Vortrag Dr. Norbert Reuter, wipo, zu CETA, TISA, TTIP

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Transcript Vortrag Dr. Norbert Reuter, wipo, zu CETA, TISA, TTIP

CETA, TISA, TTIP
Angriff durch Freihandelsabkommen auf Löhne, Arbeitsbedingungen und Demokratie
Dr. Norbert Reuter
Klausurtagung der Senioren, 14. November 2014, Berlin-Wannsee
Gliederung
1. Worum geht es?
Hintergründe der Freihandelspolitik
2. Inhalte von CETA, TISA, TTIP
3. Das Märchen von hohen Wachstums- und
Beschäftigungsgewinnen
4. Risiken und Probleme
5. Gewerkschaftliche Positionen
1.
Worum geht es?
Hintergründe der
Freihandelspolitik
Sinn von Freihandel
ebenso alte wie kontroverse Debatte um den
„Wohlstand der Nationen“
David Ricardo
(1772 – 1823)
Friedrich List
(1789 – 1846)
Kernstück der
Außenhandelstheorie (1817):
komparative Kostentheorie
Notwendigkeit von
Schutzzöllen nach außen
(Erziehungszoll) (1841)
grundsätzliche Vorteilhaftigkeit eines liberalisierten Außenhandels
grundsätzliche Notwendigkeit eines regulierten
Außenhandels
Versprechen des Freihandels
ursprünglich ging es
um mehr Wohlstand
für die Nationen
heute geht es
um mehr Profite
für die Unternehmen
Grundprobleme des Freihandels
• für weniger entwickelte Länder:
übermächtige Konkurrenz aus Ländern mit
höherer Produktivität, Technik und ökonomischer und politischer Macht
 Niederkonkurrieren einheimischer Produktion,
abhängige Integration im Interesse transnationaler
Konzerne, Druck auf Löhne und Standards
• für weiter entwickelte Länder:
Ländern mit niedrigen Löhnen und schlechteren
Standards erhöhen auch hier die Konkurrenz
 Druck auf Löhne und Standards, v.a. auf weniger
qualifizierte Arbeit.
Treiber der Globalisierung
Doppelte Entgrenzung der Märkte
1. technologische Prozesse
•
•
•
sinkende Transportkosten
Digitalisierung
globale Produktions- und Logistikketten
2. politische Prozesse (Neoliberalismus)
• Deregulierung von Märkten
• Privatisierung öffentlicher Güter
• „Entfesselung“ der Finanzmärkte
• Liberalisierung der Arbeitsmärkte
 Unterbietungswettbewerb
Rückgang der Lohnquoten
Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Bruttoinlandsprodukt zu Faktorkosten
Frankreich
Deutschland
Spanien
Großbritannien
USA
Japan
83%
78%
73%
68%
63%
58%
53%
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1969
1968
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
Quelle: Europäische Kommission, Februar 2014
Lohnstückkosten in Europa
ver.di Bundesvorstand
Bereich Wirtschaftspolitik
Entwicklung der Lohnkosten nach Abzug der Produktivitätssteigerung
140
Spanien
135
Griechenland
Frankreich
130
Deutschland
125
Italien
Inflationsziel der EZB
120
115
110
Krise 2008
105
100
95
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Quelle: Europäische Union (Ameco) und eigene Berechnungen, Mai 2014, Nominale Lohnstückkosten Gesamtwirtschaft, 2000 = 100 gesetzt
Handelsungleichgewichte in Europa
ver.di Bundesvorstand
Bereich Wirtschaftspolitik
Leistungsbilanzsalden in Milliarden Euro,
400
Prognose
300
Deutschland
200
Niederlande
Mrd. Euro
Belgien
100
0
Österreich
Frankreich
Italien
-100
-200
Spanien
Griechenland
Portugal
-300
Quelle: Europäische Kommission, Ameco-statistische Datenbank [Stand: Februar 2014]
Die bisherige Entwicklung zeigt,
dass statt weiterer Deregulierung und mehr Freihandel die
Welt mehr Regulierung und
mehr Koordination braucht.
