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2. Fachtagung Psychische Belastungen im Beruf
Münstereifel, 16. und 17. Juni 2011
Messung psychischer Belastung –
Defizite und notwendige Weiterentwicklungen
Peter Richter, Claudia Nebel & Sandra Wolf
Technische Universität Dresden
FR Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
aos -
1
Drastischer Anstieg psychischer Erkrankungen
2
AOK- Institut WIdO 19.04.2011
Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen seit 1999 um
80% angestiegen
Lange Ausfallzeiten: mit 23,4 Tagen je Fall doppelt so lange wie
der Durchschnitt mit 11,6 Tagen je Fall 2010
Burnout als Zusatzinformation:
2004: 8,1 AU- Tage  2010: 72,3 AU- Tage
(um das 9-fache erhöht); Frauen doppelt so häufig krank
geschrieben wegen Burnout
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
aos -
Hat das etwas mit der Arbeit zu tun?
3
Häufung von AU- Tagen spezieller Berufsgruppen:
- Heimleiter, Sozialpädagogen
- Telefonisten, Call Center
Ebenso Risiko spezieller Berufsgruppen für
Frühberentung erhöht
- Hilfstätigkeiten in Humandienstleistung
- Telefonisten, Call Center
 Ungeeignet zur Gefährdungsuntersuchung:
- DGB- Index „Gute Arbeit“
- IGA- Barometer
 Nötig: gültige sozio-epidemiologische Modelle
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
aos -
4
1. Beendigung des begrifflichen
“semantischen Morastes”
in der Belastungs- Beanspruchungsforschung
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aos -
Belastung – Beanspruchung nach DIN EN ISO 10 075
5
Psychische Belastung:
Der Begriff “Belastung” wird hier wertneutral definiert.
 Vorschlag: für schädigende Belastungen Begriff „Fehlbelastung“ einführen
Psychische Fehl- Beanspruchung:
Die zeitlich unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen
Belastung (psychische Ermüdung, Monotonie, psychische Sättigung)
Stressbegriff im Sinne der Vereinbarung der Sozialpartner von Brüssel 2004
nutzen
Begriffe wie Dis- Stress und Eu- Stress wissenschaftlich unbrauchbar
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aos -
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2. Keine Neuentwicklungen, sondern Standardisierung und
Internationalisierung vorhandener Methodenentwicklungen
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aos -
Beispiele für gesicherte Methoden
Belastungsmessung/
Arbeitsinhalte:
7
COPSOQ, SALSA, SPA
WDQ (Work Design Questionnaire)
Beanspruchung:
EZ- Skalen, BMS
Gesundheitseinschränkungen:
MBI-GS, FBL, ERI, WHO-5
Risiko- Persönlichkeit:
Big Five, FABA
 Verfahrenkombination modulartig in PREVA- Diagnostik
daraus zusammengestellt
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3. Kombination objektiver und subjektiver Verfahren
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Verfügbare Beobachtungsinterviews
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“Trivialitätsfalle” ausschließlicher Fragebogen- Verfahren (Kasl)
Ergebnisse mit Rückmeldungsquoten < 50% kaum wissenschaftlich
interpretierbar und als Gefährdungsuntersuchung abzulehnen!
