Transcript KaufII

Veräusserungsverträge I:
Kaufvertrag (II =
Rechtsgewährleistung)
OR-BT 27.2. 2012
Rechtsgewähr als Problem
• Verkäufer ist verpflichtet, Besitz und Eigentum
zu verschaffen.
• Eigentumsverschaffung wird vereitelt, wenn
ein Dritter aus rechtlichen Gründen dem
Käufer den Kaufgegenstand ganz oder
teilweise entzieht (Eviktion, Entwehrung).
Einstandspflicht wegen Eviktion:
Verkäufer
Käufer
Kaufvertrag
EVIKTION
Dritter (mit «besserem
Recht»)
Einstandspflicht wegen Eviktion:
Verkäufer
KAUFVERTRAG
Käufer
Art. 192ff.
EVIKTION
Dritter (mit «besserem
Recht»)
Dritter mit «besserem Recht»:
Nicht, wenn Verkäufer unbeschwerter
Eigentümer ist:
 wegen Erwerbs vom Berechtigen
 wegen Erwerbs vom Nichtberechtigten
(gutgläubig)
Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten
(Wiederholung)
• Mobilien:
 Anvertraute Sache = gutgläubiger Erwerb
nach Art. 933 ZGB iVm Art. 714 Abs. 2 ZGB
 Gestohlene Sache = kein gutgläubiger Erwerb
nach Art. 934 ZGB
• Immobilien:
 Art. 973 Abs. 1 ZGB Erwerb möglich
 nicht für Grundstücke in Gemeinden ohne
Grundbuch
Voraussetzungen der Gewährspflicht:
(1) Entwehrung («Eviktion») = Entzug der Sache aus
Rechtsgründen, Art. 192 Abs. 1 OR
 ganz: Recht des Dritten schliesst jede
Nutzungsmöglichkeit des Käufers aus
 teilweise: Käufer kann Sache teilweise
nicht mehr nutzen oder diese ist mit einem
beschränkten dinglichen Recht beschwert.
 nach Übergabe der Kaufsache
 Existenz und Vorrang des Recht des
Dritten, Art. 194 Abs. 2 OR
Weitere Voraussetzungen
(2) Unkenntnis des Käufers von der Gefahr der
Entwehrung, Art. 192 Abs. 2 OR
(kennt der Käufer die Gefahr, haftet der
Verkäufer nur für ausdrückliche Zusicherung)
(3) Kein Verzicht auf Gewährleistungsrechte,
beachte aber Art. 192 Abs. 3 OR (beachte auch
Art. 100 OR)
Rechtsfolgen: Gewährleistungsansprüche
des Käufers
• Vollständige Entwehrung = Aufhebung des
Kaufvertrages, Art. 195 Abs. 1 OR
• Teilweise Entwehrung
 Ersatz des Entwehrungsschadens, Art.
196 Abs. 1 OR
 Aufhebung des Vertrages nur, wenn der
Käufer bei Voraussicht der teilweisen
Entwehrung den Vertrag gar nicht
geschlossen hätte, vgl. Art. 196 Abs. 2 OR
Rechtsfolge: Vollständige Entwehrung
• Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten
Preises nebst Zinsen
• Anspruch auf Aufwendungsersatz
• Anspruch auf Ersatz für alle durch den Prozess
veranlassten Kosten
• Anspruch auf Ersatz des sonstigen durch die
Entwehrung unmittelbar verursachten Schadens,
Art. 195 Abs. 1 Ziff. 4 OR
• Anspruch auf Ersatz des mittelbaren Schadens,
soweit keine Entlastung, Art. 195 Abs. 2 OR
Abgrenzung unmittelbarer vs.
mittelbarer Schaden
• Relevant
 für Art. 195 Abs. 1 Ziff. 4 OR «unmittelbar
verursachter Schaden»
 für Art. 208 OR «Schaden, der durch die
Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar
verursacht worden ist»
• Verschiedene Ansätze in Lehre und
Rechtsprechung
Ansätze in Lehre und Rechtsprechung:
• OR von 1881: Unterscheidung von
unmittelbarem und «weiterem Schaden» (Art.
