Wie im Bilderbuch

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REISEN + ERHOLUNG
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DIENSTAG, 30. AUGUST 2011 – REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER
Alles hat seinen Raum: Ruhe bietet der Schattengarten, Romantik der Hochzeitsgarten (unten).
Die Balinea-Therme bietet ein umfangreiches Gesundheits- und Wellness-Angebot.
Markgräflerland – Erholung, Wein und Savoir-vivre
Internationale
Provinz
BAD BELLINGEN. Wie ein weiter Garten
erstreckt sich das Markgräflerland zwischen Schwarzwald und Rhein, Freiburg
im Norden und Basel im Süden: Reben
und Hügel, malerische Dörfer und Städtchen, Burgen, Schlösser und alte Kirchen
machen es zu einem abwechslungsreichen Reiseziel.
Schon die Anreise über Freiburg kann
zum Erlebnis werden. Vierzig Kilometer
weiter in Richtung schweizer und französische Grenze liegt der Kurort Bad Bellingen mit den Balinea-Thermen. Deren
Heilwasser sprudelt mit 40 Grad aus 600
bis 1 200 Metern Tiefe hervor. Darauf gestoßen war man in den 1950er-Jahren,
auf der Suche nach Öl. Heute kommen
die Gäste wegen rheumatischer Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparats. Die Temperaturen und
der hohe Mineralsalzgehalt machen das
Thermalwasser zu einem Heilmittel für
die Gelenke, Wirbelsäule, Sehnen und
Muskulatur.
Auch als Ausgangspunkt für zahlreiche Ausflüge ist der Ort im Dreiländereck
ideal. Die Konus-Gästekarte gilt als Freifahrschein für alle Busse und Bahnen in
der Ferienregion Schwarzwald. Vierzig
Minuten dauert beispielsweise die Fahrt
nach Basel. Wer möchte, kann über die
Kurverwaltung ortskundige City-Guides
als Begleiter mitnehmen.
Für kleinere Ausflüge ins hügelige
Umland hält die Kurverwaltung 30 E-Bikes vor. Die Weinstraße führt durch die
Orte Schliengen, Auggen, Müllheim,
Zunzingen und Britzingen nach Laufen
mit seiner mehrfach ausgezeichneten
Winzergenossenschaft.
Im ehemaligen Bergbaustädtchen
Sulzberg gibt das in der früheren Stadtkirche eingerichtete Landesbergbaumuseum einen Einblick in die Geschichte
des Bergbaus. Sehenswert ist auch die
ottonische Kirche St. Cyriak, die als älteste Kirche zwischen Freiburg und Basel
gilt. Das Sulzbachtal bietet ein NaturSchwimmbad sowie etliche Wandermöglichkeiten.
Alternativ führt die Weinstraße von
Bad Bellingen aus nach Müllheim, einem
Städtchen mit ganz anderem Charakter:
Das zum Regional-Museum umgebaute
Blankenhorn-Palais zeugt vom französischen Einfluss auf die Region. Als erster
Önologie-Professor hat Blankenhorn die
Weinkultur geprägt.
Das Museum zeigt die Wohnkultur
wohlhabender Weingutbesitzer und
spannt als Kulturinstitution den Bogen
ins Jetzt und Heute: Sein Innenhof und
Weinkeller bieten einen stilvollen Rahmen für Konzerte, Lesungen und aktuelle Ausstellungen. (mir)
www.bad-bellingen.de
www.sulzberg.de
www.markgraefler-museum.de
Die imposanten, zylindrisch geschnittenen Leyland-Zypressen geben dem Hauptweg entlang der Mixed Borders Struktur.
Das Blankenhorn-Palais: Haus mit Geschichte und modernes Kulturzentrum. FOTOS: PR
Der Iris-Garten der Staudengärtnerei Zeppelin ist Teil der malerischen MarkgräflerLandschaft.
FOTO: PR
Gartenreise – Das Markgräflerland ist zu einem Mekka für Hobby-Gärtner geworden
Wie im Bilderbuch
VON MIRJAM SPERLICH
Z
u Risiken und Nebenwirkungen fragen
Sie ihren Arzt oder
Apotheker. Das hat Gisela
Seidel nicht getan, bevor sie
in den Siebzigerjahren zu
einer England-Reise aufbrach.
Dort infizierte sie sich »mit
einem hartnäckigen Gartenvirus«. Unheilbar. Auf ungewöhnliche Weise hat sie es
geschafft, sich mit ihrer Leidenschaft zu arrangieren: Sie
übernahm einen Aussiedlerhof in Bad Bellingen-Hertingen im Markgräflerland.
Im Laufe der Jahre wandelte
sie das sieben Hektar große
landwirtschaftliche Anwesen
zu einem Bilderbuch-Garten um. Heute ist das Landhaus Ettenbühl ein öffentlich zugängliches Schmuckstück, zu dem Gartenliebhaber in Scharen pilgern.
Als Autodidaktin fing
Gisela Seidel an, machte zunächst »alles zweimal«.
Freunde brachten ihr nach
Art der englischen »Plant
Hunter« Pflanzen, Ableger
und Sämlinge aus aller Welt,
unter anderem aus der Verbotenen Stadt in Peking und
dem Himalaja. Einer rettete
sie mit einem Korb voll bodendeckendem Geranium
macorrhizom »spessart« –
»ein optimaler Erstbesiedler, ohne den ich nie mit dem
Unkraut fertig geworden
wäre!«. Auch ihre Familie
trug dazu bei, dass sich Gisela Seidel durch Rückschläge
nicht unterkriegen ließ.
