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Fachbeiträge – Thema
Die Diagnostik anorektaler Erkrankungen mit der Endosonographie
Albrecht Michael
Mit der rektalen Endosonographie steht
dem koloproktologisch tätigen Arzt eine
diagnostische Option zur Verfügung,
die gleichzeitig mit der klinischen Untersuchung und einer Endoskopie eingesetzt werden kann. Aufgrund seiner
Auflösung ist es das lokale Schnittbildverfahren der Wahl und macht meistens
weitere lokale bildgebende Verfahren
nicht mehr erforderlich. Weiterhin werden bei einem Zielauftrag einer rektalen
Endosonographie Anamnese und Lokalbefund nochmals erhoben und mit dem
endosonographischen Befund korreliert,
was Fehlinterpretationen einer reinen
Schnittbildanalyse reduzieren dürfte.
Die rektale Endosonographie steht flächendeckend seit den späten 1980er Jahren zur Verfügung und ist unter den
„modernen“ endoskopischen Verfahren
somit eher betagt. Leider verläuft die
Entwicklung endosonographischer Sonden langsamer als die der externen Sonographie. So sind mechanische rotierende Sondenköpfe durchaus noch
Stand der Technik, da im Rektum zur
Aufrechterhaltung der Orientierung
eine transversale 360°-Darstellung erforderlich ist, die mit fest angeordneten
Kristallen (Arrays) nur schwierig realisiert werden kann. Weiterhin läßt sich
bei einer mechanischen Sonde die Rotationsachse umschalten, wodurch eine
generell für die Sonographie wichtige
zweite Ebene für die Beurteilung zur
Verfügung steht. Kristall-Array-Sonden
bieten bisher keine bessere Auflösung,
haben aber die Möglichkeit der farbkodierten Duplex-Sonographie, wobei bei
der rektalen Endosonographie eine Darstellung der Gefäße beziehungsweise
Durchblutungssituation nur selten einen diagnostischen Zugewinn bringt.
Eine weitere technische Entwicklungslinie ist die 3D-Darstellung, die in der klinischen Routine ebenfalls keinen Vorteil
zeigen konnte. Eine wichtige Ergänzung
zur rektalen Endosonographie ist die pe-
Ausgabe 6 / 2010 21. Jahrgang
rineale Sonographie, bei der beispielsweise mit einem 7,5-MHz-Linearschallkopf (aus hygienischen Gründen mit
einem Schutzüberzug) die Perianalregion von außen beurteilt werden kann.
Staging des Rektumkarzinoms
Dr. Albrecht Michael
Im Rektum findet sich wie in den anderen Abschnitten des Gastrointestinaltraktes eine typische Abfolge in der sonographischen Darstellung der Wandschichten
(Abb. 1). Als innerste Schicht stellt sich
zunächst die Lamina mucosa durch den
Eintrittsreflex und eine darunterliegende
echoarme Schicht dar. Die darauffolgende echoreiche Schicht entspricht der Lamina submucosa. Die Lamina muscularis propria ist wieder echoarm, das umgebende Binde- und Fettgewebe echo­
reich. Durch diese endosonographisch
gut darstellbare Abgrenzung der einzelnen Rektumwandschichten kann sehr
gut eine Zuordnung von Raumforderungen zu den Schichten beziehungsweise
eine Aussage zur Infiltrationstiefe getroffen werden.
Die rektale Endosonographie ist in der
präoperativen Diagnostik des Rektum-
karzinoms für die Indikationsstellung
einer neoadjuvanten Radio- oder Radiochemotherapie obligat. Die Methode hat
die höchste Sensitivität zur Abgrenzung
der T-Stadien T1 (Infiltration bis Submukosa), T2 (Infiltration der Lamina muscularis propria) und T3 (Infiltration des
perirektalen Bindegewebes). Weiterhin
besteht eine hohe Sensitivität in der Darstellung perirektaler Lymphknotenmetastasen (N+). Um eine endosonographische Klassifikation zu kennzeichnen,
wird ein u (für Ultraschall, ultrasound)
vorangestellt, z. B.: uT3 uN+.
Zur diagnostischen Sicherheit des endosonographischen Tumorstagings des
Rektumkarzinoms liegen zahlreiche
Studien vor, die eine diagnostische Sensitivität bezüglich des T-Stadiums zwischen 80 und 90 Prozent zeigen. Beim
Abb. 1. Rektumwandschichten endosonographisch.
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Fachbeiträge – Thema
Lymphknotenstatus sind die Ergebnisse
etwas schlechter und in den verschiedenen Studien unterschiedlicher. Hervorzuheben ist auch eine deutliche Untersucherabhängigkeit der Ergebnisqualität, die auch in der S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ besonders herausgestellt wird.