116 aOR)  Unterscheidung nach
Kausalzusammenhang
• frühere Rechtsprechung: unmittelbarer
Schaden = negatives Interesse; mittelbarer
Schaden = positives Interesse
• BGE 133 III 257ff. «Papageienfall»:
Massgeblichkeit des Kausalzusammenhangs
BGE 133 III 257ff. «Papageienfall»
Sachverhalt:
A züchtet Papageien. Mit Vertrag vom 30.6.2000 kauft er
bei B sechs Papageien für 4.800 CHF.
Nach ihrer Einstallung bei A erkranken die Papageien und
versterben. In der Folge verstirbt fast der gesamte
Zuchtbestand des A.
Die sechs Papageien waren bei B sechs Monate in
Quarantäne. Gutachten zufolge litten sie schon zu diesem
Zeitpunkt an dem Pacheco-Virus, das aufgrund der StressSituation der Einstallung bei A zum Ausbruch kam.
A verlangt Rückerstattung des Kaufpreises und Ersatz des
durch die Krankheit entstandenen Schadens.
Zur Auslegung von Art. 195 Abs. 1 und Art. 208 Abs. 2 OR
«Das Bundesgericht hat in einem Entscheid aus dem Jahre
1953 dem Sinne nach ausgeführt, die kausale Haftung gemäss
Art. 195 Abs. 1 und Art. 208 Abs. 2 OR sei als Ausnahme von
der allgemeinen verschuldensabhängigen vertraglichen
Haftung des Schuldners einschränkend auszulegen.
Gerechtfertigt sei, dass der Verkäufer auch ohne Verschulden
den eingetretenen Schaden (damnum emergens) zu ersetzen
habe. Jedoch könne der Käufer nicht mehr als das negative
Vertragsinteresse verlangen. Es wäre übertrieben, ihm
gestützt auf Art. 195 Abs. 1 und Art. 208 Abs. 2 OR einen
Anspruch auf den entgangenen Gewinn einzuräumen (BGE 79
II 376 E. 3 S. 380 f.).
In Übereinstimmung mit diesem Entscheid nimmt ein Teil der
Lehre an, der unmittelbare Schaden erfasse nur das negative
Vertragsinteresse bzw. den eingetretenen Schaden (…)».
Mehrheit der Lehre:
«Die Mehrheit der Lehre vertritt dagegen die Meinung,
bezüglich der Unterscheidung zwischen unmittelbarem
und mittelbarem Schaden sei auf die Nähe bzw. die
Intensität des Kausalzusammenhangs zwischen der
Schadensursache und dem eingetretenen Schaden
abzustellen. Ein unmittelbarer Schaden liege demnach
vor, wenn er ohne Hinzutreten weiterer
Schadensursachen in direkter Folge der fehlerhaften
Lieferung entstanden sei. Dagegen werde mittelbarer
Schaden durch zusätzliche Teilursachen verursacht, so
dass er als entfernte Folge der Lieferung mangelhafter
Ware erscheine (...)».
BGE 133 III 257
«Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers
und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten
(…). Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom
daraus abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür
bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche
Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm,
aus ihrem Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften
ergeben. Insoweit wird vom historischen, teleologischen und systematischen
Auslegungselement gesprochen. Bei der Auslegung einer Norm sind daher
neben dem Wortlaut diese herkömmlichen Auslegungselemente zu
berücksichtigen (…). Ergibt die Auslegung eines Bundesgesetzes auf eine
Rechtsfrage eine eindeutige Antwort, so ist diese gemäss Art. 191 BV für das
Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend.
Diese dürfen daher nicht mit der Begründung von Bundesrecht abweichen, es
sei verfassungswidrig oder entspreche nicht dem (künftig) wünschbaren
Recht (…). Eine Abweichung von einer Gesetzesnorm ist jedoch zulässig, wenn
der Gesetzgeber sich offenkundig über gewisse Tatsachen geirrt hat oder sich
die Verhältnisse seit Erlass des Gesetzes in einem solchen Masse gewandelt
haben, dass die Anwendung einer Vorschrift rechtsmissbräuchlich wird (…)».
