LsungsskizzeExamensklausurenkurs15.12.2012

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Lösungsskizze
Vorüberlegungen: Anwaltsklausur, d.h. neben
rechtlichen auch praktische Überlegungen.
 1. Begründetheit (gegen wen lohnt ein
Vorgehen)
 2. Zulässigkeit
A) Begründetheit
Ansprüche gegen die D-AG
I. § 346 Abs. 1 BGB (nur auf Rückerstattung des
Ticketpreises)
1. Schuldverhältnis
- Beförderungsvertrag
- vertretbar: Dienstvertrag
- kaum vertretbar: Werkvertrag, da ansonsten
unkalkulierbares Risiko einer Verspätung,
ungünstiges Reisewetter etc. allein zu Lasten
des Verkehrsunternehmens ginge
2. Rücktrittsgrund
a) § 326 Abs. 5 BGB?
- Leistung war am 27. 12. 2012 nicht unmöglich
(§ 275 Abs. 1 BGB); Ticket galt bis 29. 12. 2012
b) § 324 BGB?
- Nebenpflicht, § 241 Abs. 2 BGB?
- (-), sicherer Zu- und Ausstieg dienen auch der
Leistung, da anders Beförderungsleistung nicht
möglich wäre  Nebenleistungspflicht
- anders wohl BGH X ZR 59/11: Nebenpflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB); vertretbar 
Zumutbarkeit prüfen
c) § 323 Abs. 1 BGB?
- D-AG gegenüber Fahrgast: auch Pflicht,
sicheren Zustieg und Ausstieg zu gewährleisten,
- Pflicht objektiv verletzt  Schlechtleistung
3. Keine Fristsetzung/Entbehrlichkeit der Frist?
- § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB: Interessenabwägung
- Leistung war noch möglich, Berchtesgaden
mehr als Wintersport; aber: Snowboardurlaub
geplant, Unfall schränkt Urlaubsgenuss ein;
dagegen: Verwendbarkeit der Leistung Sache
des Empfängers; jedoch: Pflichtverletzung von
D-AG zu vertreten; K muss sich nicht erneut
Gefahr einer Rechtsgutsverletzung aussetzen
(Rechtsgedanke § 249 Abs. 2 S. 1 BGB)
 Fristsetzung entbehrlich
(a.A. vertretbar)
4. Ausschluss gem. § 323 Abs. 6?
- (-), da die D-AG die Schlechtleistung zu
vertreten hat
5. Rücktrittserklärung, § 349 BGB?
- konkludent im Schreiben K an Bahn-AG (+)
6. Ergebnis:
- K hat einen Anspruch auf Rückzahlung der 120
€ gem. § 346 Abs. 1 BGB
II. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
1. Schuldverhältnis (+)
2. Pflichtverletzung (+)
3. Fristsetzung entbehrlich, § 281 Abs. 2 BGB (+)
4. Vertretenmüssen § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
a) Widerleglich vermutet
b) aber: keine Einflussnahmemöglichkeit der DAG, da sie die Station selbst nicht betreut 
eigenes Verschulden (-)
c) § 278 BGB?
- S-AG hat gegenüber D-AG Pflicht übernommen,
Bahnhöfe bereitzustellen, umfasst auch die
vertragliche Verkehrssicherungspflicht
- S-AG hat Pflicht objektiv verletzt, da Bahnhof
nicht sicher war
- S-AG = Erfüllungsgehilfin der D-AG?
- mit Wissen und Wollen im Pflichtenkreis der DAG tätig?
- Beförderungsvertrag erfasst auch Pflicht, für
sicheren Zu- und Ausstieg zu sorgen; S-AG nimmt
Pflicht für D-AG wahr
c) § 278 BGB
- Problem: S-AG selbst handelt nicht schuldhaft
 Konstruktion des „Gehilfengehilfen“
- Erfüllungsgehilfe des Erfüllungsgehilfen wird
wie eigener Gehilfe des Schuldners behandelt
wird, damit sich Schuldner nicht durch
Einschaltung eines Dritten seiner Pflichten
entziehen kann
- A handelt schuldhaft (erscheint zumindest
fahrlässig nicht zum Dienst)
- der D-AG zuzurechnen, als wäre A deren
Erfüllungsgehilfe  Vertretenmüssen (+)
5. Schaden
- unfreiwillige Vermögenseinbuße
a) Vermögensschaden
- Differenzhypothese  120 €, 500 €
b) Nichtvermögensschaden
- immaterieller Schaden: Differenzhypothese
nutzlos
- Schmerzensgeld nur kraft Gesetzes (§ 253 Abs.
