HRT bei Tic-Störungen und ähnlichen Erkrankungen des

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Transcript HRT bei Tic-Störungen und ähnlichen Erkrankungen des

HRT bei Tic-Störungen und ähnlichen
Erkrankungen des Zwangsspektrums Vorgehensweise und Fallbeispiele
Workshop Fachtagung und Informationstag 3./4.12.2011
Schweizerische Gesellschaft für Zwangsstörungen
Jahrestagung
Lic. phil. Frederika Tagwerker Gloor
HRT-Workshop, SGZ Jahrestagung, 3./4.12.2011, lic.phil. F. Tagwerker Gloor
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Spezialsprechstunde
Tic - Tourette - Zwang
Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich
Leitung: Prof. Dr. med. Dipl.- Psych. S. Walitza
Aktuelles Team:
J. Ball: Psychologin / Psychotherapeutin
V. Brezinka: Psychologin / Psychotherapeutin
F. Tagwerker: Psychologin / Psychotherapeutin
G. Schief: Ärztin / Psychotherapeutin
[email protected]
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Inhalt
Konzept „Zwangsspektrum“
Ticstörungen, Impuls-Kontrollstörungen
Behandlung
Habit Reversal Training (HRT)
Fallbeispiele
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Zwangs-Spektrum
OCD-Spektrum:
Dissoziativ
Somatoform
• z.B. Hypochondrie
Essstörungen
TicStörungen
• Anorexia und Bulimia
nervosa
• Epilepsie
OCD
• ...
Neurologisch
ImpulsKontrollStörungen
• Depersonalisationsstörung
• Trichotillomanie
• Tourette-Syndrom
Andere
Nach Hollander und Wang 1995a
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Gemeinsamkeiten und Unterschiede
der Zwangs-Spektrum-Störungen
Mögliche gemeinsame Merkmale ( „Verwandtschaft“)
(modifiziert nach Klein 1993)
Symptomatologie
Beginn
Geschlechterverteilung
Neurobiologie
Krankheitsverlauf
Komorbidität
Therapie
Ich-Syntonie /
Dystonie
und andere
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Hauptfokus für den heutigen Workshop
Relativ „verwandt“
TicStörungen
TouretteSyndrom
Symptomatologie
Zwangsstörungen
Trichotillomanie
Dermatillomanie
Nägelkauen
Impuls-Kontrollstörungen
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Neurobiologie
Beginn
Krankheitsverlauf
Therapie
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Neurobiologie und Symptomatologie als Ansatz
für gemeinsame Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapie: Indirekter Effekt
Stärkung gesunder Gedankenketten im Kortex > gegen Übererregung
Striatum
Thalamus
orbito-frontaler
Kortex (OCD)
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Pharmakologische Einflussnahme
Medikation: Direkter Effekt
Unterdrückung dysfunktionaler, schneller neuronaler Informationsflüsse
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Inhalt
Konzept „Zwangsspektrum“
Ticstörungen, Impuls-Kontrollstörungen
Behandlung
Habit Reversal Training (HRT)
Fallbeispiele
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Ticstörungen /
Gilles de la Tourette - Syndrom
TicStörungen
TouretteSyndrom
Zwangsstörungen
Trichotillomanie
Dermatillomanie
Nägelkauen
Impuls-Kontrollstörungen
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Ticstörungen und Tourette-Syndrom
bei Kindern und Jugendlichen
• Unwillkürliche, schnelle, wiederholte, stereotype Bewegungen und
Lautäusserungen
• Motorische Tics (z.B. Blinzeln, Gesichtszuckungen, Schulterzucken)
• Vokale Tics (z.B. Räuspern, Pfeifen, Husten, Schnüffeln)
• Einfache und komplexe Tics (Hüpfen, Klatschen, Wörter, Sätze)
• Mehr oder weniger unterdrückbar
• Dem Tic geht ein Druckgefühl voraus
• Äussere Bedingungen beeinflussen Tic-Verlauf
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Tic-Prävalenz bei Kindern
• nur ein Teil der
Patienten
behandlungsbedürftig
12%
4%
4%
3%
• Spontanremission
häufig!
