Die Präsentation von PD Dr. Strulik

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Transcript Die Präsentation von PD Dr. Strulik

Die Macht der Wirtschaft
Regiert uns in Wirklichkeit das Kapital?
PD Dr. Torsten Strulik
Vortrag im Rahmen des Sozialseminars der evangelischen
Kirchengemeinde Jöllenbeck: Demokratie in Gefahr?
12. Dezember 2012
Demokratie in Gefahr?
Colin Crouch:
„In einer Postdemokratie, in der immer mehr Macht an die Lobbyisten der
Wirtschaft übergeht, stehen die Chancen schlecht für egalitäre politische
Projekte zur Umverteilung von Wohlstand und Macht sowie die Eindämmung
des Einflusses mächtiger Interessengruppen“ (Crouch 2008: 11).
Jürgen Habermas:
„Demokratische Selbstbestimmung heißt, dass die Adressaten zwingender
Gesetze zugleich deren Autoren sind“ (FAZ v. 04.08.12).
Oskar Lafontaine:
„In Deutschland machen in der Folge eines von der rot-grünen
Bundesregierung auf den Weg gebrachten Personalaustauschprogramms
Firmenlobbyisten in den Ministerien Gesetze. Und wenn der Bundestag den
Finanzmarkt ‚reguliert‘, liefern Anwaltskanzleien der Großbanken wie
Freshfields die Vorlagen“ (FAZ v. 22.11.12).
Primat der Wirtschaft?
Die Wirtschaft übt „über das Geldmedium einen Ökonomisierungsdruck
auf die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme aus, in dem sich der
gesamtgesellschaftliche Primat der Wirtschaft manifestiert“ (Beckert
2009: 186).
„Totalzugriff“ der Wirtschaft auf Gesellschaft (Beckert 2009: 186)
„Infiltration“ der anderen Funktionssysteme durch das ökonomische
System (Schimank 2008: 9ff.)
„Feindliche Übernahme“ und „Zerstörung der Autonomie“ der
anderen Funktionssysteme durch die Wirtschaft (Schimank & Volkmann
2008: 383)
Fokus meines Vortrags:
Herstellung von Regulierung
Wo ist die Macht bzw. der Einfluss der Wirtschaft zu erkennen?
Konzentration auf Organisationen, Regelsysteme und Personen
Bezug auf Forschungen zur Regulierung des Finanzsystems
Vorgehensweise
1. Finanzmärkte und politisch-rechtliche Regulierung
2. „Entfesselung“ der Finanzmärkte
3. Globalisierung und Wissensbasierung
4. Entwicklungslinien der Finanzmarktregulierung
5. Der Einfluss der Group of Thirty (G30)
6. Demokratie in Gefahr?
Finanzmärkte und politisch-rechtliche Regulierung
Perspektive I:
Marktkorrigierende Regulierungspolitik
Bezugspunkt entsprechender Maßnahmen: Institutionelle
Arrangements und Mechanismen, über welche die Risiken des
Finanzgeschäfts vorbeugend eingedämmt und die Ausbreitung
negativer Externalitäten auf andere gesellschaftliche Bereiche
verhindert werden sollen.
Finanzmärkte und politisch-rechtliche Regulierung
Perspektive II:
Innovationsförderliche Regulierungspolitik
Ermöglichung und Flankierung von Innovationsprozessen im
Finanzsektor und Erschließung entsprechender
Wachstumspotentiale für politische Zwecke.
Startpunkt: 1970er Jahre
Ort: USA
Protagonisten: Nixon, Reagan, Clinton, Bush jr.
Wichtige Innovationen: Derivate
Entfesselung der Finanzmärkte
Zusammenbruch des Systems von Bretton-Woods (1971) und
Übergang zu flexiblen Wechselkursen im Jahre 1973
In der Folge:
Nachfrage nach Finanzinstrumenten, mit deren Hilfe sich die „neue
Unsicherheit“ bei den Wechselkursen sowohl begrenzen als auch
produktiv nutzen ließ
Rapides Wachstum der Risikomanagementindustrie und forcierter
Einsatz derivativer Instrumente
Disintermediation und Bedeutungszuwachs von Rating-Agenturen
Deregulierung nationaler Finanzplätze
Globalisierung und Wissensbasierung
Demokratie in Gefahr?
„Globalisierungseliten“ (Tony Porter)
profitieren von der Globalisierung der Wirtschaft und
versuchen, die Wirtschaft nach ihren Interessen zu gestalten.
Beispiele: Rating-Agenturen, Investmentbanken,
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Softwareunternehmen
Globalisierung und Wissensbasierung
Demokratie in Gefahr?
„Zerbrechlichkeit der Gesellschaft“ (Nico Stehr)
Unfähigkeit staatlicher sowie anderer großer
gesellschaftlicher Institutionen (z.B. Staat, Kirche, Militär)
„gegenwärtig – und aller Wahrscheinlichkeit nach noch
nachhaltiger und eindringlicher in Zukunft – zu regieren bzw.
ihren Willen durchzusetzen“ (Stehr 2000: 15).
