4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften

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Makroökonomik
© RAINER MAURER, Pforzheim
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
Prof. Dr. Rainer Maurer
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Makroökonomik
© RAINER MAURER, Pforzheim
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.1. Steady States und erschöpfbare Ressourcen
4.2.2. Solows Prinzip der Gesamtkapitalstockskonstanz
4.2.3. Alternative Lehrmeinungen
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
4.4. Kontrollfragen
Vertiefungsliteratur:
◆ Chapter 24, Mankiw, N.G.: Principles of Economics, Harcourt College Publisher
◆ Kapitel 15, Siebert, Horst; Einführung in die Volkswirtschaftslehre; Kohlhammer.
◆ Kapitel 27, Abschnitt 9, Baßler, Ulrich, et al.; Grundlagen und Probleme der
Volkswirtschaft, Schäfer-Pöschel.
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Prof. Dr. Rainer Maurer
Makroökonomik
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
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2400
Mrd. €
Entwicklung des deutschen BIP in Preisen von 1995
Mrd. €
2200
2000
1,1% p.a.
1800
1600
1400
1200
2,5% p.a.
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1000
800
1970
1975
Quelle: SVG, Jg. 2002/3
Quelle: SVG, Jg. 2004/5
Prof. Dr. Rainer Maurer
1980
1985
1990
1995
Gleitender 7-jahres Durchschnitt des BIPs
2000
BIP
2005
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Per-Capita-GDP at PPP-Dollar of 2005
(Index 1950=100)
1800
South Corea
1600
1400
Japan
1200
1000
Spain
Ireland
Thailand
800
600
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India
400
USA
200
Uganda
Venezuela
Nicaragua
Bolivia
0
1950
1955
1960
1965
Quelle: Penn World Tables, NBER
Prof. Dr. Rainer Maurer
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Die neoklassische Wachstumstheorie von Solow/Swan:
■ Stark vereinfachtes Modell einer Volkswirtschaft:
◆ Modellstruktur identisch mit neoklassischem
Makromodell (vgl. AU 2.1.).
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◆ Während aber im neoklassischen Makromodell nur das
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Geschehen innerhalb einer Periode betrachtet wird
(=statisches Modell), wird im Solow/Swan-Modell die
Entwicklung der Volkswirtschaft über mehrere Perioden
hinweg betrachtet (=dynamisches Modell).
-7-
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Der Grundgedanke der Theorie von Solow/Swan (1):
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■ Das BIP eines Landes wächst, wenn es dem Land
gelingt, Produktionsfaktoren zu akkumulieren.
■ Akkumulierbare Produktionsfaktoren sind solche, die
bei der Produktion von Gütern nicht vollständig
verbraucht werden:
◆ Sachkapital (Maschinen, Produktionsgebäude)
◆ Humankapital (Wissen und Fähigkeiten von Menschen)
◆ Technisches Wissen
◆ Öffentliche Güter wie Rechtssicherheit, innere & äußere
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Sicherheit, Verkehrsinfrastruktur etc.
■ Zur Vereinfachung wird die Theorie zunächst anhand
der Akkumulation von Sachkapital erläutert.
-8-
Das Grundprinzip der neoklassischen Wachstumstheorie
Das Solow-Swan Modell
.
1. Periode
+
Zahlungen für
Faktordienste
Zahlungen für
Konsum
Kapitalstock wächst
Investitionen > Abschreibungen
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Ersparnis = Investitionen
Ersparnisse
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Das Grundprinzip der neoklassischen Wachstumstheorie
Das Solow-Swan Modell
.
2. Periode
+
Zahlungen für
Faktordienste
Zahlungen für
Konsum
+
Kapitalstock wächst
Investitionen > Abschreibungen
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Ersparnis = Investitionen
Ersparnisse
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- 11 -
Das Grundprinzip der neoklassischen Wachstumstheorie
Das Solow - Swan Modell
.
3. Periode
+
Zahlungen für
Faktordienste
Zahlungen für
Konsum
+
+
Kapitalstock wächst
Investitionenen > Abschreibungen
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Ersparnis = Investitionen
Ersparnis
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Das Grundprinzip der neoklassischen Wachstumstheorie
Das Solow - Swan Modell
.
➤Der Wachstumserfolg nach 3 Perioden:
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 Wachstum
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Wie lange wächst das BIP?
= Wie lange wächst der Kapitalstock?
➤ Solange die Investitionen (das was zum Kapitalstock
hinzukommt) größer sind als die Abschreibungen (=
der Verschleiß von Produktionsanlagen):
Kt+1 = Kt + It – λ * Kt
(vgl. AU 2.1., F. 28)
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>
=> Kt+1 > Kt
➤ Da die Investitionen gleich den Ersparnissen der
Haushalte sind, kann man auch sagen, dass eine
Volkswirtschaft solange wächst, wie die Ersparnisse
größer sind als die Abschreibungen.
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Das Grundprinzip der neoklassischen Wachstumstheorie
Das Solow - Swan Modell
.
+
+
+
Steady State!
(Kein neuer Bagger!)
Zahlungen für
Faktordienste
Zahlungen
für Konsum
Investitionen = Abschreibungen
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Ersparnis = Investitionen
Ersparnis
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Steady State:
■ Das Solow/Swan Modell impliziert also, dass eine
Volkswirtschaft nicht unendlich wächst, sondern
irgendwann einen Zustand erreicht, in dem sie weder
wächst noch schrumpft (=Steady State)
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■ Wann dieser Zustand erreicht wird, hängt einerseits
von der Höhe der Ersparnis ab, andererseits von der
Höhe der Abschreibungsrate ab.
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■ Je höher die jährliche Ersparnis und je niedriger die
jährlichen Abschreibungen, desto höher ist der Steady
State Kapitalstock.
- 17 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Grafische Darstellung des Solow/Swan-Modells:
■ Zur Vereinfachung der grafischen Darstellung wird
angenommen, dass die Haushalte immer einen festen
Prozentsatz ihres Einkommens sparen:
St  s * Yt
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Ersparnisset  Sparquote * Einkomment
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■ Beispiel: Bei einer Sparquote von 10% (s = 0,1) und einem
Einkommen von 100 000 € (= Y) betragen die Ersparnisse
10 000 € (s * Y = 0,1 * 100 000 = 10 000).
■ Empirisch gesehen liegen die langfristigen Sparquoten der
meisten Länder in einem Bereich von 5% - 15%.
Deutschland hat durchschnittliche Sparquote von ca. 11%.
- 18 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
30
Y
Y(A,B,P,L,H,K)
28
26
24
22
Wie verläuft die Sparkurve in
Abhängigkeit vom BIP?
20
18
16
14
12
10
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0
0
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K
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4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
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Y
Y(A,B,P,L,H,K)
28
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24
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20
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S=s*Y
16
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12
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0
0
2
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32
34
36
38
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K
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Was machen die Haushalte mit ihren Ersparnissen?
■ Sie bieten sie auf dem Kapitalmarkt an.
➤ Wer fragt die Ersparnisse der Haushalte nach?
■ Die Unternehmen
➤ Wer sorgt dafür, dass die angebotenen Ersparnisse
gleich den nachgefragten Ersparnissen sind?
