Transcript Foliensatz

Ludwig
BoltzmannInstitut
für Medizinund
Gesundheitssoziologie
Rauchen und Empowerment
bei Jugendlichen.
Jour fixe des LBIMGS
16.1.2002
Wolfgang Dür
Mitarbeit: Monika Bauer
Institut für
Soziologie
Universität Wien
World
Health
Organi-zation
Regional
Office for
Europe
W. Dür, 2002
Pinocchio.
Siegfried Anzinger
Gouache auf Papier
120 x 70 cm
Österreich 1983
W. Dür, 2002
Pinocchio Interpretationsvorschläge
Wer raucht, lügt.
Wer lügt, der muß zur Strafe rauchen.
Wer sich als jemand anderer ausgibt, raucht.
Wer sein Selbst nicht entfalten kann, dem
wachsen Zigaretten aus dem Gesicht.
Wahre Genießer rauchen mit der Nase.
Wer über Rauchen redet, lügt.
W. Dür, 2002
Ausgangsfragen
• Warum rauchen junge Leute?
• Was kann man tun, um sie davon abzuhalten?
• Was kann man insbesondere in der Schule
tun?
W. Dür, 2002
Übersicht
1 Epidemiologie des Rauchens bei Jugendlichen
2 Tabakpolitik
3 Ökonomie des Rauchens
4 Geschichte des Rauchens
5 Theorie des Rauchens bei Jugendlichen
6 Theorie des Empowerments
7 Empirie des Rauchens bei Jugendlichen
a. Macht die Schule einen Unterschied?
b. Wenn ja: wodurch?
W. Dür, 2002
Epidemiologie des Rauchens 1:
Was ist im Rauch?
• Zigarettenrauch enthält 1000 x mehr Staubteilchen
als der dichteste je gemessene Smog
• 10 Zigs in einem 30 qm großen Zimmer erhöhen
den Formaldehyd-Gehalt der Luft auf das 3-fache
des erlaubten Grenzwertes
• Der Zigarettenrauch enthält ca. 5.000 chemische
Substanzen, darunter solche mit psychopharmakologischen Wirkungen und
• die hochwertigsten Gifte wie Blausäure oder
Benzpyren, das stärkste bekannte Carzinogen
• Nikotin hat ein höheres Suchtpotenzial als Opiate
W. Dür, 2002
Epidemiologie des Rauchens 2:
Was bewirkt der Rauch?
• Ca. 1,4 Mio EuropäerInnen sind 2001 an den Folgen
des Rauchens gestorben (Schätzung der WHO 1999)
• Ausgehend vom heutigen Tabakkonsum werden bis
2050 weltweit 450 Mio Menschen an den Folgen des
Rauchens vorzeitig sterben (Peto 1998; Lancaster et
al. 2000)
• Tabakkonsum ist die bedeutendste einzelne Todesund Krankheitsursache in den USA (US Department
of Health and Social Services; Moolchan 2000)
• Jede Zigarette verkürzt das Leben eines Rauchers
statistisch um 15 Minuten (Dahlke&Dahlke 1989)
W. Dür, 2002
Raucherkarrieren beginnen in der
Jugend
• 82% der erwachsenen RaucherInnen haben als
Teenager begonnen (Malmesbury 1999)
• 75% der jugendlichen RaucherInnen werden auch
als erwachsene Rauchen (Moolchan 2000)
• 50% der 17-jährigen RaucherInnen haben schon
mindestens einmal (vergeblich) versucht aufzuhören
• 2/3 bereuen, begonnen zu haben (Moolchan 2000)
• 40% der 17-jährigen RaucherInnen wünschen sich
professionelle Hilfe zur Entwöhnung (CDC 1994)
W. Dür, 2002
Das Rauchenverhalten der 15-jährigen Jugendlichen
in Österreich in Prozentwerten
Quelle Who-HBSC-Survey 1998
Wie oft rauchst du derzeit Tabak?