 Dennoch hoher Druck zur
Durchsetzung weiterer
Freihandelsverträge
Inhalte von Freihandelsverträgen
•
Abbau von „Handelshemmnissen“
 Zölle, nichttarifäre Regulierungen
•
Liberalisierung der Märkte
 Anreize und starker Schutz für Investoren
 Abbau von regionalen und nationalen
Gestaltungsmöglichkeiten
 umfassende Privatisierung
•
Öffnung von Dienstleistungsmärkten
 kein Vorrecht für öffentliche Leistungserbringung
 Marktzugang und Inländer(gleich)behandlung
•
Schutz geistiger Eigentumsrechte
 z.B. Patente auf Medikamente
Merkel für Freihandelsabkommen
„Ein
solches Freihandelsabkommen (TTIP) wäre ein
Riesenschritt nach vorne, der auch Wachstum in
allen Bereichen fördern und neue Arbeitsplätze
schaffen würde", so Bundeskanzlerin Angela Merkel.
„Deshalb haben wir uns vorgenommen, diese
Verhandlungen schnell zu beginnen und auch sehr
ambitioniert zu führen.“
Der Weg zu einem umfassenden Freihandelsabkommen wird nicht einfach. Aber: Neben wirtschaftlichen
Chancen würde ein solches Abkommen die USA und
die EU auch politisch noch enger zusammenbringen
und die transatlantische Freundschaft vertiefen.
Quelle: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Infodienst/2013/06/2013-0617-freihandelsabkommen/2013-06-17-freihandelsabkommen.html
2.
Inhalte von CETA, TISA, TTIP
Derzeit werden parallel im Geheimen verhandelt:
CETA
Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen
Comprehensive Economic and Trade Agreement (EU-Kanada)
TISA
Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen
Trade in Services Agreement (bisher 23 Staaten)
TTIP
Transatlantisches Handels- und
Investitionsabkommen
Transatlantic Trade and Investment Partnership (EU-USA)
CETA
• ab 2009 ausverhandelt;
• mehreren Leak-Veröffentlichungen zum Verhand•
•
lungsabschluss am 26.9.2014 veröffentlicht;
es bedarf nun noch der Legitimation durch das
Europäische Parlament und den Europäischen
Rat;
es muss auch von allen EU-Ländern, wie auch
dem Kanadischen Parlament und allen Kanadischen Provinzen ratifiziert werden.
CETA-Inhalte
• Abbau von Handelsbarrieren
laut EU-Kommission entfallen „mehr als 99 %“ der
Zölle; Normen und Vorschriften (sog. nichttarifäre
Handelshemmnisse) sollen gegenseitig anerkannt
oder angeglichen werden
• Schutz geistigen Eigentums
Schutz in Bezug auf Patente, Marken und Urheberrechte soll verbessert werden; betont wird besonders
die Verbesserung des Schutzes von Arzneimittelrechten in Kanada
• Investorenschutz
private Investitionen sollen erleichtert und besser
geschützt werden
TISA
• Die Verhandlungen des von den USA initierten
Abkommens laufen seit Anfang 2012;
• 8. Verhandlungsrunde lief bis September 2014;
• Nachfolgeabkommen von GATS (WHO) (1995);
• im Juni 2014 wurden Vertragsentwürfe geleakt;
• Vertragsinhalte sollen frühestens 5 Jahre nach
Abschluss veröffentlicht werden;
• 50 Länder und damit der Großteil des weltweiten
Handels betroffen (u.a. EU, USA, Kanada, Mexiko,
Japan, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Türkei)
TISA-Inhalte
• Beseitigung von „Handelshemmnisse“ im
Dienstleistungssektor
umfassende Deregulierung von öff. Dienstleistungen
starker Privatisierungsdruck öff. Dienstleistungen
(„Negativliste“)
• Verhinderung von Re-Privatisierung (Ratchet-Klausel)
• Abbau von Markteintrittsbarrieren
 z.B. vorhandene Regulierungen und Subventionen von
Staatsbetrieben
• Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische
Dienstleister
u.a. sollen ausländische Leiharbeiter beliebig für
temporäre Einsätze entsendet werden können
TTIP
• wird seit Juli 2013 von Vertretern der EU•
•
•
Kommission und der US-Regierung ausgehandelt (bislang 7 Verhandlungsrunden);
Ziel: Abbau von Zöllen und nichttarifären
Handelshemmnisse;
auch hier wurden interne Positionspapiere der
EU und der deutschen Verhandlungsführer
aufgrund von Informationsleaks bekannt;
Vorläufer ist das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI), das in den 1990er Jahren scheiterte.
