Power-Point zum Impulsvortrag Prof. em. Dr. Wolfgang Roth

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Transcript Power-Point zum Impulsvortrag Prof. em. Dr. Wolfgang Roth

Psychologische und neurologische
Aspekte von Sinn und Spiritualität
in ihrer Bedeutung für Erziehung
und Pädagogik
Wolfgang Roth, Freiburg
Ziele
Der Beitrag möchte Anregungen geben für die
thematisch bezogene Selbstreflexion,
Er möchte Anregungen für die Gestaltung von
Untericht (welche Themen) geben,
Und er möchte ein Baustein sein auf dem Weg
zu einer aufklärungsverträglichen Spiritualität
(Wissenschaft und Spiritualität).
2
Gliederung
1. Stellenwert von Sinn und Spiritualität im
Rahmen einer allgemeinen Handlungstheorie
2. Bedeutung von Sinn – empirisch
3. Formen und Bedeutung der Sinnorientierung
4. Sinn ist in Spiritualität eingebunden
5. Von der Handlung zur Haltung
6. Sinn und Spiritualität in der Entwicklung,
im Leben mit Kindern und Jugendlichen,
beim Lernen und im (Religions)Unterricht.
3
1
Stellenwert von Sinn und
Spiritualität im Rahmen einer
allgemeinen Handlungstheorie
Bestimmung und Sinn
– eine Abgrenzung
Was meine Bestimmung ist, lässt sich
biologisch orientiert lust- oder
bedürfnisgeleitet formulieren
Mein (Lebens)Sinn hingegen ist eine
bewusste Setzung jenseits dieser
Bestimmung
5
Handlungstheorie:
1.
2.

