Selbstverletzung bei Borderline - Seminare

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Transcript Selbstverletzung bei Borderline - Seminare

Annemarie Pfeifer
Die Wunden der Gewalt
Selbstverletzung und Borderline
Allgemeines
Ein Gedicht zu Beginn
„Langsam schleicht sich der Gedanke bei mir ein.
Zuerst leise, dann immer lauter.
Schneide dich, und es wird den Schmerz, der in dir ist übertönen.
Das hämische Gelächter lässt mich nicht los.
bis ich tief verletzend mich geschnitten habe.
Und dann niederschmetternd feststelle –
ich schaffe den letzen Schnitt nicht.
Und so gebe ich dem Lachen in mir Raum,
lache mich selbst aus, verhöhne mich, lasse mir keine Ruhe.
Bis der Schmerz so gross ist,
dass mein Innerstes übertönt wird.
Ich kann mich nicht wehren gegen diesen Zwang,
bin ihm ausgeliefert, bin seine Gefangene.
Das Schneiden wird für mich zur Sucht.“
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Bild einer
Patientin mit
Selbstverletzungen
Allgemeines
Definition
Selbstverletzendes Verhalten SVV ist eine direkte, unmittelbare
Schädigung des eigenen Körpers, die nicht lebensbedrohlich ist. Wird
oft im Zusammenhang mit einer Borderline Störung diagnostiziert.
Pathologisches SVV: Körperliche Schädigung im Zustand der inneren
Not, nicht sozial akzeptiert, hoher Schweregrad.
Drei Typologien:

Einmalige schwere Selbstverletzung

Wiederholte oberflächliche bis mittelschwere Selbstverletzung (bei
jüngeren Betroffenen)

