herausforderndes Verhalten

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Transcript herausforderndes Verhalten

Verstehen
von herausforderndem Verhalten von
Menschen mit Demenz
Fachtagung „Quo vadis Altenpflege“;
06. November 2013
Dr. Margareta Halek, MScN
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, Witten
DZNE e. V. – Witten, M.Halek
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Ablauf
1.
2.
3.
4.
5.
Was ist herausforderndes Verhalten?
Wie kommt es zum herausforderndem Verhalten?
Welche Umgangsoptionen gibt es?
Wie funktioniert Verstehende Diagnostik?
Wie kann man Verstehende Diagnostik umsetzen?
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Welche der folgenden Situationen stellt ein Problem dar?
• Ein Herr geht mehrmals am Tag zwischen Wohnzimmer und Küche
• Eine Dame verbringt den ganzen Tag in ihrem Garten, in dem Sie
langsam ihre Spazierrunden dreht
• Eine Dame fragt nach der Uhrzeit und bittet um das Aufschließen der
Haustür
• Eine Dame räumt auf, wenn sie Nachts nicht schlafen kann
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Welche der folgenden Situationen stellt ein Problem dar?
• Ein demenzkranker Herr geht mehrmals am Tag zwischen
Wohnzimmer und Küche
• Eine demenzkranke Dame verbringt den ganzen Tag in ihrem
Garten, in dem Sie langsam ihre Spazierrunden dreht
• Eine demenzkranke Dame fragt nach der Uhrzeit und bittet um das
Aufschließen der Haustür
• Eine demenzkranke Dame räumt auf, wenn sie Nachts nicht
schlafen kann
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Ausgangssituation

Menschen mit Demenz verhalten sich ANDERS (Prävalenz
60-90%) (Schäufele et al. 2008, Zuidema 2007)
 ANDERES Verhalten als Symptom der Demenz
Verhalten abschaffen/mindern
Häufig Medikamente
 ANDERES Verhalten als Ausdruck von Kommunikation/
Reaktion/Bedürfnissen
Verhalten verstehen
 verschiedene Optionen
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WER hat ein Problem?
herausforderndes Verhalten




fordert zum Umgang damit heraus
dasselbe Verhalten kann herausfordernd und nicht herausfordernd sein
Gründe/Anlässe im interpersonellen Kontext
Ansetzen im interpersonellen Kontext: Beziehungsgestaltung
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Wann wird das Verhalten
zum Problem?
•
•
•
•
•
•
Wenn es gesundheitsschädlich ist
Wenn es Gefahr für Leib und Seele bedeutet
Wenn es existenzbedrohend ist
Wenn es zu Konflikten führt
Wenn es „sozial-inakzeptabel“ ist
Wenn es zur Belastung wird
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Grundsätze des Umgangs mit herausforderndem Verhalten
 Verhalten ist wichtig und gut – auch das von Menschen mit Demenz
 (Fast) Jedes Verhalten hat einen Sinn, auch das des Menschen mit
Demenz






Das Verhalten von Menschen mit Demenz als Ausdruck von Bedürfnissen oder
Kommunikationsform
Hinter jedem Verhalten steckt eine „Geschichte“
Jedes Verhalten hat bestimmte Auslöser
Nicht jedes Verhalten muss „abgestellt“ werden, manchmal muss sich die Umgebung
ändern
Größtmögliche Freiheit und Selbstbestimmung bei größtmöglicher Sicherheit
ermöglichen
Gefahren und Belastungen der Betreuer ernstnehmen und berücksichtigen
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Verstehende Diagnostik
Ansatz der Verstehenden Diagnostik:
Ziel 1: Verstehen, warum das Verhalten auftritt
Ziel 2: Ansatzpunkte finden, um mit dem Verhalten
umzugehen

