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Der demente Mensch
und sein Recht auf Freiheit
19.10.2013
Alexander Ahmad
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„Freiheit“
• Verankertes Grundrecht europäischen Menschenrechtskonvention
Artikel 5 – Recht auf Freiheit und Sicherheit (EMRK)
• Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit
Artikel 2 – Erlaubte Einschränkungen (Verfassung)
• Geregelt in einzelnen Gesetzen:
Strafrecht (Freiheitsentzug)
ABGB (Erziehungsmaßnahmen Minderjähriger)
Heimaufenthaltsgesetz u. Unterbringungsgesetz
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Freiheitsbeschränkungen
„Eine Freiheitsbeschränkung liegt dann vor, wenn es einer
Person unmöglich gemacht wird ihren Aufenthalt nach freiem
Willen zu verändern.“
• Hindern am Verlassen des Wohnbereiches, der Einrichtung,
der Station, oder des Zimmers, Aufstehen aus dem Sessel,
dem Rollstuhl oder des Bettes
• Androhung einer dieser Maßnahmen!
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Mittel zur Freiheitsbeschränkung
• Unmittelbar körperliche Zugriffe, Festhalten, Fixation, Vorstellen
von unüberwindbaren Hindernissen (Tische), oder die Wegnahme
von Gehhilfen
• Medikamentöse Freiheitsbeschränkung:
Wenn die Gabe dem Zweck der Bewegungsunterbindung dient
• Elektronische Überwachungsmaßnahmen
• Videoüberwachung
• Bauliche Maßnahmen
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§4 Heimaufenthaltsgesetz
§ 4. Eine Freiheitsbeschränkung darf nur vorgenommen werden, wenn
1.
der Bewohner psychisch krank oder geistig behindert ist und im
Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das
Leben und die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich
gefährdet,
2.
sie zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich und geeignet sowie in
ihrer Dauer und Intensität im Verhältnis zur Gefahr angemessen
ist sowie
3.
diese Gefahr nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere
schonendere Betreuungs- oder Pflegemaßnahmen, abgewendet
werden kann.
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Voraussetzungen im UbG
1. Psychische Erkrankung
2. Ernste und erhebliche Selbst- oder
Fremdgefährdung
3. Es bestehen keine anderen
Behandlungsalternativen, bzw. gelindere Mittel
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UbG – HeimaufG
• Erkrankung, ernste und erhebliche Gefährdung
• Verhältnismäßigkeit und Dauer der Maßnahme zur Gefährdung, sowie die
Möglichkeit gelinderer Mittel müssen geprüft werden
• Die Freiheitsbeschränkung im Rahmen einer psychischen Erkrankung ist
kein „Privileg“ der Psychiatrie!
• HeimaufG gilt in allen „nicht psychiatrischen Abteilungen“ eines
Krankenhauses und Pflegeheimen
• UbG gilt nur für den Bereich der psychiatrischen Abteilung
(Zuweisung durch den Amtsarzt und die Vorstellung durch die Polizei aus
dem extramuralen Raum)
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Die Gründe für
freiheitsbeschränkende Maßnahmen
•
Selbstgefährdung >> Fremdgefährdung
•
Vorangegangene oder drohende Stürze und Verletzungen
•
Fordernde Verhaltensweisen
•
Unkenntnis bzw. mangelhafte Verfügbarkeit von Alternativen
•
Unzureichende Ursachenklärung
•
Rasche Lösung
•
Angst vor Haftung
•
Wunsch der Angehörigen
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Negativspirale von Fixierungen
•
Sturzbedingte Verletzungsgefahr und fordernde unangepasste Verhaltensweisen
•
Autonomieverlust, Stress, Gegenwehr, direkte Verletzungen, Mobilitätsreduktion,
Zunahme der Verhaltensstörungen
•
Gesteigerte Benzodiazepin- und Neuroleptikagabe mit entsprechendem
Nebenwirkungsprofil
•
Erhöhte Sturzgefährdung, Polypharmazie und zusätzliche medizinische
Komplikationen
•
Reduzierter AZ, reduzierte Lebensqualität, reduzierte Mobilität
•
Vermehrte Schuldgefühle bei Angehörigen und Personal, reduzierte
Arbeitszufriedenheit
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Alternativen?