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■ Der Zins (= Preis für Ersparnisse)
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Der Kapitalmarkt
i
S = s*Y
Angebotsüberschuss => Zins sinkt
i1
i*
i2
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I(i,K)
Nachfrageüberschuss => Zins steigt
I=S
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I, S
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Der Kapitalmarkt
i
S = s*Y
Der Zinssatz sorgt also als
„Marktpreis für Kredite“ für den
Ausgleich von Angebot und
Nachfrage, so dass die
Investitionen immer genau so
hoch sind wie die Ersparnis
S=s*Y = I(i,K)
i1
i*
i2
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I(i,K)
I=S
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I, S
- 24 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Der Marktmechanismus auf dem Kapitalmarkt sorgt dafür,
dass die Investitionen immer genau so hoch sind wie die
Ersparnisse.
➤ Wir können deshalb im Folgenden davon ausgehen, dass
die Investitionen immer gleich den Ersparnissen sind.
➤ Es gilt also immer:
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S(Y) = I(i)
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
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Y
Y(A,B,P,L,H,K)
28
26
K*λ
24
22
20
S = s*Y= I
18
16
14
12
10
K * λ = Verschleiß des
Kapitalstocks pro Periode
8
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6
5
4
=> λ = 5/7 = 71% = Abreibungsrate
2
0
0
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2
4
6
8
7
10
12
14
16
18
20
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26
28
30
32
34
36
38
40
K
- 26 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Bis zu welchem Punkt wächst das
BIP dieser Volkswirtschaft wenn
der Kapitalstock bei Kt liegt?
30
Y
28
26
Y(A,B,P,L,H,K)
K*λ
24
22
20
S = s*Y= I
18
16
14
12
10
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2
0
0
2
4
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10
Kt
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12
14
16
18
20
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24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y
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Y(A,B,P,L,H,K)
28
26
24
K*λ
22
20
Yt
S = s*Y= I
18
Ct
16
14
12
10
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St = It
6
4
2
0
0
2
4
6
8
10
Kt
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12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
- 28 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y
30
Y(A,B,P,L,H,K)
28
26
24
K*λ
22
20
Yt
S = s*Y= I
18
Ct
16
14
12
= ΔKt+1 = Kt+1 – Kt
10
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6
Kt * λ
4
2
0
0
2
4
6
8
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Kt
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12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
- 29 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y
Y(A,B,P,L,H,K)
K*λ
Yt
S = s*Y= I
Ct
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= ΔKt+1 = Kt+1 - Kt
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Kt * λ
Kt
ΔK
Kt+1
K
- 30 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y
30
Y(A,B,P,L,H,K)
28
26
24
Yt+1
Yt
K*λ
22
Ct+1
20
S = s*Y= I
18
16
= ΔKt+2 = Kt+2 – Kt+1
14
12
10
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8
Kt+1 * λ
6
4
2
0
0
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2
4
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10
Kt
12
14
16
18
Kt+1 ΔKt+2
20
22
24
Kt+2
26
28
30
32
34
36
38
40
K
- 31 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y
30
Y(A,B,P,L,H,K)
28
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Yt+2
Yt+1
Yt
24
K*λ
Ct+2
22
20
S = s*Y= I
18
= ΔKt+3 = Kt+3 – Kt+2
16
14
12
10
Kt+2 * λ
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6
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0
0
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2
4
6
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Kt
12
14
16
18
20
22
24
26
28
Kt+1 Kt+2 ΔKt+3 Kt+3
30
32
34
36
38
40
K
- 32 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y
Yt+3
Yt+2
Yt+1
Yt
30
Y(A,B,P,L,H,K)
28
26
24
K*λ
Ct+3
22
20
18
= ΔKt+4
16
S = s*Y= I
= Kt+4 – Kt+3
14
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Kt+3 * λ
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0
0
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2
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Kt
12
14
16
18
20
22
24
26
28
Kt+1 Kt+2 Kt+3 ΔKt+4 K
30
32
34
36
38
40
K
- 33 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
30
Y
Y*t Yt+4
Yt+3
Yt+2
Yt+1
Y(A,B,P,L,H,K)
28
26
24
K*λ
C*t
22
20
Yt
18
s*Y(A,B,P,L,H,K)= I
16
14
Kt+1 – Kt = 0
12
I*t = Kt * λ
10
8
Steady
State!
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6
4
2
0
0
2
4
6
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10
12
14
16
18
20
22
24
26
K*t
Prof. Dr. Rainer Maurer
Kt+1 Kt+2 Kt+3 Kt+4
28
30
32
34
36
38
40
K
- 35 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Bisher wurden zur Vereinfachung nur die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital berücksichtigt.
➤ Empirische Untersuchungen zeigen, dass aber auch
andere Faktoren einen starken Einfluss auf das Wachstum
haben:
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Yt  f K t , B, L, H, P, A 
Prof. Dr. Rainer Maurer
■
■
■
■
■
■
Kt = physisches Kapital (akkumulierbar)
L = physische Arbeit
H = Humankapital (akkumulierbar)
P = öffentliche Güter (akkumulierbar)
A = technisches Wissen (akkumulierbar)
B = Boden
- 37 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Physisches Kapital (Kt):
■ Bestand an Maschinen und Bauten, die zur Produktion von
Gütern verwendet werden. Es sind „produzierte“ (derivative)
Produktionsfaktoren.
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■ Da physisches Kapital dauerhaft ist, d.h. bei seinem Einsatz
während eines Jahres nicht völlig verschlissen wird, kann es
i.d.R. über mehrere Jahre hin verwendet werden. Die
Summe des über die Jahre angesammelten (akkumulierten)
physischen Kapitals (Maschinen, Produktionsanlagen, Immobilien, Software etc. ) ist der Kapitalstock eines Landes.
Prof. Dr. Rainer Maurer
■ Der Kapitalstock zu Beginn eines bestimmten Jahres wird
berechnet, indem zu dem bereits existierenden Kapitalstock
des Vorjahres die Bruttoinvestitionen des Vorjahres
hinzuaddiert und die Abschreibungen (= geschätzter
physischer Verschleiß von Maschinen und Gebäuden)
subtrahiert werden.
- 38 -
8000
Zusammensetzung und Wachstum des deutschen Kapitalstocks
(Preise = 1995)
Mrd. €
Mrd. €
8000
7000
6000
6000
5000
5000
4000
4000
3000
3000
2000
2000
1000
1000
© RAINER MAURER, Pforzheim
7000
0
1970
Prof. Dr. Rainer Maurer
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
0
Maschinen, Software, Urheberrechte u.a. (rechte Skala)
Nichtwohnbauten (rechte Skala)
Quelle: Statisches Bundesamt, Fachserie
18, Reihe 1.4; AMECO-Datenbank der
Wohnbauten (rechte Skala)
- 39 EU-Kommission eigene Berechnungen
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Menschliche Arbeit besteht aus zwei Komponenten:
■ Physische Arbeit (L)
(auch „Roharbeit“) bezeichnet die körperliche Arbeitskraft, die
jeder Mensch auch ohne Schulausbildung besitzt. Ein
einzelner Mensch kann seine physische Arbeitskraft nicht
wesentlich erhöhen. Akkumulation physischer Arbeitskraft
findet deshalb nur durch Bevölkerungswachstum statt.
