. die Gesamtheit der von Kindern und Jugendlichen
rezipierten fiktionalen und nicht fiktionalen Texte
(Kinder- und Jugendlektüre) Deutschsprachige Literatur
Kinder- und Jugendliteratur
Ergänzungstextkorpora und ihre terminologische
Bezeichnung (H.-H.EWERS)
Deutschsprachige Literatur,
4. Nicht intendierte KJL
= Gesamtheit der Texte, die von Erwachsenen nicht empfohlen,
aber trotzdem von Kindern und Jugendlichen gelesen werden
5. Akzeptierte KJL
= Gesamtheit der Texte, die von Erwachsenen empfohlen und
von Kindern und Jugendlichen wirklich gelesen werden
1. Nicht akzeptierte KJL
= Texte, die zwar von den Erwachsenen empfohlen, aber von
Kindern und Jugendlichen nicht gelesen werden
Kinder- und Jugendliteratur
Symbolsystem der KJL – Ergänzungstexkorpora und ihre
terminologische Bezeichnung
(H.-H.EWERS)
Deutschsprachige Literatur
7. Sanktionierte KJL
= Gesamtheit der Texte, die von dazu autorisierten Instanzen als
geeignete Lektüre empfohlen worden sind und als solche eine
entsprechende Auszeichnung erfahren. Nicht selten handelt es
sich um Texte, die von der Literaturkritik mit einem Literaturpreis
prämiiert oder auf eine andere Art anerkannt wurden.
8. Nicht sanktionierte KJL
= Gesamtheit der Texte, die dem gewünschten Niveau der Kinderund Jugendlektüre nicht entsprechen und von den autorisierten
Instanzen mißachtet werden.
Kinder- und Jugendliteratur
Handlungssystem der KJL
in den deutschsprachigen Ländern
(= „Subsystem der KJL“)
• Ein Teilsystem des gesellschaftlichen
Handlungs- und Sozialsystems „Literatur“
• der Weg des vom Autor schon beendeten
Werkes zum Leser
Handlungssystem
als Subsystem der KJL
• Pragmatische textlich-kommunikative Kette:
Buchhandlung, Bibliothek, Schule
Fragen der
Kulturpolitik
↓
das literarische Werk
Fragen der
Bildung
Ökonomische
Fragen
der
(Büchermarkt)
↓
Leser
Einen besonderen
Fall stellt das
Gebiet der
Schulbildung dar
Die Gebiete des
Muttersprachenun
terrichts und des
FSU werden
streng getrennt
KLJ – Auffassung in Österreich
(Ernst SEIBERT, Universität Wien)
• Man bemüht sich die Besonderheiten
•
österreichischer KJL im Rahmen deutschsprachiger
Literatur zu betonen.
Es entwickelt sich eine neue Terminologie, die mit
der deutschen Auffassung der KJL semantisch
übereinstimmt oder mit ihr stark korrespondiert.
– Symbolsystem = Genre
– Handlungssystem = Metier
• In allgemeinen Beschreibungen arbeitet man mit
literarisch-philosophischen, –pädagogischen und psychologischen Aspekten (Kindheitsauffassung und
Kindheitsmotive im Wandel der KJL)
KJL-Auffassung in Tschechien
(Jana ČEŇKOVÁ, Otakar CHALOUPKA, Vladimír NEZKUSIL,
Jaroslav TOMAN, Svatava URBANOVÁ, Jaroslav VORLÍČEK, etc.)
• Klassifizierung kinder- und jugendliterarischer Texte
1. Intentionale KJL (Gesamtheit der von Anfang an für Kinder und
Jugendliche adressierten Texte);
2. Nicht intentionale KJL (Gesamtheit der Texte, die man ursprünglich
nicht an Kinder und Jugendliche adressierte, die aber im Laufe der
Zeit zum Bestandteil der KJL wurden und als solche betrachtet
werden;
3. Kinder- und Jugendlektüre.
• Das Handlungssystem als Subsystem der KJL stellt ein
Spannungsfeld zwischen Literaturwissenschaft,
Pädagogik und Psychologie dar und ist als eines der
Gebiete der Soziologie (Kulturforschungen,
Leseforschungen) zu erklären.
KJL im Rahmen germanistischer
(interkulturellen)
und komparatistischer Forschungen
• Deutschland
– Elmar O‘SULLIVAN (Universität Lüneburg)
– David RÖSNER (Universität …….)
