Transcript Vorurteil
Soziale Identität: Kategorisierung, Stereotypisierung, Vorurteile Gliederung: 1. Stereotype und Vorurteile 2. Funktion von Vorurteilen 3. Soziale Identität 4. Abbau von Vorurteilen Studenten arbeiten nicht, sind faul und auch noch arrogant. Sie wissen immer alles besser. Bei Psychologen, na da weiß man doch nicht so richtig, was die eigentlich tun, und man hat immer so das Gefühl, sie durchschauen einen. Die Verwendung des Begriffs “Vorurteil“ im alltäglichen Sprachgebrauch 1. Explizite, offene Verwendung des Begriffs "Vorurteil": Ein Vorurteil zeigt sich in der Anmaßung des Uninformierten, sich über Personen und Objekte sachkundig und informiert zu äußern. Vorurteile sind falsche, einseitige, negative Urteile, an denen, oft gegen bessere Einsicht, aus Bequemlichkeit fest-gehalten wird. Vorurteile müssen abgebaut werden und wahren, richtigen und gerechten Urteilen Platz machen. Ein aufgeklärter, rational denkender, gebildeter und zur geistigen Elite gehörender Mensch hat keine Vorurteile. 2. Implizite, verdeckte Verwendung des Begriffs „Vorurteil“: Wer über Vorurteile redet, sie aufdeckt und ihre Bekämpfung fordert, zeigt damit, dass er sie bereits überwunden hat. Er erweist sich als vorurteilsfrei, sachkundig und gerecht urteilend. Vorurteil im Kontext von Einstellung, Stereotyp und A b b . 1 : V o ru rte il imsozialem K o n te x t Verhalten v o n E in s te llu n g , Ste re o ty p u n d s o z i S o z i a l e E i n s t e l l un g K ognition E m otion V erhalten Vorurt e i l S t e re o t y p t y p i s i e rt e s W is s e n A u s lä n d e r s in d : t y p i s i e rt e G e f ü h l s re a k t i o n e n - f a u l , d re c k i g b e z ü g lic h A u s l ä n d e rn : - Ab le h n u n g - u n g e b ild e t - E x o t i k -F a s z i n a t i o n V e rh a Im A - A g Zentrale Funktionen von Vorurteilen (1) Orientierungsfunktion: Vorurteile ermöglichen eine schnelle und präzise Orientierung in einer komplexen sozialen Umwelt. Personen und Objekte lassen sich leicht kategorisieren und bewerten. Man weiß schnell, woran man ist. (2) Anpassungsfunktion: Vorurteile ermöglichen eine schnelle Anpassung an die jeweiligen (sozialen) Lebensbedingungen, z. B. die vorherrschende Meinung, Wert- und Normvorstellungen und Handlungsregeln. Mit Hilfe von Vorurteilen erreicht man so ein hohes Maß an „Belohnungen“ (z. B. soziale Zuwendung) und eine Minimierung von „Bestrafungen“ (z.B. Beschimpfungen, als Außenseiter abgestempelt werden). (3) Abwehrfunktion: Vorurteile dienen dem Erhalt eines positiven Selbstbildes und der Abwehr von Schuldgefühlen, innerpsychischen Konflikten und von Selbstkritik. Vorurteile ermöglichen die Abwertung, Abwehr und Diskriminierung von Personen und Gruppen mit der Folge positiver Selbsteinschätzung. (4) Selbstdarstellungsfunktion: Vorurteile, die sozial geteilte oder sogar sozial erwünschte Eigenschaften beinhalten, dienen der Selbstdarstellung vor der sozialen Umwelt und der Ausbildung eines positiven Eindrucks gegenüber anderen Personen. (5) Abgrenzungs- und Identitätsfunktion: Vorurteile, die man mit anderen Personen teilt, fördern das Gefühl der Zusammengehörigkeit und gegenseitigen Sympathie. Sie erlauben eine klare Abgrenzung gegenüber negativ bewerteten Außengruppen und ermöglichen einen hohen Grad an Distinktheit. (6) Steuerungs- und Rechtfertigungsfunktion: Vorurteile dienen der Verhaltenssteuerung gegenüber bestimmten Personen, Objekten und Sachverhalten. Mit Hilfe von Vorurteilen lassen sich eigene Verhaltensweisen nachträglich dadurch rechtfertigen, dass man seine vorurteilsbehafteten sozialen Einstellungen dem ausgeführten Verhalten anpasst. Die Annahmen der SIT nach TAJFEL & TURNER (1979) sowie TAJFEL (1982) 1. Es besteht ein Bedürfnis nach positiver Selbstbewertung. 2. Um eine positive Identität herzustellen bzw. zu erhalten, werden soziale Vergleiche zwischen der eigenen Gruppe und fremden Gruppen durchgeführt. 3. Die subjektive Zugehörigkeit zu einer Gruppe (Selbstkategorisierung) erlaubt eine Ableitung positiver oder negativer Bewertungen der eigenen sozialen Identität in Abhängigkeit von der relativen Bewertung dieser (Bezugs)Gruppe in der Gesellschaft. 4. Die grundsätzliche wahrnehmungspsychologische Tendenz zur Reizklassifikation und insbesondere der „Interklasseneffekt“ führt zur sozialen Kategorisierung menschlicher Gruppen. Die Mitglieder anderer Gruppen werden als sehr viel andersartiger eingeschätzt und entsprechend distanzierter behandelt als die Angehörigen der eigenen Gruppe. 