TTIP-Inhalte
• Öffentliche Aufträge
 Gleichstellung privater und öffentlicher Anbieter
• Lebensmittelgesetze und Gesundheitsstandards
Angleichung der Gesetze und Standards
• Umweltstandards
Stärkung von Investorenrechten
• Deregulierung des Finanzsektors
Rücknahme von Kontrollen und Regeln
• Industriestandards
Ziel einheitliche Standards (größte interne Konflikte)
• Investorenschutz
verstärkter Schutz privater Investitionen
TTIP – Verfahren und Zeitplan
• EU-Rat und EU-Parlament müssen zustimmen;
• im EU-Rat ist Einstimmigkeit unter Umständen
notwendig (vgl. Art. 207 Abs.4 AEUV);
• der Bundestag muss dem Vertrag zustimmen;
 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union
• der Bundesrat muss u.U. zustimmen;
Lindauer Abkommen von 1957
• Ratifizierungsverfahren frühestens ab 2015;
Hohe Bedeutung von TTIP und CETA
USA und Europa stehen für
 50 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts
 60 Prozent aller Forschungsausgaben
 75 Prozent der weltweiten Finanzdienstleistungen und
 60 Prozent aller Auslandsinvestitionen
 Vorbild für weitere Abkommen
3.
Das Märchen von hohen
Wachstums- und
Beschäftigungsgewinnen
Angebliche Vorteile durch TTIP
Höheres Wirtschaftswachstum und viele neue
Arbeitsplätze
erhebliche Unterschiede in den Ergebnissen
der Simulationsstudien
 Studie des Centre for Economic Policy Research
(CEPR), London im Auftrag der EU
 Studien des ifo-Instituts für Bertelsmann und für
das BMWI

Annahmen: sämtliche Zölle werden beseitigt
und nicht-tarifäre Handelshemmnisse in
großem Umfang abgebaut
Angebliche Vorteile durch TTIP
Website der EU-Kommission unter Verweis auf die
CEPR-Studie:
„Einem unabhängigen Bericht zufolge könnte ein
ambitioniertes Abkommen Unternehmen Ersparnisse in Millionenhöhe bescheren und hunderttausende neue Arbeitsplätze kreieren.”
Quelle: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/questions-and-answers/index_de.htm; aufgerufen
am 4.7.2014.
Angebliche Vorteile durch TTIP
• Tatsächlich werden in der CEPR-Studie keine
Aussagen zu gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgewinnen oder -verlusten gemacht.
• Im CEPR-Modell wird ein festes Arbeitsangebot
unterstellt, d.h. in diesem Modell kann es
konstruktionsbedingt nur zu einer Verschiebung
der Beschäftigung zwischen Sektoren kommen.