3%
0.05%
Vorübergehende Tics
Chronische
Ticstörung
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Tourette
Syndrom
• Ursachen: genetische
Vulnerabilität
• Jungen leiden 3-4x
häufiger unter Tics als
Mädchen
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Tics und Zwänge - „just-right“ Zwänge
• 13-60% (25-30%) der Kinder mit einer Zwangstörung leiden auch an
einer Tic-Störung
• 10-40% (30-60%) der Kinder mit einer Tic-Störung leiden auch unter
zwanghaftem Verhalten, je nach Quelle uneinheitliche Datenlage
• „Just-right“ Zwänge: Werden so lange gemacht, bis sie „richtig“
gemacht worden sind
• Zwang? Tic?
Unterscheidung (wichtig für Therapie):
• Anspannung bei Unterdrückung: Tic
• Angst bei Unterdrückung: Zwang
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Impuls-Kontroll-Störungen
TicStörungen
TouretteSyndrom
Zwangsstörungen
Trichotillomanie
Dermatillomanie
Nägelkauen
Impuls-Kontrollstörungen
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Trichotillomanie
trix (griech.) = Haar
tillein = rupfen
mania (griech.) = Wahnsinn
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Dermatillomanie
derma (griech.) = Haut
tillein = rupfen
mania (griech.) = Wahnsinn
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Onchyophagie (Nägelkauen)
onchyos (griech.) = Nagel
phagein (griech.) = essen
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Trichotillomanie,
Dermatillomanie, Onchyophagie
Ähnlich OCD:
• Unangenehmer, sich steigernder Anspannungszustand
• Annahme: oft vorausgehende Gedanken
• gefolgt von impulshaften, ritualisierte Handlungen ohne vernünftige Motivation
• Impulse sind zwar bewusst erlebt, aber willentlich schwer unterdrückbar
• Ausführung bewirkt kurzfristige Entspannung, aber auch Schuld- und
Schamgefühle
• Beginn in Kindheit oder Adoleszenz und chronischer Verlauf
• Hohe Komorbidität zu Zwangsstörungen, Angststörungen und ADHS
• Behandlung der 1. Wahl: Verhaltenstherapie (HRT)
Unterschiedlich zu OCD:
• Erleben ich-dyston
• Verhalten oft schädlicher, mit mehr Vergnügen kombiniert
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Inhalt
Konzept „Zwangsspektrum“
Ticstörungen, Impuls-Kontrollstörungen
Behandlung
Habit Reversal Training (HRT)
Fallbeispiele
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Warum Verhaltenstherapie?
Zwänge:
• Bei Erwachsenen ist kognitive Verhaltenstherapie seit langem die
Methode der Wahl! (E. Foa, P. Salkovskis, G. Steketee)
• Die Pediatric OCD-Study (POTS-I, March, Foa et al., 2004) zeigte:
Kinder und Jugendliche sollten mit KVT beginnen oder mit KVT
kombiniert mit SSRI behandelt werden.
Auch bei Tic-Störungen / Impulskontrollstörungen:
• Bei Kindern mit milderer Symptomatik: nur Verhaltenstherapie
• Bei Jugendlichen und bei Kindern mit ausgeprägter Symptomatik:
Initial VT, ggf. im Verlauf medikamentöse Unterstützung
immer individuell beurteilen!
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Tourette-Syndrom-Behandlungs-Studie
(Piacentini et al 2010)
• Randomisierte, kontrollierte Studie
• 126 Kinder mit Tourette-Syndrom
• Zwischen 9 und 17 Jahren
• 8 Sitzungen VT über 10 Wochen vs. stützende
Therapie / Psychoedukation
VT führte zu signifikant grösseren Verbesserungen
auch 6 Monate nach Follow-up
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Verhaltenstherapie bei Tic-Störungen und
Impuls-Kontroll-Störungen
• Bei Kindern und Jugendlichen: Kontakt zu Eltern und
Aufbau eines gemeinsamen Störungsmodells
• Ticstörung / Impulskontrollstörung als neuropsychiatrische
Störung Vergleich mit anderen chronischen Krankheiten
• Psychoedukation, Aufbau von Veränderungsmotivation
• Frühere Therapie „massed negative practice“
• Reaktionsumkehr (Habit reversal) nach Azrin & Nunn 1973,
Piacentini 2010
• Exposition mit Reaktionsverhinderung
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Inhalt
Konzept „Zwangsspektrum“
Ticstörungen, Impuls-Kontrollstörungen
Behandlung
Habit Reversal Training (HRT)
Fallbeispiele
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Habit-Reversal-Training (HRT)
Modifiziert nach Azrin (1973) und nach den Leitlinien für Tic-Störungen (2010)
HRT – Übersicht Komponenten
1. Exploration
2. Aufbau von Veränderungsmotivation
3. Selbst-Wahrnehmungstraining (tic-awareness)
4. Training inkompatibler Reaktionen (competing-response
training)
5. Generalisierungstraining
6. begleitend: Entspannungstraining /
Kontingenzmanagement
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Exploration mit Kind und Eltern
• aktuelle Tic-Syptomatik
HRT - Exploration
• spezifische psychische Komorbidität
• allgemeines psychopathologisches Profil
• differenzialdiagnostische Abklärung
• familiärer und sozialer Hintergrund
• Einstellungen zur Therapie
Eltern sind oftmals äusserst besorgt.
