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Dr. Ulrich Schnelle, LL.M.
26. März 2011
Antitrust Settlements – The German Perspective –
Settlements im deutschen Recht aus Sicht der
Verteidigung
Stuttgart · Frankfurt · Dresden · Brüssel
Antitrust Settlements – The German Perspective
Übersicht
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Rechtsgrundlagen in Deutschland
Ablauf Settlement mit BKartA
Ablauf Settlement im Bußgeldverfahren nach § 46 OWiG,
§ 257c StPO
Grundsätzliche Probleme eines Settlements aus Sicht der
Verteidigung
Pro und Contra von Settlements aus der Perspektive der
Verteidigung
Fazit
Ausblick
English Summary
Dr. Ulrich Schnelle, LL.M.
Antitrust Settlements – The German Perspective
1. Rechtsgrundlagen in Deutschland
Ordnungswidrigkeiten-Verfahren vor dem BKartA:
 § 81 GWB: Norm für Bußgeldvorschriften, jedoch keine Rechtsgrundlage für einvernehmliche Verfahrensbeendigungen
(Settlements)
 Bekanntmachung Nr. 38/2006 des BKartA („BußgeldLL“) beinhaltet
keine Regelung zu Settlements
 Informatorisch: BKartA, Fallbericht Kaffeeröster vom 14.01.2010;
BKartA, Tätigkeitsbericht 2007/2008
 Opportunitätsprinzip, § 47 OWiG
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Antitrust Settlements – The German Perspective
1. Rechtsgrundlagen in Deutschland
Einspruchsverfahren vor OLG Düsseldorf:
 Problem: Verfahren nach OWiG, StPO-Vorschriften nicht alle
(unmittelbar) anwendbar
 Strafrecht: Ursprünglich heimliches Verfahren zw. Vorsitzendem des
Gerichts, StA und Verteidigung – bis zu anonym veröffentlichtem
Aufsatz (StV 1988, 545)
 BVerfG, NJW 1987, 2662:
 Verständigung nicht grds. unzulässig
 Wille des Angeklagten darf nicht unter Verstoß gg. § 136a StPO
beeinträchtigt werden
 Gericht darf Sachaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO
nicht vernachlässigen
 Strafe darf nicht unangemessen niedrig sein
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Antitrust Settlements – The German Perspective
1. Rechtsgrundlagen in Deutschland
 seit BGHSt 43, 195 u. a.:
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Verständigung in öffentlicher Hauptverhandlung
Verständigung in Hauptverhandlungsprotokoll niedergelegt
Gericht überprüft Geständnis auf Glaubhaftigkeit
Gericht darf nur Strafobergrenze zusagen, keine bestimmte
Strafe
 Beachtung allgemeiner Strafzumessungsgesichtspunkte
 BGHSt 50, 40: Rechtsmittelverzicht darf nicht verlangt werden
 Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren
29.07.2009, BGBl. I, 2353  § 257c StPO
 Praxis des OLG Düsseldorf: Settlement nur unter Beachtung von
§ 257c StPO
 Gericht nicht an Settlement gebunden, wenn in Hauptverhandlung
neues, schwerwiegendes Belastungsmaterial auftaucht (BGHSt 50,
40, 50) oder bei Urteil relevante Aspekte übersehen (!) wurden.
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Antitrust Settlements – The German Perspective
2. Ablauf Settlement (BKartA)
 BKartA: informelle Anfrage an die (Neben-)Betroffenen
 Verhandlung über die Obergrenze der Geldbuße (max. 10 %
Minderung bei horizontalen Kartellen)
 Einsicht in wichtigste Beweismittel
 Verzicht auf Ausschöpfung Verteidigerrechte
 Abgabe eines Geständnisses
Inhalt:


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Beschreibung der prozessualen Tat  Bestätigung des
Sachverhalts
Angaben über Umstände, die für Bußgeldbemessung
maßgeblich sind (wirtsch. Verhältnisse, tatbezogener
Umsatz)
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Antitrust Settlements – The German Perspective
2. Ablauf Settlement (BKartA)
 Settlementerklärung (Neben-)Betroffene: Sachverhalt wird als
zutreffend anerkannt; in Aussicht gestellte max. Geldbuße wird
akzeptiert, nicht die rechtliche Würdigung
 BKartA: Kurzbescheid mit Beschränkung auf gesetzliche
Mindestanforderungen i.S.v. § 66 OWiG
 kein Rechtsmittelverzicht! (BGHSt 50, 40)
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Antitrust Settlements – The German Perspective
3. Ablauf Settlement im gerichtlichen
Verfahren
 Heimliche Absprachen unzulässig!
 Anfrage des Gerichts an die (Neben-)Betroffenen (GStA oder Verteidiger können anregen)
 Verhandlung über die Obergrenze der Geldbuße (20 - 30 %
„Strafrabatt“, Meyer-Goßner, § 257c, Rn. 19)
 Vorschlag Gericht
 Zustimmung (Neben-)Betroffene und GStA, § 257c Abs. 3 StPO
 Geständnis (Einwand: § 257c StPO allerdings diesbezüglich „Soll“-Vorschrift, Geständnis damit nicht zwingende Voraussetzung; in der Praxis aber
doch)
 Verzicht der Beschuldigten auf Ausschöpfung der Verteidigerrechte
 Kein Rechtsmittelverzicht (BGHSt 50, 40)
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Antitrust Settlements – The German Perspective
4. Grundsätzliche Probleme aus Sicht der
Verteidigung
 Problematisch: zweigleisige Verfahren (sog. „Hybridverfahren“):
ein Teil der Beschuldigten scheidet durch Settlements aus, der
andere Teil wird im Einspruchsverfahren vor OLG Düsseldorf
fortgesetzt:
 Risiko ungerechter bzw. ungleicher Bußgelder
 Risiko bei Nichtabschluss Settlement: Möglichkeit,
„Ausgeschiedene“ als Zeugen zu laden (!)
 evtl. „Belastungseifer“ z.B. eines ausgeschiedenen
Kronzeugen
 faktischer Zwang zur Teilnahme am Settlement
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Antitrust Settlements – The German Perspective
4. Grundsätzliche Probleme aus Sicht der
Verteidigung
Abgabe Geständnis wirft Fragen im Hinblick auf Follow-OnSchadenersatzklagen auf:
 Akteneinsicht Dritter in Verfahrensakten und damit Einsichtnahme in
Settlement-Unterlagen?
 mit Abgabe Geständnis erlässt BKartA Kurzbescheid bzw.
Gericht Urteil
 damit Entscheidung bindend i.S.v. § 33 Abs. 4 GWB
 § 406e StPO: Recht auf Akteneinsicht des Geschädigten
 steht in Konflikt mit Settlement-Erklärung und Geständnis
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Antitrust Settlements – The German Perspective
4. Grundsätzliche Probleme aus Sicht der
Verteidigung
 Vergleichbarkeit zur Akteneinsicht bei Bonusregelung?:
 AG Bonn, Beschluss vom 04.08.2009 - 51 GS 53/09: Zusage in
Bonusregelung, Unternehmenserklärung nicht zugänglich zu
machen, ist unzulässig  Vorlage EuGH – Pfleiderer
 GA Mazák, EuGH, C-360/09 – Pfleiderer: keine Akteneinsicht in
Bonusantrag, um wirksame Durchsetzung Art. 101 AEUV zu
gewährleisten; jedoch Einsicht in Beweismittel

Vorteil bei Settlement: Bußgeldbescheid und Urteil sind kurz
 tendenziell weniger Anhaltspunkte für Schadenersatzansprüche
als bei voller Akteneinsicht im Bonus-Antrag
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Antitrust Settlements – The German Perspective
4. Grundsätzliche Probleme aus Sicht der
Verteidigung
 Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO umstritten:
 Verzicht auf (weitere) Beweiserhebung nicht mit § 244 Abs. 2
StPO vereinbar
 Verknüpfung von prozessualem Wohlverhalten (Verzicht auf
Ausschöpfung der Verteidigungsrechte) und
Rechtsfolgenbemessung bedenklich
 § 257c StPO „…wenn das weitere Prozessverhalten…“
 direkte Einflussnahme auf Verteidigungsverhalten des
Betroffenen
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Antitrust Settlements – The German Perspective
4. Grundsätzliche Probleme aus Sicht der
Verteidigung
 Ungeklärte Rechtslage hinsichtlich „Widerruf“ des Settlements:

Antrag auf Widerruf, Rückruf, Rücknahme des
Bußgeldbescheids?

Anfechtung der auf Settlement gerichteten Erklärung des
Betroffenen?

Wegfall der Geschäftsgrundlage bei geänderten Umständen?

Kündigung des Settlements als öffentlich-rechtlicher Vertrag?