Im Handeln realisiert sich die organismische Tendenz zur
Selbsterhaltung u. Entwicklung (Systemerhaltung,
Autopoiese): Leben ist Handeln.
Organismus-interne Voraussetzungen zum Handeln sind
a) die Fähigkeit zum (Re)agieren, d.h. Reflexe, deren
Variation und Erweiterung,
b) automatisiert (und damit ökonomisiert) in angeborenen
und erlernte Wahrnehmungs- und Handlungsmustern,
und bei vernunftbegabten Wesen:
c) Vorstellungen (im weitesten Sinne) von der Welt (als
Handlungsplanungsraum):
6
Erst die Vernetzung verschiedene IchBewusstseinsbereiche ergeben ein ICH
7
Sinn, das GPS des Handelns, basiert auf:
 Gedächtnis, in dem die Erfahrungen gesammelt
werden, die vor allem den Nahraum betreffen
(Subrationalität)
 Rationalität, mit der wir komplexere
Zusammenhänge mittlerer Reichweite in
Wissenschaft (Hypothesenprüfung, Theorien)
bewusst zu erfassen versuchen (konstruieren)
 Spiritualität: Phantasie, Intuition, Ahnung
(Bauch)Gefühl,
mit der wir globale, nicht überschaubare
Zusammenhänge fassbar zu machen versuchen, aus der
wir Hypothesen für rationale Verarbeitung (in der
Wissenschaft) ableiten
(Transrationalität).
 Die sich strukturieren an Hand individueller und kollektiver
8
Traditionen:
Bereiche und deren Entwicklung
(Metasysteme):
Soeren Kierkegaard: Stadien des Lebenswegs:
Ästhetik, Moral,Glauben
Ken Wilber
20 07, S 93 9
2
Bedeutung von
Sinn - empirisch
Wichtigkeit der Sinnfrage für
Erwachsene (über 18 J)
(Schaeppi 2004, S. 96)
11
Wichtigkeit der Sinnfrage für Jugendliche
»Hier stehen einige Probleme, die man als Jugendlicher haben
kann. Ist es für dich persönlich … ein großes Problem?«
(Angaben in Prozent, Befragt insgesamt 491 Jugendliche).
Schul-Jahrgangsstufe:
»Problem«
Schulleistungen
Freund/Freundin finden
Geld
Arbeitslosigkeit
Spannungen mit Eltern
Im Leben einen Sinn sehen
Freizeitgestaltung
7
19,1
10,8
9,6
./.
7,1
5,5
17,3
11,6
9,9
9,1
7
6,2
5,4
Gesundheit
4,4
4,1
Alkohol
2,3
2,1
Drogen
./. 2006, S.
3,3
(Engel/Hurrelmann 1994, S.61, siehe Roth
15)
8
9
17,4
11,3
9,8
9
9
5,5
5,7
4,9
2,7
2,5
1,6
12
13
Sinn-/Perspektivelosigkeit
Bedeutet:
Keinen „Durchblick“ zu haben
Kein Konzept hinsichtlich eigenen Handelns
nicht eingebunden sein, keine Beziehung haben
Erlernte Hilflosigkeit (Seligman)
Experimentelle Neuros: Entscheidungsunfähigkeit
Wer keinen „Durchblick“ hat, kein Konzept, keine
Orientierung, wer im ‚Dunkeln steht‘, weiß nicht, wohin
er/sie gehen soll,
hat keine (gesicherte) Handlungsgrundlage und damit
Angst/Handlungshemmung und auch keine Hoffnung auf
Problemlösung, Zielannäherung – und damit auch
keine Motivation (mehr), ein Ziel überhaupt zu
formuieren (wie auch?): Suizidgefahr!
14
3
Formen und Bedeutung der
Sinnorientierung
Was ist für Menschen der Sinn des Lebens?
Schaeppi 2004, S. 74:
16
Kognitives
Konstrukt
von
Sinn
nach
Schaeppi
2004,
S.100
17
4.
Sinn ist in Spiritualität
eingebunden
19
4 Faktoren der Spiritualität
(wie sie die Menschen verstehen:
Hardt et al., Mainz und Warschau 2012)*
1. Glaube an Gott: Gottvertrauen, der Glaube hilft mir bei
Entscheidungen und Problemen, ich fühle die Liebe Gottes, Gott
ist mein Freund
2. Suche nach Sinn (meaning, spirit): mein Leben ist
Suchen und Fragen, ich suche nach Einsicht und Stimmigkeit, ich
versuche meinen Geist und meine Seele zu öffnen
3. Achtsamkeit (Mindfulness): bewusster Umgang mit
anderen und der Umwelt, hilfsbereite, einfühlsame und tolerante,
empathische Haltung
4. Geborgenheit (Feeling of security, Peace): tief in
mir fühle ich Frieden, mein Leben ist Frieden und Glück, ich fühle
mich eins mit der Welt, ich erlebe eine freundliche Welt um mich
* (N= 1000, durchschn. 40-45 J. alt ,ca. 55% in einer christl. Kirche,20
280 Items)
Kategorien von Spiritualität
(Bucher 2007, S. 23, N=190 Befragte)
Übernatürliches, Transzendenz 44%
Spiritualität
Esoterik, Okkultismus
29%
Spirituelle Praktiken
25%
Gefühle, Harmonie
21%
Glaube, unabh. v. Religion
19
Lebensphilosophie, Sinn
17
(über) sinnliche Erfahrungen 15
Individuation
14
21
(Ästhetik, Kunst, Philosophie etc.).
Spiritualität ist ein Prozess,
der sich in zwei Richtungen bewegt
und zur Ich-Erweitung führt:
Sinn, Wert,
Gemeinschaft
Transpersonalität
Postpersonale
Transzendenz
(Wilber)
Selbstreflexion
Person
Innerlichkeit
Achtsamkeit
Transrationalität
22
Spiritualität korreliert u.a. mit:
Geringerem Drogenkonsum
Geringerer Delinquenz
Spiritualität
Mitarbeit in gemeinnützigen
Organisationen (moralischverantwortliches Verhalten)
Physische / psychische
Gesundheit
Lebenszufriedenheit
Lebensdauer
23
5.
Von der Handlung zur Haltung
Von der Handlung zur Haltung
 wenn Unsicherheit hinsichtlich der Handlungsfolgen
dann: möglichst wenig Veränderungen und langsame bzw. keine
Entwicklung,
Beachtung des Ökonomieprinzips
(Aufwand-Nutzen-Relation)
weite Zeit-Raum-Perspektive (Nachhaltigkeit)!
 daraus resultiert eine Haltung
der Bescheidenheit
(als generalisierte Vorsicht)
Haltung der Achtsamkeit
( als behutsame Gestaltung der Interaktion)
25
Was ist Bescheidenheit?
Vergleich
von Bedürfnissen/Notwendigkeiten
und verfügbaren Ressourcen
Ressourcenersatz (Plan B):
wenn eine Resource ausfällt, gibt es einfacheren
Ersatz: Flexibilität unserer Bedürfnisse (Resilienz)
Reduktion unserer Bedürfnisse:
gemäß dem Ökonomie- und Nicht-Eingreif-Prinzip
Statt: „was brauche ich“ - „worauf kann ich
verzichten“.
26
Was ist Achtsamkeit?