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■ Humankapital (H)
Prof. Dr. Rainer Maurer
bezeichnet die Fähigkeiten und das Wissen eines Menschen.
Beides kann durch Training und Lernen erhöht werden.
Humankapital ist deshalb – wie physisches Kapital –
akkumulierbar. Die Höhe des Humankapitalstocks eines
Landes hängt von der Qualität der Berufs- und Schulausbildung seiner Arbeitskräfte ab.
- 40 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Technisches Wissen (A):
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■ bezeichnet das für die Produktion von Gütern und
Dienstleistungen notwendige naturwissenschaftliche
Wissen.
■ Technisches Wissen ist akkumulierbar.
■ Im Gegensatz zu anderen Produktionsfaktoren ist
technisches Wissen nicht materiell greifbar.
■ Ist in den Produktionsanlagen „gespeichert“.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 41 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Boden (B):
■ Unter Boden werden sämtliche natürlichen Ressourcen
eines Landes zusammengefasst. Unter den natürlichen
Ressourcen versteht man die Produktionsfaktoren, die in
der Natur vorgefunden werden: Land, Gewässer, Mineralien,
fossile Brennstoffe, Metalle etc. Sie können aber i.d.R. nie
so, wie sie in der Natur vorkommen, in der Produktion
eingesetzt werden, sondern müssen abgebaut, transportiert
und weiterverarbeitet werden.
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■ Allgemein unterscheidet man zwischen erneuerbaren (Wald,
Wasserqualität, Sonnenenergie) und nicht erneuerbaren Produktionsfaktoren (fossile Brennstoffe, Metalle, Mineralien).
Prof. Dr. Rainer Maurer
■ Wir werden in Abschnitt 4.2., wo wir verschiedene
wirtschaftspolitische Konzepte für ein „nachhaltiges“ Steady
State einer Volkswirtschaft zurückkommen, diese
Unterscheidung noch einmal aufgreifen.
- 42 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Öffentliche Güter (P)
■ sind die für das Funktionieren einer Volkswirtschaft notwendigen
Güter, die von Märkten nicht zur Verfügung gestellt werden, weil
Nichtzahler nicht vom Konsum dieser Güter ausgeschlossen
werden können oder weil der Staat sich die Produktion vorbehält.
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■ Das sind vor allem folgende Güter:
◆ Rechtsicherheit / Innere Sicherheit
◆ Landesverteidigung
◆ Verkehrsinfrastruktur
◆ Katastrophenschutz
◆ Bildungsinfrastruktur
Prof. Dr. Rainer Maurer
■ Da vergleichsweise schwer messbar, wurden diese Faktoren lange
Zeit von der Wachstumstheorie vernachlässigt. Empirische
Untersuchungen weisen aber auf eine große Bedeutung für den
langfristigen Wachstumserfolg von Volkswirtschaften hin.
- 43 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Was passiert mit dem Kapitalstock, wenn der
Bestand der anderen Produktionsfaktoren wächst?
Y  f K, B, L, H, P, A  
=>
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K?
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- 44 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y(A1,B,P,L,H,K)
30
Y
28
K*λ
26
24
Yt
Primäreffekt
22
Y(A0,B,P,L,H,K)
20
18
Y*t
16
14
s*Y(A0,B,P,L,H,K)= I
12
10
8
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4
2
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
K*t
Prof. Dr. Rainer Maurer
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
- 45 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y(A1,B,P,L,H,K)
30
Y
28
K*λ
26
24
Yt
Y(A0,B,P,L,H,K)
22
20
s*Y(A1,B,P,L,H,K)= I
18
Y*t
16
14
s*Y(A0,B,P,L,H,K)= I
12
10
8
© RAINER MAURER, Pforzheim
6
4
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0
0
2
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10
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K*t
Prof. Dr. Rainer Maurer
18
20
22
24
26
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30
32
34
36
38
40
K
- 46 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y(A1,B,P,L,H,K)
30
Y
28
K*λ
26
24
Yt
22
20
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Y*t
s*Y(A1,B,P,L,H,K)
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14
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K*t
Prof. Dr. Rainer Maurer
18
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30
32
34
36
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K
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4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y(A1,B,P,L,H,K)
30
Y
28
K*λ
26
24
Yt
22
20
18
s*Y(A1,B,P,L,H,K)
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0
0
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Kt
Prof. Dr. Rainer Maurer
18
20
22
24
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28
30
32
34
36
38
40
K
- 48 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y(A1,B,P,L,H,K)
30
Y
28
K*λ
26
24
Yt
22
Ct
20
18
s*Y(A1,B,P,L,H,K)
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Kt+1 - Kt
12
10
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Kt * λ
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6
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0
0
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Kt
Prof. Dr. Rainer Maurer
18
20
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30
32
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40
K
- 49 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y(A1,B,P,L,H,K)
30
Y
Y*
28
Sekundäreffekt
24
Yt
K*λ
26
Y(A0,B,P,L,H,K)
22
Primäreffekt
20
18
s*Y(A1,B,P,L,H,K)
Y*t
16
14
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0
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Kt
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K*
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36
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40
K
- 50 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Ein Anstieg eines anderen Produktionsfaktors führt
also zum Wachstum des Kapitalstocks und einem
neuen Steady State–Niveau des BIPs:
Y  f K, B, L, H, P, A   => s * Yt  St  It  K t * δ
λ
=>
K t 1  K t  It  K t * λδ  0
=>
© RAINER MAURER, Pforzheim
=>
Prof. Dr. Rainer Maurer
K
Y  f B,P,L,H,K ,A 
- 51 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
Y(A1,B,P,L,H,K)
30
Y
Y*
28
K*λ
26
24
Yt
22
20
18
s*Y(A1,B,P,L,H,K)
16
14
12
Welche Faktoren
bestimmen die Höhe
des langfristigen
Gleichgewicht-BIPs?
10
8
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6
4
2
0
0
2
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Kt
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K*
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30
32
34
36
38
40
K
- 52 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤Zusammenfassung:
■ Das Solow/Swan-Modell erklärt, welche Faktoren
langfristig das Wachstum des BIP bestimmen.
◆Hauptfaktor: Akkumulation von Produktionsfaktoren:
Sachkapital
o Humankapital
o Technisches Wissen
o Öffentliche Güter…
© RAINER MAURER, Pforzheim
o
Prof. Dr. Rainer Maurer
■ Wenn das Solow/Swan-Modell, die Realität
einigermaßen richtig beschreibt, erhöhen all diese
Faktoren also das BIP.
- 53 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Wie realistisch ist das Solow-Swan Modell?
➤ Wie kann man überprüfen, ob ein Modell trotz seiner
Vereinfachungen realistisch ist?
■ Das Solow-Swan Modell erklärt eine empirisch beobachtbare
Variable (das BIP) in Anhängigkeit von anderen empirisch
beobachtbaren Variablen (Sparquote, Faktorausstattung…).