• Österreich
– Ulrike WEDER (Universität Wien)
• Tschechien:
– Jana BAROKOVÁ (Masarykova universita v Brně)
– Jenny POLÁKOVÁ (Univerzita Palackého v Olomouci)
– Jaroslava JEHLIČKOVÁ (Univerzita Jana Purkyně v
Ústí nad Labem)
– Tamara BUČKOVÁ (Univerzita Karlova v Praze)
Zusammenfassung und Kommentar zum präsentierten System
(Tamara BUČKOVÁ) KJL als SYMBOLSYSTEM
•
Als primär ist die Gliederung der KJL-Texte in die
folgenden Textkorpora zu bezeichnen:
1. Spezifische (originäre) KJL;
2. Intentionale (intendierte) KJL;
3. Kinder- und Jugendlektüre (faktische Kinder- und
Jugendlektüre).
•
•
•
In der literaturwissenschaftlichen Praxis begegnet man auch
einer Terminologie, die mit den Ergänzungskorpora
verbunden ist.
Die Begriffe spezifische und intentionale KJL, Kinderund Jugendlektüre repräsentieren die
Standardterminologie.
Die Begriffe originäre KJL, intendierte KJL, faktische
Kinder- und Jugendlekt#ure stellen eine neue, von H.H.EWERS geschaffene Terminologie, dar.
Zusammenfassung und Kommentar zum
präsentierten System (Tamara BUČKOVÁ):
HANDLUNGSSYSTEM als Subsystem der KJL
•
Die Beschreibung des Handlungssystems findet in
den EWERS-Betrachtungen immer mehrere
Überschneidungsflächen mit der literarischen
Kommunikation.
•
Mit dem Begriff kinder- und jugendliterarische
Kommunikation wird vom EWERS der Weg eines für
den Kinder- oder jugendlichen Leser bestimmten
Textes zum faktischen Adressaten bezeichnet.
•
Die Aufmerksamkeit richtet sich auf den Sender und
seinen Einfluss auf die finale (inhaltliche und
„technische“) Form des vom Sender dem Leser
präsentierten (gesendeten) Werkes.
Zusammenfassung und Kommentar zum präsentierten
System (Tamara Bučková):
Handlungsystem als Subsystem der KJL
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Unter „technischer“ Form versteht man die berufliche
Ausführung des Textes in Form eines Mediums, meistens
eines Buchs. Das sind z.B.
das Cover, (Klappentext, Cover-Bild);
die Graphik des Textes;
das Papier und die Bindung des Buchs etc.
Zwischen der inhaltlichen und „technischen“ Form stehen die
Illustrationen,
die den Text entweder nur begleiten
oder die zu seinem untrennbaren Bestandteil werden und im Buch eine
Art „des zweiten Textes“ darstellen.
Den Text können auch andere Texte begleiten, die ihn
inhaltlich ergänzen können
Nachwort des Autors, Karten, Fotos,
Erklärungen in Form der Fussnoten etc.
Zusammenfassung und Kommentar zum präsentierten
System (Tamara Bučková):
Handlungssystem als Subsystem der KJL
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Abgesonderte Problematik der Übersetzungsliteratur
Umwandlung des sprachlichen Codes kann auch zu Veränderungen
im Inhalt führen.
Die erste Begegnung mit dem Buch ist meistens noch wichtiger als
im Falle der Heimatliteratur, wo eine größere Vertrautheit des Lesers
mit dem Autor vorauszusetzen ist.
Es handelt sich nicht nur um die Umwandlung eines sprachlichen
Codes in einen anderen, sondern auch um die Übertragung eines
literarischen Werkes in eine andere Kultur.
Das literarische Werk ist als semiotischer Repräsentant einer anderen
Literatur zu erklären.
Handlungssystem als Subsystem der KJL und
Subsystem des Fremdsprachenerwerbs.
Literarische Kommunikation kann auch als eine Art der
pädagogischen Kommunikation erklärt werden.
Abschlussworte
aus der Sicht der Komparatistik
• Trotz aller Unterschiede kann in beiden
Systemen, dem der deutschsprachigen Länder
und dem tschechischen, ein einigendes Element
gefunden werden.
• Dieses Element ergibt sich aus dem Aspekt des
Kindes und es ist das aus dem Lateinischen
stammende Lexem ´intentio´, also die Absicht
auf die Kinder (Jugendliche, junge Erwachsene)
als Textadressaten künstlerisch einzuwirken.
Abschlussworte
aus der Sicht der Komparatistik
• Einmal wird diese Absicht an erster Stelle dem
•
•
Autor des literarischen Werks zugeschrieben,
ein anderes Mal der Stellungnahme der
Erwachsenen zu dem konkreten Werk und zum
Autor/zur Autorin.
Immer geht es um eine künstlerische Aussage,
die mit spezifischer Poetik über die den Kindern
und Erwachsenen gemeinsame Welt erzählt, die
sie mindestens teilweise gemeinsam mitteilt.