1.
2.
3.
Awareness – eine besondere Form der Aufmerksamkeit:
„Eine Aufmerksamkeitslenkung,
bei der die Aufmerksamkeit
absichtsvoll und
nicht wertend
auf den aktuellen Augenblick gerichtet wird.“
(Auhagen 2008, S.66, nach Kabat-Zinn 1990)





Der Vipassana-Meditation ähnlich und auf den Alltag übertragen,
Hinhören, Menschen achten und beachten, sie ernst nehmen,
sich Zeit geben/lassen, sich auf Menschen, Situationen „einlassen“
i.S. des Flows (Csiksentmhalyi 2004) oder der
Polarisation der Aufmerksamkeit (Montessori)
Übungsbücher der Gestalt: Oaklander, Stevens.
27
„Mechanismen“ der
(Achtsdamkeits)Meditation
Selbstregulation (genaues Hinsehen ergibt mehr
Infos und mehr Möglichkeiten des Agierens:
coping-skills)
Klärung von Zielen und Werten: Unabhängige
Betrachtung, Neubewertung und Anpassung
Flexibilität: kognitive, emotionale und
Verhaltens- - statt Starre und fester Muster
Exposition: sich der Gefühle aussetzen,
Desensibilisierung.
28
Stufen der Meditationstiefe
nach Piron 2003
Hindernisse: Ablenkung
Entspannung: Loslassen und Distanz
Konzentration: Versunkenheit, Flow
Essentielle Qualitäten: Empfinden von Liebe,
Verbundenheit, Hingabe, Dankbarkeit
Nicht-Dualität: Kognitive Prozesse verblassen
zu Gunsten des Empfindens einer
allumfassenden Einheit
29
Stichworte aus Ost, West, Süd:
Reinigung und Entsagung,
Konzentration, Stille, Kontemplation
Aufgabe des Ich
Versenkung in ein universelles Prinzip:
Werde Teil des Ganzen.
30
6.
Sinn und Spiritualität
in der Entwicklung,
im Leben mit Kindern und Jugendlichen,
beim Lernen und
im (Religions)Unterricht
Urvertrauen und Bindung
Sichere Bindung
Resilienz: auch früh Geschädigte haben
eine Chance
Erfahrungen in der frühen Kindheit als
epigenetische Prägung und
Handlungssteuerung
32
Wirkung mütterlicher Fürsorge
auf das Wachstum des Hippocampus,
der Schlüsselregion für Gedächtnis und Stressmodulation.
Luby et al., PNAS 2012, S. 2858
33
Unterrichtsformen und -inhalte
Reflexion der (schulischen) Inhalte
Emotionen und Ich-Beteiligung klären
Unabhängigkeit fördern (Askese)
Raum schaffen: Meditation
Reflexion/Erspüren der eigenen Existenz
Räume und Perspektiven öffnen z.B.
Kooperationen mit Kunst/Kultur
Handlungsfelder öffnen:
Übertragung von Verantwortung
Teilhabe in Aktionen/Projekten
Haltung: Bescheidenheit, Respekt, Achtsamkeit34
(Sorgfalt).
Das Schüler-Ich im Prozess
Wahrnehmung meiner selbst und anderer
Umgang mit Gefühlen
Der Körper: Entspannung und Bewegung
Der Geist: Phantasie, Kreativität und Denken
Moral und Wertmaßstäbe (allgemeine
Orientierung)
Soziales Handeln und Engagement in der Klasse,
Schule, Gemeinde (konkretes Handeln)
Konflikte in der Welt
Projekte, in die mehrere Klassen einbezogen sind
(z.B. UNESCO-Modell-Schulen)
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Ende
Ziele erreicht?
Ich danke für die Aufmerksamkeit
Und wünsche eine ideenreiche Praxis.
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Fragen
Reflexion: Wann/wo/wie haben Sinn und
Spiritualität in meinem Leben eine Rolle
gespielt?
Erfahrungen mit Kindern/Jugendlichen
(innerhalb u. außerhalb des Unterrichts)
Widerstände (bei mir und bei anderen)
Wege zur Hinführung, Formen, Projekte
Planung: was nehme ich mir vor;
Kooperationen.
37
38