60
50
40
30
Knaben
Mädchen
20
10
0
jeden Tag
1+
wöchentlich
weniger
nie
72% der 15-Jährigen beantworteten die Frage „Hast du jemals Tabak geraucht mit „Ja“
W. Dür, 2002
Jugendliche, die täglich rauchen, nach Geschlecht
und Altersgruppen
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
30%
26
25%
20
20%
Knaben
15%
Mädchen
10%
5
5%
0%
3
0
11 Jahre
13 Jahre
15 Jahre
W. Dür, 2002
Anteil der täglich-RaucherInnen bei 15-jährigen
Jugendlichen nach Schultypen
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
34
30
29
21
Knaben
15
Mädchen
7
HS/Poly
AHS
BHS
W. Dür, 2002
Anteil der täglich-RaucherInnen unter den 15Jährigen in 7 Ländern nach Geschlecht
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
27
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
s
Ö
21
20
19
22
22
25
24
17
14
20
19
23
18
Knaben
Mädchen
te
rr
e
h
ic
än
D
e
m
k
ar
n
Fi
n
n
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d
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g
e
n
ch
S
o
tt
n
la
d
e
al
W
s
W. Dür, 2002
Anzahl der von 15-jährigen SchülerInnen wöchentlich
gerauchten Zigaretten (Median)
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
30 28
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
s
Ö
20 20
30 30
30
26
20
30 30
25
20
20
Knaben
Mädchen
r
te
r
ch
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e
n
Dä
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ar
n
Fi
nd
a
nl
De
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s
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N
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g
e
n
ho
c
S
t
nd
a
tl
es
l
a
W
W. Dür, 2002
Entwicklung des Anteils täglicher Raucher bei 15jährigen Knaben
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1990, 1994 & 1998
30%
25%
20%
Österreich
Dänem ark
Finnland
15%
Deutschland
Norw egen
Schottland
10%
Wales
5%
0%
1990
1994
1998
W. Dür, 2002
Entwicklung des Anteils täglicher Raucherinnen unter
den 15-jährigen Mädchen
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1990, 1994 & 1998
30%
25%
20%
Ös te r r e ich
Däne m ar k
Finnland
15%
De uts chland
Nor w e ge n
Schottland
Wale s
10%
5%
0%
1990
1994
1998
W. Dür, 2002
Entwicklung des Anteils täglicher RaucherInnen unter
den 15-jährigen in Österreich
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1986, 1990,1994 & 1998
30%
25%
20%
Knaben
15%
Mädchen
10%
5%
0%
1986
1990
1994
1998
W. Dür, 2002
Orte, an denen die 15-jährigen, täglich-rauchenden
Knaben rauchen
Quelle: EU-BIOMED II-CAS
100%
87
90%
80
80
80%
67
70%
54
55
55
54
47
50%
43
31
55
41
35
27
30%
20%
67
60
60%
40%
71
66 66
80
31
32
28
28
20
17
15
10%
0%
Österreich
Dänem ark
zu Hause
Finnland
Deutschland
bei FreundInnen zu Hause
Norw egen
an öffentlichen Orten
Schottland
Wales
w ährend der Schulzeit
W. Dür, 2002
Anteile der 15-jährigen Mädchen, die täglich an
folgenden Orten rauchen
Quelle: EU-BIOMED II-CAS
100%
86
90%
80
70%
56
60%
55
49
42
41
40
36
31
31
26
30%
20%
61
59
47
50%
40%
68
64
63
78
78
76
80%
30
33
26
28 30
17
13
10%
0%
Österreich
zu Hause
Dänem ark
Finnland
Deutschland
bei FreundInnen zu Hause
Norw egen
an öffentlichen Orten
Schottland
Wales
w ährend der Schulzeit
W. Dür, 2002
Tabakpolitik 1:
Was die Politik bezweckt hat
a) Die Zahl der RaucherInnen zu reduzieren
b) Die gesundheitlichen Folgen des Tabakkonsums zu
reduzieren
c) NichtraucherInnen vor dem schädlichen Einfluss des
Tabakkonsums zu schützen
d) Jugendliche vor dem Einstieg in das Rauchen zu
bewahren
(siehe auch Österr. Tabakgesetz 1995)
W. Dür, 2002
Tabakpolitik 2:
Was die Politik versucht hat
Ziel
Reduktion der RaucherInnen
Reduktion der gesundheitlichen Folgen des Rauchens
Schutz der Nicht-RaucherInnen vor dem schädlichen
Einfluss des Rauchs
Verhinderung des RaucherEinstiegs bei Jugendlichen
Massnahme
Aufklärung, Warnhinweise, Entwöhnungstherapien
(Schwangere), Preis und Steuer
Reduktion der Rauchinhaltsstoffe
Rauchverbote, Raucherzonen
Gesundheitserziehung, Werbeverbote, Altersgrenze, Zugangsbeschränkungen
W. Dür, 2002
Tabakpolitik 3: Wie wurden diese
Massnahmen umgesetzt?