Der Aufbau von Compliance und Beziehung bildet die
Basis für eine erfolgreiche Behandlung.
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HRT - Exploration
Patient als Experte
•
•
•
•
•
Beziehungsaufbau
Ressourcen des Kindes
Wertschätzung
Gemeinsames „Projekt“
Das Kind wird zum Experten
in eigener Sache
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HRT - Exploration
Exploration der Ticsymptomatik
•
•
•
•
•
•
Häufigkeit, Ausgestaltung, Intensität
Situativer Bezug
Wahrnehmung sensorischer Anzeichen
Eigene Selbstkontroll-Ansätze
Externe und interne Konsequenzen
Belastungen
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HRT - Exploration
Exploration der Komorbiditäten
50-75%
30-60%
20-25%
affektive Störungen
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HRT - Exploration
Störungsspezifische Exploration mit Eltern
•
•
•
•
•
•
Bericht der frühkindlichen Anamnese
Temperament, hyperaktives Verhalten
Beginn der Tic-Symptomatik
Verlauf
Belastung der Eltern
Schule / Lehrer informiert?
Die Wahrnehmung des elterlichen Leidensdrucks und
die konkrete Informationsvermittlung über den
Krankheitsverlauf und die Behandlungsmöglichkeiten
sind für das familiäre System äusserst wichtig.
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HRT - Veränderungsmotivation
Aufbau von Veränderungsmotivation
• Exploration der
Therapiemotivation
• Besprechen der
Zielsetzung(en) der
Behandlung
Starke
Veränderungsmotivation
• Definition weniger
Zielsymptome
• Verminderung der Symptomatik
Für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Motivation
ist eine laufende ‚positive Verstärkung‘ zentral.
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HRT - Selbstwahrnehmungstraining
Selbstwahrnehmungstraining
•
•
•
•
•
Ziel ist die Sensibilisierung des Kindes
Selbstbeobachtung
Humorvolles Verständnis aufbauen
Training der Reaktionserkennung
Beeinflussbarkeit durch innere und äussere Reize
/Situationen
• Kategorisieren und Priorisieren der Tics in der Sprache
und mit den Bildern des Kindes
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HRT - Selbstwahrnehmungstraining
Wahrnehmungstraining der
sensorischen Vorgefühle
• Wahrnehmung früher
Anzeichen einer Tic-Reaktion
oder eines Dranggefühls
• Signal angeben wenn
Vorgefühl sich ankündigt
• Was verstärkt Tics / Impuls?
• Eigene Erfahrungen?
Umgang?
• Hausaufgaben
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HRT - Selbstwahrnehmung
Sensorisches Vorgefühl
Tics
Reizschwelle
t
Verlauf
Vorgefühl
Anstieg des sensorischen Vorgefühls
Abfall des sensorischen Vorgefühls
© Grafik: F. Tagwerker
• Der Tic bewirkt einen ‚Abfall‘ des sensorischen Vorgefühls
• Zyklus der negativen Verstärkung: Mit der Zeit bewirkt der
Abfall des durch die Beendigung des Tics herbeigeführten
Vorgefühls ein sich ständig erneuerndes Vorgefühl.
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Training inkompatibler Reaktionen
HRT – Training inkompatibler Rektionen
(Competing Response Training) nach Azrin und Peterson (1988)
Zentrale Methode des HRT Behandlungsprogramms:
• Ziel ist das Vorwegnehmen und NICHT das
Unterdrücken der Bewegung
• Suchen und Einüben von Gegenbewegungen
Merkmale der Gegenbewegungen:
• der Tic-Bewegung entgegengerichtet
• soll 1-2 min. aufrecht erhalten werden können
• weitgehend unauffällig durchführbar
• meist isometrische Anspannung der Antagonisten
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
Trainings-Phasen Habit-Reversal
Phase 1: Wahrnehmungstraining des Vorgefühls
Reizschwelle
Verlauf
Vorgefühl
Phase 2: Training inkompatibler Reaktionen (Tic-Ersatz)
Diese Reaktion wird vor, während oder nach dem Tic ausgeführt
Phase 3: Generalisierungstraining
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© Grafik: F. Tagwerker
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
Training inkompatibler Reaktionen bei Tics
• Beginn mit klar definierbarem, nicht zu
häufigem Tic
• Wenn das Vorgefühl per Zeichen angegeben
wird, wird die motorische Gegenbewegung
geübt (1-2 min.)
