26.Abtretung

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Transcript 26.Abtretung

Schuldrecht AT, 08.07.2014
PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)
§ 7: Das Schuldverhältnis bei der Beteiligung mehrerer
Personen
I. Der Austausch des Gläubigers
1. Grundideen
• Normalerweise bleiben die Parteien eines
Schuldverhältnisses von Beginn bis Ende dieselben.
• Das Recht ermöglicht aber in manchen Fällen auch
den Austausch des Gläubigers:
– Rechtsgeschäftlicher Austausch des Gläubigers
durch Abtretung (§§ 398ff. BGB);
– Gesetzlicher Austausch (cessio legis) in speziell
angeordneten Fällen (z.B. §§ 268 III, 774 I 1 BGB);
– Austausch durch staatlichen Hoheitsakt
(z.B. § 835 ZPO; sehr selten).
• Der rechtsgeschäftliche Gläubigerwechsel durch
Abtretung hat große praktische Bedeutung.
• Durch die Abtretung wird es möglich, Forderungen
zu verkaufen und dadurch zu Geld zu machen
(sogenanntes „Factoring“).
Beispiel:
Der Kaufmann K hat eine Menge ausstehender
Forderungen gegen seine Kunden, aber kein Bargeld
mehr. Deshalb verkauft er seine Forderungen an die BBank, die ihm dafür 90% des Nominalwerts zahlt.
• Der gesetzliche Gläubigerwechsel wird auch als
„Legalzession“ bezeichnet.
• Auf die Legalzession finden gemäß § 412 BGB
nahezu alle Vorschriften über die Abtretung
entsprechende Anwendung.
2. Grundlagen der Abtretung
• Die Abtretung (Zession) ist ein abstraktes
Verfügungsgeschäft, durch die der Gläubiger
(Zedent) die Inhaberschaft an seiner Forderung an
einen Dritten (Zessionar) überträgt:
Alter Gläubiger
(Zedent)
Dinglich:
Abtretungsvertrag
(§ 398 S. 1 BGB)
Forderung
Schuldrechtlich:
Kaufvertrag
über die
Forderung
(§ 433 BGB)
Neuer
Gläubiger
(Zessionar)
Schuldner
Forderung
• Die Abtretung ist zwar in Buch Zwei zum Schuldrecht
geregelt, sachlich handelt es sich aber um eine
sachenrechtliche Materie.
• Die Abtretung ist das Grundmodell des dinglichen
Verfügungsgeschäfts, durch das der Inhaber eines
Rechts dieses Recht durch Rechtsgeschäft an einen
Dritten überträgt (§§ 413, 398 BGB).
• Das BGB kennt viele Spezialregelungen zur
rechtgeschäftlichen Übertragung von Rechten:
– § 929 BGB: Bewegliche Sachen
– §§ 873, 925 BGB: Grundstücke
– §§ 1153 f. BGB: Hypothek, u.a.
• Soweit keine Spezialregelung eingreift, können
Rechte durch bloße Einigung nach §§ 413, 398 BGB
übertragen werden.
• Auch bei der Abtretung gilt das Abstraktionsprinzip:
Es ist strikt zwischen der (dinglichen) Abtretung und
dem (schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäft, der
unterliegenden causa zu unterscheiden!
3. Voraussetzungen der Abtretung
Eine wirksame Abtretung setzt Folgendes voraus:
• Vertrag zwischen Zedent und Zessionar über die
Abtretung;
• Bestehen der abgetretenen Forderung;
• Berechtigung des Zedenten zur Abtretung;
• Übertragbarkeit der Forderung.
a. Vertrag
§ 398 Abtretung
1Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit
einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung).
• § 398 S. 1 BGB lässt für eine wirksame Abtretung einen
Vertrag zwischen dem alten und dem neuen Gläubiger
genügen.
Beispiel:
Kaufmann K hat seit langem einige Schulden bei X. X ist es
leid, sich mit K herumzuärgern. Deshalb verkauft und überträgt er seine Forderungen gegen K an das Inkassounternehmen „Die Eintreiber“. Als K hiervon erfährt, ist er empört. Er hält alles für unwirksam, weil er der Abtretung
nicht zugestimmt hat. Wie ist die Rechtslage?
b. Existenz der Forderung und Berechtigung des
Zedenten
• Die Forderung muss bestehen, und der Zedent muss
zur Verfügung über sie berechtigt sein.
• Ein gutgläubiger Forderungserwerb ist grundsätzlich
ausgeschlossen und nur in besonderen gesetzlichen
Ausnahmefällen zugelassen (z.B. bei Wertpapieren).
i. Bestehen der Forderung
• Die Forderung muss grundsätzlich wirksam
entstanden und darf nicht untergegangen sein. Sie
braucht aber nicht unbedingt durchsetzbar zu sein.
Beispiel:
K hat eine Forderung gegen X, die er dem Z abtritt. X
meint, die Abtretung sei unwirksam, weil die Forderung
bereits verjährt gewesen sei. Hat X Recht?