Staat und Verwaltung sehen sich einem Publikum gegenüber,
dessen Handlungsmöglichkeiten im Zuge der
gesellschaftlichen Ausweitung von Wissen deutlich
angewachsen sind.
Entwicklungslinien der Finanzmarktregulierung
Beide Aspekte, „Bedeutung und Einfluss von Globalisierungseliten“
sowie „Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten bestimmter Teile des
politischen Publikums auf der Grundlage von Wissen“, bestimmen das
aktuelle Geschehen im Bereich der Finanzmarktregulierung.
Wie vollzieht sich Finanzmarktregulierung?
Wer beeinflusst Finanzmarktregulierung?
Das Beispiel: Group of Thirty (G30) im Kontext der Bankenregulierung
Entwicklungslinien der Finanzmarktregulierung
Wie wird die Herstellung von Regulierung beschrieben?
Basel  Brüssel  Berlin
Baseler Ausschuss
für Bankenaufsicht
EU-Kommission
Nationales Recht
Empfehlung
Richtlinie
Gesetz
Baseler Akkord
EU-Solvabilitätsrichtlinie
Gesetz über das
Kreditwesen (KWG)
in Deutschland
Der Einfluss der Group of Thirty (G30)
Welcher Organisationstypus?
• Private Organisation (non-profit), 30 Mitglieder
• Gegründet in Washington, 1978
• Mitglieder aus Finanzwirtschaft, öffentlichen Institutionen, Wissenschaft
• Revolving doors
• Kombination aus Think Tank und Interessenvertretung
Mitglieder der Group of Thirty
www.g30.org
(Tsingou 2007)
Mr. Paul A. Volcker, Chairman of the Board of Trustees, Group of Thirty
Mr. Jacob A. Frenkel, Chairman, Group of Thirty Vice; Chairman, American International Group
Mr. E. Gerald Corrigan, Managing Director, Goldman Sachs & Co.
Mr. Andrew D. Crockett, President, JP Morgan Chase International
Mr. Timothy F. Geithner, President, Federal Reserve Bank of New York
Mr. Gerd Häusler, Counsellor and Director, International Capital Markets Department
International Monetary Fund
Professor Paul Krugman, Dept. of Economics, Woodrow Wilson School, Princeton University
Mr. William R. Rhodes, Senior Vice Chairman, Citigroup; Chairman, Citicorp and Citibank
M. Jean-Claude Trichet, President, European Central Bank
Sir David Walker, Chairman, Morgan Stanley International Inc.
Mr. Ernesto Zedillo, Director, Yale Center for the Study of Globalization, Yale University
Dr. Wilfried Guth, Deutsche Bank AG
Mr. William McDonough, Vice Chairman and Special Advisor to the Chairman, Merrill Lynch;
Former Chairman, Public Company Accounting Oversight Board
Welche Interessen vertritt die Group of Thirty?
Ideologie des Marktes (neoliberale Vorstellungen)
Interessen von Globalisierungseliten
Gegen imperialistische (interventionistische) Regulierung, für
neoliberale Regulierung (Michael Power)
Von der normbasierten zur prinzipienbasierten Regulierung
Wie erklärt sich der Einfluss der Group of Thirty?
Komplexität des Themas
Technische Expertise
Hohe Qualität der Studien
Verlust einer „Herrschaft kraft Wissen“
Vorsprung der Finanzwirtschaft
Interessen des öffentlichen Sektors (Wohlfahrtsproduktion)
Regulierungsperspektive, die über den Staat hinausführt
Weshalb hört man so wenig von der Group of Thirty?
Finanzmarktregulierung als technische Angelegenheit
Geringe Sichtbarkeit des Finanzgeschäfts
Kaum Politisierung
Regulierung wird von Experten betrieben, abseits politischer
Debatten
Warnung von Geoffrey Underhill: Einbeziehung der
Regulierung in traditionellere Formen der Aushandlung kann
zu Chaos und Lähmung führen.
Wie nimmt die Group of Thirty Einfluss auf Regulierung?
Wandel der Rolle des privaten Sektors:
Von der Bereitstellung von Expertise zur Artikulation von Präferenzen
Study Group Reports, gelegentliche Veröffentlichungen,
Vortragsveröffentlichungen
G30 bewegt sich an der Front von Initiativen zu einer mehr
marktkompatiblen Regulierung und Aufsicht
Drei große und einflussreiche Reports:
1. Clearence and Settlements
2. Derivatives: Practices and Principles (1993)
3. Global Institutions, National Supervision and Systemic Risk (1997)
Verantwortlichkeit und Legitimität der Group of Thirty?
Keine Reputationsverluste
Keine Übernahme von Verantwortung
Transparenz?
Fazit
Demokratie in Gefahr?
Bedeutung und Einfluss von Globalisierungseliten
Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten bestimmter Teile des
politischen Publikums auf der Grundlage von Wissen
Auflösung einer politischen „Herrschaft kraft Wissen“
Bedeutungszuwachs privater Expertise und Autorität
Geringe Politisierung von Finanzmarktregulierung
Vielen Dank für Ihr Interesse und ihre
Aufmerksamkeit!