Nationalsozialistische Herrschaft

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Nationalsozialistische Diktatur

Universität Leipzig, Historisches Seminar Wintersemester 2013/14 Dozent: Dr. Udo Grashoff

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP - Reichsleitung in München, Parteizentrale „Braunes Haus“: oberste Parteibehörde und Führerstab Stellvertreter Hitlers in der Partei: Rudolf Heß - ihm unterstanden 18 Reichsleiter

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP-Reichsleiter • Martin Bormann: Stabsleiter des Stellvertreters des Führers (Parteikanzlei) • Philipp Bouhler : Reichsgeschäftsführer, ab 1934 Chef der Kanzlei des Führers • Robert Ley: Reichsorganisationsleiter • Joseph Goebbels: Reichspropagandaleiter • Alfred Rosenberg: Leiter außenpolitisches Amt • Wilhelm Frick: Führer Reichstagsfraktion

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP-Reichsleiter • Franz von Epp: Leiter Wehrpolitisches Amt • Max Amann: Leiter der Parteipresse • Heinrich Himmler: Reichsführer SS • Ernst Röhm: Stabschef SA • Baldur von Schirach: Reichsjugendführer

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP Reichsleitung Gaue* Kreise Ortsgruppen (8 Zellen) Zellen (4-8 Blocks) Blocks (40-60 Haushalte) *Aufteilung des Deutschen Reiches in 33 Gaue (vormalige Reichstagswahlkreise)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP - hierarchische Grundstruktur - Gauleiter mit nahezu unumschränkten Vollmachten, nur Hitler unterstellt

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP Gliederungen: SA, SS Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps (NSKK) Nationalsozialistisches Fliegerkorps (NSFK) Hitlerjugend (HJ) Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund (NSDStB) Nationalsozialistische Frauenschaft

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP, Anschluss von Verbänden: Deutsche Arbeitsfront (DAF) Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung NS Ärztebund, NS-Lehrerbund Rechtswahrerbund Reichsbund der Deutschen Beamten

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau NSDAP zu keinem Zeitpunkt eine einheitliche, straff und zentral gelenkte und auf klare Befehlsverhältnisse aufgebaute Organisation trotzdem als Machtzentrum keineswegs dysfunktional

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.6. Herrschaftsaufbau  Schaffung neuer Institutionen 11 . März 1933: Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda geschaffen und Joseph Goebbels unterstellt  Übernahme von Regierungs- und Polizeiposten durch NSDAP und SA Führer  Staatsstreich in den Ländern nach der Reichstagswahl

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung - aktive Rolle der braunen Parteibasis - Durchsetzung der lokalen/regionalen Machtübernahme in 4 Tagen - Hissen von Hakenkreuzfahnen auf Rathäusern Aufmärsche, Behördenbesetzungen, Drohung mit Aufruhr - Innenminister Frick setzt Reichskommissare ein - erste Rathausbesetzung durch SA und SS bereits am Abend der Wahl in Hamburg

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Bsp. Land Sachsen: „Startschuss“ in Plauen 8. März: Rathausbesetzung und Absetzung OB - dann Besetzung Polizeidirektion, Amtshauptmannschaft, Post, Volkshaus (Zentrale der SPD) am gleichen Tag ähnliche Aktionen in anderen sächsischen Städten - Akteure: in Plauen NSDAP (Gauleiter Martin Mutschmann), in Dresden SA Stürme (Manfred von Killinger) 9. März: Manfred von Killinger wird von Hitler zum Kommissar für Polizei bestimmt

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung - personelle Aufstockung der aus SA, SS und Stahlhelm gebildeten Hilfspolizei 10. März: Rücktritt Landesregierung, Killinger „Reichskommissar von Sachsen“ - anarchische Phase: Verhaftungen, Haussuchungen, brutale Übergriffe Beschlagnahmen, Zerstörung der Infrastruktur von KPD und SPD - Beurlaubungen v.a. sozialdemokratischer Kommunalpolitiker und Beamter

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Umbildung der Landesregierungen preußische SPD-Regierung schon am 6. Februar per Notverordnung entmachtet die anderen Länder folgen vom 31. März bis zum 7. April Grundlage: „erstes Gleichschaltungsgesetz“: Mandatsverteilung in Landtagen an Reichstag angepasst Landesregierung kann Gesetze ohne Landtag beschließen