Beispiele für nutzbare Beobachtungsinterviews:
- VERA/ RHIA
- SIGMA, ISTA, SPA
- TBS, REBA, SGA
- KPG
Verfahrenentwickler bieten Schulungskurse für Nutzer an
(BR, SIFA, Arbeitsmediziner, Arbeits-und Organisationspsychologen)
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aos -
Arten arbeitspsychologischer Verfahren für Gefährdungsuntersuchungen
Bedingungsbezogen/objektiv
Personenbezogen/objektiv
Merkmale der Arbeit, unabhängig
vom ausführenden Individuum
(Beobachtung, Beobachtungsinterview durch Externe)
Objektive Daten über die
Beschäftigten (Krankenstandsdaten,
Fehlzeiten, physiologische Daten)
Reba 9.0
SGA
Screening
Gesundes Arbeiten
Bedingungsbezogen/subjektiv
Personenbezogen/subjektiv
Erlebte und bewertete Merkmale der
Arbeit, abhängig vom ausführenden
Individuum (Fragebögen zu
Arbeitsbedingungen)
Angaben zu Befinden und
Beanspruchungsfolgen
(Befragungen)
TU-Screening
TU Dresden
Erfassen psychischer Belastungen im
Professur für Arbeitsund Organisationspsychologie
Unternehmen
TU-Screening
Folie 10
aos -
10
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aos -
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4. Vereinheitlichte Risikobewertung
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aos -
Risikobewertung von Belastungen nach § 5 ArbSchG
Modell kumulativer Prozentränge:
PR(x) = (100/N) x ( cum f (x) – f (x)/2)
Cutoff- Werte:
<10%
umfasst die 10% Risiko-Arbeitssysteme
dringend Gestaltung erforderlich
ROT
10 – 25%
vertiefende Untersuchungen empfohlen
25 – 75% durchschnittlich, unauffällige Arbeitssysteme
> 75% best practice Beispiele
GELB
GRAU
GRÜN
 Anderes Vorgehen als der DGB- Index
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aos -
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5. Evidenzbasierte Risiko- Ressourcen- Modelle nutzen
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Job Demands-Resources Model
(Bakker & Demerouti, 2007)
15
Prozess der Gesundheitsreduktion
+
Job Demands
Job Resources
Burnout
-
+
Gesundheitliche
Beschwerden
-
+
Engagement
+
Motivation
Motivationaler Prozess
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Verifikation des Job Demand Resources Modells
Prozess der Gesundheitsreduktion
Job Demands
(Arbeitsintensität,
belastendes
Sozialklima,
Überforderung)
-.32**
Job Resources
(Aufgabenvielfalt,
Tätigkeitsspielraum,
soziale Unterstützung
durch Kollegen)
.34**
Burnout
(Zynismus,
emotionale
Erschöpfung)
-.56**
.47**
Gesundheitsbeschwerden
.69**
Stress
.48**
Depression
Körperliche
Beschwerden
-.64**
.44**
Engagement
Motivation
.22**
(professionelle
Effizienz)
Motivationaler Prozess
PREVA BGETEM Projekt N= 186
(Wolf & Nebel, 2009)
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aos -
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Kriterien humaner ganzheitlicher Arbeit nach DIN EN ISO 9241
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6. Durch psychische Fehlbelastungen verursachte
arbeitsbedingte Erkrankungen in DIN EN ISO 01 075
aufnehmen
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Pfadmodell des Zusammenhangs zwischen Beanspruchungs-Kurzzeitfolgen (BMS) 19
und Burnout bei Dienstleistungs- (N=145) und Produktionsbeschäftigten (N=145; kursiv)
Ermüdung
.74/.71
.65/.65
.00*/.02*
.67/
.71
.66/
.70
Stress
.57/.59
.60/
.44
Emotionale
Erschöpfung
.54/.48
.02*/-.18
Sättigung
.62/.80
.47/.68
.30/.27
Disengagement
Monotonie
* p < .05
(nach Demerouti, Bakker, Nachreiner & Ebbinghaus, 2002)
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aos -
.48/.33
Mediatormodell für Depressivität (N=298)
Überforderung
Arbeitsintensität
.77
.78
20
fehlbelastende äußere
Tätigkeitsbedingungen
.46
Fehlbelastungen
Depressivität
-.17
.51
-.12
.27
.69
Arbeitsressourcen
-.21
.53
Ganzheitlichkeit
Stress
.60
.45
Tätigkeitsspielraum
Aufgabenvielfalt
PREVA Projekt: Nebel & Wolf 2011
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