(Dalla-Vorgia et al. 1990; Sasco 1998)
• Tabakgesetze (in Ö seit 50er Jahre durch
Jugendschutzgesetz, 1995 Tabakgesetz)
• Empfehlungen, Erlässe und punktuelle
Interventionen (in Ö vor allem seit 1987)
• teilweise nur auf regionaler Ebene
• oder gar nur freiwillige Übereinkommen mit der
Tabakindustrie (vor allem UK)
W. Dür, 2002
Wie erfolgreich waren diese
politischen Massnahmen? - 1
• Aufklärungskampagnen
– Effekt auf die Raucherprävalenz relativ gering, aber
kosteneffektiv (Secher-Walker et al. 1997,
Sowden&Arbuster 2001)
– beste Effekte bei Jugendlichen, wenn Fokus auf
Manipulation der Industrie und die schädlichen Effekte
für NichtraucherInnen (Goodman et al. 1998)
• Werbeverbote
– effektiv im Sinne der Eindämmung des verstärkenden
Effektes der Zigaretten-Werbung (Arnett & Terhanian
1998)
W. Dür, 2002
Wie erfolgreich waren diese
politischen Massnahmen? - 2
• Rauchverbote und Raucherzonen
– reduzieren Zigarettenkonsum der rauchenden Mitarbeiter
am Arbeitsplatz
– reduzieren Raucherprävalenz (Bronson et al. 1997)
– erhöhen Annahme von Präventionsprogrammen (Stave
et al. 1991; Gottlieb & Nelson 1990; Kinne et al. 1993;
Rosenstock et al. 1986; Sorensen et al. 1991; Farrelly et
al. 1999)
– Effektivität für Schulen unbekannt
W. Dür, 2002
Wie erfolgreich waren diese
politischen Massnahmen? - 3
• Zugang zu Zigaretten für Jugendliche
– Händlerbelehrungen haben weder einen Effekt auf die
Wahrnehmung der Zugänglichkeit zu Zigaretten noch auf
das Rauchen der Jugendlichen (Rigotti et al. 1997)
– effektive Wirkung der Gesetze nur bei Strafverfolgung
(Gemson et al. 1998; Cummings et al. 1998)
– Abschaffung der Zigaretten-Automaten oder zumindest
Einschränkunbg des Zugangs reduziert Raucherprävalenz
bei Jugendlichen (DiFranza et al. 1996)
W. Dür, 2002
Wie erfolgreich waren diese
politischen Massnahmen? - 4
• Zigarettenpreis und Besteuerung
– Zusammenhang des Zigarettenpreises mit der
Raucherprävalenz ist gut belegt (Wassermann et al. 1991;
Emont et al. 1992; Flewelling et al. 1992; Townsend 1994,
1996; Meier & Licari 1997; Grossman & Chaloupka
1997)
– spürbare Effekte aber erst bei drastischer Erhöhung
(Meier & Licari 1997)
– diese Effekte sind bei Jugendlichen fraglich (Gilpin &
Pierce 1997), da Preiserhöhungen durch Zigarettenwerbung und Product Placement konterkariert werden
W. Dür, 2002
Was bewirken schulische
Tabakpolitiken?
• Vorhandensein von Tabak-Regeln und deren Durchsetzung in
Schulen reduziert die Raucher-Prävalenz bei Jugendlichen
(Pentz et al. 1989)
• Die Effekte sind nicht eindeutig (Hartland et al. 1998)
• Allenfalls ist ein Verzögerungseffekt nachweisbar (Reid et al.