Stephan, Sabine: TTIP – Das Märchen vom Wachstum- und Beschäftigungsmotor, in: WISO-direkt,
Oktober 2014
Angebliche Vorteile durch TTIP
Nach Berechnungen des Centre for Economic Policy Research (CEPR), GB
 und es gibt Verlierer: andere Staaten
Stephan, Sabine: TTIP – Das Märchen vom Wachstum- und Beschäftigungsmotor, in: WISO-direkt,
Oktober 2014
Angebliche Vorteile durch TTIP
Nach Berechnungen des Centre for Economic Policy Research (CEPR), GB
Stephan, Sabine: TTIP – Das Märchen vom Wachstum- und Beschäftigungsmotor, in: WISO-direkt,
Oktober 2014
Angebliche Vorteile durch TTIP
Nach Berechnungen des Centre for Economic Policy Research (CEPR), GB
 d.h. Vorteile vernachlässigbar
Angebliche Vorteile durch TTIP
Ganz anders die Studien des ifo-Instituts für
Bertelsmann und das BMWI
deutliche Wachstumseffekte
13,38% für die USA
 4,68% für Deutschland
Beschäftigungszuwächse für Deutschland
 +25.220 nach der ifo/BMWI-Studie
+181.092 nach der ifo/Bertelsmann-Studie
Stephan, Sabine: TTIP – Das Märchen vom Wachstum- und Beschäftigungsmotor, in: WISO-direkt,
Oktober 2014
Angebliche Vorteile durch TTIP
Wachstumseffekte lediglich Folge einer
„unüblichen“ Preisbereinigung
bezieht man sich nicht auf die alten, sondern
auf die neuen, infolge des FHA gesunkenen
Preise, schrumpft der Wachstumseffekt (nach
15 Jahren ) ganz erheblich
EU-BIP: + 1,7 %
= ca. 0,1 %-punkte/Jahr
US-BIP: + 2,2 %
 deutlich wird durch diese Studie aber eine
erhebliche globale Umverteilung
Stephan, Sabine: TTIP – Das Märchen vom Wachstum- und Beschäftigungsmotor, in: WISO-direkt,
Oktober 2014
--
Angebliche Vorteile durch TTIP
• Die völlig unterschiedlichen Beschäftigungseffekte zeigen die Bedeutung der zugrundeliegender Annahmen – und relativieren damit
das Ergebnis.
• Zudem wäre der Beschäftigungseffekt pro Jahr
in beiden Fällen extrem klein:
+ 1.700 nach der ifo/BMWI-Studie
+ 12.000 nach der ifo/Bertelsmann-Studie
= ca. 0,05 %-punkte/Jahr
Stephan, Sabine: TTIP – Das Märchen vom Wachstum- und Beschäftigungsmotor, in: WISO-direkt,
Oktober 2014
Krisenbedingte Jobverluste
vs. neue Jobs durch TTIP
Arbeitsplätze durch Freihandel?
Das Beispiel EU-Binnenmarkt
Liberalisierung in der Kritik
„Nach zwei Jahrzehnten NAFTA* ist deutlich geworden, dass das gepriesene Abkommen seine
Versprechen nicht einlösen konnte. Es hat weder zu
neuen Arbeitsplätzen noch zu besseren
Lebensstandards geführt.
Stattdessen kam es zu einem massenhaften Abbau
von Arbeitsplätzen, zu steigender Einkommensungleichheit, zu Ungleichgewichten auf den Agrarmärkten sowie zu Angriffen von Konzernen auf
Schutzmaßnahmen im Gesundheits- und Umweltbereich.“
*Nordamerikanisches Freihandelsabkommen, Kanada, USA, Mexiko 1994
Quelle: Verbraucherschutzorganisation Public Citizen’s Global Trade Watch
Keine Vorteile durch TTIP
Selbst unter außerordentlich optimistischen Annahmen sind die erwarteten Wachstums- und
Beschäftigungseffekte minimal.
Eine aktuelle Studie zu TTIP der Tufts-Universität in Boston warnt sogar vor massiven Wachstumseinbußen, Jobverlusten und niedrigeren
Einkommen. Danach drohen „ernste Konsequenzen für die EU und ihre Mitgliedsstaaten”.
Insofern lässt sich TTIP mit Wachstums- und
Beschäftigungseffekte nicht begründen.
4.
Risiken und Probleme
z.B. für die Einhaltung von
Arbeitsnormen
z.B. durch
Investor-Staat-Schiedsverfahren
(ISS)
Investor-Staat-Schiedsverfahren
• Wichtigste Schiedsstelle ist das International
Centre for Settlement of Investment Disputes
(ICSID) – eine Institution der Weltbank;
• derartige Verfahren gibt es seit den 1950er
Jahren
 Investoren aus Industriestaaten wollten damals einen
Schutz ihrer Investitionen in Entwicklungsländer haben
(Schutz vor „ungerechter Behandlung“)
• Längst werden solche Abkommen nicht mehr
nur zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geschlossen, sondern auch zwischen
Industrieländern mit modernen Rechtssystemen.
