C. Best - Perceptual Assimilation Model

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Transcript C. Best - Perceptual Assimilation Model

LMU
Institut für Phonetik und
Sprachverarbeitung
SoSe 2007
C. Best - Perceptual
Assimilation Model
HS Spracherwerb
Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington
Referentin: Anna Rühl
15. 05. 2007
Fragestellungen
Was ist das Perception Assimilation
Model?
 Was sind seine Implikationen für die
Wahrnehmung der Sprache bei
Kleinkindern?

I.
Theoretische Grundlagen

1. Direct Realism - Ecological Theory of
Perception (Gibson & Gibson 1955)

2. Articulatory Phonology (Browman &
Goldstein 1989)
Direct Realism



Gegenstandpunkt zur Theorie der
Repräsentation
Objekte der Perzeption werden direkt
wahrgenommen (kein Rückgriff auf
mentale Repräsentation)
Wahrgenommene Information ist
vollständig und trägt in sich Bedeutung
Direct Realism - Perceptual
Learning
Zunächst Wahrnehmung von Invariablen
niedriger Ordnung
 Durch Anpassung (attunement)
Konzentration auf Invariablen höherer
Ordnung

Direct Realism - Folgen für
Sprachwahrnehmung




Wahrgenommene Stimulusinformation 
tatsächliche distale artikulatorische
Bewegungen (articulatory gestures)
Säuglinge nehmen zunächst nicht-linguistische
gestural Information wahr
Durch Spracherfahrung wird die Wahrnehmung
muttersprachlicher Invariablen höherer
Ordnung vereinfacht
Gleichzeitig wird die Wahrnehmung von
Invariablen niedrigerer Ordnung behindert
Articulatory Phonology

Artikulationsbewegungen (gestures) als
Primitive der phonologischen Elemente

Sowohl Phonetik als auch Phonologie
fußen auf Artikulation
II. Perception Assimilation
Model - PAM

Grundannahme:
Erwachsenen Muttersprachler nimmt
durch Konzentration auf Invariablen
höherer Ordnung reduzierte Information
auf
Säuglinge als „naive“ Hörer nehmen
grundlegende Artikulationsbewegungen
wahr (simple gestures)
PAM - Universal Phonetic Domain
Grundlage des phonologischen Systems
einer Sprache ist die Geometrie des
Vokaltraktes und die Möglichkeiten zur
Manipulation dieser Geometrie
 Grundeinheit ist die simple gesture:
Konstriktionsbildung (und Lösung) an
einer bestimmten Stelle des Vokaltraktes

PAM - Universal Phonetic Domain
PAM - Native Phonological Space
Die NPS der Sprachen unterscheiden sich
in ihrer Wahl der
 Artikulationsstellen
 Konstriktionstypen
 Kombination von
Artikulationsbewegungen (gestural
constellations)
 Zeitlichen Verhältnisse (phasing relations)
PAM - Native Phonological Space
NPS schließt auch nicht phonologisch funktionale
Übergänge mit ein
 NPS der meisten Sprachen beinhaltet



Artikulationsstellen: bilabial bis pharyngal
Konstriktionstypen: Plosiv bis enge (vokalische)
Konstriktion
Alles, was innerhalb des NPS liegt, wird als
Sprachlaut wahrgenommen
PAM - Native Phonological Space
Die größten Unterschiede liegen in

Gestural constellations

Phasing relations between gestures
PAM - Nicht-muttersprachliche
Sprachsegmente
Große Überschneidungen zwischen NPS
der Sprachen
 Nicht-muttersprachliche Segmente  die,
deren gestural elements oder
intergestural phasing nicht genau denen
einer muttersprachlichen Konstellation
entspricht

PAM - Voraussagen über
Wahrnehmung
Wahrnehmung von nichtmuttersprachlichen Segmenten unter
Bezugnahme auf NPS der Muttersprache
 Kriterium für Ähnlichkeit:

Räumliche Nähe von Artikulationstelle und organ
 Ähnlichkeit von Konstriktionstyp und gestural
phasing