1992).
• Andere Studien finden keinerlei Effekt (Clarke et al. 1994;
Charlton & While, 1994)
• Insbesondere das Hutchinson Smoking Prevention Project
(Peterson et al. 2000): 15 Jahre Kohorten-Studie fand keine
Langzeit-Effekte
von
speziellen
Raucherpräventionsprogrammen in Schulen
W. Dür, 2002
Politische Maßnahmen zur Regulierung
des Rauchens in den 7 Ländern 1
bezogen auf die Öffentlichekit
Maßnahmen
legalistische Maßnahmen
Verbot der Tabakwerbung
in Zeitungen, Magazinen,
Plakaten
Legale Altersgrenze für
den Erwerb von
Tabakprodukten
++: 18 Jahre
+: 16 Jahre
Eingeschränkter Zugang
für Jugendliche zu
Zigarettenautomaten
Gesetz zur Einschränkung
des Rauchens in der
Öffentlichkeit
Au
Dmk
Fi
Ger
No
Sch
Wa
+
-
+
-
+
-
-
+
-
++
-
++
+
+
-
+
+
-
+
+
+
+
+
+
+
+
-
-
W. Dür, 2002
Politische Maßnahmen zur Regulierung
des Rauchens in den 7 Ländern 2
bezogen auf Schulen
Maßnahmen
legistische Maßnahmen
Au
Dmk
Fi
Ger
No
Sch
Wa
Gesetz zur Einschränkung
des Rauchens in Schulen
+
-
+
+
+
-
-
Raucheinschränkung für Lehrer
auf dem Schulgelände (innen
und außen)
+
-
+
+
+
-
-
-
-
-
-
+
-
-
-
-
+
-
-
-
-
-
-
+
-
+
-
-
+
-
+
+
+
-
-
Rauchverbot für Lehrer im
Schulgebäude
Rauchverbot für Lehrer auf
dem gesamten
Schulgelände (innen und
außen)
Rauchverbot für
SchülerInnen über 16
Jahren auf dem Schulglände
(innen und außen)
Rauchverbot für
SchülerInnen unter 16
Jahren innerhalb des
Schulgeländes (innen und
außen)
W. Dür, 2002
Politische Maßnahmen zur Regulierung
des Rauchens in den 7 Ländern 3
erziehungsorientierte
Au
Maßnahmenm
Rauchenerziehung ist
+
verpflichtend in Schulen
ökonomische Maßnahmen
Preis
pro
Zigaretten- 2.18packung in Euro
3.63
Steuergewinn aus
75%
Zigaretten
verstärkende Strategien
Publizierte Regierungsziele
Publizierte und staatlich
subventionierte Strategien
zur Reduktion des Rauchens
von Jugendlichen
-
Dmk
Fi
Ger
No
Sch
Wa
-
-
-
+
-
+
4.004.20
5.34
2.56
5.60
4.426.04
5.10
84%
75%
71%
78%
78%
78%
+
+
-
+
+
+
-
+
-
+
-
-
W. Dür, 2002
Dargestellt wird der Zusammenhang zwischen der staatlichen
Tabakpolitik und den Raucherprävalenzen in Schulklassen von
15 jährigen SchülerInnen (aggregiert für die Schule) in 7 Länder
(Mehrebenenanalyse).
nationale Tabakpolitiken
Unterscheidung nach quantitativen
Merkmalen
Regierungsziele zur Raucherreduktion
Werbeverbot für Zigaretten
Altersgrenze für den Erwerb von
Zigaretten
Verkauf über Automaten
(teilw.) Rauchverbot in öffentlichen
Gebäuden
(teilw.) Rauchverbot für Schüler in
Schulen
(teilw.) Rauchverbot für Lehrer in Schulen
Preis einer Zigarettenpackung (in € )
Höhe der Steuereinnahmen durch
Zigaretten
β-Werte
0,005(0,041)
0,204(0,055)*
-0,069(0,092)
-0,062(0,117)
0,204(0,055)*
-0,007(0,154)
-0,069(0,092)
0,018(0,054)
-0,072(0,035)*
-0,025(0,007)*
*signifikante Werte
W. Dür, 2002
Wie kann die österreichische
Tabakpolitik eingeschätzt werden?