Stereotypische Selbstverletzung (Kopf auf den Boden schlagen bei
geistig Behinderten)
Anzahl:
Ca. 1% der Bevölkerung, gehäuft bei Frauen zwischen 15 – 35
Jahren, Anzahl zunehmend
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Allgemeines
Formen der Selbstverletzung
Formen der Selbstverletzung
Schnitte
Hautverbrennungen (z.B. Zigaretten)
Schlagen von Körperteilen
Verhindern von Wundheilungen
Kratzen
Haar-Ausreissen
Knochenbrüche
72%
35%
30%
22%
22%
10%
8%
Verletzte Körperteile:
Arme (74%), Beine (44%), Bauch (25%), Brust (18%), Geschlechtsteile (8%)
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Allgemeines
Nicht pathologische Formen von SVV
 kulturell bedingte Körpereingriffe (Tatoo, Piercing),
extreme Formen der Schönheitschirurgie,
 Religiöse Rituale
 Geld ausgeben: Kaufsucht, Abbau von schlechter
Stimmung, Glücksspiel
 Riskantes Autofahren: nach Konflikt
 Sexualität: wechselnde Sexualpartner, AIDS-Risiko
 Bewusstes Inkaufnehmen von Risikien: nachts durch
dunklen Park gehen
 Substanzmissbrauch: Kick bring mich aus Leere
heraus.
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Ursachen
Deprivation - Vernachlässigung
Entzug oder Vorenthalten von lebensnotwendigen
Objekten oder Reizen, welche sowohl physischer als
auch psychisch sein können.
 Reizarmut: keine ausreichende Entwicklung.
 Emot. Vernachlässigung: Mangelndes
Selbstbewusstsein, Zuwendung nur bei Schmerz,
Körper wird als „böse Empfunden“.
 Kind als Selbstobjekt der Mutter: mangelnde
Abgrenzung, keine Lebensberechtigung.
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Ursachen
Körperliche Gewalterfahrungen
Dem Kind wird ein Machtgefälle demonstriert,
Gefühle, Grenzen und Rechte des Kindes missachtet.
 Stabilisierung des Familiengefüges: innere
Spannungen werden am Kind abreagiert,
Sündenbock, die andern ignorieren Misshandlung.
 Negatives Selbstbild: Kind übernimmt Signale der
Eltern, dass es schlecht sei. Ich habe Strafe verdient.
Wiederholung durch Selbstverletzung.
 Gewaltbesetztes Weltbild: Kann Aggressionen
nicht gegen Verursacher richten. Bei Jungs gegen
aussen, bei Mädchen eher gegen sich selbst.
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Ursachen
Sexueller Missbrauch
Man geht von einer Häufung sexueller
Missbrauchserfahrungen aus. (33 bis 70 Prozent)
Ähnliche Verarbeitung wie bei körperlichen
Misshandlungen:
1. Kind sieht sich als Ursache seiner schlechten
Behandlung. Schuldgefühle grösser, weil es Lust
empfindet.
2. Sich unattraktiv machen: unförmig dick oder spindel
dürr, mit Wunden oder Narben übersät,
3. Körper wird als schmutzig erlebt. Er musst bestraft
werden.
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Dynamik
Innerpsychische Mechanismen
 Die drei Bereiche stellen Verletzungen (Traumas) dar. Das
Auftreten eines starken Traumas kann zu lebenslangen Folgen
führen.
 Dissoziation ist ein Schutzmechanismus in der die
Wirklichkeit abgespalten wird.
 Den Körper aktiv verlassen um die Demütigung nicht mehr
spüren zu müssen. (Kind verlässt den Körper und befindet sich
an einem andern Ort)
 Traumatische Erfahrung wird als nicht real betrachtet: ich
habe nur geträumt, habe missverstanden (Unterstützt durch
Erwachsene)
 Verlassen der Realität durch Phantasie: Papa spielt mit mir…
Mechanismen wirken schützend, können aber verselbständigen und
mit einem „Einschnitt“ beendet werden.
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Behandlung des Täters
 Die Tat zugeben
 die volle Verantwortung übernehmen (das Opfer
entlasten)
 die zugefügte Verletzung bereuen
 Therapie annehmen
 wenn möglich Wiedergutmachung leisten (z.B.
Therapie des Opfers bezahlen)
 Vorsichtsmassnahmen respektieren
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Gruppenarbeit
 Haben Sie Erfahrungen mit
selbstverletzendem Verhalten gemacht?
 Welche Auslöser haben Sie beobachtet?
 Wie wirkte dieses Verhalten eines Klienten
auf Sie?
 Was bewirkt dieses Verhalten:
– beim Patienten
– bei seinem Umfeld
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Dynamik
Innerpsychische Funktionen I
 Selbstfürsorge: Aus Vernachlässigung und
Missbrauch entsteht Spannung, die mit
Schmerzzufügung gelöst wird.
 Ventil: Bei Konfliktsituationen, Einsamkeit wird Druck
abgelassen.
 Antidepressivum: Alleinsein verursacht heftige
Zustände von innerer Leere und Depression. SVV ist
eine Art Selbststimulation.
 Antidissoziativum: Die Auflösung des Selbst kann
durch SVV beendet werden. Ich spüre mich wieder…
 Antipsychotikum: Der Vorgang der De-Realisation
kann beendet werden.
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Innerpsychische Funktion II
 Selbstbestrafung: Man fügt sich die Bestrafung
selbst zu.
 Suizidprophilaxe: Man kann das schlechte
Gewissen stillen ohne sich selbst töten zu müssen.
 Selbstkontrolle: Bei SVV liegt alles in der Hand des
Patienten. Ich kann etwas aushalten.
 Hilfsappell: kann durch Umweltreaktionen verstärkt
werden.
 Wiederholung externer früherer Gewalterfahrungen.
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Dynamik
Schema der Selbstverletzung
Innerer Drang und Druck
Selbstverletzung
Vorübergehende Er-Lösung
Neuer Druck baut sich auf
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Dynamik
SVV wird zur Sucht
Auslöser
Suchtartiges SVV
Unangenehme Gefühle
Selbstzerstörerische
Gedanken
Scham und
Schuldgefühle
Erinnerung an gute
Gefühle nach SVV
Kreisen um fixe
Idee von SVV
Zunehmende Dissoziation
SVV, Erleichterung
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Hilfe / Verhaltenstherapie
Tun oder Nicht-Tun?
 Angemessene Reaktion: Verletzung ansprechen,
keine Ausdrücke von Schreck oder Angst.
 Normale Aufmerksamkeit und Beziehung: nach
Gefühlen fragen, was sollte weg geschnitten werden.
 Versorgung der Wunde
 Adresse von Hilfen geben
 Gesunde Abgrenzung: klare Abmachungen
Nicht tun:
 Zurückweisung, verstärkte Kontrolle, Machtkämpfe,
Ultimaten, Ablehnung, übermässige Fürsorge
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Hilfe / Verhaltenstherapie
Ersatzhandlungen
 Lernen seinen Körper besser anzunehmen.
 Druck anders ablassen: Bad nehmen, heiss duschen,
Spaziergang, joggen, Entspannungstechniken,
tanzen, Drang künstlerisch ausdrücken, auf Kissen
einschlagen, sich mit weichem Gegenstand reiben,
Ersatzhandlung wie eine Arbeit verrichten,
Telefonieren mit Freunden, Telefonseelsorge,
Tagebuch schreiben.
 Aufschieben, nur einen Schnitt, einen Stift nehmen
 An die Narben denken
 Herausfinden, was einem gut tut.
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Hilfe
Umgang mit Suiziddrohungen





Selbstmorddrohungen ernst nehmen
Einen Arzt einbeziehen
Einen Notfallplan erstellen
Eine Abmachung treffen
In eine Klinik einweisen
Im Zweifelsfall ist die Einweisung sicherer,
selbst wenn sie gegen den Willen der
Patientin erfolgt.
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Therapie des Opfers
1. Die eigene Machtlosigkeit thematisieren
2. Sich unter Gottes Schutz und Gerechtigkeit stellen
3. Abgrenzung üben, starke Seiten fördern
4. Bewältigung von Schuld und Scham
5. Die eigene Identität entdecken
6. Gefühle anerkennen und mitteilen
7. Verantwortung übernehmen
8. Vergebung üben
9. Reif werden für Beziehungen
10. Anderen beistehen
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Buchempfehlung
 Kreisman J.K& Straus H.
(2005): Zerrissen
zwischen den Extremen.
München (Kösel).
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