Eine Frau wird

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Transcript Eine Frau wird

Frauen
in der albanischen
Gesellschaft des Kosovo
Vortrag von Albana Koshi bei der DAFG-Hamburg
anlässlich des internationalen Frauentages
Frauen in der albanischen
Gesellschaft des Kosovo
Die albanische
Gesellschaft ist
eine patriarchale
Macho-Gesellschaft.
Vortrag von Albana Koshi bei der DAFG-Hamburg - anlässlich des internationalen Frauentages
Frauen in der albanischen
Gesellschaft des Kosovo
(1) Männer bestimmen, wie die Regeln des Zusammenlebens
in dieser Gesellschaft aussehen – und
was die Rolle der Frau in dieser Gesellschaft ist.
(2) Frauen haben nur wenig Einfluss auf die Gestaltung der
gesellschaftlichen „Spielregeln“. Diese Regeln sind darüber
hinaus für Frauen und Männer unterschiedlich bindend.
(3) In der traditionellen albanischen Gesellschaft
ist die „Ehre der Frau“ eine Angelegenheit der Männer.
Ebenso ist die „Ehre der Männer“
eine Angelegenheit der Männer.   
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Frauen in der albanischen
Gesellschaft des Kosovo
o
Der Vater bestimmt über die Tochter, der Bruder
über die Schwester, der Ehemann über die Ehefrau,
der Schwiegervater über die Schwiegertochter und
der Schwager über die Schwägerin.
o
Häusliche Gewalt von Männern gegenüber Frauen
wird gesellschaftlich akzeptiert oder „hingenommen“:
„… because of its predominantly patriarchal society, …
male violence against women is generally unchallenged
and victims … may be met with isolation or blame”
(American Journal of Public Health 2004)
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
Sogenannte „außer-eheliche“ sexuelle Beziehungen
werden bei Männern toleriert – bei Frauen nicht.


Nicht-verheiratete Männer dürfen gerne damit
prahlen mehrere solcher Beziehungen zu haben.
Eine Frau wird in einer gleichen Situation bestenfalls
als „Nutte“ bezeichnet.
Ein Ehemann mit einer „außer-ehelichen“ Beziehung
wird inner-familiär maximal „kritisiert“.
Eine Ehefrau in einer gleichen Situation wird „aus
dem Haus geworfen“ (geächtet und isoliert).
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Die von den Männern für die Frauen in der
albanischen Gesellschaft vorgesehene Rolle
ist die der Ehefrau und Mutter.

Im gesellschaftlichen „Ansehen“ (Ranking)
stehen unter der Ehefrau und Mutter
 eine Ehefrau ohne Kinder,
 eine unverheiratete Frau - ohne Kinder,
 eine geschiedene Frau - mit Kindern,
 eine geschiedene Frau - ohne Kinder
und – ganz unten - eine unverheiratete Frau - mit Kindern.
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
Weiterer Druck auf Frauen zur Anpassung in ihre
vorgesehene Rolle entsteht durch den gesellschaftlich akzeptierten – Unterschied
offizieller und inoffiziell angewandter Gesetze:

Offiziell haben Töchter und Söhne gleiche Rechte als Erben.
Traditionell erben nur die Söhne – eine auch heute noch
vielfach akzeptierte Praxis.

Eheschließungen müssen nicht offiziell stattfinden um
familiär und gesellschaftlich als legitimiert zu gelten:
Bei einer Trennung fällt es der Ehefrau damit schwer,
finanzielle Ansprüche gegenüber ihren Ehemann
durchzusetzen.
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
Die Justiz ist blind im Kosovo: Nicht im positiven Sinne,
sondern gegenüber den Rechten von Frauen.
Oft wird die Dominanz traditioneller Regeln gegenüber
offiziellen Gesetzen akzeptiert:

Angezeigte häusliche Gewalt wird häufig nicht verfolgt,
Opfer werden schlecht behandelt.
„Kosovo’s women face significant gender-based violence
and little respect for a victim’s right ... Even if a woman musters the
courage to report a crime of violence and denounce the perpetrator,
she continues to be re-victimized during examination by doctors
or forensic examiners, social welfare workers or other actors
within and outside the criminal-justice system.“
(UNFPA 2006)
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
Die Schuld einer Vergewaltigung wird vielfach der
vergewaltigten Frau zugeschrieben
(z.B. durch Kleidung oder Benehmen provoziert).
„Fear of stigmatization is the leading reason for the failure to report most
sexual violence crimes. For unmarried women, sexual violence is so
stigmatizing that most women would prefer to suffer in silence
than to risk the shame and discrimination ...“ (UNFPA 2006)

Erfolgreich“ gegen Männer eingeklagte (familienrechtlich bedingte)
finanzielle Verpflichtungen und weitere gerichtliche Auflagen
werden – von Polizei und anderen Behörden - nicht durchgesetzt.
 Richter und Staatsanwälte lassen sich einschüchtern oder bezahlen,
Anwälte stellen „plötzlich“ ihre Arbeit ein. Männliche Polizisten und Täter
kommen häufig aus der gleichen Nachbarschaft und unterliegen in ihrem
Privatleben gleichen gesellschaftlichen Normen.
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Gesellschaft des Kosovo
Traditionelle Einflüsse - auf die Situation von Frauen - können
unterschiedlich stark ausgeprägt sein, abhängig etwa
 vom Wohnort – ländlich oder urban – und
 vom Bildungshintergrund der Frau und ihres Umfelds.
 Ein selbstbestimmteres und „freieres“ Leben ist für Frauen im
Kosovo – wenn überhaupt – nur in der urbanen Anonymität der
kosovarischen Hauptstadt Prishtina möglich.
Eine Vielzahl von Frauen mit IT- und englischen Sprachkenntnissen findet
hier Anstellungen als Übersetzerinnen, Assistentinnen und Koordinatorinnen:
Bei ausländischen oder internationalen Organisationen, Banken, Reisebüros,
NGOs etc. Die gezahlten Gehälter liegen dabei oft weit über dem
kosovarischen Durchschnitt .
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Eine Gesellschaft, deren patriarchale Dominanz oft auf der „Rolle“
des Ehemannes oder Vaters als Ernährer der Familie beruht, kann
hierdurch – zum Teil – in Frage gestellt werden.

Dennoch: Die Möglichkeit relativ frei zu leben - vor allem in
der Hauptstadt Prishtina - betrifft fast ausschließlich Frauen
aus der sehr kleinen Bildungs-Mittelschicht und der finanziellen
„Oberschicht“ des Kosovo.

Die weit überwiegende Anzahl schlecht gebildeter Frauen
aus kleineren kosovarischen Städten und Dörfern bleibt dem
traditionellen Rollenzwang der patriarchalen albanischen
Gesellschaft ausgeliefert.
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Die offiziellen Gesetze der Republik Kosovo verlangen die
Gleichbehandlung aller Individuen:
“No one shall be discriminated against on grounds of … gender”
(Verfassung der Republik Kosovo, Artikel 3 und 23)
Die Realität ist davon weit entfernt.
Die albanische Frau - im Kosovo und in Albanien –
lebt im Spannungsverhältnis von
 Tradition und Moderne
 Unterdrückung und Emanzipation
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Frauen in der albanischen
Gesellschaft des Kosovo
Ein besonderer Ausdruck traditioneller patriarchaler Dominanz war
die sogenannte „Mannfrau“ oder „Eingeschworenen Jungfrau“.
Hierbei treten Frauen symbolisch zum männlichen Geschlecht über
 entweder um einer arrangierten Verheiratung zu entgehen oder
 um das Fehlen eines männlichen Familienoberhauptes auszugleichen.
Heutzutage leben noch etwa 40 „Eingeschworene Jungfrauen“ im Norden Albaniens.
Nach ihrem Schwur war die „Mannfrau“ erbberechtigt. Sie durfte Waffen tragen,
Alkohol trinken und - ohne Stimmrecht – an den Ratssitzungen der Gemeinde teilnehmen.
 Auch wenn diese besonders offensichtliche Form männlich
dominierter Traditionen kaum noch existiert, gibt es alarmierende
Zeichen eines neuen „Traditionalismus“: 
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Trotz traditioneller Einflüsse, war das Leben in kosovarischen und
albanischen Städten in den vergangenen Dekaden überwiegend
laizistisch geprägt. Verschleierte, Kopftuch-tragende Frauen waren
in urbanen Gegenden kaum präsent.
 Um dieses zu ändern, versuchen arabische Organisationen im Kosovo
verstärkt Einfluss zu gewinnen. Familien werden mit finanziellen Anreizen
dazu gebracht, einer „islamischen Kleiderordnung“ zu folgen.