© RAINER MAURER, Pforzheim
■ Das Solow-Swan Modell behauptet also einen Zusammenhang zwischen beobachtbaren Variablen. Diese Art
von Behauptung nennt man „empirische Hypothese“
➤ Man kann durch Vergleich mit realen Daten feststellen,
ob eine empirische Hypothese falsch ist.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 54 -
Per-Capita-GDP at PPP-Dollar of 2005
(Index 1950=100)
1800
South Corea
1600
1400
Japan
1200
1000
Spain
Ireland
Thailand
800
600
© RAINER MAURER, Pforzheim
India
400
USA
200
Uganda
Venezuela
Nicaragua
Bolivia
0
1950
1955
1960
1965
Quelle: Penn World Tables, NBER
Prof. Dr. Rainer Maurer
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
- 55 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Bei einer Überprüfung der empirischen Hypothese des SolowSwan Modells muss man berücksichtigen, dass wir nicht
wissen, ob ein Land in seinem Steady-State Gleichgewicht ist
oder nicht.
➤ Deshalb muss man die Hypothese so formulieren, dass sie
auch außerhalb des Steady-State gilt.
➤ Man erhält dann folgende Gleichung:
© RAINER MAURER, Pforzheim
ln  yi,t   b0  b1 * ln  i  ni   b2 * ln  sk,i   b3 * ln  sh,i   b4 * ln  yi,0 
ProKopf
BIP
Abschrei- Bevölkerungs- Investitionsquote Investitionsquote Pro-Kopf BIP in
bungsrate
Humankaptial
Sachkapital
wachstum
Basisperiode
➤ Die rechts vom Gleichheitszeichen stehenden Variablen
nennt man „erklärende Variablen“, weil das Solow-Swan
Modell behauptet, dass diese Variablen yi,t erklären.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 56 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
➤ Man kann mit einem statistischen Verfahren (OLS-Regression) versuchen, Werte für die bi-Koeffizienten zu finden, die die Abweichungen zwischen den tatsächlichen Werten von yi,t und den aus der
Gleichung nach Einsätzen der erklärenden Variablen resultierenden
Werte von yi,t minimieren. Wenn dies nicht gelingt, muss man die
Hypothese verwerfen, dass der von der Theorie behauptete Zusammenhang zwischen yi,t und den erklärenden Variablen besteht.
➤ Eine OLS-Regression für 74 Länder von 1960-1985 ergibt folgende
Ergebnisse:
© RAINER MAURER, Pforzheim
ln  y t   1,6  0,9 * ln    ni   0,7 * ln  sk,i   0,2 * ln  sh,i   0,7 * ln  y 0 
➤ Die statistischen Prüfmaße zeigen, dass bi-Werte existieren, die
obige Bedingung mit relativ hoher statistischer Wahrscheinlichkeit
erfüllen.
➤ Das R²-Maß zeigt, dass die Gleichung „89% der beobachtbaren
Varianz“ des Pro-Kopf BIP dieser 74 Länder „erklärt“.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 57 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
© RAINER MAURER, Pforzheim
➤Folgende Schaubilder illustrieren noch einmal
den starken Einfluss des Kapitalstocks auf
das BIP-Wachstum:
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 59 -
Trendwachstum des Kapitalstocks in Deutschland
(Preise = 1995)
5%
4%
3%
2%
1%
© RAINER MAURER, Pforzheim
0%
1970
Prof. Dr. Rainer Maurer
1975
1980
1985
1990
1995
2000
Kapitalstockwachstum (gleitender 7-jahres Trend; linke Skala)
Quelle: AMECO-Datenbank der EU- 60 Kommission eigene Berechnungen
Trendwachstum von Kapitalstock und BIP in Deutschland
(Preise = 1995)
5%
4%
3%
2%
1%
© RAINER MAURER, Pforzheim
0%
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
Kapitalstockwachstum (gleitender 7-jahres Trend; linke Skala)
BIP-Wachstum (gleitender 7-jahres Trend; linke Skala)
Prof. Dr. Rainer Maurer
Quelle: AMECO-Datenbank der EU- 61 Kommission eigene Berechnungen
4. Die langfristige Entwicklung von
Volkswirtschaften
© RAINER MAURER, Pforzheim
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.1. Steady States und erschöpfbare Ressourcen
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 63 -
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.1. Steady States und erschöpfbare Ressourcen
© RAINER MAURER, Pforzheim
➤ Das "steady state" einer Volkswirtschaft, wie im vorangegangen
Abschnitt hergeleitet, ist ein Zustand, in dem das BIP weder wächst
noch schrumpft im Zeitverlauf.
➤ In dieser Version des Solow-Swan Models ist das möglich weil das
Problem erschöpfbarer Ressourcen vernachlässigt wurde.
➤ Es wurde implizit unterstellt, dass alle Produktionsfaktoren entweder
1. die Eigenschaft einer "erneuerbaren Ressource" haben, d.h. sie
reproduzieren sich in jeder Produktionsperiode von selbst, oder
2. wie der Produktionsfaktor "Sachkapital" in gewissem Umfang in
jeder Periode verschlissen werden ("Abschreibungen"), aber
dieser Verschleiß in jeder Periode durch Investitionen ersetzt wird.
➤ Diese Version des Solow-Swan Models vernachlässigt also das
Problem "erschöpfbarer" Ressourcen, d.h. Produktionsfaktoren, die
sich nicht reproduzieren und/oder deren Verschleiß nicht ersetzt
werden kann durch Investitionsgüter, z.B. fossile Brennstoffe, Metalle,
Mineralien…
➤ Es ist klar, dass bei Berücksichtigung erschöpfbarer Ressourcen, die
für die Produktion von BIP notwendig sind, das Erreichen eines
dauerhaften "Steady State" weitaus schwieriger werden kann.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 64 -
➤ Eine nützliche Neueinteilung der Produktionsfaktoren:
Y  f  K, A, H, P, L,
© RAINER MAURER, Pforzheim
Akkumulierbare Produktionsfaktoren, die mit anderen
Produktionsfaktoren produziert werden:
K = Sachkapital
A = Technologisches
Wissen
H = Humankapital
P= Öffentl. Güter
Erneuerbar (erschöpfbar)
falls produziert mit
erneuerbaren (erschöpfbaren) Ressourcen.
Prof. Dr. Rainer Maurer
Erneuerbare
Ressourcen:
B

Erschöpfbare
Ressourcen:
Idealtyp: SonnenWind- & geothermische
Energie
Idealtyp: B = Fossile
Brennstoffe, Metalle,
Mineralien
Bedingt: Roharbeit,
Wälder, Wasser, Luft,
Abfallaufnahmekapazität der Umwelt..
(Falls nicht "übernutzt")
Bedingt: Roharbeit,
Wälder, Wasser, Luft,
Abfallaufnahmekapazität der Umwelt..
(Falls "übernutzt")
- 65 -
➤ Eine nützliche Neueinteilung der Produktionsfaktoren:
Y  f  K, A, H, P, L,
Akkumulierbare Produktionsfaktoren, die mit anderen
Produktionsfaktoren produziert werden:
Payment
for Prod.
Factors
Consumption of
Households
Erneuerbare
Ressourcen:
B

Erschöpfbare
Ressourcen:
Steady State
© RAINER MAURER, Pforzheim
Investment = Depreciation
Steady State möglich, wenn mit
erneuerbaren oder substitutierbaren Ressourcen produziert.