Wortlaut:
«Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet der Begriff
"unmittelbar", ohne räumlichen oder zeitlichen Abstand, ohne
vermittelndes Glied (…) bzw. "directement", en ligne directe,
sans détour, sans intermédiaire (…). Entsprechend geht die
Lehre allgemein davon aus, die Unterscheidung zwischen
unmittelbarem und mittelbarem Schaden beziehe sich auf die
Länge bzw. die "Intensität" der Kausalkette. Der unmittelbare
Schaden sei innerhalb der Kausalkette direkte Folge des
schädigenden Ereignisses, während mittelbarer Schaden erst
durch das Hinzutreten weiterer Schadensursachen bewirkt
werde (…). Demnach ist gemäss dem Wortlaut von Art. 208
Abs. 2 OR davon auszugehen, die Haftung des Verkäufers für
die dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter Ware
unmittelbar verursachten Schäden erfasse auch durch Mängel
der Ware hervorgerufene Schäden, soweit sie innerhalb der
Kausalkette als direkte Folge des Mangels erscheinen.»
Entstehungsgeschichte:
«Bezüglich der Entstehungsgeschichte von Art. 208 Abs. 2 und 3 OR ist zu beachten, dass die
Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem bzw. direktem und indirektem Schaden
bereits im gemeinen Recht vorgenommen wurde (…). Als Beispiel eines direkten Schadens nannte
POTHIER (1699-1772), dass ein Bauer eine kranke Kuh erwirbt und seine weiteren Tiere zu Folge der
Übertragung der Krankheit eingehen; eine weiter entfernte und indirektere Folge (une suite plus
éloignée et plus indirecte) liege dagegen vor, wenn der Bauer auf Grund der Erkrankung seiner (Zug-)
Ochsen seine Felder nicht bearbeiten und er in der Folge seine Schulden nicht mehr bezahlen könne
(…). Die Mehrheit der Doktrin zum alten Obligationenrecht stellte bezüglich der Unterscheidung
zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden auf die Intensität des Kausalzusammenhangs ab und
nahm an, entgangener Gewinn gehöre zum mittelbaren Schaden (…). Das Bundesgericht hat den
entgangenen Gewinn zunächst ebenfalls als mittelbaren Schaden qualifiziert (…). In späteren
Entscheiden nahm es jedoch unter Einbezug von Art. 116 aOR an, entgangener Gewinn könne
unmittelbarer Schaden sein, wenn voraussehbar sei, dass das Interesse des Käufers sich auf einen durch
Weiterverkauf der Ware erstrebten Gewinn erstrecke (...). In der Folge hat der Gesetzgeber bei der
Revision des Obligationenrechts von 1911 darauf verzichtet, die allgemeine vertragliche Haftung in Art.
97 ff. OR auf den unmittelbaren Schaden zu begrenzen (...). Dagegen hat der Gesetzgeber diese
Haftungsbegrenzung bei der kausalen Haftung des Verkäufers bei vollständiger Entwehrung und
Wandelung in Art. 195 Abs. 1 Ziff. 4 und Art. 208 Abs. 2 OR beibehalten. Damit hat der Gesetzgeber zum
einen zum Ausdruck gebracht, dass er bei der Wandelung an der verschuldensunabhängigen Haftung
des Verkäufers für den unmittelbar durch die Lieferung fehlerhafter Ware hervorgerufenen Schaden
festhielt und insoweit keine Anpassung an Rechte anderer Staaten gewollt war, welche keine solche
Haftung kannten. Zum anderen hat er gezeigt, dass er die verschuldensunabhängige Haftung des
Verkäufers weiterhin auf unmittelbar verursachte Schäden begrenzen und in diesem Rahmen die vom
alten Recht her bekannten Abgrenzungsschwierigkeiten in Kauf nehmen wollte. Dafür, dass der
Gesetzgeber der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden eine gegenüber
dem alten Recht geänderte Bedeutung geben wollte, bestehen keine Anhaltspunkte.»