Redufix-Projekte
www.redufix.de
Priv. Doz. Dr. med Clemens Becker, Prof. Dr. Thomas Klie, Prof. Dr. med. Doris Bredthauer
• Multidisziplinäres Projekt
• Für und Wider der Fixation und der Alternativen unter
pflegerischen, medizinischen, psychosozialen und rechtlichen
Aspekten regelmäßg erarbeitet und überprüft
• Regelmäßige Schulungen zur Erhöhung der
Handlungssicherheit
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Ergebnis
• bei 20% der Patienten die regelmäßig fixiert waren gelang es
die Fixation zu beenden, bzw. die Fixationszeiten drastisch zu
reduzieren
• keine Erhöhung des Verletzungsrisikos (bei erhöhter Sturzrate)
• keine Erhöhung der Psychopharmakotherapie
• deutlichen Rückgang des fordernden und aggressiven
Verhaltens
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Fixierungen
„… sind weder ein adäquates noch evidenzbasiertes Mittel zur
Verhinderung von Stürzen oder Beeinflussung von fordernden
Verhaltensweisen bei demenzkranken alten Menschen.
Solche Maßnahmen sind allerdings selbst nicht ohne Risiken
und stellen einen schweren Eingriff in die Grundrechte des
Menschen dar.“
Bredthauer, Becker et al. 2005
n=122,
gleich häufigen Anzahl der Stürze bei fixierten und nicht fixierten Pat.
gravierenden Verletzungen (Frakturen) fanden sich nur im Verlauf von fixierten Pat.
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Aggressives, selbstgefährdendes
Verhalten – Was nun?
Zunehmendem Verlust der Sprache Rechnung tragen:
– Medizinische Abklärung und Behandlung möglicher Ursachen
(Delir, Schmerzen, Nebenwirkungen, etc.)
– Interdisziplinären Problemanalyse:
Was, wann, wo, wer hat das Problem und was hat geholfen
– Analyse von psychosozialen und Umgebungsfaktoren
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Alternative Maßnahmen:
•
Tagesstrukturierende Maßnahmen
•
Biografie orientierte Beschäftigung
•
Kognitiv und körperlich aktivierende Kleingruppen
(Gehen, Singen, Ballspielen,…)
•
Gehen statt Sprechen
•
Kommunikationsregeln:
nicht konfrontieren oder logisch argumentieren, Augenkontakt, klare, einfache
Sätze, auf Gefühlsebene eingehen und bestätigen,
•
das Phänomen Aggression auch als Abwehrreaktion von Gefühlen des Ausgeliefert
seins, der Angst und mangelnder Interaktion zu verstehen
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Medikamentöse Maßnahmen:
• Erst nach dem Ausschöpfen nicht medikamentöser Maßnahmen
• Start low, go slow
• Nebenwirkungsmonitoring
• Verzicht auf Polypharmazie (Reduktion)
• Absetzversuche
(Auswahl der Medikation nach Prioritäten, Komorbiditäten und
Nebenwirkungsprofil)
• Aufklärung bzgl. der Medikation von Angehörigen und Pflegenden
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Fall
•
•
•
•
•
87-jähriger Patient
Vorbekannte Demenz mit entsprechenden Verhaltensauffälligkeiten
„Fremdaggressives Verhalten bei Demenz“
Keine Kontaktpersonen
keinerlei Gefährdungselemente fassbar, kohärent im Duktus, adäquat im
Affekt
• Entlassung zurück ins Pflegeheim
• Folgetag wird der Patient
in Polizeibegleitung wegen akuter
Selbst- und Fremdgefährdung an die Abteilung gebracht!
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Ursachen
• Zu rascher und gehäufter Ortswechsel
• Das Gefühl sozialer Impotenz, des nicht gehört
werdens, nicht ernst genommen werdens
• Mangelnde Kommunikation im
Betreuungsnetz
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Mögliche Lösungen
• Multiprofessionelle, interdisziplinäre
Zusammenarbeit mit gegebener
Kommunikationsbereitschaft
• Offenheit gegenüber neuen,
ergänzenden Therapieoptionen
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Herzlichen Dank!
Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen,
der wird am Ende beides verlieren!
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