Prof. Dr. Rainer Maurer
Steady State möglich,
wenn nicht "übernutzt"
Steady State möglich,
wenn substituierbar…
- 66 -
4. Die langfristige Entwicklung von
Volkswirtschaften
© RAINER MAURER, Pforzheim
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.1. Steady States und erschöpfbare Ressourcen
4.2.2. Solows Prinzip der Gesamtkapitalstockskonstanz
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 67 -
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.2. Solows Prinzip der Gesamtkapitalstockskonstanz
➤ Solows "Substitutionselastizitäts-Optimismus":
„The world can, in effect, get along without natural resources,
so exhaustion is just an event, not a catastrophe.“
Solow, R. (1974): The Economics of Resources or the Resources of Economics, American Economic Review
➤ Solow zeigt, wenn "genügend Substituierbarkeit" zwischen erschöpfbaren Ressourcen und akkumulierbaren Produktionsfaktoren vorliegt,
ist es immer möglich, das folgende Wohlfahrtskriterium zu erfüllen:
© RAINER MAURER, Pforzheim
"…the current generation is always entitled to take as much
out of the common intertemporal pool as it can, provided
only that it leaves behind the possibility that each
succeeding generation can be as well off as this one.“
Solow, R. (1986): On the Intergenerational Allocation of Natural Resources, in: Scandinavian Journal of Economics
➤ Mit anderen Worten, das Kriterium ist erfüllt, wenn die gegenwärtige
Generation genügend Produktionsfaktoren den zukünftigen Generationen hinterlässt, damit diese ein Pro-Kopf Einkommen erreichen können,
das mindestens so hoch ist, wie das der gegenwärtigen Generation
(Maximin-Prinzip).
- 68 -
Prof. Dr. Rainer Maurer
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.2. Alternative Konzepte
➤ Solows Gesamtkapitalstockskonstanz, auch "neoklassische
Nachhaltigkeit" oder "sehr schwache Nachhaltigkeit" (VWS) genannt,
basiert auf folgenden beiden Werturteilen:
© RAINER MAURER, Pforzheim
1. Ein normatives Werturteil (oder "ethische Regel"), nach der die
gegenwärtige Generation den kommenden Generationen genügend
Produktionsfaktoren hinterlassen soll, so dass diese mindestens den
gleichen Konsum wie die gegenwärtige Generation realisieren kann
(Maximin Prinzip , Folie 67)."
2. Ein empirisches Werturteil (oder "technologische Vermutung"), wonach
eines der drei genannten Sets für "genügend Substituierbarkeit" (Folie 68)
immer erfüllt ist.
➤ Solche Werturteile sind immer bestreitbar, d.h. es gibt keine logische
Notwendigkeit, sie zu akzeptieren.
➤ Im Folgenden werden kurz einige alternative Standpunkte erläutert:
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 73 -
4. Die langfristige Entwicklung von
Volkswirtschaften
© RAINER MAURER, Pforzheim
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.1. Steady States und erschöpfbare Ressourcen
4.2.2. Solows Prinzip der Gesamtkapitalstockskonstanz
4.2.3. Alternative Lehrmeinungen
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 74 -
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.2. Alternative Konzepte
Empirisches
Werturteil
Konsequenz
Vertreter
Offener „Nach uns die
Hedonis- Sintflut!“
mus
Überflüssig bei
diesem Werturteil !
=> Keine
Notwendigkeit zur
Berücksichtigung
der Interessen
zukünftiger
Generationen!
Madame
de Pompadour
???
Erkenntnistheoretischer
Skeptizismus
Die bisherige
Technikgeschichte
zeigt, dass es nicht
möglich ist, die
langfristige Zukunft
zuverlässig zu
prognostizieren.
=> Keine!
Menschen sorgen
natürlicherweise für
ihre Kinder, deren
näherliegende Zukunft besser
prognostizierbar ist.
Das genügt.
Jan
Narveson
(Philosoph,
University
of Waterloo)
© RAINER MAURER, Pforzheim
Name
Prof. Dr. Rainer Maurer
Ethisches
Werturteil
Es wäre nicht
verantwortungsvoll
die häufig noch immer prekäre Wohlfahrt jetziger Generationen auf Basis
höchst unsicherer
Prognosen der
Wohlfahrt zukünftiger Generationen
einzuschränken.
- 75 -
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.2. Alternative Konzepte
Ethisches
Werturteil
Empirisches
Werturteil
Konsequenz
„Sehr
Schwache
Nachhaltigkeit“
Zukünftige
Generationen
sollten mindestens
genau so viel
konsumieren
können, wie die
jetzige Generation.
(Maximin-Prinzip)
Es wird langfristig
möglich sein, alle
erschöpfbaren
Ressourcen durch
erneuerbare
Ressourcen oder
technisches
Wissen zu
substituieren.
=> Keine staatliche
Eingriffe nötig.
Marktmechanis-men
lösen das Problem
der intertemporalen
Ressourcenallokation
auf effiziente Weise.
„Schwa- Zukünftige
che Nach- Generationen
haltigkeit“ sollten mindestens
genau so viel
konsumieren
können, wie die
jetzige Generation.
(Maximin-Prinzip)
Eine vollständige
Substituierbarkeit
erschöpfbarer
Ressourcen durch
andere Produktionsfaktoren ist
empirisch betrachtet nicht sehr
wahrscheinlich.
=>Es ist notwendig Min- “London
© RAINER MAURER, Pforzheim
Name
Prof. Dr. Rainer Maurer
destmengen erschöpfbarer Produktionsfaktoren und die Übernutzungsgrenzen erneuerbarer Ressourcen
zu respektieren - aber
nur so weit wie für das
Überleben der Menschheit nötig (= anthropozentrische Sicht).
Vertreter
Robert
Solow
School”:
Pearce,
Markandya,
Turner
- 76 -
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.2. Alternative Konzepte
Konsequenz
Vertreter
„Strenge Mengenmäßige
Ob erschöpfbare
Nachhal- Konstanthaltung des Ressourcen
tigkeit“
heutigen Bestandes substituierbar sind
an Naturkapital
spielt keine Rolle,
(= natürliche Resda sich der
sourcen + Ökomenschliche
systeme), egal wie Konsum sowieso
hoch die Opportuni- der Konstanthaltung
tätskosten in Form des Naturkapitals
von Konsumverzicht unterordnen muss.
sind.
=>Ökonomisches
Wachstum ist nur
erlaubt, wenn es
genügend technischen Fortschritt
gibt, der ein größeres BIP erlaubt,
ohne dass es zu
einem Rückgang
von Naturkapital
kommt.
Ott,
Grunwald,
Norton
„Kritische Mengenmäßige
Jede Art von WirtNachhal- Konstanthaltung des schaftswachstum
tigkeit“
heutigen Bestandes verursacht
an Naturkapital,egal unerwünschte
wie hoch die Oppor- Abfallprodukte und
tunitätskosten des reduziert das
Konsumverzichts
Naturkapital
=>Wirtschafts- und Boulding,
Bevölkerungswachs Daly
tum müssen beendet werden. Wachstum ist nur noch als
nicht materielles
- 77 Wachstum erlaubt.