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung „zweites Gleichschaltungsgesetz“: Einsetzung von Reichsstatthaltern = Ende der Souveränität der Länder Preußen: Hitler Reichsstatthalter Folgen: von Papen muss Amt des preußischen Reichskommissars niederlegen Göring wird am 10. April zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 30 . Januar 1934 „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“  Dualismus von Ministerpräsident und Reichsstatthalter  Auflösung der Länderparlamente  Unterstellung Landesregierungen unter Reichsregierung

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung ‚Säuberung‘ der Verwaltung: 7. April 1933: „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ Grundlage für Entlassungen von - potenziellen politischen Gegnern „Parteibuch-Beamten“: nach 1918 eingetreten, ohne nötige Qualifikation - nicht-arischen Beamten (mindestens ein jüdischer Großelternteil)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Gleichschaltung der Wirtschaftsverbände

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Gleichschaltung der Wirtschaftsverbände Landwirtschaft: Reichsbauernführer Walther Darré

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung NS-Landwirtschaftspolitik Februar 1933: Verbot von Zwangsversteigerungen bäuerlicher Betriebe - September 1933: Reichserbhofgesetz Reichsnährstand als staatliche Instanz, die Preise bestimmte

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Gleichschaltung der Wirtschaftsverbände Landwirtschaft: Reichsbauernführer Walther Darré - Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbe Organisation neutralisiert den „Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand “

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung „Nationalsozialistischer Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand“ gegen Warenhäuser, Konsumvereine und Kapitalgesellschaften - Legitimation: Programm NSDAP Aktionen gestoppt, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Gleichschaltung der Wirtschaftsverbände Landwirtschaft: Reichsbauernführer Walther Darré - Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbe Organisation neutralisiert den „Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand “ Großindustrie: vergleichsweise geringer Einfluss von NS-Politikern; Adolf-Hitler Spende (5 Prozent der Löhne/Gehälter)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung  Gustav Krupp von Bohlen und Halbach steht für Kontinuität: 1931 Präsident des Reichsverbandes der Deutschen Industrie - in Finanzierung NSDAP ab 1932 involviert 1933 Kuratoriumsvorsitzender „Adolf-Hitler-Spende“ 1937 Wehrwirtschaftsführer - Krupp wird NS-Musterbetrieb

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Gleichschaltung des kulturellen Lebens zunächst Aktionen von unten „Kampfbund für Deutsche Kultur“ Säuberungen von Museen, Akademien, Theatern

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 10. Mai 1933: Bücherverbrennungen - initiiert am 2. April durch Deutsche Studentenschaft vierwöchige Aktion wider den „undeutschen Geist“

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung a uf der Schwarzen Liste der zu verbrennenden Bücher (Beispiele): Belletristik: Alfred Döblin, Erich Kästner, Egon Erwin Kisch, Heinrich Mann, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky Philosophie/Politische Literatur: Rosa Luxemburg, Karl Marx Bildende Kunst: Otto Dix, George Grosz

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Verstetigung der Repression: - Reichskulturkammer (Teil der DAF), an der Spitze: Joseph Goebbels Pressepolitik: tägliche Pressekonferenzen Goebbels‘ - Verstaatlichung von Nachrichtenagenturen Übernahme von Zeitungen in Besitz der NSDAP - Schriftleitergesetz: Redakteure direkt Staat unterstellt, nicht mehr dem Verleger

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.7. Ausschaltung der Sturmabteilungen (SA) Mitgliederzahlen der SA:

Jahr 1924 1930 1932 Anfang 1933 1934

Mitglieder 30.000 80.000 220.000 400.000

2.9 Mio

1940

900.000

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Rolle der SA bei der Machtergreifung 1933: Aufmärsche - Hilfspolizei (damit dritte bewaffnete Macht neben Reichswehr und Polizei) - Terror gegen politische Gegner (Verhaftungen, Folter, wilde KZ) maßgebend an der antijüdischen Boykottaktion des 1. April 1933 beteiligt