Politik
effektiv?
Aufklärung
gering, aber
kosteneffektiv
gering, aber
notwendig
effektiv
nicht effektiv
effektiv
effektiv
unklar, gering
unklar, gering
unklar
Werbeverbote
Rauchverbote
Zugang Händler
Zugang Automat
Steuer, Preis
Schulprogramme
Verbot Schüler
Verbot Lehrer
in Österreich
angewendet?
ja
ja
ja
ja
nein
kaum benutzt
ja
ja
nein
W. Dür, 2002
Geschäftsverlauf der Austria Tabak Werke 2000 im Vergleich
mit 1999
Geschäftsbereich Tabakindustrie
2000
1999
Absatz Zigaretten (Stückzahl in Mio)
29.661
27.367
Umsatz der ATW/Industrie in Mio ATS
14.062
11.363
Umsatz der ATW/Handel in Mio ATS
37.335
35.687
Gesamtumsatz der ATW in Mio ATS
51397
47.050
Tabaksteuer/Industrie in Mio ATS
7.120
5.587
Tabaksteuer/Handel in Mio ATS
28.986
Tabaksteuer Gesamt
36.109
W. Dür, 2002
Kleine Geschichte des Rauchens 1
Tabak und Medizin
(Hess 1987, Dahlke&Dahlke 1989, Kohaut 2001)
• Die Indianer verwenden „Tobago“ gegen Hungergefühle und
Müdigkeit; Tabak wird Teil von Ritualen und der
animistischen Medizin wegen seiner psychopharmakologischen Wirkungen
• Die Medizin des 16. Jahrhunderts erklärt Tabak zur „herba
sancta“ und „herba panacea“ (Allheilkraut)
• 1636 Pestepidemie in Holland: „Der Rauch ist das
wirksamste Mittel gegen die Pest“ (Diemerbrook, Arzt)
• „Nichts ist dem Leben und der Gesundheit so dienlich als
der Rauch des Tabaks“ (Leibarzt Kaiser Friedrich Wilhelms
von Preußen 1685)
W. Dür, 2002
Kleine Geschichte des Rauchens 2
Rauchen und Krieg
30-jähriger Krieg
Napoleonische Kriege
Krimkrieg
WK I
WK II
Siegeszug des Pfeiferauchens
Siegeszug der Zigarre
Siegeszug der Zigarette
Zigarette als Beruhigungsmittel im „Stahlgewitter“
Zigarette wird Massenkonsumgut bei Männern
Tabak lindert Angst und bietet ein Ventil für
aufgestaute Aggressionen (Dahlke&Dahlke 1989)
W. Dür, 2002
Kleine Geschichte des Rauchens 3
Rauchen und Macht 1
• 17. - 18. Jhdt: Rauchverbote in allen Ländern
Europas, inkl. Vatikan; erste Anti-RauchKampagne James I. 1625; Kardinal Richelieu führt
als erster zusätzlich auch Steuern, Zölle und das
Tabakmonopol ein. In Österreich: Josef II.