© RAINER MAURER, Pforzheim
Name
Prof. Dr. Rainer Maurer
Ethisches
Werturteil
Empirisches
Werturteil
© RAINER MAURER, Pforzheim
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.2. Alternative Konzepte
➤ Das „Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit„ (“Tripple Bottom Line”)
■ ...ist eine weitergehendes Konzept von Nachhaltigkeit, als die bisher
hier diskutierten.
■ Es enthält nicht nur ökonomische und ökologische Zielvorstellungen
sondern auch soziale Zielvorstellungen.
■ Diese sozialen Zielvorstellungen basieren auf Werturteilen über
„soziale Gerechtigkeit“ und notwendigen Bedingungen für „soziale
Stabilität“.
◆ Werturteile über „soziale Gerechtigkeit“ (Leistungsgerechtigkeit,
egalitäre Gerechtigkeit, Startgerechtigkeit...) sind normative
Entscheidungen und können nicht „wissenschaftlich“ begründet
werden. Sie sind subjektiv und beruhen auf persönlichen
Präferenzen.
◆ Werturteile über notwendige Bedingungen für „soziale Stabilität“
basieren auf soziologischen Theorien und beruhen deshalb auf
empirischen Einschätzungen.
➤ Das „Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit„ ist deshalb ein politisches
Konzept, das in noch stärkerem Maße auf subjektiven persönlichen
Standpunkten beruht als die zuvor diskutierten Nachhaltigkeitskonzepte.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 78 -
4. Die langfristige Entwicklung von
Volkswirtschaften
© RAINER MAURER, Pforzheim
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.1. Das Solow-Swan Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft
4.2. Lehrmeinungen zur Nachhaltigkeit von Steady States
4.2.1. Steady States und erschöpfbare Ressourcen
4.2.2. Solows Prinzip der Gesamtkapitalstockskonstanz
4.2.3. Alternative Lehrmeinungen
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 79 -
Struktur des deutschen Bruttoinlandsproduktes
100%
Bruttowertschöpfung der Wirtschaftszweige in % des BIP
Staatliche Dienstleistungen
90%
80%
Sonstige private Dienstleister1)
48 %
70%
60%
50%
Finanzierung, Vermietung,
Unternehmensdienstleister
71 %
Handel- und Gastgewerbe
40%
30%
48 %
© RAINER MAURER, Pforzheim
20%
Produzierendes Gewerbe
28 %
10%
0%
1970
Land- und Forstwirtschaft
1975
Quelle: SVG, Jg. 2004/5
Prof. Dr. Rainer Maurer
1980
1985
1990
1995
2000
- 80 -
Struktur des deutschen Erwerbstätigenbestandes nach Wirtschaftszweigen
100%
Anzahl der Erwerbstätigen der Wirtschaftszweige in % des Erwerbstätigen insgesamt
Staatliche Dienstleistungen
.
90%
80%
70%
Sonstige private Dienstleister
46 %
Finanzierung,
Vermietung,
Unternehmensdienstleister
71 %
60%
Handel- und Gastgewerbe
50%
40%
30%
45 %
Produzierendes Gewerbe
© RAINER MAURER, Pforzheim
20%
27 %
10%
0% Land- u. Forstwirtschaft
1970
1975
Quelle: SVG, Jg. 2004/5
Prof. Dr. Rainer Maurer
1980
1985
1990
1995
2000
- 81 -
Long-run Development of the Structure of German GDP by Production
(in Percent of Total GDP; Current Prices)
80%
73%
70%
69%
61%
60%
57%
53%
50%
49%
47%
40%
37%
33%
30%
49%
43%
41%
40%
53%
33%
31%
31%
28%
48%
48%
41%
41%
38%
36%
33%
32%
30%
27%
25%
21%
20%
16%
15%
© RAINER MAURER, Pforzheim
10%
10%
6%
3%
2%
0%
1850
1870
1890
Agriculture
1910
1925
1938
1950
1960
1970
Industry
Source: Geißler, Rainer (2006): Die Sozialstruktur Deutschlands, Statistisches Bundesamt,
Calculations by Caroline Hauber & Ann-Cathrin Lietzau in their term paper "Wie viel Industrie braucht ein Land?"
Prof. Dr. Rainer Maurer
1980
1%
1990
1%
2000
1%
2009
Services
- 82 -
Long-run Development of the Structure of German Employment
(in Percent of Total GDP; Current Prices)
80%
70%
69%
62%
60%
60%
55%
54%
50%
49%
40%
48%
38%
38%
40%
42%
42%
29%
25%
21%
20%
25%
25%
45%
43%
41%
39%
35%
30%
47%
31%
32%
27%
26%
37%
33%
29%
25%
22%
20%
17%
13%
© RAINER MAURER, Pforzheim
10%
8%
5%
4%
2%
0%
1800
1852
1871
Agriculture
1885
1907
1925
1339
1950
1960
Industry
Source: Geißler, Rainer (2006): Die Sozialstruktur Deutschlands, Statistisches Bundesamt,
Calculations by Caroline Hauber & Ann-Cathrin Lietzau in their term paper "Wie viel Industrie braucht ein Land?"
Prof. Dr. Rainer Maurer
1970
1980
1990
2000
Services
- 83 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤
➤
© RAINER MAURER, Pforzheim
➤
➤
Prof. Dr. Rainer Maurer
Die Frage lautet also, warum wächst die Wertschöpfung im
Dienstleistungssektor langfristig stärker als die
Wertschöpfung im Industriesektor?
Zwei wichtige Erklärungen gibt es:
1.
Langfristig wächst die Nachfrage nach Dienstleistungsgütern
stärker als die Nachfrage nach Industriegütern.
2.
Bei den vielen Industriegütern sinken langfristig die Preise
schneller als die Produktionsmengen wachsen.
Jeder der beiden Gründe für sich genommen führt bereits
dazu, dass der BIP-Anteil des Dienstleistungssektors steigt
und der BIP-Anteil des Industriesektors sinkt.
Wenn sie zusammenwirken verstärkt sich der Strukturwandel
noch.
- 84 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤
Erklärungen für die Einkommensabhängigkeit der
Güternachfrage:
1. Mit steigendem Einkommen bauen die Haushalte zuerst
ihre Ausstattung mit notwendigen Gebrauchsgütern
(Wohnung, Möbel, Haushaltsgeräte, Autos…) aus. Erst
dann wenn diese Ausstattung vorhanden ist, leisten sich
die Haushalte Dienstleistungen, die in der Regel nicht
so notwendig sind (Reisen, Restaurant, Kino, Theater,
Freizeitsport…).
© RAINER MAURER, Pforzheim
2. Mit steigendem Einkommen gönnen sich die Haushalte
Prof. Dr. Rainer Maurer
mehr Freizeit (langfristiger Trend zur Verkürzung der
Arbeitszeit). Bei Freizeitaktivitäten werden aber
schwerpunktmäßig Dienstleistungen nachgefragt
(Unterhaltung, Sportanlagen, Kultur, Gastronomie,
Tourismus usw.).