1 und 2 BGB)
6. Haftungsausfüllende Kausalität
- Pflichtverletzung ursächlich für den Schaden in
der konkreten Höhe
- Äquivalenztheorie; Adäquanztheorie;
Schutzzweckzusammenhang
a) 500 € (+)
b) Schmerzensgeld (+), Höhe: § 287 ZPO
c) 120 €?
- K entscheidet sich gegen Reiseantritt
- psychische Kausalität: K durch zurechenbares
Verhalten der D-AG herausgefordert und war
ihm ein anderes Verhalten nicht zumutbar? (+)
7. Ergebnis
K hat Anspruch auf 120 € , 500 € und
Schmerzensgeld gegen D-AG
[Alternativlösung: §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2
BGB  bis auf Fristsetzung gleicher Aufbau mit
den gleichen Problemen  i.E. (+)]
III. § 831 BGB
- S-AG ist nicht Verrichtungsgehilfin der D-AG
(nicht sozial abhängig und weisungsgebunden)
- A kein Arbeitnehmer der D-AG  nicht sozial
abhängig und weisungsgebunden
- kein Anspruch
Ansprüche K gegen S-AG
I. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (cic)
1. Schuldverhältnis gem. § 311 Abs. 2 BGB
- (-), da K nicht mit der S-AG verhandelt, keinen
Vertrag anbahnt und auch sonst keinen
geschäftlichen Kontakt zur S-AG hat
- allein Benutzung des Bahnhofs begründet kein
vorvertragliches Schuldverhältnis, da kein
Vertragsverhältnis oder ähnlicher Kontakt
beabsichtigt ist (anders, wenn K z.B. in einem
der S-AG gehörenden Laden einkaufen wollte)
2. Ergebnis: Anspruch (-)
II. § 280 Abs. 1 iVm Vertrag mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter (§ 311 Abs. 3 Satz 1 BGB)
1. Vertrag zwischen D-AG und S-AG
- (+), Nutzungsvertrag
2. Einbeziehung des K in den Schutzbereich des
Vertrags
a) Leistungsnähe des K?
- kommt bestimmungsgemäß mit Leistung in
Berührung?
- (+), Leistung = Bereitstellung des Bahnhofs für
Beförderung, einzige Zusteigemöglichkeit
b) Gläubigernähe des K?
- berechtigtes Interesse des Gläubigers an
Einbeziehung des Dritten in den Vertrag?
- früher: „Wohl und Wehe“-Formel = Schutz- und
Fürsorgepflichten des Gläubigers für Dritten
- heute: besonderes Näheverhältnis (auch
vertraglich vermittelt) ausreichend
- D-AG hat aufgrund Beförderungsvertrags nicht
nur Beförderung selbst, sondern auch sicheren
Zu- und Ausstieg zu gewährleisten, da nur am
Bahnhof die Beförderungsleistung entgegen
genommen werden kann
c) Erkennbarkeit der Einbeziehung des Dritten in
den Schutzbereich des Vertrags zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses?
- (+), D-AG ist Verkehrsunternehmen,
Nutzungsvertrag dient Beförderungsleistung
d) Schutzbedürftigkeit des Dritten
- kein eigener vertraglicher Anspruch gegen den
Gläubiger?
(-), s.o.
3. Ergebnis
- kein Anspruch
III. § 823 Abs. 1 BGB
- bereits fraglich, ob allgemeine (nicht
vertragliche) Verkehrssicherungspflicht verletzt,
da S-AG durch Anstellung des A Vorkehrungen
getroffen hat, um Schäden zu verhindern
- jedenfalls hat S-AG Verletzung des K nicht
verschuldet, da nicht vorhersehbar, dass der
langjährig zuverlässige A plötzlich dem Dienst
fernbleibt
- § 278 BGB nicht anwendbar, da ansonsten
Wertung des § 831 BGB unterlaufen würden
IV. § 831 Abs. 1 BGB
1. Widerrechtliche Schadensverfügung durch A
- (+)
2. A = Verrichtungsgehilfe?
- sozial abhängig und daher weisungsgebunden
im Verhältnis zu S-AG (+)
3. Exkulpation?
- (+), keine Probleme in der Vergangenheit,
Erfahrung, gute Zeugnisse, ordentliche
Einarbeitung und Einweisung
4. Ergebnis
- kein Anspruch
Ansprüche K gegen A
I. § 823 Abs. 1 BGB
1. Rechtsgutsverletzung
- (+)
2. Verletzungshandlung
- Unterlassen des Winterdienstes trotz
allgemeiner Verkehrssicherungspflicht
- zunächst nur für S-AG, da sie den Bahnhof
(= Gefahrenquelle) unterhält
- aber von A vertraglich übernommen
3. Haftungsbegründende Kausalität
- Verletzungshandlung für Rechtsgutsverletzung
äquivalent und adäquat kausal;
Schutzzweckzusammenhang (+)
4. Verschulden
- Fahrlässigkeit = § 276 Abs. 2 BGB
- objektiv vorhersehbar, dass bei Winterwetter
Glätte auftreten und Schaden entstehen kann,
wenn nicht rechtzeitig gestreut wird
- (+), da verschlafen
5. Schaden und haftungsausfüllende Kausalität
- (+), s.o.