• Pro Therapiesitzung nur einen Tic bearbeiten!
• Eltern-Anleitung und Hausaufgaben
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
Beispiele für inkompatible Reaktionen
Augenblinzeln: Systematisches willkürliches leichtes
Öffnen und Schliessen der Augen alle 3-5 Sekunden.
Der Blick wird dabei alle 5 bis 10 Sekunden langsam
und intensiv nach unten gerichtet.
Nasenrümpfen: Oberlippe etwas nach unten ziehen
und Lippen zusammenpressen.
Beinschleudern: Im Sitzen den Fuss flach und fest
auf den Boden drücken. Im Stehen Schenkel gegen
einander drücken.
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
Beispiele für inkompatible Reaktionen
Einfache Lautäusserungen: Langsames rhythmisches
Atmen durch die Nase. Die kontinuierliche Ausatmung
(ca. 7 Sekunden) sollte etwas länger dauern als die
Einatmung (ca. 5 Sekunden).
Kopfschütteln: Langsame isometrische Kontraktion der
Nackenmuskulatur. Kopf bleibt still, Blick nach vorne
geradeaus.
Schulterzucken nach oben: Isometrische Kontraktion
der Schultermuskulatur nach unten.
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
Weitere Beispiele für inkompatible Reaktionen
Zurückwerfen des Kopfes: Isometrische Kontraktion der
Nackenbeuger, Kinn leicht zur Brust nach unten ziehen,
Kopf nicht gebeugt, Blick geradeaus.
Armschleudern: Hand auf Oberschenkel oder Bauch,
dabei Ellbogen gegen die Hüfte drücken.
Kieferknacken: Kopf aufrecht halten, Zähne leicht
zusammen beissen.
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
HRT bei Trichotillomanie und
Impulskontroll-Störungen
Entkoppelungsbehandlung nach S. Moritz, A. Peter, M. Rufer
• HRT wirkt bei nervösen Gewohnheiten z.T. sehr schnell
und zuverlässig!
• Meist kein Ersetzen der negativen Gewohnheiten durch
neue Komplikationen / Symptomverschiebungen
• Beobachten der eigenen Gewohnheiten (wann, was,
wo, warum?)
• Entkoppelung: Gewohnheit, Verhaltenspfad umlenken
• Neue Bewegung soll der alten ähnlich sein
• Täglich konsequent üben und kreativ variieren!
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
Beispiele Entkoppelungsmethode
Trichotillomanie:
• Hand zu Haaren führen, aber vor Ohr umleiten, nur
Nacken berühren. Zielgerichtete Ablenkung der
Bewegung (mit Muskelspannung und
Beschleunigung).
• Dann: Charakteristische Dreh- oder Ziehbewegung
am kleinen Finger der anderen Hand (wie mit einem
Haarbüschel).
• Variationen der Ersatzhandlungen.
Nicht schummeln!
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HRT – Training inkompatibler Rektionen
Beispiele Entkoppelungsmethode
Nägelkauen:
• Fingernägel berühren, aber nicht zum Mund führen.
Zielgerichtete Ablenkung der Bewegung (mit
Muskelspannung und Beschleunigung).
• Dann: Reiben der Fingernägel an weichen Stellen
derselben Hand wie eine leichte Massage.
• Variationen der Ersatzhandlungen.
Nägel nur mit Nagelfeile kürzen!
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Entspannungstechniken
• progressive Muskelentspannung nach Jakobsen
• verschiedene Atemtechniken
• bildhafte Vorstellung beruhigender Szenen
• Anregungen aus autogenem Training
Stärker handlungsorientierte Methoden sind
einfacher zu erlernen.
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Generalisierung
Anwendung der erlernten Techniken im natürlichen
sozialen Umfeld
• Beginn im therapeutischen Setting aber in anderen
Lagen oder während Spielen und Gespräch
• Feedback!