Investor-Staat-Schiedsverfahren
Zwar wird von „Schiedsgerichten“ gesprochen,
doch die Schieds„richter“
 sind keine staatlichen Richter, sondern
 in der Regel drei Anwälte internationaler Kanzleien,
 die im Geheimen tagen,
 mal die eine, mal die andere Seite vertreten, mal
„Richter“ sind,
 veröffentlichen wesentliche Dokumente allenfalls
nach dem „Urteil“ und
 lassen keine Berufung oder Revision zu.
sie beschränken die nationale Souveränität
(Schadensersatz zu Lasten öffentlicher
Haushalte, indirekte Wirkung auf Gesetzgebung)
ISS als „Organe der Rechtspflege“
Die auf Investitionsschutz spezialisierte Rechtsbranche wird von einer kleinen, eng miteinander
verflochtenen Gruppe von Anwaltskanzleien
dominiert, die daran sehr gut verdienen.
 drei Kanzleien – Freshfields (GB), White & Case (US)
und King & Spalding (US) – haben nach eigenen
Angaben 130 Investitionsstreitigkeiten bearbeitet;
 gerade einmal 15 SchiedsrichterInnen, fast alle aus
Europa, den USA oder Kanada, haben 55 Prozent
aller bekannten Investitionsschutz-Klagen
entschieden.
Quelle: Corporate Europe Observatory und Transnational Institute (2012)
Kritik an ISS
Beispiel Argentinien
 über 40 Klagen vor internationalen Investitionsschiedsgerichten;
 Hintergrund war Schuldenbekämpfungspolitik,
darunter Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung
wie das Einfrieren der Preise für Wasser und Strom;
 mehrere Schiedsgerichte sahen darin eine Verletzung von Argentiniens Investitionsabkommen und
sprachen den Klägern bis Ende 2008 knapp eine
Milliarde Euro an Schadenersatz zu
(= Jahresgehälter von 150.000 LehrerInnen oder
95.800 ÄrztInnen in Argentinien).
Quelle: INKOTA Südlink 163 - März 2013
Kritik an ISS
Klagen gegen Gesundheits- und Umweltauflagen
 Philip Morris (US) gegen Australien und Uruguay
wegen Auflagen bei Tabakwerbung (daraufhin
stoppt Neuseeland Gesetzesvorhaben mit Auflagen
zur Tabakwerbung)
 Vattenfall gegen Deutschland wegen Umweltauflagen für Kohlekraftwerk Moorburg und Ausstieg
aus der Atomenergie
 Der Bergbaukonzern Lone Pine (CD) klagt gegen
Kanada wegen des Fracking-Moratoriums in Quebec
auf Schadensersatz in Höhe von 250 Mill. Dollar. Da
Lone Pine ein kanad. Unternehmen ist, wurde die
Klage über seine US-Niederlassung eingereicht.
Kritik an ISS
Klagen gegen Arbeits- und Sozialstandards
 Umweltdienstleister Veolia (FR) gegen Ägypten
wegen Einführung des Mindestlohns;
 Noble Ventures (US) gegen Rumänien wegen Streiks
und Betriebsbesetzungen;
 Bergbauunternehmen Centerra (CD) gegen Kirgisien
wegen Lohnzuschlag für Minenarbeit unter
schweren Bedingungen;
 Paushok (RUS) gegen Mongolei wegen Gesetz zur
Förderung einheimischer Arbeitskräfte.