- 85 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤
Erklärungen für die Einkommensabhängigkeit der
Güternachfrage:
3. Mit steigendem Einkommen wächst auch das
Vermögen („Erbengeneration“). Mit größerem
Vermögen werden verstärkt Finanzdienstleistungen
(Bankdienstleistungen, Vermögensberater,
Informationsdienstleister) nachgefragt.
4. Mit steigendem Einkommen wächst die
© RAINER MAURER, Pforzheim
Lebenserwartung . Wenn die Leute älter werden,
fragen sie mehr Gesundheitsdienstleistungen nach.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 86 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤
Vereinfachung: „Zwei-Sektoren-Volkswirtschaft“
© RAINER MAURER, Pforzheim
yD =
pD =
yI =
pI =
Prof. Dr. Rainer Maurer
Menge Dienstleistungsgüter
Preis Dienstleistungsgüter
Menge Industriegüter
Preis Industriegüter
=>
BIP = yD * pD + yI * pI
=>
BIP =
Wertschöpfung Dienstleistungssektor
+ Wertschöpfung Industriesektor
- 87 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
10
PD
9
S(PD)
8
yD
7
6
PD,t+15
PD,t 4
3
D(PD)t+1
2
© RAINER MAURER, Pforzheim
1
yD * pD
* pD  yI * pI
Wenn die Nachfrage nach
Dienstleistungen schneller wächst
als die Nachfrage nach
Industriegütern, steigt der Anteil
des Dienstleistungssektors
(yD * pD) am BIP (yD * pD + yI * pI).
D(PD)t
0
0
Prof. Dr. Rainer Maurer
1
2
3
4
5
6
YD,t YD,t+1
7
8
9
10
YD
- 88 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤ Die Einkommenselastizität der Dienstleistungsnachfrage:
  X,Y  
  XS * PS   XS * PS  prozentualer Anstieg der Dl.nachfrage

  Y * PY   Y * PY 
prozentualer Einkommensanstieg
© RAINER MAURER, Pforzheim
➤ Wenn die Elastizität größer 1 ist, steigt die Nachfrage nach
Dienstleistungen bei einem Einkommensanstieg von ein
Prozent um mehr als ein Prozent.
Prof. Dr. Rainer Maurer
 ein größerer Teil des Einkommens wird für Dienstleistungen
ausgegeben.
 ein kleiner Teil des Einkommens wird für andere Güter
ausgegeben.
- 89 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
Einkommenselastizität der Nachfrage der Haushalte nach
Dienstleistungen
BlundeIl (1988)
Hammes et al. (1989)
G. Hansen (1993)
Falvey / Gemmell (1996)
1,2 - 1,7
Vereinigte Staaten,
Frankreich, Kanada
1,1 - 1,4
Westdeutschland
1,3 - 2,0
60 Länder
1,0 - 1,6
Westdeutschland
1,5 - 4,0
© RAINER MAURER, Pforzheim
H.-J. Hansen (1996)
Vereinigtes Königreich
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 90 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
2.
Erklärung für den Strukturwandel:
■
Aufgrund des Produktivitätsbias sinken die Preise von Industriegütern langfristig schneller als die Mengen wachsen:
◆
© RAINER MAURER, Pforzheim
◆
Prof. Dr. Rainer Maurer
In vielen Industriezweigen sind die technologischen Potentiale
zu Produktivitätssteigerungen größer als in den Dienstleistungssektoren. So schreitet die Automatisierung der industriellen Fertigung stetig in Richtung „Roboterfabrik“ voran,
während eine ähnliche Entwicklung in den vielen Bereichen
der Dienstleistungsproduktion nicht möglich ist (Friseurhandwerk, Restaurants, Musikorchester, Tourismus usw.).
Unter Wettbewerbsbedingungen kommt es bei
technologischem Fortschritt zu einem Rückgang der Preise der
stärker ist als der Anstieg der Produktionsmengen. Dadurch
alleine kann dann schon der BIP-Anteil des
Dienstleistungssektors steigen:
- 91 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
10
PD
9
yD
8
yD * pD
* pD  yI * pI
7
S(PD)t
6
Wenn das Angebot an IndustrieS(PD) t+1 gütern wächst, so dass der Preis
stärker fällt als die Menge wächst,
steigt der Anteil der Dienstleistungen (yD * pD) am BIP
(yD * pD + yI * pI).
PD,t+15
PD,t 4
3
-
2
+
© RAINER MAURER, Pforzheim
1
D(PD)
0
0
Prof. Dr. Rainer Maurer
1
2
3
4
5
6
YD,t YD,t+1
7
8
9
10
YD
Aber: Ein Anstieg des Angebotes
führt nur dann zu einem Anstieg der
Umsätze, wenn die Nachfrage
inelastisch |ε(x,p)|<1 reagiert, dh.
wenn der Preis schneller fällt als die
Menge steigt!
- 92 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
10
PD
S(PD)t S(PD) t+1
Aber: Ein Anstieg des Angebotes
führt nur dann zu einem Anstieg der
Umsätze, wenn die Nachfrage
inelastisch |ε(x,p)|<1 reagiert, dh.
wenn der Preis schneller fällt als die
Menge steigt!
9
8
7
-
6
PD,t+15
In diesem Beispiel reagiert die
Nachfrage elastisch |ε(x,p)|>1
so dass der Umsatz steigt.
|ε(x,p)|=1
PD,t 4
+
3
|ε(x,p)|<1
2
© RAINER MAURER, Pforzheim
1
D(PD)
0
0
1
2
3
YD,t YD,t+1
Prof. Dr. Rainer Maurer
4
5
6
7
8
9
10
YD
Aber: Wenn das Angebot
langfristig immer weiter wächst,
wird irgendwann der Punkt
erreicht, ab dem die
Industrieumsätze fallen!
- 93 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤ Es gibt jedoch noch andere Gründe für den Strukturwandel
wie der folgende Zeitungsartikel zeigt:
„Levis wandert aus“
© RAINER MAURER, Pforzheim
➤ Welcher Zusammenhang besteht zwischen der
Standortentscheidung von Levis und dem Strukturwandel
in den USA?
➤ Gibt es ähnliche Beispiele für Deutschland?
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 95 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤ Globalisierung:
© RAINER MAURER, Pforzheim
■ Im Laufe der globalen Wirtschaftsentwicklung haben
Schwellenländer zunehmend immobile Produktionsfaktoren
akkumuliert, die zur Produktion von Industriegütern notwendig
sind (Humankapital, Verkehrs- u. Kommunikationsnetze,
Rechtssicherheit).
■ Da sie diese Produktionsfaktoren zu niedrigeren Preisen
anbieten als die alten Industrieländer, gelingt es ihnen
Investitionen in Industrieanlagen von den alten
Industrieländern wegzulocken.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 96 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
© RAINER MAURER, Pforzheim
■ Die alten Industrieländer verlieren also Sachkapital in der
industriellen Produktion und wenden sich verstärkt der
Dienstleistungsproduktion zu, in der sie noch Kostenvorteile
besitzen (F&E, Konstruktions-, Planungs-, Headquarterfunktionen verbleiben in den alten Industrie-ländern,
während die industrielle Produktion in die Schwellenländer
abwandert).