Gleichzeitig gewinnen islamische Fundamentalisten –
insbesondere Wahhabiten – gesellschaftlich an Gewicht:
„Wie aggressiv die Fundamentalisten vorgehen, zeigt der Fall des liberalen Theologen
Xhabir Hamiti. Er wurde in Pristina verprügelt, nachdem er das Kopftuchtragen
nicht als oberste Priorität für Frauen bezeichnet hatte“
(Tagesanzeiger.ch, 30.07.2010).
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Einhergehend damit zeigen Presseberichte
eine Wiedererstarkung traditioneller Werte:

Zunehmend sollen danach junge Frauen in albanischen
Krankenhäusern operativ ihre „Jungfräulichkeit“
Wiederherstellen lassen:
„According to … doctors at gynaecological clinics in Albania …,
up to three young women each day are undergoing … a gynaecological
intervention to become virgins again … that does not concern girls … from rural
areas only … It is directly connected to the chauvinism rooted in Albanian society
… Today the pressure for women to be virgins in Albania society has returned
…“ (Women News Network, 29.04.2012).

Unabhängig von wenigen Ausnahmen ist die systematische
Benachteiligung von Frauen in allen Bereichen der kosovarischen
Gesellschaft und Politik offensichtlich. Einige Fakten: 
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Frauen in der albanischen
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 Der Anteil von Frauen in Politik und Gesellschaft
• Bevölkerung des Kosovo: 1.800.000 - Frauen: 49,6%
• Parlaments-Abgeordnete: 33% - 40 von 120 Sitzen
• Vorsitz Parlaments-Kommissionen: 2 von 16
• Parlamentspräsidium: 0 von 6
• Regierung: 2 von 19 Ministerien
• Vize-Minister/innen: 0 von 25 • Staatssekretär/innen: 3 von 21
• Bürgermeister/innen: 0 von 37 • Vize-Bürgermeister/innen 1 von 37
• Vorsitz Gemeindeparlamente: 1 von 37
• Richter/innen: 21% - 52 von 243
• Polizei: 14% - 571 von 3965
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 Der Anteil von Frauen in Politik und Gesellschaft
• Weibliche Studierende (Uni): 51% - 23200 von 45700
• Uni-Dozent/innen: 29% - 292 von 1023
• Uni-Prishtina Dekanate: 0 von 16
• Uni-Präsidenten Kosovo: 0 von 11
• Analphabeten urban: Frauen 7,5% / Männer 3,3%
• Analphabeten rural: Frauen 11,3% / Männer 5,5%
• Arbeitslosenquote: Gesamt: 45% / Frauen: 56% / Männer: 41%
• Beschäftigungsrate: Gesamt 26% / Frauen: 13% / Männer: 40%
• Heiratsalter Frauen: 28 Jahre (bei offiziellen Eheschließungen)
• Scheidungen: 1162 (2010), 48% ohne Kinder (nach offiziellen Ehen)
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Zum Schluss: Ein Witz?!
„Jeder grüßt ihn
mit Herr Präsident.“
So steht es offiziell
in Artikel 23 des kosovarischen
„Gesetz über das Staatsprotokoll“
Eine Frau an der Spitze des Staates: diese Möglichkeit
lag außerhalb der Vorstellungskraft der Abgeordneten
des kosovarischen Parlaments.
Atifete Jahjaga,
Präsidentin der Republik
Kosova, eine Frau!
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Gesellschaft des Kosovo
Vielen Dank !!!
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