Prof. Dr. Ulrich Brand (Universität Wien)

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Die Umweltkrise im Zeichen der imperialen Lebensweise
Ulrich Brand 28. Juni 2014
Tagungsreihe „Die Wirtschaft der Gesellschaft“, Frankfurt/M.
• jüngere Dynamiken
• mein Argument
• Begriff der (imperialen) Lebensweise: Charakteristika, historisch
• Beispiel Automobil
• imperiale Lebensweise als Klassenfrage
• (Begriff der Lebensweise als Strukturkategorie … je nach Zeit)
• Was tun?
Jüngere Dynamiken – einige Aspekte
• Aufstieg der Schwellen-/ Entwicklungsländer mit ressourcenintensivem Modell (nachholende Industrialisierung, Ressourcen-Extraktivismus)
• Neue geopolitische und –ökonomische Konkurrenz (z.B. Arktis,
Antarktis, Tiefsee; Fragen des Eigentums und Verfügbarkeit
“Over half of the Earth’s surface is not currently under the jurisdiction of
any nation.” (WTO, 2010).
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KRISE(N)
Umweltkrise (Klimawandel, Resosourcenknappheit, Biodiv-Erosion
etc.): zwischen ineffektiv und Re-Politisierung
Teil einer multiplen Krise
Krise der Überakkumulation  Staatsverschuldung
Krise des neoliberalen Gesellschaftsumbaus … aber auch
Persistenz (Austeritätspolitik)
Argument
• Problemlagen deutlich - „eigentlich“ gute Voraussetzungen, um
materielle und energetische Basis der Gesellschaft zu verändern
• Es ändert sich wenig aus ökonomischen und politischen Gründen
– Scheitern des „Rio-Typus“ von Politik, globales Umweltmanagement
– Grenzen der ökologischen Modernisierung bzw. Green Economy
– Persistenz neoliberaler Verhältnisse
– Positionssicherung der Eliten
– Wachstumsorientierung
– Auch bei Verarmung viele Menschen: Hoffnung auf
Normalisierung; weniger: Alternativen entwickeln
• aber eben auch: tief verankerte imperiale Produktions- und
Lebensweise
• die sich tendenziell vertieft und räumlich ausbreitet
• The new consumers (Kent/Myers)
• Transnationale Verbraucherklasse (Wuppertal-Institut)
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Ausbreitung bedeutet nicht, alle Menschen leben gleich (s.u.)
eher eine Art allgemein akzeptierter Entwicklungslogik
Dahinter stehen Interessen, Macht (gestern Energiewende)
bestimmte Vorstellungen von „gutem Leben“ und
gesellschaftlicher Entwicklung sind tief verankert  hegemonial
Imperiale Lebensweise
• Umweltkrise ist nicht-intendierte Folge des fossilistischen,
industrialistischen und kolonialen Kapitalismus
• Charakteristika
– Produktivität der Natur ist zentral und negiert
– Exteriorisierung negativer Konsequenzen
– Reproduktion der Arbeitskraft ist einfacher unter diesen
Bedingungen
– Als Teil einer expansiven kapitalistischen Produktionsweise –
Geld vermittelt und Profit-/Wachstums-getrieben
– Menschen reproduzieren sich materiell immer stärker über
Erwerbsarbeit / Geld (und Vermögen)
Imperiale Lebensweise (2)
• Strategische und praktische Dimensionen
– Unternehmenssrategien unter Konkurrenzbedingungen
– Staatliche Politiken
– Kolonialismus
– Wissenschaft und Forschung
– Entwicklungs-Dispositive – “Fortschritt”, gutes Leben
– Patriarchale Dimensionen und instrumentelle Rationalität
– tägliche Praktiken / Habitus / Status / Erfolg
historisch
• Seit Kolonialismus basiert Lebensweise der herrschenden Klassen in
Zentren auf billiger Arbeitskraft und billigen / zugänglichen
Ressourcen anderswo
• Verfügbarkeit über Markt und (macht-)politisch abgesichert
• 19. Jahrhundert: industrielle Revolution, Luxuskonsum
• Fordismus: neue und attraktive Lebensweise auch für
Lohnabhängige
• Damit wird sie hegemonial, attraktiv
• Enorme Verbesserung der Lebensbedingungen breiter Bevölkerung
• carbon democracy (Timothy Mitchell)
• Heute global: zwei Drittel der Menschheit auf dem Weg in die
fossilistisch-indistrialistisch-kapitalistische Lebensweise
Beispiel: Bedeutung und Dynamik des Automobils
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Deutschland (2010) 42 Millonen PKW – 51 Mio KfZ insgesamt; 40.000
mit Elektro- oder Hybridmotoren
50 % der Emissionen im Bereich Transport durch Autos
Exporte Deutschland (Werte): 25% Transportindistrie, 15%
Maschinenbau, 15% Chemie
Dtl. 570 Autos pro 1000 EnwohnerInnen
China ca. 10 für 1000; Beijing aber schon 100 (en 2007)
Indien ca 6
Von 1999 - 2010: plus 38 % auf 800-900 Mio Autos
Prognose: 1.600 Millionen in 2030
Globale Automobilproduktion
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2010: 77,6 Mio (2009: 61,7 Mio.)