aos -
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7. Computergestützte Rückmeldung von Risiken,
Ressourcen und Gestaltungsempfehlungen
in Gefährungsuntersuchungen nach § 5 ArbSchG
Vorgehen der PREVA- Methodik
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
aos -
2-Stufen-Vorgehen der PREVA- Methodik
22
Modul 1: Screening (54 Items)
Modul 2a : Erweiterung des Screenings um SALSA (Riemann & Udris, 1996) und
ausgewählte Fehlbeanspruchungsfolgen: Burnout (MBI-GS, Schaufeli et al., 2003);
Stress, Angst, Depression (DASS, Lovibond & Lovibond, 1996)
Modul 2b: erneute Erweiterung um objektive Arbeitsanalysen (z.B. Reba, SGA,
BAD-PreSys-Gefährdungsbeurteilung)
TU Dresden
Erfassen psychischer Belastungen im
Professur für Arbeitsund Organisationspsychologie
Unternehmen
Folie 22
aos -
Screening Fragebögen Modulebene 1
Belastungen
23
Beanspruchungen
Arbeitsintensität und Tätigkeitsspielraum
FIT
(Richter, P., 2008): 10 Fragen
Aufwand und Belohnung
ERI
(Siegrist, J., 2008): 10 Fragen
Soziale Unterstützung
SALSA
(Udris, I & Rimann, M., 1999): 2 Fragen
Wohlbefinden
WHO-Five
(Brähler et al., 2007): 5 Fragen
Körperliche Beschwerden
GBB-24
(Brähler, E., Scheer, J. W., 2004): 9 Fragen
Organisationsbezogener Selbstwert
OBSE
(Kanning, U. P. & Schnitker, R., 2004): 10 Fragen
Erlebtes Führungsverhalten
MLQ
(Felfe, J., 2006): 8 Fragen
Gesamt: 24 Fragen
Gesamt: 30 Fragen
TU Dresden
54 Fragen
Erfassen psychischer Belastungen im
Professur für Arbeitsund Organisationspsychologie
Unternehmen
Folie 23
aos -
Beispiel Ableitung von Gestaltungsvorschlägen
24
(teilautonome Montagearbeitsgruppe, N=22)
Belastungen
Arbeitsinhalt
AI = 2,7 > 2.5
TSR = 3,0 > 2.5
Beanspruchungsfolgen
Anforder.Belohnung
Führung
ERI = 1.4 > 1
TF= 2,00 < 2.47
Wohlbefinden
Körperl.
Beschw.
Selbstwert
NormOBSE=3.8 >3.17
WHO-5= 13 <18 Beschw.druck
>7.47
Maßnahmen zur Verringerung psychomentaler Belastungen
(BAD-Katalog)
PB2
Arbeitsinhalt
TU Dresden
PB3
Wahrnehmung
Führungsverantwortung
PB6
Soziale Beziehung
Erfassen psychischer Belastungen im
Professur für Arbeitsund Organisationspsychologie
Unternehmen
Folie 24
aos -
Wann sollte vertiefend analysiert werden?
25
Modul 1: Screening (54 Items)
Indikation vertiefende Analyse: ab 1 Belastungsbereich und/ oder mehr
als 1 Beanspruchungsfolgenbereich überschreiten Risikogrenzwerte
Modul 2a : Erweiterung zusätzliche arbeitsbedingte Belastungsfaktoren und
ausgewählte Fehlbeanspruchungsfolgen
Modul 2b: erneute Erweiterung um objektive Arbeitsanalysen (Reba, SGA)
BAD-PreSys-Gefährdungsbeurteilung
TU Dresden
Erfassen psychischer Belastungen im
Professur für Arbeitsund Organisationspsychologie
Unternehmen
Folie 25
aos -
Vertiefende Analyse: Modulebene 2a und 2b
26
Arbeitsbedingungen
SALSA (gekürzte Form) (Udris, I & Rimann, M., 1999,
Richter, Nebel, Wolf, 2006): 33 Fragen
Stress. Angst, Depression
DASS (Lovibond P. F. & Lovibond, S. H., 1995): 16 Fragen
Burnout
MBI-GS (Schaufeli et al., 1996): 16 Fragen
Engagement
UWES (Schaufeli et al., 2002): 9 Fragen
Arbeitszufriedenheit (Semmer, N. & Baillod, J., 1993): 8 Fragen
TU Dresden
Erfassen psychischer Belastungen im
Professur für Arbeitsund Organisationspsychologie
Unternehmen
Folie 26
aos -
Ressourcenorientierte Bewertung von Belastung und Beanspruchung
TU Dresden
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
Folie 27
aos -
27
Maßnahmenempfehlungen- Beispiele
28
Störungen/ Unterbrechungen:
- Analyse von Störquellen
- Zeitmanagementrainings
- Seminare zum Umgang mit Kundenbeschwerden
Mangelnde Tätigkeitsspielräume:
- Prozessgestaltung (jon enrichment, job sharing)
- Partizipationsmöglichkeiten
- Delegation von Aufgaben, Entscheidungstechniken
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
aos -
29
8. Vom Sammeln und Systematisieren zum
Bewerten von Methoden der Belastungsanalyse
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
aos -
30