• Konkrete Übernahme in den Alltag zuhause
• Anwendung in der Schule oder mit Freunden
• Lob, Selbstverstärkung
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Einbezug der Familie in die Behandlung
• Tics und Impulskontroll-Störungen kommen zwar gehäuft in
Familien vor, aber die Erziehung der Eltern verursacht diese
Symptome nicht! Genau so wenig ist das Kind ‚schuld‘ an seinen
Auffälligkeiten.
• Eltern werden in der HRT-Behandlung zu Co-Therapeuten und
unterstützen die Kinder zuhause, das Training in den Alltag zu
integrieren. Täglich 10 min. üben!
• Eltern können ihr Kind durch stetiges Lob für die Anstrengungen
motivieren.
• Eltern sollen Kind an bereits erreichte Erfolge erinnern.
• Eltern werden in der Behandlung ermutigt, sich Pausen zu
nehmen und wohltuende Dinge zu tun, die Kraft für den Alltag
geben.
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Bewältigung residualer Symptome
Wenn Tics persistieren...
• Umgang mit Trauer, Hoffnungslosigkeit, Wut
• Kognitive Interventionen
• Behandlung komorbider Symptome
• Einschränkungen im Alltag benennen
• Lebensqualität als Ziel
• Beratung bezüglich Berufswahl, Partnerschaft,
Selbsthilfegruppen und -foren
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Fazit
• Ticstörungen und Impuls-Kontroll-Störungen können für
Betroffene und Angehörige einen hohen Leidensdruck
verursachen.
• Verbreitete Annahme: „Tourette-Syndrom und ImpulsKontrollstörungen sind kaum behandelbar“.
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Fazit
• Nervöse Gewohnheiten können mit HRT kontrolliert
werden!
• Die Eigenaktivität am Veränderungsprozess gibt das
Gefühl der Kontrolle zurück.
• Aber: eine realistische Therapieerwartung,
regelmässiges Training und starke Motivation sind nötig.
• Mit Freude und Humor klappt‘s am besten!
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Fazit
• HRT ist noch wenig bekannt
• Nur wenige Psychotherapeuten fühlen sich als Experten
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Literatur 1
Azrin, N. H., & Nunn, R. G. (1973). Habit reversal: A method of eliminating nervous
habits and tics. Behaviour Research and Therapy, 11, 619-628.
Doepfner, M. (2009). Ticstörungen. In S. Schneider & J. Margraf (Eds.), Lehrbuch
der Verhaltenstherapie. Band 3: Störungen im Kindes- und Jugendalter (pp. 648662). Heidelberg: Springer.
Doepfner, M., Roessner, V., Woitecki, K., Rothenberger, A. (2010). Tic-Störungen.
Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie Göttingen: Hogrefe.
Moritz, S., Peters A., Rufer, M. Entkoppelungsbehandlung bei Nägelkauen und
Trichotillomanie. 2010. Internet:
http://www.uke.de/kliniken/psychiatrie/downloads/klinik-psychiatriepsychotherapie/Entkopplung_18_1_10.pdf
Müller-Vahl, K. (2010). Tourette-Syndrom und andere Tic-Erkrankungen im Kindes
und Erwachsenenalter. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
Neudecker, A., Rufer, M. (2004). Ambulante Verhaltenstherapie bei Trichitillomanie:
Überblick, Störungsmodell und Fallbeispiel. Verhaltenstherapie, 14 (90-98).
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Niedermeier, N., Hegerl, U., Zaudig, M. (1998). Zwangs-Spektrum
Erkrankungen.Psychotherapie 3 (189-200).
Peter, A. (2008). Trichotillomanie: Fragen und Antworten zum zwanghaften
Haareausreissen. Lengerich: Pabst.
Petermann, U. (2010). Entspannungstechniken für Kinder und Jugendliche. Ein
Praxisbuch. Weinheim: Beltz.
Piacentini, J., Langley, A., & Roblek, T. (2007). Cognitive-Behavioral Treatment of
Childhood OCD. It's only a false alarm. New York: Oxford University Press.
Piacentini, J., Woods, D. W., Scahill, L., Wilhelm, S., Peterson, A. L., Chang, S., et
al. (2010). Behavior Therapy for Children With Tourette Disorder: A Randomized
Controlled Trial. JAMA, 303(19), 1929-1937.
Scholz, A., & Rothenberger, A. (2006). Mein Kind hat Tics und Zwänge. Erkennen,
verstehen und helfen beim Tourette-Syndrom. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht.
HRT-Workshop, SGZ Jahrestagung, 3./4.12.2011, lic.phil. F. Tagwerker Gloor
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