Aufhebung des Kurzbescheids und Erlass eines begründeten
Bescheids im Zwischenverfahren?
 Erhöhung der Geldbuße um Settlementabschlag im
Zwischenverfahren (wohl nein)?
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Antitrust Settlements – The German Perspective
4. Grundsätzliche Probleme aus Sicht der
Verteidigung
Rechtsmittel im Falle eines Settlements:
 Einspruch gegen Bußgeldbescheid, der auf Grundlage des
Settlements erlassen worden ist und davon nicht abweicht?:
 Grds. möglich, aber bedenklich im Hinblick auf Reaktion des
Gerichts
 Erhöhung der Geldbuße, Verwertungsverbot?
 Einspruch gegen Bußgeldbescheid, der vom Settlement abweicht?:
 Grds. möglich und in der Sache notwendig
 Kann auf Einhaltung des Settlements geklagt werden?
 Einspruch gegen Bußgeldbescheid wegen Fragen, die im Settlement
nicht geregelt sind, z.B. Verfassungsmäßigkeit der Bußgeldnormen?:
 Grds. möglich und in der Sache notwendig
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Antitrust Settlements – The German Perspective
5. Pro und Contra aus Sicht der Verteidigung
Pro
 geringerer Verfahrensaufwand
 erhebliche Verkürzung des Verfahrens
 damit Reduktion der Verfahrenskosten
 Kurzbescheid des BKartA enthält i.d.R. nur gesetzliche
Mindesterfordernisse (§ 66 OWiG)
 Vorteil: weniger verwertbare Informationen für Follow-On-SEKlagen
 kumuliert anwendbar: Bonusregelung + Settlement = „Bußgeldrabatt“
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Antitrust Settlements – The German Perspective
5. Pro und Contra aus Sicht der Verteidigung
Contra
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i.d.R. nur max. 10 % Bußgeldreduktion
falls Settlement scheitert, kann Geständnis – trotz Verwertungsverbot – für
Gericht „motivierende Bedeutung“ haben
faktischer Zwang zum Rechtsmittelverzicht: bei Angriff gegen Bußgeldbescheid, der Settlement einhält, wenig überzeugende Position der Verteidigung
Risiko sachfremder Inbezugnahme anderer Verfahren gegen Neben-/
Betroffene
Sicherung der Gleichbehandlung schwer nachvollziehbar
keine wirklichen Verhandlungen; Einfluss auf Bestimmung der max. Bußgeldhöhe nicht nachvollziehbar; „Spielraum“ bei wirtschaftlichen Verhältnissen,
tatbezogenem Umsatz
Rechtsunsicherheit Akteneinsicht  Einsicht in das Geständnis?
Erleichterung SE-Klagen?
§ 257c StPO: Gericht nicht an Settlement gebunden, wenn neues, schwerwiegendes Belastungsmaterial auftaucht oder bei Urteil relevante Aspekte
übersehen wurden
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Antitrust Settlements – The German Perspective
6. Fazit
Mandantenbezogene Abwägung:
 falls Bonusantrag, Mandant ohnehin zu Zusammenarbeit mit
Behörden verpflichtet
 kumuliert mit Bonusantrag, kann sich für Mandant – je nach
Rangfolge des Bonusantrags – deutliche Bußgeldreduktion
ergeben
 Abwägung der Erfolgschancen im Einspruchsverfahren gegen
Risiken (z.B. reformatio in peius möglich wg. „gebrochener
moralischer“ Zusage bei Rechtsmittel gg. Settlement mit BKartA)
 Grundlage eines Settlements ist immer Vertrauen in die Einhaltung
der Standards durch BKartA bzw. OLG
 SE-Klagen mit erheblichem Prozessrisiko
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Antitrust Settlements – The German Perspective
6. Fazit
Mandantenbezogene Abwägung:
 Verteidiger muss eine gründliche einzelfallbezogene
Abwägung vornehmen, ob sich – gerade im Hinblick auf
etwaige Prozessrisiken, wie Schadensersatzklagen und evtl.
Imageverlust – für den Mandant ein Settlement „lohnt“

letztlich kommt Settlement (nur) bei eindeutigem Nachweis
des Tatvorwurfs in Betracht
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Antitrust Settlements – The German Perspective
7. Ausblick
Es besteht Handlungsbedarf:
 Rechtsgrundlage in Deutschland für Settlements zur Schaffung von
Transparenz und Rechtssicherheit erforderlich
 Aufnahme durch 8. GWB-Novelle
 Einschränkung des § 406e StPO (Akteneinsicht) erforderlich
 Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO
 Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung des SettlementVerfahrens und der Einhaltung der Vorgaben zum Settlement durch
BKartA, z.B. hinsichtlich Bußgeldermäßigung und Gleichbehandlung
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Antitrust Settlements – The German Perspective
8. English Summary

Settlements can be a proper way to terminate a burdensome and
expensive cartel case also in the perspective of the defence

The settlement “discount“ as such is not negotiable and relatively minor
(maximum 10%)

The settlement procedure is feasible but bears the risk to become
intransparent

The defence attorney has to analyze very carefully whether or not to enter
into a settlement, in particular hybrid settlement cases may prove difficult

The institution of settlements will continue to play an important role in the
practice

The institution of settlements should have a statutory basis, in particular to
enable courts to monitor the Bundeskartellamt‘s compliance with the
settlement rules
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Kontakt
HAVER & MAILÄNDER Rechtsanwälte
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Telefon +49 711 22744-49
Telefax +49 711 2991935
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