• Auch künftige Forderungen können schon vor ihrer
Entstehung abgetreten werden, wenn sie
ausreichend bestimmt oder bestimmbar sind.
• Die Abtretung künftiger Forderungen wird jedoch
erst mit Entstehung der Forderungen wirksam.
Beispiel:
Der Fußballklub Schalke 05 benötigt dringend frisches
Kapital. Zu diesem Zweck verkauft er alle Zuschauereinnahmen der nächsten 20 Jahre an einen russischen
Finanzinvestor und tritt ihm die Ansprüche gegen die
Zuschauer ab. Wirksam?
ii. Berechtigung des Zedenten zur Abtretung
• Der Zedent muss zur Abtretung berechtigt sein. Dies
ist er als Inhaber oder bei Zustimmung des Inhabers
(§ 185 BGB).
c. Übertragbarkeit der Forderung
• Forderungen sind grundsätzlich übertragbar.
• Die Übertragbarkeit kann aber durch Rechtsgeschäft
oder durch Gesetz ausgeschlossen sein.
i. Übertragung durch Gesetz ausgeschlossen
• Nach § 399 1. Fall BGB ist eine Abtretung
ausgeschlossen, wenn die Leistung an einen anderen
Gläubiger zu einer Veränderung des Inhalts der
Leistung führen würde. Die Schuld wäre in der
Person des Zessionars nicht mehr dieselbe.
Beispiel:
Der Arbeitnehmer A hat einen Anspruch auf 20 Tage
bezahlten Urlaub pro Jahr. Da er lieber arbeitet als in
die Ferne zu schweifen, möchte er diesen Anspruch
gerne an seinen arbeitsfaulen Kollegen K verkaufen.
• Ansprüche können nach § 399 1. Fall BGB unabtretbar
sein, weil die Person des Gläubigers für den Anspruchsinhalt wesentlich ist (personengebundene Ansprüche)
• § 399 1. Fall BGB greift aber auch ein, wenn sich ein
Anspruch nicht aus einem rechtlichen Zusammenhang
lösen lässt (z.B.: § 985 BGB kann nicht vom Eigentum
getrennt werden).
• Gemäß § 400 BGB ist eine Abtretung auch bei
unpfändbaren Ansprüchen ausgeschlossen.
Grund: Der Gläubiger soll nicht über sein
Existenzminimum verfügen dürfen.
• Weitere spezielle gesetzliche Ausschlussgründe:
§ 473 BGB (Vorkaufsrecht); § 613 S.2 BGB (Anspruch auf
persönliche Dienstleistung); § 664 Abs. 2 BGB; § 717
BGB usw.
ii. Vertragliches Abtretungsverbot
§ 399 BGB Eine Forderung kann nicht abgetreten
werden, […] wenn die Abtretung durch Vereinbarung
mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.
• Zwar braucht der Schuldner einer Abtretung grundsätzlich nicht zuzustimmen, er kann aber mit dem
Gläubiger schon zuvor ein vertragliches Abtretungsverbot vereinbaren.
• Ein solches Abtretungsverbot hat dingliche Wirkung
gegenüber jedermann; es gilt absolut.
• § 399 2. Fall BGB enthält eine Ausnahme gegenüber
§ 137 S. 1 BGB, der rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen über veräußerliche Rechte für
unwirksam erklärt.
• Im Handelsverkehr gilt § 354a HGB als Sondernorm.
4. Rechtsfolgen der Abtretung
398 BGB […] 2Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der
neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
• Durch die Abtretung geht die Rechtsposition des
alten auf den neuen Gläubiger über.
• Da der alte Gläubiger nicht mehr Inhaber der
Forderung ist, kann er auch nicht noch einmal über
die Forderung verfügen.
• Bei mehreren Abtretungen gilt das Prioritätsprinzip:
Nur die erste Abtretung ist wirksam.
• Nach der Abtretung kann der alte Gläubiger die
Forderung grundsätzlich nicht mehr einziehen.
• Akzessorische Sicherheiten gehen nach § 401 I BGB
mit der Forderung auf den neuen Gläubiger über.
5. Der Schutz des Schuldners bei der Abtretung
• Eine Zustimmung des Schuldners zur Abtretung ist
nicht nötig, er muss noch nicht einmal über die
Abtretung informiert werden.
• Zum Ausgleich enthalten die §§ 404 ff. BGB aber
umfangreiche Schutzvorschriften für den Schuldner.
i. § 404 BGB Einwendungen des Schuldners
Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.
• Der Schuldner soll keine Rechte durch die Abtretung
verlieren.
• § 404 BGB erfasst neben den Einwendungen ieS auch
bloße Einreden des Schuldners (Verjährung, Stundung,
Zurückbehaltungsrecht).
• Die Rechte des Schuldners müssen im Zeitpunkt der
Abtretung noch nicht bestanden haben, es genügt,
wenn sie bereits begründet waren.