Wahrnehmung von Abweichungen
PAM - Arten der Assimilation
1.
Zu muttersprachlicher Kategorie
assimilierbar
a)
b)
c)
2.
3.
Gutes Exemplar
Akzeptables Exemplar
Abweichendes Exemplar
Nicht kategorisierbarer Sprachlaut
Nicht als Sprachlaut wahrgenommen
PAM - Assimilationsmuster
Assimilationsmuster
Diskriminationsfähigkeit
Two-Category
Assimilation (TC)
Hervorragend
Category-Goodness
Difference (CG)
Single-Category
Assimilation (SC)
Mittel bis sehr gut, je
nach Grad des
Qualitätsunterschieds
Schlecht, leicht über
Zufall
Assimilationsmuster Fortsetzung
Assimilationsmuster
Diskriminationsfähigkeit
Both
Uncategorizable
(UU)
Schlecht bis sehr gut, je
nach Nähe zueinander und
zu muttersprachlichen
Kategorien
Sehr gut
Uncategorized v.
Categorized (UC)
Nonassimilable (NA) Gut bis sehr gut
Studie 1
Discrimination of Non-Native
Consonant Contrasts Varying in
Perceptual Assimilation to the
Listeners‘ Native Phonological
System
Best (2001)
Studie 1

Experiment 1:

1.
2.
3.
Untersuchung der 3 Kontraste (isiZulu):
/b/-/ɓ/
/ kh / - / k’ /
/ ɬ /- / ɮ /
Vorhersage Assimilationsmuster
Kontrast Nicht -muttersprachlich Assimilationsmuster
/ ɓ - b / Laryngeal gesture für SC
/ɓ/
/ kh - k’/ Laryngeal gesture für CG
/kh/
/ ɬ - ɮ/
Artikulationsstelle
TC
Vorhersage
Diskriminationshierarchie
TC  CG  SC
Versuchsablauf
Zuerst Diskriminationstest (AXB)
 Anschließend Überprüfung der
Assimilation:

Transliteration in Bezug auf AE
 Zusätzliche Beschreibungen möglich

Diskriminationsergebnisse
Diskriminationsfähigkeit


Entspricht der
vorhergesagten
Hierarchie
TC  CG  SC
Auch bei SC
Diskriminationsfähigkeit
überzufällig
Trial-type effect


Deutet auf Einfluss
des auditorischen
Gedächtnisses
(Crowder 1971,
1973)
Nur bei bilabialem
Kontrast signifikant
Native-similarity effect

Alle Kontraste
87
86
85
84
83
82
81
80
79
78
77
76

x more
englishlike
x less
english
like
Korrekte
Diskrimination in
%
Für alle Kontraste
signifikant
Kein Unterschied
zwischen den
Kontrasten
Assimilationsergebnisse
Auswertung anhand der Transliteration
und der zusätzlichen Beschreibungen
 Durchgängig TC für / ɬ /- / ɮ /
 CG für / kh / - / k’ /
Assimilation des bilabialen
Kontrasts
73
7 2 ,2 3
72
Diskriminationsfähigkeit in %
71
70
69
TC
CG
SC
68
67
66
6 5 ,9 1
65
6 4 ,9
64
0
2
4
6
8
A nzahl VP
10
12
14
16
Experiment 2
Ziel: weitere angenommene TC Kontraste untersuchen
 Kontrast /p‘ - t‘/ (Sprache: Tigrinya)
 AE Kontraste /s - z/, /ʃ - ʒ/

Ergebnisse
Assimilation von /p‘ - t‘/: 12 VP zeigten TC
- Assimilation (meist zu /p - t/)
2 VP zeigten SC - Assimilation
 Diskrimination:

Schlussfolgerungen 1
Abfall der Diskriminationsfähigkeit je nach
Art der Assimilation bestätigt
 Assimilation gemäß den Prinzipien der
Articulatory Phonology

Schlussfolgerungen 2
 Native similarity effect:
 Erfahrung mit der Muttersprache führt zu stabilerer
Wahrnehmung von Elementen die eher der
Muttersprache entsprechen
 Diskriminationsfähigkeit weder zufällig für SC
noch perfekt für TC
 Drei Arten von Information werden
wahrgenommen: phonologische, phonetische und
nicht-linguistische
Schlussfolgerungen 2 Fortsetzung

Recency-effect nur bei SC
 Qualitative Trennung zwischen der
Wahrnehmung von linguistischer und
nicht-linguistischer Information
Andere mögliche
Interpretationen der Ergebnisse

Kategorielle Wahrnehmung?
Ergebnisse von Untersuchungen zu
Kategoriellen Wahrnehmung beziehen
sich aber typischerweise nur auf die
Wahrnehmung von synthetischen Stimuli
Andere mögliche
Interpretationen - Fortsetzung