Verhalten mindern

Verhalten für alle möglichst ertragbar machen
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Verfahren der Verstehenden
Diagnostik
Verfahren:
Schritt 1: Verhalten erfassen/beschreiben
Schritt 2: Ursachen/Gründe für das Verhalten suchen
Warum?
Schritt 3: Verstehenshypothesen (Vermutungen) formulieren
Schritt 4: Maßnahmen festlegen und durchführen
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Verhalten beschreiben
 Was, wann, wie oft, wie schwer/intensiv, wie lange, wo, wer war dabei, was
war davor, was folgte…?
 Ziel: Verhalten möglichst objektiv zu beschreiben („emotionsfrei“), das
„Problematische“ beschreiben
 Keines der gebräuchlichen Instrumente ist uneingeschränkt zu empfehlen
(BMG 2007 „Rahmenempfehlungen“):




CMAI Cohen-Mansfield-Agitation Scale
MDS/RAI Minimum Data Set des Resident Assessment Instruments
NOSGER Nurses‘ Observation Scale for Geriatric Patients
DCM Dementia Care Mapping
 Instrumente haben entweder nur einen Teil des Verhaltens im
Fokus, sind wertend oder zu umfangreich für den täglichen
Gebrauch
 Instrumente müssen miteinander kombiniert werden
 Andere Instrumente:
NPI Neuropsychiatrisches Inventar , BEHAVE-AD, CBS (Challenging Behaviour Scale )
RAI Resident Assessment Instrument 2.0, IdA
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BEISPIEL: Assessment IdA
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IdA: Verhalten beschreiben
 Um welches Verhalten geht es?
 Welches Verhalten steht im Mittelpunkt?
Hannelore Schultz
Verkriecht sich in ihrem Bett
Das ständige laufen auf dem Wohnbereich und fragen „Wo bin ich?“. Das Antworten hilf nicht
lange. Manchmal findet Sie den Weg zum Treppenhaus, deshalb muss man auf sie aufpassen. Und
sie jammert auch ständig „Ich kann nicht mehr“.
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IdA: Verhalten quantifizieren
 Verhalten quantifizieren: Was bedeutet: immer, meistens, stark, ständig,
dauernd, ab- und zu
• Häufigkeit (täglich)
• Dauer (5 Minuten)
• Stärke/Intensität (leicht, laut)
2-5
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IdA: Situation/Rahmen
beschreiben

Die Umstände/den Rahmen, in dem das Verhalten stattfindet, beschreiben
•
Zeitpunkt des ersten Auftretens
•
Ereignis beim ersten Auftreten
•
Zeiträume/Zeitpunkt des Auftretens
•
Ort, Situation, Anwesenden
Das Laufen und Fragen seit dem Einzug ins AH vor 3 Monaten. „Ich kann
nicht mehr“ hat sie schon zu Hause öfters gesagt, nur weniger häufig.
Flur, Aufenthaltsräume
Im Zimmer bleibt sie im Bett liegen, fragt nicht, sagt aber manchmal „Kann nicht mehr“
Wenn die Haushälterin kommt, dann bleibt sie
sitzen
DZNE e.Es
V. –
Witten,
M. Haleknach
wird
stärker
den Mahlzeiten und nach einem Besuch
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IdA: Folgen bewerten