China: 18,3 Mio
Japan: 9,6 Mio
USA: 7,8 mio
Deutschland: 5,9 mio
Süd-Korea: 4,3 mio
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Toyota: 7,2 mio
General Motors: 6,5 mio
Volkswagen 6,1, mio
Ford: 4,7 mio
Hyundai: 4,6 mio
Automobilität und Staat
• Staat als “soziales Verhältnis” (Poulantzas / Hirsch) ... sichert
zuvorderst herrschende Interessen, aber auch Produktions- und
Lebensweisen ab .... ist strukturell nicht-nachhaltig
• Sozial-ökologische Ausrichtung des Staates über
Auseinandersetzungen, Veränderungen gesellschaftlicher
(Kräfte-) Verhältnisse, staatliche Politiken
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Beispiel
Abwrachpämie in Deutschland 2008/2009 als Teil der
“Konjunkturpakete“
“Umweltprämie” in 2. Konjunkturpaket von Januar bis Sept 2009
2.500 EUR wenn Auto verschrottet wird und neues gekauft
Großer Erfolg: 1,75 Millionen neue Autos
Sicherte neben Gewinnen auch Arbeitsplätze
Knüpfte an hegemoniale Produktions- und Lebensweise an
Imperiale Lebensweise als Klassenfrage
• Größe des ökologischen Fußabdrucks korreliert stark mit
Einkommen
• Klassen-, milieuspezifische Lebensweise und Konsummuster
– Für Ober- und obere Mitteklassen: auch Distinktion
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bei Subalternen / Schwächeren
Form der Reproduktion der Arbeitskraft
Gesellschaftliche Teilhabe
Kompensatorischer Konsum in entfremdeter (Arbeit-)Welt
(Real-)Suggestion von Wahl- und Handlungsmöglichkeiten
Lebensweise
• Strukturkategorie
• Empirisch: Mannigfaltigkeit der Lebensweisen (z.B. Milieus)
• Nicht Lebensstil oder Konsummuster
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Wie reproduzieren sich Menschen materiell und symbolisch?
Enger Zusammenhang mit kapitalistischer Produktionsweise
Stark Geld-vermittelt (nicht ausschließlich)
Für die meisten Menschen: Erwerbsarbeit (für manche Vermögen)
Lebensweise ganz praktische Frage, nicht auf Bewusstsein
reduzierbar
• Hegemoniale Lebensweise
Was tun? – Politiken hin zu emanzipatorischer und
sozialökologischer Lebensweise
• Gegen wertkonservative oder grünbürgerliche generelle
Perspektive auf Verzicht („Befreiung“)
• Frage der attraktiven Produktions- und Lebensweise in
Bereichen Ernährung, Kleidung, Wohnen, Mobilität etc.
– Umfassende (Ver-)Lernprozesse
– Konversion mit Beschäftigten
– Nachhaltigkeit, aber auch Demokratie
– Entsprechende politische Initiativen und Projekte
• Verteilungsfragen stellen und bearbeiten
• Statt Wachstumszwänge – deren Zurückdrängung, Ausbau
sozialer Infrastruktur
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
gerne zum Ansehen / Mitnehmen
• „ABC der Alternativen“, 2. Auflage (8.-)
• Buch „Postneoliberalismus“ (8.-)
• engl. Aufsatz zur imperialen Lebensweise
• aktueller Aufsatz zu Wachstumskritik in „Prokla“, Juni 2014