5. Das Streben nach positiver Distinktheit umschreibt das Bemühen, die eigene Person bzw. Gruppe positiv von anderen Vergleichsgruppen abzuheben. Um positive soziale Distinktheit herzustellen, wählen Gruppenmitglieder Strategien, die das Ziel haben, die Eigengruppe in günstiger Weise von der Fremdgruppe unterscheiden zu können. Identitätskonflikte (nach Tajfel) individuell determiniertes Verhalten gruppentypisches Verhalten Eigengruppenmitglieder Fremdgruppenmitglieder (z. B. Ausländer) hohe interindividuelle im Verhalten und hohe Gleichförmig- Variabilität in Einstellungen keit Eigengruppenmitglieder Fremdgruppenmitglieder (z. B. Ausländer) - Individualität - Persönlichkeit - Identifikation - Stereotypisierung - Stigmatisierung - Depersonalisierung Mummendey, A. & Otten, S. (2002)2. Theorien intergruppalen Verhaltens. In D. Frey & M. Irle (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie, Bd. II (S. 95-199). Bern: Huber. Finke, S. T. (1998). Stereotyping, Prejudice, and Discrimination. In D. T. Gilbert, S. T. Finke & G. Lindzey (Eds.), The Handbook of Social Psychology, Vol. 2 (pp. 357-414). Oxford. The McGraw-Hill Comp. Bedingungen für positive Effekte des sozialen Kontakts zwischen vorurteilsbehafteten Personen und Gruppen a) Statusähnlichkeit b) Zielkonvergenz c) Kooperative Atmosphäre (Teambewusstsein) d) Ungezwungenheit der Interaktionssituation e) Unterstützung des Kontakts zwischen vorurteilsbehafteten Personen und Gruppen durch einen kontaktfördernden sozialen Kontext, z.B. gesellschaftliche Werte, Normen, Überzeugungen f) Gemeinsamkeiten in bedeutsamen Verhaltensdimensionen Abbau von Vorurteilen gegenüber Fremden 1. Soziale und institutionelle Unterstützung: • Autoritäten fördern intensiven Kontakt. • Regeln und Gesetze verstärken Verhaltensroutinen in Richtung des Abbaus von Vorurteilen. • Förderung der Entwicklung und Festigung eines toleranten sozialen Klimas. 2. Schaffung von Kontaktmöglichkeiten: Kontakte fördern soziale Nähe. Soziale Nähe fördert Ähnlichkeit. Ähnlichkeit fördert Gemeinsamkeit. Gemeinsamkeit fördert differenzierte gegenseitige Kenntnisse. Gemeinsamkeiten und gegenseitige Kenntnisse fördern Sympathie. Sympathie fördert Kontaktbedürfnisse. usw. 3. Gleicher sozialer Status: Vermeidung asymmetrischer Kontingenzen. 4. Kooperation: • Hochbewertete Ziele können nur durch Zusammenarbeit erreicht werden. • Kooperation führt zum Erfolg. • Gemeinsamer Erfolg verstärkt soziale Bindungen. 5. Kooperative Lerngruppe: • Gemeinsame Lernziele. • Zielerreichung nur mit und durch die Gruppenmitglieder. 6. Modelle des Intergruppenkontakts zum Vorurteilsabbau: • Aufweichen der Gruppengrenzen; Dekategorisierungsmaßnahmen einleiten; Gruppenkontakte personalisieren (Brewer & Miller, 1984). • Einführung einer 3. Kategorie als Oberkategorie über die Eigen- und Fremdgruppenkategorisierung (Gaertner et al., 1993). • Repräsentanten der Fremdgruppe und der Eigengruppe treten miteinander in Kontakt. Falls dieser Kontakt positiv verläuft, besteht die Chance, dass der Repräsentant der Fremdgruppe als typischer Vertreter der ganzen Gruppe angesehen wird und so auch die Fremdgruppenmitglieder, obwohl keine Erfahrung mit ihnen gemacht wurden, auch positiv bewertet werden (Hewstone & Brown, 1986). 7. Statt die Intergruppen-Differenzierung zu unterdrücken oder einfach zu negeren, also „Farbenblindheit“ zu produzieren, sollte sie im Sinne wechselseitiger Verschiedenheit thematisiert werden. Zugleich sollte eine gegenseitige Rollenübernahme erfolgen. Zudem sollten über das Anstreben gemeinsamer Ziele die üblichen Diskriminierungsprozesse sowie die Vorurteile stärkenden Intentionen begrenzt und unter Kontrolle gehalten werden. Deut sche (D) 1 Amerikaner (A) Eindeut ige Kategorisierung: D 2 A A D Überlappende Kat egorisierung: D A Nationalit ät A, D, A, ... 3 D, D, AA ... polit isches Engagement Information über Meinungs- und Einstellungsunt erschiede: D A Nationalit ät d, a, d a, a, d, a d = in Deut schland verbreitet e Ansicht en a = in Amerika verbreit ete Ansichten Sozialpsychologische Konzeptualisierung von Vorurteilen und Möglichkeiten ihrer Beeinflussung 1. Persönlichkeitstheoretische Konzepte Vorurteile werden als Symptome spezifischer Persönlichkeitsstrukturen und psychodynamischer Mechanismen der intrapersonalen Konfliktregelung aufgefasst, die sich in einer extremen Abwertung anderer Personen bis hin zu aggressivem Verhalten ausdrückt. Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen: a) Diagnose und Reflexion der individuellen Bedürfnislage b) Stärkung des Selbstwertgefühls c) Gewährleistung von Möglichkeiten, eigene negative Gefühle unter kontrollierten Bedingungen auszudrücken. d) Gruppendiskussionen mit dem Ziel, verschiedenen Ansichten zu den vorurteilsbehafteten Einstellungen auszudrücken und so erfahrbar zu machen. e) Selbsterfahrung, verbunden mit Erfahrung von Problemund Bedürfnisähnlichkeiten bei „relevanten Anderen“ f) Förderung persönlichen Engagements gegen Diskriminierung g) Vermittlung von Einsichten in Wahrnehmungs- und Urteilsverzerrungen 2. Kognitionstheoretische Konzepte Vorurteile werden als nützliche und durchaus normale Erscheinungen in der alltäglichen Kognition sowie bei der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen im sozialen Kontext aufgefasst. Sie schützen vor „kognitivem Chaos“, reduzieren die Umweltkomplexität und erleichtern die Orientierung in einer komplexen Umwelt. Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen: a) Kognitive Trainings zur Wahrnehmungs- und Urteilsdifferenzierung b) Beeinflussung der Informationsverarbeitungsprozesse, die zu vorurteilsbehafteten Einstellungen führen c) Förderung kognitiver Kompetenz d) Reflexion sozial funktionaler Grundlagen von Vorurteilen e) Verstärkung einer sozial-kognitiven Orientierung 3. Einstellungstheoretische Konzepte Vorurteile sind negativ wertende, generalisierende und besonders änderungsresistente „Sonderfälle“ sozialer Einstellungen. Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen: a) Anwendung bekannter Strategien der Einstellungsänderung, z.B. Kommunikation und Argumentation mit dem Ziel, den Vorurteilsträger zu überzeugen b) Massenmediale Kommunikation c) Gezielte Vermittlung von Informationen über die Vorurteilsobjekte und die Funktionsweise von Vorurteilen bei der eigenen Person d) Ähnlichkeiten zwischen Vorurteilsträgern und Vorurteilsobjekten bewusst machen e) Inkonsistenzerlebnisse zwischen Vorurteil und Verhalten des Vorurteilssubjekts bewirken f) Überzeugen durch Argumente g) Überreden durch Appelle h) Erzeugung einer Motivation zur Aufnahme und adäquaten Verarbeitung der vermittelten sachlichen Informationen und überzeugende Argumente i) Schaffung einer aktiven Rolle des Vorurteilsträgers bei der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung j) Forcierung einstellungsdiskrepanten bzw. einstellungskonträren Verhaltens mit dem Ziel, eine Spannungsreduktion durch Anpassung der Einstellung an das ausgeführte Verhalten herbeizuführen, z.B. Sammlung zur Unterstützung bedürftiger Asylanten k) Einsatz adäquater Verstärker bei Äußerungen und Handlungen in Richtung der zu bewirkenden Einstellung l) Änderung des Einstellungs- und Vorurteilskontextes durch Veränderung von normativen Bindungen, z.B. Kontaktherstellung zu Vorurteilsobjekten 4. Lerntheoretische Konzepte Unter lerntheoretischer Perspektive werden Vorurteile und Diskriminierungen als erlernte Bewertungs- und Verhaltensmuster interpretiert. Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen: a) Konditionierungstechniken zur Modifikation negativer Bewertungs- und Verhaltensmuster b) Demonstration „vorurteilsfreier Modelle“ mit dem Ziel der Nachahmung 5. Sozial-kognitive Intergruppen-Konzepte Nach diesen Konzepten sind Vorurteile soziale Symptome bestimmter sozialpsychologischer Strukturen der Intergruppenbeziehungen. Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen: a) Veränderungen des sozio-ökonomischen, kulturellen und normativen Kontextes, in dem Gruppenbeziehungen entstehen und bedeutsam werden b) Förderung der Fähigkeit zur Selbstreflexion c) Abschwächung der ursprünglichen Kategorisierung in Eigen- und Fremdgruppe d) „Individualisierung“ von Kognitionen und Verhaltensweisen bei der Beurteilung von Fremdgruppenmitgliedern e) Abbau von Homogenisierungstendenzen gegenüber Fremdgruppen f) Einführung alternativer Vergleichsdimensionen zur Erreichung einer positiv bewerteten Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgruppe g) Schaffung „überlappender“ Kategorisierungen