Mittlerweile hat sie einen
ganzen Stab von Mitarbeitern, die wenigsten arbeiten
im Garten. Die meisten sind
im Gastronomiebetrieb – berühmt für seine Teatime –,
Üppige Blütenfülle. Obergärtner James Foggin hat immer das Gesamtbild im Blick.
dem Gästehaus und dem Rosen-Shop beschäftigt. Seit
1998 wird Gisela Seidel unterstützt von dem renommierten Rosenzüchter und Gartendesigner John Scarman, der
bei gelegentlichen Gastspielen Schulungen gibt.
Einfühlsamer Schnitt
Obergärtner ist seit 2004
John Foggin, auch er ein
Import von der Insel. »Ein
Garten muss mühelos aussehen, als sei alles schon seit
Jahren so«, erklärt er die
englische Herangehensweise.
»Wenn ein deutscher Gärtner da war, sieht man: da
wurde geschafft!« Ein guter
Gärtner habe den Blick dafür,
was wann nötig sei, keinen
Wochenplan: Montag Rosen
schneiden, Dienstag Unkraut jäten, Mittwoch sprit-
zen. Foggin geht mit seiner
Rosenschere an den blühenden Büschen vorbei,
schnippelt hier was ab und
da. Der große Rückschnitt
kommt nach dem Winter. Im
Sommer ist das Gesamtbild
wichtig.
Überhaupt, das Gesamtbild. In einer typisch englischen Mischrabatte, erklärt
Foggin, stehen Sträucher,
Stauden, Bäume und Einjährige in einer Fülle, durch die
keine nackte Erde zu sehen
ist. »Wir wollen, dass das
Auge sanft gleitet«, sagt der
Fachmann. »Primadonnen«
oder starke Solitäre haben
keinen Platz.
Die Gartenanlage des
Landhauses Etttenbühl umfasst zwanzig verschiedene
Bereiche ganz unterschiedlichen Charakters. Da sind die
bunten Mischrabatten, der
Lavendelgarten mit Stauden
und Rosen, das barocke
Buchsgärtchen, die Fliederwiese – vor allem im Frühjahr eine Augen- und Nasenweide –, der Potager – ein
klassischer Nutz- und Ziergarten mit ausgefallenen Obstund Gemüsesorten –, der
auch zu Hochzeiten unter
freiem Himmel genutzte, den
ganzen Sommer über üppig
blühende Moschata-Rosengarten, und und und.
Nicht zu vergessen natürlich der Rosen-Versuchsgarten, in dem John Scarmans
Züchtungen darauf warten,
dass der Meister sie für geschäftsfähig erklärt. Bevor
sie in den Handel kommen,
müssen sie sich erst einige
Jahre lang bewiesen haben:
Sind sie robust und krankheitsresistent? Blühen ihre
Knospen auch nach mehreren Regentagen noch auf?
Wichtig ist, dass der Garten zu jeder Jahreszeit attraktiv ist. Highlight des Jahres ist die Rosenblüte im
Frühsommer. Doch viele der
Rosen, großteils Züchtungen von John Scarman, blühen mehrmals, wenn sie
zurückgeschnitten wurden.
Rosen, Sommerflieder, Hibiskus und der Sommerflor
machen das Anwesen im
August und September sehenswert. Im Oktober und
November besticht es durch
seine Herbstfärbung und
spätblühende Stauden. Auch
Hagebutten sowie andere
Frucht- und Samenstände entfalten ihren besonderen
Reiz, dem James Foggin eigene Führungen widmet.
Im neuen Jahr geht es im
Februar mit der Christrosenblüte, winterblühenden
Gehölzen und den ersten
Frühlingsblühern los. Im
April läuten die Narzissen
in der riesigen Mammutbaum-Allee die Frühlingsblüte ein, der Flieder im Fliederweg schließt sich an.
GEA-FOTOS: MIR
vom Landgut Ettenbühl liegt
die Hochburg der Iris: die
Staudengärtnerei Gräfin von
Zeppelin, die Gartenfreunden bundesweit ein Begriff
ist. Im malerischen Winzerdorf Sulzberg-Laufen werden
mehr als 500 Sorten
Schwertlilien, 300 Sorten Taglilien und rund 60 Sorten
Pfingstrosen in allen Farbschattierungen herangezogen und immer wieder neue
Sorten gezüchtet.
Helen Gräfin Zeppelin hatte 1926 mit 22 Jahren auf
dem ererbten Weingut Meierhof eine Gärtnerei gegründet. Als »Iris-Gräfin« machte
sie sich mit ihren ersten eigenen Iris-Züchtungen in den
1930er-Jahren einen Namen. Heute wird die Staudengärtnerei in zweiter Generation von Aglaja von Ruhmohr
geführt. In diesem, dem 85.
Jahr des Betriebes, wurde das
»Gräfin von Zeppelin-Zentrum für Gartenkultur« gegründet, das unter anderem
Seminare für Hobbygärtner
bietet.
Die Staudengärtnerei
schmiegt sich wie ein großer Garten in die dörfliche
Kulisse von Sulzberg-Laufen. Durch die Anlage schlenhttp://www.landhaus ettenbuehl.de
dern verzückte GartenLilienreich in Laufen
freunde, viele mit dem KataDas ganze Jahr über bieten log in der Hand, auf der Suche nach den Originalen zum
die englischen Gärtner Seminare und Kurse an, in de- Bild. Mit etwas Glück wird
ein Besuch von Orgelmusik
nen sie – sehr unterhaltsam
– ihre Erfahrungen und Tipps aus der benachbarten Kirche begleitet. (GEA)
weitergeben. Was ein Beet
www.landhauszum Beet macht, das nicht
ettenbuehl.de
aussieht wie »Obstsalat«.
www.graefin-vonRund zwanzig Kilometer
zeppelin.de
nördlich des Rosenreichs