Verdienstvolle Systematisierung:
Toolbox 1.2 (2011) Verfahren zur Erfassung psychischer Belastungen
www.baua.de/toolbox
Für eine breite Nutzung evidenz-basierte Instrument künftig jedoch nötig:

Weitere Schritte analog Therapiekonferenz in Medizin
zu einer Bewertung und Empfehlung von Verfahren
etwa hinsichtlich: - Screening vs. Detailanalyse
- Belastungs- vs. Beanspuchungs-/Gesundheitsanalyse
- Einsatzfelder (z.B. Humandienstleister, Industrie)
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aos -
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9. Ökonomische Bewertung der
betrieblichen Gesundheitsförderung
„Like it or not, the language of business
is dollars, not correlation coefficents.“
(Cascio, 1991)
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aos -
Ökonomische Nutzensberechnung von
Gesundheitsförderung , Fritz 2006
Formel zu Nutzensschätzung
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U = UB – K
U/K
Nutzen = Bruttonutzen – Kosten
Maßnahme
Nutzenverhältnis
eine investierte EUR bringt ... EUR
UB = dt . SDy . A . N . t
Bruttonutzen = Effektstärke . Wert . Anteil an Leistung . Teilnehmer Effektdauer
einziger
40 %
schwierig Jahresgeha
zu
lt
schätzende Zielgruppe
r Wert ohne
in EUR
Dimension
„0“-„1“ ohne
Dimension
ohne
Dimension
in
Jahren
(Fritz, 2001)
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aos -
PREVA- ökonomischer Nutzen von Interventionen
33
Publikation in: Fritz, S. & Richter, P. (2011)
Journal of Public Health. Zeitschrift für Gesundheitsförderung
Themenheft 2
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aos -
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10. Die Zukunft des erweiterten Arbeitsschutzes gehört der
Diagnostik und Entwicklung psychosozialer Ressourcen
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aos -
Psychosoziale Ressourcen im Arbeitsprozess
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Ressourcen: Kompensations- und Schutzkomponenten, die es erlauben,
trotz Risikofaktoren eigene Ziele zu verfolgen und unangenehme
Einflüsse zu reduzieren (Udris, 2007)
Organisationale
Ressourcen
 Aufgabenvielfalt
 Tätigkeitsspielräume
 Qualifikationsnutzung
 Lernmöglichkeiten
 Partizipationsmöglichkeiten
Soziale
Ressourcen
Personale
Ressourcen
Soziale Netzwerke
Unterstützung
durch:
 Vorgesetzte
 Arbeitskollegen
 Lebenspartner
 andere Personen
Mitarbeiterorientier
ter Führungsstil

Zukunftsorientiertheit
 Optimismus
 Kohärenzerleben
 Selbstwirksamkeit,
Selbstwert
 Internale
Kontrollerwartungen
 Flexible
Bewältigungsstile
 Selbstregulationsfähigkeit
 Erholungsfähigkeit
Gegenstand der betrieblichen
Gefährdungsbeurteilung
TU Dresden
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
Folie 35
aos -
Psychosoziale Folgen der Veränderungen in der Arbeitswelt und
deren präventive Beeinflussung
Veränderungen
in der Arbeitswelt
Gestaltung von
Ressourcen
In der Arbeit
Dezentralisierung
Vermeidung
negativer Beanspruchungsfolgen
(DIN 10 075)
Tätigkeitsspielräume
Ermüdung
flexible, virtuelle
Aufgabenvielfalt
Monotonie
Teams,
Rückmeldungen
soziale
Unterstützung
Sättigung
flache Hierarchien
Wissensmanagement,
prekäre
Arbeitskontrakte
Vermeidung
arbeitsbedingter
Erkrankungen
Stress-Reaktionen
Herz-KreislaufErkrankungen
Muskel-SkelettErkrankungen
Depressionen
mitarbeiterorientierte Führung
Monitoring
flexible, proaktive
Effizienz der Arbeit
herabgesetzte
Vigilanz
36
BSC
EFQM
Monitoring
Monitoring
Präventive Bonussysteme
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37
„ Der Erschöpfungszustand der Arbeitenden dieser
Gesellschaft hat einen Grad erreicht, der die
Identität der Subjekte antastet und die Gesellschaft
mit einer depressiven Gefühlslage überzieht.“
(Oskar Negt, 2011)
Quelle: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 15/2011)
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
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