Native Language Magnet (NLM)?
Mögliche Erklärung für SC - Ergebnisse
 Für TC-Ergebnisse nicht von PAM Hypothese
zu unterscheiden
 Mögliche Erklärung für CG-Ergebnisse
(native similarity effect),
Diskriminationsasymmetrie allerdings auch
bei SC und TC

Studie 2
Infant Perception of NonNative Consonant Contrasts
that Adults Assimilate in
Different Ways
Best (2003)
Ziel und Methode der Studie
Beantwortung der Frage, inwiefern sich
die Wahrnehmung nichtmuttersprachlicher Elemente im ersten
Lebensjahr verändert
 Stimulusmaterial wie in Studie 1,
Versuche mit 6-8 und 10-12 Monate alten
Säuglingen

Vorhersagen verschiedener
Theorien
PAM-Hypothese



Bei 10-12 Monate alten Säuglingen noch keine
Wahrnehmung phonologischer Kontraste
Aber durch perceptual learning schon
Wiedererkennen bekannter artikulatorischer
Muster
Erweiterung der PAM-Hypothese durch
articulatory organ (AO) Hypothese (StuddertKennedy and Goldstein 2003):
Säuglinge haben größere Schwierigkeiten,
Kontraste innerhalb eines Artikulationsorgans
zu unterscheiden, als zwischen zwei
verschiedenen Artikulationsorganen
PAM-Hypothese - Fortsetzung



Diskriminationsergebnisse der 10-12 Monate
alten Säuglinge unterscheiden sich von denen
der Erwachsenen
Abnahme der Diskriminationsfähigkeit ggb.
jüngeren Säuglingen aufgrund von perceptual
attunement
Diskriminationfähigkeit ist besser für betweenorgan Kontraste als für within-organ Kontraste
Diskriminationsergebnisse
Diskriminationsergebnisse der
älteren Säuglinge
Kein Kontrast konnte zuverlässig
unterschieden werden
 Trotzdem große Unterschiede zwischen
den Kontrasten
 Besonders interessant: Ergebnis für
laterale Frikative

Experiment 2

Untersuchung eines weiteren Kontrasts,
der von Erwachsenen als TC Kontrast
beurteilt wurden, allerdings mit betweenorgan distinction: /p‘ - t‘/
Vorhersagen anderer Modelle
Ergebnisse
Zusammenfassung Ergebnisse
Abnahme der Diskriminationsfähigkeit für
beide (!) stimmlos/stimmhaft Kontraste,
nicht für Ejektive
 Unterschiede in der Diskrimination von
/ɬ - ɮ/ bei den 10-12 Monate alten
Säuglingen liegt wahrscheinlich an
verändertem Habituationskriterium

Beurteilung Ergebnisse

Ergebnisse sind am besten durch PAM/AOHypothese zu erklären


Säuglinge nehmen noch keine phonologische
Information auf, sind aber in ihrer Wahrnehmung
schon auf muttersprachliche phonetischartikulatorische Muster konzentriert
Dieser Anpassungseffekt kann in manchen Fällen
vom Effekt überlagert werden, dass Kontraste
zwischen zwei Artikulationsorganen besser
unterschieden werden als solche innerhalb eines
Organs (between- versus within-organ
differences)
Ausblick

Aufschlussreich wären Untersuchungen
z.B. zu Plosiv-Frikativ Kontrasten mit der
selben Artikulationsstelle oder zu
Stimmhaftigkeitskontrasten bei Plosiven
Quellen






Best, C. (1995). A direct realist view of cross-language speech perception.
In: Strange, W. (1995). Speech Perception and linguistic experience. York
Press: Baltimore.
Best, C., McRoberts, G., Goodell, E. (2001). Discrimination of non-native
consonant contrasts varying in perceptual assimilation to the listener‘s
native phonological system. Journal of the Acoustical Society of America
109, 775-794.
Best, C., McRoberts, G., (2003). Infant perception of non-native consonant
contrasts that adults assimilate in different ways. Language and Speech
46, 183-216.
Browman, C., Goldstein, L. (1989). Articulatory gestures as phonological
units. Phonology 6, 201-251.
Studdert-Kennedy, M., Goldstein, L. (2003). Launching language: The
gestural origin of discrete infinity. In: Christiansen, M., Kirby, S. (2003).
Language evolution: The states of the art. Oxford University Press: Oxford.
Crowder, R. (1971). The sound of vowels and consonants in immediate
memory. Journal of Verbal Learning and Verbal Behaviour 10, 587-596.