Da bei einer Lymphknoten-Positivität
die Indikation zur neoadjuvanten Therapie besteht, ist eine Qualitätskontrolle
des endosonographischen Tumorstagings nur noch eingeschränkt möglich,
da durch die neoadjuvante Therapie die
Lymphknotenmetastasen und häufig
auch der Primärtumor im Operationsresektat nicht mehr nachweisbar sind. Unsere eigenen Erfahrungen zur diagnostischen Sicherheit stammen aus der Zeit
vor Einführung einer neoadjuvanten Radiochemotherapie, als sich die endosonographischen Befunde direkt mit der
postoperativen pathologischen Beurteilung vergleichen ließen. Dabei war der
für die Indikationsstellung einer neoadjuvanten Therapie wichtige Lymphknotenstatus nach unseren Erfahrungen
mit einer hohen diagnostischen Sicherheit zu erheben. Normalerweise sind
perirektal keine Lympknoten endosonographisch sichtbar. Finden sich bei einem Rektumkarzinom perirektale
Lymphknoten, können diese als N+ gewertet werden. Dabei spielt auch die
Größe keine Rolle.
Wenngleich sich umgebende Organe,
wie Prostata, Samenbläschen beziehungsweise Vagina und Portio uteri sowie die Harnblasenhinterwand in der
rektalen Endosonographie mit darstellen
lassen, ist bei sehr großen Rektumtumoren mit Infiltration in andere Organe
durch die limitierte Eindringtiefe die
Aussagefähigkeit verringert. Weiterhin
ergeben sich Limitationen bei stenosierenden Befunden und höher liegenden
Rektumtumoren. Auch die chirurgisch
und prognostisch sehr wichtige mesorektale Faszie kann durch die rektale
Endosonographie nicht dargestellt werden. Somit sind bei fortgeschrittenen
T3-Stadien, vermutetem T4-Stadium
oder nicht vollständig beurteilbarem Tumor weitere Schnittbildverfahren wie
CT oder MRT zu erwägen (Abb. 2 – 4).
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Diagnostik von Analfisteln
Abb. 2. Rektumkarzinom uT1.
Abb. 3. Rektumkarzinom uT2.
Für die konservative Behandlung oder
die präoperative Beurteilung von Analfisteln sind Informationen über deren
Verlauf, über die Ausdehnung des Fistelsystems, über einen eventuellen Sekretverhalt oder entzündliche Mitreaktion des umgebenden Gewebes erforderlich. Eine Fistulographie kann dabei lediglich die Ausdehnung des Fistelsystems darstellen und ist aufgrund der
zur Verfügung stehenden MRT und Endosonographie heutzutage meist nicht
mehr erforderlich.
Mit der rektalen Endosonographie lassen
sich die Strukturen des Analkanals und
der umgebenden Anteile des Beckenbodens gut darstellen. Endosonographisch
lassen sich im Analkanal das Anoderm
mit Subkutis, der Sphincter ani internus
und der Sphincter ani externus gegeneinander abgrenzen und beurteilen. Fisteln stellen sich als echoarme Straßen
mit Lufteinschlüssen dar und lassen
sich zwischen den anatomischen Strukturen verfolgen. Weiterhin können entzündliche Mitreaktionen des Gewebes
und Verhalte als echoarme oder liquide
Strukturen erfaßt werden. Abhängig davon kann vor einer chirurgischen Therapie zunächst eine Fadendrainage in die
Fistel eingelegt werden, um ein ausgedehntes Fistelsystem auf den drainierten
Fistelkanal zu reduzieren. Weiterhin
kann eingeschätzt werden, ob bei einer
Fistelexzision Sphinktermuskulatur mit
durchtrennt werden müßte. Insbesondere die schallkopfnahen Befunde lassen
sich dabei mit großer Sicherheit darstellen. Sind schallkopfferne Bereiche nicht
mehr ausreichend beurteilbar, kann mit
einem MRT eine bessere Darstellung
erzielt werden (Abb. 5).
Weitere Einsatzmöglichkeiten der
rektalen Endosonographie
Abb. 4. Rektumkarzinom uT3 mit perirektalen Lymphomen (uN+).
Analabszesse sind meistens klinisch beurteilbar, so daß die Operationsindikation sicher gestellt werden kann. Problemfälle können intersphinktäre Abszesse
(Abb. 6) darstellen, die sich nur durch
Schmerzen, eventuell Fieber, aber nicht
durch Rötung und Vorwölbung äußern.
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Abb. 5. Analfistel.
Abb. 6. Intersphinktärer Abszeß endosonographisch.
Abb. 7. Intersphinktärer Abszeß in der perinealen Sonographie.
Es ist zwar wegen der Schmerzen häufig
keine Endosonographie möglich, hier
kann aber die oben genannte perineale
Sonographie die Diagnose sichern und
die genaue Lage sowie die Tiefe darstellen (Abb. 7).
diagnostik kann die morphologische
Intaktheit der Sphinktermuskulatur beurteilt werden. Auch bei weiteren klinischen Problemfällen, wie von außen in
das Rektum einbrechenden Tumoren,
kann eine Endosonographie eine schnelle Klärung bringen. Zu erwähnen ist
auch der Einsatz in der Tumornachsorge nach anteriorer Rektumresektion,
wobei extraluminale Rezidive detektiert
und mit endosonographischer Punktion
gesichert werden können.
Literatur beim Verfasser.
Sehr gut darstellbar sind auch rektovaginale Fisteln, da sich das Spatium rectovaginale als echoreiche Struktur zwischen Rektum und Vaginahinterwand
gut darstellen läßt. Bei der Inkontinenz-
Dr. med. Albrecht Michael
Klinik für Allgemeine, Viszeral- und
Gefäßchirurgie
Interdisziplinäre Endoskopie
Universitätsklinikum Jena
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