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Ausbau zu Wehrverband: - bis August 1933 Verwendung als Hilfspolizei - Ende 1933: Eingliederung Stahlhelm-Mitglieder bis 45 Jahre Dezember 1933: Röhm wird Reichsminister ohne Geschäftsbereich - ab Anfang 1934: Reichsinnenministerium finanziert die SA Röhm will konservative Reichswehr und revolutionäre SA zu Volksmiliz zusammenfassen (Reichswehr soll Ausbildungsheer sein)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung „Röhm-Affäre“: Gerüchte über bevorstehende „zweite Revolution“ durch unzufriedene SA - Juni 1934: mehrere öffentliche Reden (u.a. Heß) gegen zweite Revolution - zugleich stellte Heydrich Liquidierungslisten zusammen - inszenierte Mordaktion (30. Juni 1934): 150 bis 200 Personen erschossen

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Opfer der „Röhm-Affäre“: - SA Führer wie Ernst Röhm, Karl Ernst und Edmund Heines

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Opfer der „Röhm-Affäre“: - ehemalige Rivalen Hitlers wie Gregor Strasser (bis 1932 NSDAP Organisationsleiter) und Kurt von Schleicher

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Opfer der „Röhm-Affäre“: - weltanschauliche Gegner der Nazis wie Edgar Julius Jung oder Erich Klausener

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Opfer der „Röhm-Affäre“: „Miterschießung“ unliebsamer Häftlinge und Juden Walter Häbich Adam Hereth Erschießung von vier Juden „auf der Flucht“

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Legalisierung des Vorgehens gegen „Röhm-Putsch“: „Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr“, 3. Juli 1934

Die zur Niederschlagung hoch und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens.

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Rechtfertigung Hitlers, Reichstagsrede am 13. Juli 1934:

„Meuternde Divisionen hat man zu allen Zeiten durch Dezimierung wieder zur Ordnung gerufen [...] Ich habe den Befehl gegeben, die Hauptschuldigen an diesem Verrat zu erschießen, und ich gab weiter den Befehl, die Geschwüre unserer inneren Brunnenvergiftung und der Vergiftung des Auslandes auszubrennen bis auf das rohe Fleisch.“

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Organisatorische Entmachtung der SA: Röhms Ministeramt verschwindet SS organisatorisch endgültig von SA gelöst - NSKK und Motor-SA fusioniert und direkt der NSDAP unterstellt interne Säuberungen (Entlassungen, Sondergericht der SA)  Nutznießer: Reichswehr, SS

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Fortan beschränkter Aufgabenbereich der SA: Wehrsport und vormilitärische Ausbildung Aufmärsche Mitwirkung an antijüdischen Ausschreitungen im Krieg: Aufräumungs- und Bergungsarbeiten - Hilfspolizeiaufgaben (Landwacht, Stadtwacht)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung 2.8. Legitimierung des Führerstaates  Plebiszite - 12. November 1933 Plebiszit für Austritt aus Völkerbund (95 % Ja) - nach Tod Hindenburgs (2. August 1934) wird Hitler auch Reichspräsident = verfassungsrechtliche Absicherung der absoluten Führergewalt 19. August 1934 per Volksabstimmung bestätigt (89,9 % Zustimmung)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ - Einparteienstaat ab 14. Juli 1933 - Reichstag hatte fortan nur noch NSDAP-Fraktion - bestand trotzdem bis 1945 - 3x Wahlen: 1933, 1936 und 1938 mit Einheitsliste - sieben Gesetze durch Reichstag beschlossen (gegenüber 986 durch Regierung)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung darunter:  1934 „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ (Gleichschaltung)  1935 die beiden „Nürnberger Gesetze“

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Anfänge späterer Vernichtungspolitik schon 1933: antisemitische Maßnahmen (Berufsverbote, Judenboykott, Bücherverbrennung) 14. Juli 1933: Gesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (in Kraft seit 1. Januar 1934)

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Machtergreifung im Herbst 1934 abgeschlossen: Führerstaat installiert - keine konkurrierende Institution oder Persönlichkeit mehr vorhanden  2. August 1934: Vereidigung der Reichswehr auf den „Führer“  16. Oktober 1934: Änderung des Treue-Eids der Beamten

Nationalsozialistische Diktatur 2. Nationalsozialistische Machtergreifung Methoden der NS-Diktaturdurchsetzung: I. II.

Nutzung legaler Mittel ständiges Ausweiten der legalen Möglichkeiten III.

IV.

Schaffung neuer Instanzen v on nationalsozialistischen Führern organisierte Aktionen bzw. spontane Aktionen von der Straße her