Folgen/Auswirkungen des Verhaltens
•
Warum ist das Verhalten ein „Problem“?
•
Wann ist das Handeln erforderlich?
•
Belastung, Stresserleben, Gefährdung der Sicherheit für BW selbst, für
andere Personen und für Mitarbeiter
Bewohner schimpfen, Mitarbeiter sind entnervt und verärgert, man meidet sie
Weglaufen und sich verlieren, isst wenig und nimmt
keine Medikamente
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Ursachen suchen
 WARUM?
 Viele Faktoren, ein strukturiertes Vorgehen ist hilfreich (NDB-Modell)
Hintergrundfaktoren
Neurologischer Status:
Tages-/Nachtrhythmus
Motorische Fähigkeiten
Gedächtnis/Merkfähigkeit
Sprache
Sensorische Fähigkeiten
Gesundheitsstatus, demographische
Variablen:
Allgemeinzustand
Funktionsfähigkeit (ADL/IADL)
Affekt
Geschlecht
Ethnie
Familienstand
Schulbildung
Beruf
Psychosoziale Variablen:
Persönlichkeit
Verhaltensreaktion auf Stress
Direkte Faktoren
Herausforderndes
Verhalten
Physiologische Bedürfnisse:
Hunger und Durst
Ausscheidung
Schmerz
Unwohlsein
Schlafstörungen
Funktionale Performance
Psychosoziale Bedürfnisse
Affekt, Emotionen (Angst, Langeweile)
Anpassung der Unterstützung an die
Fähigkeiten
Physikalische Umgebung:
Gestaltung, Design
Routine/Stationsalltag
Lichtlevel
Geräuschelevel
Wärmelevel
Soziale Umgebung:
Personalausstattung/Stabilität
Umgebungsatmosphäre
Präsenz von Anderen
 Kaum Assessmentinstrumente vorhanden
 STI – Serial Trial Intervention
 IdA – Innovatives Demenzorientiertes Assessmentsystem
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STI: Serial Trial
Intervention
Pflegezeitschrift 7/2007, S. 370-373
http://medsoz.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/m_cc01/me
dsoz/STI-D_Projektbericht.pdf
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Innovatives Demenzorientiertes
Assessmentsystem (IdA)
Verhaltenserfassung
Ursachen suchen
Zusammenfassung
• Beschreiben,
Bewerten
• 14 Leitfragen
• 5 Themenbereiche
• Zusammenhänge und
Schwerpunkte
Halek, M. & Bartholomeyczik, S. (2010). "Umgang mit herausforderndem
Verhalten in der professionellen Pflege. IdA als Instrument zur Klärung
der Gründe." Psychotherapie im Alter. Schwerpunktheft: Pflege und
Psychotherapie 4(7): 507-519.
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IdA Teil 2: Ursachen suchen
- Leitfragen
1a. Kognitiver Zustand


Demenzform/-Stadium,
kognitive Einschränkungen als Erklärung?
1b. Körperlicher Zustand

Körperlichen Einschränkungen als Erklärung?
1c. Selbstständigkeit
im Alltag

Stressige oder belastenden Abhängigkeiten als Auslöser?
2. Kommunikation


Verständigungsprobleme/Kommunikationsschwierigkeiten als Auslöser
Herausfordernde Verhalten als Kommunikationsform?
3. Persönlichkeit und
Lebensstil



Verhalten als Ausdruck von Persönlichkeitsmerkmalen?
Zusammenhang mit früheren Lebensereignissen und Lebensstil ?
Eine Reaktion auf Stress ?
4. Stimmung und
Emotionen





Ausdruck von Stimmungslagen oder Emotionen ?
Verhalten als emotionale Selbststimulation?
Zusammenhang mit Umgebungsmerkmalen?
Zusammenhang mit fehlendem Sicherheits-/Vertrautheitsgefühl?
Zusammenhang mit Personalstruktur ?
5. Umfeldeinflüsse
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Mag etwas dunkler
Insbesondere andere Bewohner
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Verstehenshypothesen
• Ein demenzkranker Herr geht mehrmals am Tag zwischen Wohnzimmer und Küche
• Er sucht nach seiner Brille, Fernsehzeitschrift, Uhr, Trinken
• Überprüft, ob noch jemand da ist (Ehefrau), der Ofen/Herd aus ist
• „Vertritt“ sich die Beine
• Eine demenzkranke Dame verbringt den ganzen Tag in ihrem Garten, in dem Sie
langsam ihre Spazierrunden dreht
• Sie war in ihre Jugend im Wanderverein
• Sie baut ihre innere Unruhe ab
• Zu Hause ist ihr zu langweilig
• Eine demenzkranke Dame fragt nach der Uhrzeit und bittet um das Aufschließen
der Haustür
• Sie muss ihren Aufgaben nachgehen (für Kinder Essen kochen)
• Sie fühlt sich unwohl in der Umgebung
• Eine demenzkranke Dame räumt auf, wenn sie Nachts nicht schlafen kann
• Sie leidet an Schlaflosigkeit und beschäftigt sich in den Wachphasen
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Umsetzung der Verstehenden Diagnostik
 Fallbesprechungen:
 Mehrperspektivität
 Teamarbeit
 Interdisziplinäre, individuenzentrierte Gesprächsrunde
 Einbeziehung von Angehörigen und Bewohnern
 Nimmt den Druck, sofort handeln zu müssen
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Fragen?
Kontakt: [email protected]
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