■ In der Folge geht die Menge (und damit auch der Anteil) der
industriellen Produktion in Industrieländern zurück, während
die Menge der produzierten Dienstleistungsgüter steigt:
Prof. Dr. Rainer Maurer
Auswirkung auf den
Anteil des Dienstleistungssektors am BIP:
yD
yD * pD
* pD  yI * pI
- 97 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤ Verstärkte Arbeitsteilung (Outsourcing):
■ Durch die Entwicklung der Informations- und Telekommunikationstechnologie ist eine verstärkte Auslagerung von
Dienstleistungstätigkeiten aus der Industrie möglich geworden. Die
Wertschöpfung der Industrie sinkt also um den Teil der
ausgelagerten Dienstleistungstätigkeiten, während die
Wertschöpfung des Dienstleistungssektors um diesen Teil wächst
(Werbung, F&E, Unternehmensberatung, Rechtsberatung, Gebäudeund Sicherheitstechnik).
■ Beispiel:
© RAINER MAURER, Pforzheim
◆ Ein Autohersteller betreibt eine Kantine für das Personal.
Prof. Dr. Rainer Maurer
=> Die Wertschöpfung der Kantine ist Teil der Wertschöpfung des
Autoherstellers und wird deshalb (aufgrund der statistischen
Konventionen) als Industrieproduktion erfasst.
◆ Der Autohersteller wandelt die Kantine in ein eigenständiges Unternehmen um. => Die Wertschöpfung der Kantine wird nun (auf Grund der
statistischen Konventionen) als Dienstleistungsproduktion erfasst.
- 98 -
4. Die langfristige Entwicklung von Volkswirtschaften
4.3. Erklärungsansätze für Strukturwandel
➤ Verstärkte Arbeitsteilung (Outsourcing):
Auswirkung auf den
Anteil des Dienstleistungssektors am BIP:
© RAINER MAURER, Pforzheim
(Identisch mit Effekt
durch Globalisierung)
yD
yD * pD
* pD  yI * pI
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 99 -
4.2. Kontrollfragen
© RAINER MAURER, Pforzheim
➤ Die Kontrollfragen bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihr
Verständnis der Lerninhalte dieses Kapitels zu
überprüfen. Alle Fragen können mit Hilfe dieses
Vorlesungsskriptes beantwortet werden. Sollten
Sie Schwierigkeiten haben, wenden Sie sich nach
den Vorlesungen an mich oder besuchen Sie mein
Kolloquium oder senden Sie mir eine E-Mail.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 100 -
© RAINER MAURER, Pforzheim
4.2. Kontrollfragen
1.
Was ist das Erklärungsziel der Wachstumstheorie?
2.
Was sind die Unterschiede zwischen den Erklärungszielen von
Wachstumstheorie und Konjunkturtheorie?
3.
Welche Produktionsfaktoren werden von der Produktionsfunktion
des Solow-Swan Modell berücksichtigt und worin unterscheiden sie
sich?
4.
In welchen Zahlenintervall liegt die Sparquote des Solow-Swan
Modells und wie lautet ihre Interpretation?
5.
In welchen Zahlenintervall liegt die Abschreibungsrate des SolowSwan Modells und wie lautet ihre Interpretation?
6.
Welche Bedingung muss erfüllt sein, damit im Solow-Swan Modell
Sachkapital akkumuliert wird?
7.
Wie wirkt die Akkumulation von Sachkapital auf den
Sachkapitalstock?
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 101 -
4.2. Kontrollfragen
8.
Welche Bedingung muss im Solow-Swan Modell erfüllt sein, wenn
der Sachkapitalstock schrumpft?
9.
Wann endet das Wachstum des Sachkapitalstocks im Solow-Swan
Modell?
10. Welche Parameter bestimmen die Höhe des Steady State
Sachkapitalstocks im Solow-Swan Modell?
© RAINER MAURER, Pforzheim
11. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Sachkapitalstock
und dem BIP im Solow-Swan Modell?
12. Gehen Sie von einem langfristigen Gleichgewicht im Solow-Swan
Modells aus. Schildern und erklären Sie den Anpassungsprozess,
der aus einer einmaligen Erhöhung des Humankapitalstocks
resultiert.
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 102 -
4.2. Kontrollfragen
13. Gehen Sie von einem langfristigen Gleichgewicht im Solow-Swan
Modells aus. Schildern und erklären Sie den Anpassungsprozess,
der aus einer einmaligen Erhöhung des technischen Wissens
resultiert.
14. Wie wirkt stetiges Wachstum des technischen Fortschritts auf die
Höhe des Sachkapitalstocks im Solow-Swan Modell?
© RAINER MAURER, Pforzheim
15. Wie wirkt stetiges Wachstum des technischen Fortschritts auf die
Höhe des BIP im Solow-Swan Modell ?
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 103 -
4.2. Kontrollfragen
16. Zeichnen Sie in folgendem Diagramm die Auswirkung eines
Rückgangs der Abschreibungsrate λ1.
30
Y
K*λ1
28
26
24
Y(A,B,P,L,H,K)
22
20
18
s*Y(A,B,P,L,H,K)
16
14
12
© RAINER MAURER, Pforzheim
10
8
6
4
2
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 104 -
4.2. Kontrollfragen
17. Zeichnen Sie in folgendem Diagramm die Auswirkung eines
Anstiegs der Sparquote s1 ein.
30
Y
28
K*λ
Y(A,B,P,L,H,K)
26
24
22
20
18
16
s1*Y(A,B,P,L,H,K)
14
12
© RAINER MAURER, Pforzheim
10
8
6
4
2
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 105 -
4.2. Kontrollfragen
18. Zeichnen Sie in folgendem Diagramm die Auswirkung einer
einmaligen Erhöhung des technischen Wissens A1 ein.
30
Y
28
26
K*λ
24
22
20
18
Y(A1,B,P,L,H,K)
16
14
12
s*Y(A1,B,P,L,H,K)
© RAINER MAURER, Pforzheim
10
8
6
4
2
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 106 -
4.2. Kontrollfragen
19. Zeichnen Sie in folgendem Diagramm die Auswirkung eines
Rückgangs der Verfügbarkeit einer erschöpfbaren Ressource auf
das Steady State ein.
K*λ1
Y(A,B,P,L,H,K)
30
Y
28
26
s*Y(A,B,P,L,H,K)
24
22
20
18
16
14
12
© RAINER MAURER, Pforzheim
10
8
6
4
2
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
K
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 107 -
4.2. Kontrollfragen
20. Wenn Sie Wirtschaftspolitiker wären und bei Autarkie in ihrem Land
Bedingungen für die Produktion eines höheren Pro-Kopf BIPs
schaffen wollten, welche Maßnahmen würden Sie ergreifen?
21. Beschreiben Sie das Grundmuster des Strukturwandels, der sich
zur Zeit in allen entwickelten Länder beobachten lässt.
22. Nennen und erläutern Sie, wie Einkommenswachstum auf den
Strukturwandel wirkt.
23. Wie wirkt der Produktivitäts-Bias auf den Strukturwandel?
© RAINER MAURER, Pforzheim
24. Wie wirkt die Globalisierung auf den Strukturwandel?
25. Wie wirkt der in der Industrie beobachtbare Trend zum
„Outsourcing“ auf den Strukturwandel?
Prof. Dr. Rainer Maurer
- 108 -