6. Innerbetrieblicher Schadensausgleich
- Arbeitnehmer hat Freistellungsanspruch
gegenüber dem Arbeitgeber bei betrieblich
veranlasster Tätigkeit (volle Freistellung bei
leichter Fahrlässigkeit, anteilig bei
Fahrlässigkeit, nicht bei Vorsatz)
- nur Einwendung gegenüber Arbeitgeber, nicht
gegenüber Dritten
- Freistellungsanspruch aber pfändbar: K kann
sich Anspruch überweisen lassen und bei S-AG
einziehen, §§ 829, 835 ZPO (PfÜB)
7. Ergebnis
- K hat Anspruch auf Ersatz von 120 €, 500 € und
Schmerzensgeld gegen A
II. Zweckmäßigkeitsüberlegung
- Aufenthaltsort des A ist unbekannt,
Vollstreckung in das bewegliche oder
unbewegliche Vermögen des A daher
voraussichtlich fruchtlos
- Titel gegen A erlaubt aber Pfändung des
Freistellungsanspruchs und damit ein Vorgehen
direkt gegen die S-AG → Klage gegen A sinnvoll
B) Zulässigkeit
Vorüberlegung: Ansprüche sind nur gegen die DAG und A begründet
I. Ordnungsgemäße Klageerhebung, § 253 Abs.
1 ZPO
1. Inhalt der Klageschrift
- Problem: Bestimmtheit des Klageantrags
„Zahlung von Schmerzensgeld“, wenn kein
Betrag genannt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)
- Lösung: § 287 ZPO → Schmerzensgeld kann in
das Ermessen des Gerichts gestellt werden
2. Zustellung der Klageschrift
- Zustellung zwar vom Gericht vorzunehmen (§§
253 Abs. 5, 166 Abs. 2, 168 ZPO)
- ladungsfähige Parteianschrift aber nach BGH
nötig für ordnungsgemäße Klageerhebung
(trotz „soll“ in § 130 Nr. 1 ZPO)
- Zustellung an D-AG: §§ 271 Abs. 1, 170 Abs. 2
ZPO an Vorstand, wo angetroffen (§ 177 ZPO);
üblich: § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (Beschäftigter
der D-AG in Geschäftsräumen); Hauptsitz Berlin
- Zustellung an A: Aufenthaltsort unbekannt;
öffentliche Bekanntmachung (§§ 185ff. ZPO)
II. Sachliche und örtliche Gerichtszuständigkeit
1. Sachliche Zuständigkeit
- Amtsgericht, § 23 Abs. 1 Nr. 1 GVG
2. Örtliche Zuständigkeit
a) D-AG: § 17 ZPO → Berlin
b) A: § 16 ZPO → Reutlingen
c) Besonderer Gerichtsstand, § 32 ZPO: Tübingen
d) § 35 ZPO: Wahl der Klägers
- zweckmäßig Tübingen, da Kläger und Anwalt
hier wohnen
III. Partei- und Prozessfähigkeit
1. Parteifähigkeit
- Rechtsfähigkeit (§ 50 Abs. 1 ZPO)
- D-AG: § 1 AktG; A: § 1 BGB
2. Prozessfähigkeit
- §§ 51ff. ZPO  Geschäftsfähigkeit
- D-AG: gesetzlicher Vertreter → Vorstand, § 78
AktG
- A (+), Drogenmissbrauch nur angedeutet, keine
Geschäftsunfähigkeit
IV. Streitgenossenschaft (subjektive
Klagehäufung), §§ 59, 60 ZPO
- Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des
Streitgegenstands → bezüglich Sache oder
Recht besteht eine rechtliche Gemeinschaft
(z.B. Bruchteilsgemeinschaft, Bürgschaft,
Gesamtschuldner)
- Gesamtschuld: mehrere Schuldner, jeder muss
voll leisten, Gläubiger kann nur einmal fordern
(§ 421 BGB); Gleichstufigkeit: (+, str.), da keine
spezielleren Regressregeln als § 426 BGB  (+)
- im Übrigen: § 60 ZPO wegen Gleichartigkeit der
Ansprüche (+)