Kritik an ISS
Klagen gegen politische Maßnahmen in der Krise:
 Postova Bank (SLO) gegen Griechenland wegen
Schuldenschnitt
 Marfin Investment (GR) gegen Zypern wegen
Verstaatlichung der Laika Bank
 diverse Aktienfonds gegen Spanien wegen
Streichung von Subventionen für erneuerbare
Energien
 Hedgefonds gegen Argentinien wegen
Schuldenschnitt
 Bolivien, Ecuador, Venezuela verlassen ICSID
..\Investor-Staat-Klagen und Finanzkrisen - weed.mp4
BMWI-geförderter Ratgeber für Investoren
„Hilfe, ich werde enteignet“
Quelle:
http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten/PUB/2011/08/pub201108268001_16060.
pdf
Gesamtzahl bekannter
Investorklagen
Quelle: UNCTAD: Issues Note, Nr. 1, April 2014
z.B. für öffentliche
Dienstleistungen
Ursprünglich „Positivliste“…
• öD haben eine herausragende Bedeutung für die
Gesellschaft
 breiter Konsens, dass sie nicht den gleichen Wettbewerbs- und Marktregeln unterliegen, wie andere
Dienstleistungen;
• ursprünglich wurde (etwa durch die WTO bei
ihren GATS-Verhandlungen) eine sogenannte
„Positivliste“ erstellt
 d.h. öD sind vom Anwendungsbereich des Handelsabkommens nicht erfasst, sofern sie nicht ausdrücklich aufgeführt werden;
 dadurch verbleibt ein Spielraum die öD zu definieren, zu entwickeln und zu erbringen;
… nun „Negativliste“ in CETA/TTIP
• Bis vor kurzem präferierte die EU-Kommission
den Ansatz der „Positivliste“;
• da die europäischen Märkte in den letzten beiden
Jahrzehnten aber bereits weitestgehend liberalisiert wurden, will die EU-Kommission nun eine
„Negativliste“ im TTIP-Abkommen.
der Ansatz der „Negativliste“ bedeutet, dass alle
Dienstleistungen, die nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich eines Abkommens ausgeschlossen sind, für die Liberalisierung freigegeben werden;
 öD sind dann für private Anbieter zu öffnen.
Risiken für gesellschaftlich
notwendige Dienstleistungen
Es droht Liberalisierung / Privatisierung der
 öffentlichen Wasserversorgung
 öffentlichen Abfallwirtschaft
 öffentlichen Bildungswesens
 öffentliche Krankenhäuser und Rettungswesen
 Kulturwesen und Kulturwirtschaft
 öffentlicher Personennahverkehr
 Einschränkung von Rekommunalisierungen
und sozial-ökologischer Standards bei der
Vergabe von öffentlichen Aufträgen.
Risiken für gesellschaftlich
notwendige Dienstleistungen
• auch ein US-Unternehmen könnte sich auf eine
Ausschreibung einer dt. Kleinstadt bewerben;
• ökologische wie soziale Kriterien könnten bei
öffentlichen Ausschreibungen kaum mehr
berücksichtigt werden;
• auch kommunale Versorger (Wasser, Strom)
müssten sich privaten Anbietern öffnen;
• es droht eine Privatisierungswelle, die auch vor
elementaren Dingen wie Infrastruktur und Trinkwasser nicht Halt macht;
 steigende Preise bei sinkender Qualität
z.B. für Qualitäts- und
Sicherheitsstandards
Absenkung von Qualitäts- und
Sicherheitsstandards drohen
Eine gegenseitige Anerkennung von Regeln würde
das Herkunftslandprinzip einführen und damit zu
niedrigeren Standards z.B. bei Lebensmitteln führen:
in den USA ist z.B. der Verzehr von Klon- und Hormonfleisch sowie von Milch von mit gentechnisch erzeugten Wachstumshormonen gedopten „Turbo“-Kühen
erlaubt;
 Geflügelfleisch wird mit Chlor behandelt;
 für gentechnisch veränderte Pflanzen gibt es weder ein
durchgängiges Zulassungsverfahren noch eine
Kennzeichnungspflicht;
 gentechnisch veränderter Lachs vor der Zulassung.
z.B. für die Kultur
Verlust an kultureller Vielfalt droht
•
Bisher achtete die EU die UNESCO-Konvention
über den Schutz und die Förderung der Vielfalt
kultureller Ausdrucksformen
Kulturförderung u.a. von Film, Theater, Orchestern
sowie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit
seinen Landesprogrammen war möglich und
rechtens.