Beispiel:
K hatte bei dem Gebrauchtwagenhändler V für 3000 €
einen Wagen gekauft. Dabei hatte V ihm wider besseres
Wissen verschwiegen, dass es sich um einen
Unfallwagen handelte. Noch bevor K den Betrug
bemerken konnte, trat V seinen Kaufpreisanspruch
gegen K an den B ab, der von den Hintergründen nichts
wusste. K will nun dennoch den Vertrag anfechten und
weigert sich, die 3000 € an B zu zahlen. Zurecht?
• Das Recht iSd § 404 BGB muss nur seinen Ursprung
im Vertrag mit dem alten Gläubiger haben.
• Gutgläubigkeit des neuen Gläubigers ist unerheblich.
ii. Einwendungen aus der Abtretung
• Der Schuldner kann auch die Unwirksamkeit der Abtretung gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen.
iii.Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger
Wenn der Schuldner gegenüber dem neuen Gläubiger mit
einer Gegenforderung aufrechnen will, die ihm gegenüber
dem alten Gläubiger zusteht, fehlt es eigentlich an der
notwendigen Gegenseitigkeit.
Gegenforderung
Vor der
Nach
der
Abtretung:
Abtretung:
Hauptforderung und
Gegenforderung
stehen in
nicht
einem
mehr
in einem
Gegenseitigkeitsverhältnis.
Gegenseitigkeitsverhältnis.
Zedent
Schuldner
Hauptforderung
Zessionar
Hauptforderung
• § 406 BGB ermöglicht dem Schuldner in bestimmten
Situationen, auch gegenüber dem neuen Gläubiger mit
einer Gegenforderung gegen den alten Gläubiger
aufzurechnen.
§ 406 BGB Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger
Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger
gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem
Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte
oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der
Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig
geworden ist.
• Wenn die Aufrechnungslage vor der Abtretung entstanden ist, kann der Schuldner nach § 406 BGB ohne
weiteres gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen.
• Wenn die Aufrechnungslage erst nach der Abtretung
entstanden ist, kann der Schuldner dagegen nur
eingeschränkt aufrechnen:
– Hat er die Gegenforderung erst erworben, als er
bereits um die Abtretung wusste, ist eine
Aufrechnung mit der Gegenforderung gegenüber
dem neuen Gläubiger nach § 406 Hs. 2 1. Fall BGB
ausgeschlossen.
– Wenn die Gegenforderung erst nach der
abgetretenen Hauptforderung fällig wird und der
Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits um die
Abtretung weiß, ist die Aufrechnung nach § 406
Hs. 2 2. Fall BGB ausgeschlossen.
• Es empfiehlt sich, eine genaue Skizze der Personen und
einen Zeitstrahl mit den Forderungen zu zeichnen!
iv.Schutz des Schuldners nach §§ 407 ff. BGB
• Da der Schuldner nichts von der Abtretung wissen
muss, kann es sein, dass er so handelt, als wäre die
Abtretung nicht erfolgt.
• Er wird dann durch die §§ 407 ff. BGB geschützt.
Beispiel:
Der Händler H steckt in finanziellen Schwierigkeiten.
Deshalb verkauft er eine Forderung über 500 € gegen
seinen Kunden K an den I und tritt sie dem I ab.
Trotzdem meldet H sich wenig später bei K und verlangt
von ihm Zahlung. K, der nichts von der Abtretung an I
ahnt, zahlt dem H die 500 €. K ist sehr erstaunt, als
dann später auch I zu ihm kommt und noch einmal
500 € Zahlung verlangt. K meint, dass er bereits an H
gezahlt habe und das müsse genügen. Hat K recht?
• § 407 I BGB schützt den gutgläubigen Schuldner, wenn
er nach der Abtretung noch ein Rechtsgeschäft mit dem
alten Gläubiger hinsichtlich der Forderung vornimmt.
• § 407 I BGB erfasst vor allem eine Leistung an den
alten Gläubiger, aber auch eine Aufrechnung, eine
Stundung oder ein Erlass.
• Dem Schuldner schadet bei § 407 I BGB nur positive
Kenntnis von der Abtretung; er wird auch bei (grob)
fahrlässiger Unkenntnis geschützt.
• § 408 BGB erweitert den Schutz des § 407 BGB bei
mehrfacher Abtretung auch gegenüber den weiteren
Zessionaren.
• Nach § 410 BGB kann der Schuldner dem neuen
Gläubiger die Leistung verweigern, bis er ein Dokument
über die Abtretung erhält.
Literaturhinweise:
• Lettl, Die Wirksamkeit der Abtretung einer
Geldforderung trotz wirksamen
Abtretungsverbots nach § 354a HGB, JA 2010,
109-112
• Lorenz, Grundwissen - Zivilrecht: Abtretung, JuS
2009, 891-894
• Schreiber, Die Forderungsabtretung, Jura 2007,
266-270
• Thomale, Der gutgläubige Forderungserwerb im
BGB, JuS 2010, 857-861