• 1848: Rauchen wird im 19. Jahrhundert zum
zentralen Symbol für bürgerliches Aufbegehren
und bürgerlichen Ungehorsam; Rauchen wird frei
gegeben
W. Dür, 2002
Kleine Geschichte des Rauchens 4
Rauchen und Macht 2
• 20. Jhdt-1: Zigarre ist Symbol für Potenz des
Bürgertums und Gemeinheit des Kapitalisten
(George Grosz). Die Arbeiterschaft „stinkt“ gegen
das Kapital mit Zigaretten an
• 20. Jhdt-2: die Zigarette steht für
Emanzipationsprobleme und -bemühungen bei
Frauen, Jugend (68er)/Jugendlichen und
desintegrierten Armen (zB Obdachlosen, psychisch
Kranken)
W. Dür, 2002
Zigarettenproduktion in Deutschland
(Stückzahl in Mrd; Quelle: Dahlke&Dahlke 1989)
25
20
15
Zigs
10
5
0
1860
1890
1912
1960
1979
1989
W. Dür, 2002
Die Paradoxie des Rauchens
• Emanzipationswille vs. Aggressionshemmung
Auflehnung gegen Ordnung vs. Versuch, darin aufzugehen
• Die Zigarette ist ein Ventil: indem sie hilft, Dampf abzulassen,
unterstützt sie das individuelle Selbstmanagement bei
Populationen, die darin wenig soziale Unterstützung bekommen
• „Das Unzufriedenheitspotenzial würde beträchtlich ansteigen,
wenn wir das Zigarettenrauchen tatsächlich ersatzlos abschaffen
könnten. Die Zigarette gehört zu den für die moderne
Gesellschaft unverzichtbaren Beruhigungs- und
Anpassungsdrogen“ (v. Troschke 1987)
W. Dür, 2002
Theorie des Rauchens:
latente und bewußte Funktionen
• Stress-Management („stress-to-use and use-to-stress“),
Abgrenzung, Abweichung, Rebellentum (Orlando 2001)
• Impression-Management, Selbstdarstellung, Stärkung des
Selbstkonzepts, Selbstbewußtseins (O´Callaghan et al.2001,
Kohn 1983)
• Affektkontrolle, Angstabwehr, Unsicherheits-Management,
Abwehr unangenehmer Erfahrungen (Siegrist 1995, v. Troschke
1986)
• soziales Quasi-Ritual: Zugehörigkeit, Kontaktaufnahme,
Integration, Anpassung (Siegrist 1995, v. Troschke 1986)
• Macht-Erfahrung über Nicht-Raucher (Dahlke&Dahlke 1989)
• Genuss (RaucherInnen zu allen Zeiten)
W. Dür, 2002
Vulnerable Phase Adoleszenz
• Biologisches Wachstum
• sexuelle Reifung
• Ausweitung der kognitiven, emotional-expressiven
und motivationalen Leistungen
• Ausweitung der sozialen Beziehungen, insbesondere
auf das andere Geschlecht
• soziale Status-Passage
• krisenhaftes Selbstkonzept
W. Dür, 2002
Theorie des Empowerments
• Empowerment ist definiert als ein Lernprozess, der
Individuen befähigt, eigene Lebensentwürfe zu verwirklichen
(Feste&Andersen 1995)
• Empowerment meint zweierlei (Rissel 1994):
a. Stärkung der physischen, emotionalen und kognitiven
Fähigkeiten zur Selbstbestimmung
b. Umverteilung von Ressourcen und Entscheidungsmacht
• Empowerment ist gerade wegen der disprivilegierten
Position von Kindern und Jugendlichen auch im
Schulbereich das zentrale Konzept der GF (Kalnins et al
1992)
W. Dür, 2002
Empowerment in der Schule
Items der HBSC-Studie
• Partizipation
• Mitbestimmung in der
Schule
• Schulklima (Fairness und
Gerechtigkeit)
• soziale Unterstützung in der
Schule
• Unterstützung durch
LehrerInnen
• Unterstützung durch
KlassenkameradInnen
W. Dür, 2002
Two level analyses of smoking
prevalences: what is the pattern?
% of daily smokers per school
single schools in 7 countries
School
tobacco
policies
strict
lenient
strict
National tobacco policies
W. Dür, 2002
Raucherprävalenzen (Anteile der täglich RaucherInnen) an den
Schulen in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von
Zigarettenautomaten, der Höhe des Zigarettenpreises und dem
Niveau der Lehrerunterstützung an den Schulen in einem
Mehrebenenmodell
W. Dür, 2002
Die Wahrscheinlichkeit, dass SchülerInnen täglich
rauchen, in Abhängigkeit vom Niveau der
Lehrerunterstützung an den Schulen der 7 Länder
Quelle: EU-BIOMED II-CAS
Odds ratio
10
8
6
4
2
0
Schools with
sufficient teacher support
without
Sufficient teacher support
W. Dür, 2002