•
Dieser Gestaltungsspielraum wird durch die
laufenden Freihandels-Verhandlungen (u.a. TTIP)
zur Disposition gestellt.
http://www.kulturrat.de/pdf/2520.pdf
z.B. für die Regulierung der
Finanzwirtschaft
Finanzdienstleistungen
Mit TTIP sollen Finanzdienstleistungen weiter
liberalisiert werden, obwohl deren Liberalisierung
eine wesentliche Ursache der Wirtschaftskrise war;
 damit würde die politische Macht der Finanzindustrie weiter gestärkt,
 die Umsetzung notwendiger Kapitalverkehrskontrollen, eine angemessene Besteuerung des
Finanzsektors und die vollständige Umsetzung von
Antigeldwäschevorschriften könnten gefährdet sein.
 eine Einbeziehung von Finanzdienstleistungen
in das Abkommen könnte alles gefährden, was in
den letzten Jahren im Bereich der Finanzmarktregulierung erreicht worden ist.
z.B. für die Umwelt
Absenkung von Standards beim
Klima- und Umweltschutz
Investoren und ihre Lobbygruppen sehen ihre
Gewinnmöglichkeiten eingeschränkt u.a. durch
 umfassende Zulassungsfahren,
 die Kennzeichnung von Gen-Lebensmitteln,
 den Ausbau der EU-Chemikalienrichtlinie REACH
und der EURO-Norm für Auto-Emissionswerte,
 ein Fracking-Verbot,
 die EU-Strategie zur Begrenzung der von
Kunststoffen.
 eine notwendige Vorsorge- und Vermeidungspolitik für eine klima- und ressourcenschonendere Wirtschaftsweise droht Investorenansprüchen geopfert zu werden.
…und schließlich für die
Demokratie insgesamt
Verlust an demokratischen
Gestaltungsräumen
„Demokratie ist überbewertet“
Freihandelsabkommen setzen in der Tat der
Demokratie Grenzen. Mehr noch: Der Rechtsstaat
garantiert über Grenzen hinweg Vertragsfreiheit
und den Schutz des privaten Eigentums.
Deshalb gehört es zur Idee des Freihandels, dass
ein ausländischer Investor davor geschützt wird,
diskriminiert oder gar enteignet zu werden - selbst
wenn ein Gesetz zur Diskriminierung oder Enteignung demokratisch erlassen würde.
Quelle: FAZ, 8. Juni 2014
Verlust an demokratischen
Gestaltungsräumen
• „Alle Dokumente in Bezug auf die Verhandlungen und die Entwicklung des TTIP-Abkommens,
darunter Verhandlungstexte, Vorschläge beider
Seiten, begleitendes Material, Diskussionsvorlagen, Emails, die sich auf die Substanz der Verhandlungen beziehen und andere Informationen,
die im Kontext der Verhandlungen ausgetauscht
werden […] werden vertraulich behandelt.
• [...] Die Kommission kann entscheiden, bestimmte Dokumente öffentlich zu machen, die allein die
Position der EU betreffen.”
EU TTIP Chef-Verhandler, Ignacio Garcia Bercero, in einem Brief an Daniel Mullaney, US
TTIP Chef-Verhändler, 5. Juli 2013
Verlust an demokratischen
Gestaltungsräumen
• Verhandlungsgegenstand beim TTIP ist auch
die Einrichtung eines „Regulierungsrates“ mit
der Verpflichtung zur gegenseitigen Abstimmung in Expertengruppen vor Einbringung in
Parlamente. Die Risiken sind
 Entmachtung der Parlamente, Entdemokratisierung, Einschränkung des Initiativrechts;
 Absenkung der Standards zwischen USA und EU
 Stärkung der Wirtschaftslobby;
 Sinkender Einfluss für Gewerkschaften und
Zivilgesellschaft.
Verlust an demokratischen
Gestaltungsräumen
Standstill- bzw. Ratchet-Klauseln
• Mit sogenannten Standstill- und Ratchet-Klauseln soll
stets das jeweils höchste erreichte LiberalisierungsNiveau verankert werden
• Damit würde jede Re-Regulierung verhindert und eine
einseitige Entwicklung in Richtung immer weitgehender
Liberalisierung durchgesetzt
 Handelsabkommen müssen Spielraum lassen,
um auf negative Ergebnisse von Liberalisierungen
reagieren und demokratischen Forderungen zur
(Re-)Regulierung nachkommen zu können.
Verlust an demokratischen
Gestaltungsräumen
Bisher sperrt sich die EU-Kommission
 gegen Transparenz;
 gegen umfassende öffentliche Beteiligung;
 gegen den Positivlistenansatz;
 gegen den Ausschluss der kulturellen Dienste;
 gegen den Verzicht auf Investor-Staats-Schiedsverfahren;
 gegen durchsetzbare Arbeits- und Sozialstandards;
 gegen Beschwerdeverfahren für die Zivilgesellschaft
und die Gewerkschaften.
..\Freihandelsabkommen TTIP stoppen -attac.flv
Europäische Bürgerinitiative gegen
TTIP und CETA
Unterstützer in Deutschland z.B.
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft,
attac, Wassertische, Brot für die Welt,
Umweltstiftung, Kulturrat, GEW, Grüne Jugend,
KAB, Lobbycontrol, NABU, Naturfreunde,
Umweltinstitut München
Verbot der EBI zu TTIP
• Die Europäische Kommission hatte den am 15. Juli
gestellten Antrag auf Registrierung der Europäischen
Bürgerinitiative am 11. September abgelehnt. Sie beruft
sich auf zwei Hauptargumente:
• Das Verhandlungsmandat zu TTIP sei ein interner
Vorbereitungsakt und kein Rechtsakt mit Wirkung auf
die Bürgerinnen und Bürger.
• Außerdem könne eine EBI nur positiv formuliert werden,
also darauf hinwirken, einen Rechtsakt zu erlassen,
nicht aber einen solchen zu unterlassen.
• Beide Begründungen sind nach Ansicht der Initiatoren
nicht stichhaltig.
Europäische Bürgerinitiative gegen
TTIP und CETA
Unterstützer in Deutschland z.B.
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft,
attac, Wassertische, Brot für die Welt,
Umweltstiftung, Kulturrat, GEW, Grüne Jugend,
KAB, Lobbycontrol, NABU, Naturfreunde,
Umweltinstitut München
Deshalb nun „selbstorganisierte Europäische
Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA“
http://www.ttip-unfairhandelbar.de/
5.
Gewerkschaftliche Positionen
Beschluss des
DGB- Bundeskongresses, Mai
2014:
„Freihandelsverhandlungen mit den USA aussetzen
– Kein Abkommen zu Lasten von Beschäftigten,
Verbrauchern oder der Umwelt“
ver.di fordert
• Vollständige Transparenz und Beteiligung der
Zivilgesellschaft;
• keine Absenkung von sozialen, Umwelt- und
anderen Standards und des Datenschutzes,
Annäherung an höchstes Niveaus;
• Ziellandprinzip;
• ILO-Kernarbeitsnormen müssen ratifiziert und
beachtet werden;
• keine Einschränkung demokratischer Gestaltung
und Regulierung;
• kein paralleles Rechtssystem durch ISS;
• öffentliche Dienstleistungen komplett ausnehmen;
ver.di fordert
• Kultur und audiovisuelle Medien ausnehmen;
• Re-Regulierung statt weitere Liberalisierung im
Finanzsektor;
• Prinzip sozial-ökologischer Vergabekriterien
stärken;
• keine weitere Liberalisierung des öffentlichen
Beschaffungswesen;
• Revisionsklausel einfügen.
Wenn diese Mindestanforderungen nicht erfüllt werden,
müssen die jeweiligen Abkommen abgelehnt werden.
Vielen Dank!