Systematik:
«In systematischer Hinsicht ist zu beachten, dass der Käufer bei der Wandelung die
Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben muss
und dieser den gezahlten Kaufpreis samt Zinsen zurückzuerstatten hat (Art. 208 Abs. 1
und 2 OR). Demnach trifft der so genannte Mangelschaden, d.h. die durch den Mangel
bewirkte Wertverminderung der gelieferten Sache, bei der Wandelung den Verkäufer
und nicht den Käufer (…). Entgegen der Annahme des Klägers kann sich daher der in
Art. 208 Abs. 2 OR genannte unmittelbare Schaden des Käufers nicht auf den
Mangelschaden beziehen. Weiter fällt in Betracht, dass die kausale Haftung des
Verkäufers für den durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten
Schaden in Art. 208 Abs. 2 OR nach der im gleichen Absatz geregelten Verpflichtung
des Verkäufers zum Ersatz der Prozesskosten und der Verwendungen entsprechend
den Vorschriften über die vollständige Entwehrung genannt wird. Aus diesem
Zusammenhang könnte geschlossen werden, der Gesetzgeber habe - da bei der
Entwehrung die Kaufsache keinen Mangel aufweist - mit dem durch die Lieferung
fehlerhafter Ware verursachten Schaden nicht die durch die Mängel verursachten
Schäden, sondern nur die mit der Rückgabe der Ware verbundenen Unkosten
gemeint. Indessen stellt die nebenordnende Konjunktion "und" bzw. "en outre" klar,
dass der Schadenersatz für den durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar
verursachten Schaden zusätzlich zum Ersatz der Prozesskosten und den
Verwendungen geschuldet ist.»
In Casu:
«Gemäss der vorstehenden Erwägung liegt im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR ein unmittelbarer
Schaden vor, der innerhalb der Kausalkette direkt durch die Lieferung fehlerhafter Ware und nicht
erst durch das Hinzutreten weiterer Schadensursachen verursacht wurde. Wo im Einzelfall die
Abgrenzung vorzunehmen ist, beurteilt sich nach richterlichem Ermessen (…). Als Beispiel eines
unmittelbaren Schadens wird in der Lehre unter Verweis auf POTHIER der Verlust des
Viehbestands des Käufers zufolge der Übertragung einer Krankheit der gekauften Kuh angeführt
(…). Weiter wird in der Lehre ein unmittelbarer Schaden angenommen, wenn die
Mangelhaftigkeit einer Geschirrspülmaschine dazu führt, dass Wasser ausläuft und den Boden
des Käufers beschädigt. Dagegen erscheine als Folge einer hinzutretenden Schadensursache,
wenn das auslaufende Wasser in elektrische Installationen eindringe und hierdurch einen
Kurzschluss mit Brand bewirke (…). Diese Beispiele zeigen, dass ein Mangelfolgeschaden nicht
bereits deshalb als entfernte Folge eines Mangels zu qualifizieren ist, weil sich dieser erst beim
normalen Gebrauch der Sache im Rahmen des üblichen oder vereinbarten Verwendungszwecks
schädigend auswirkte (…).
Im vorliegenden Fall hat sich die Krankheit der gekauften Papageien direkt auf den Vogelbestand
des Käufers übertragen, weshalb insoweit ein unmittelbarer Kausalzusammenhang vorliegt.
Daran vermag nichts zu ändern, dass die Übertragung erst durch die Einstallung und den damit
verbundenen Stress möglich wurde, zumal die neue Einstallung zwingend mit dem Verkauf
verbunden war und damit zur üblichen Verwendung gehörte, welche nicht als selbständige
hinzutretende Schadensursache zu betrachten ist. Demnach hat das Obergericht das ihm bei der
Beurteilung der Unmittelbarkeit der Schadensverursachung zustehende Ermessen nicht
überschritten, wenn es annahm, der Verlust des Vogelbestandes des Beklagten sei als
unmittelbarer Schaden zu qualifizieren.»
Rechtsfolge: teilweise Entwehrung
• Ersatz des durch die Entwehrung verursachten
Schadens, Art. 196 Abs. 1 OR
• Aufhebung, wenn nach den Umständen
anzunehmen ist, dass der Verkäufer bei
Voraussicht der teilweisen Entwehrung den
Vertrag nicht geschlossen hätte, Art. 196 Abs.
2 OR (Rückabwicklung nach Art. 196 Abs. 3
OR)
Einzelfragen:
• Verhältnis von Rechtsgewährleistung zu
Willensmängeln
• Rechtsgewährleistung beim Forderungskauf
• Verjährung
• Kulturgüterschutz
Rechtsgewährleistung und Grundlagenirrtum
• BG: Art. 23ff. OR sind neben den Regeln der
Rechtsgewährleistung anwendbar
arg.: anderweitiger Schutzzweck
arg.: Schutz des Irrenden
• hL: Rechtsgewährleistung schliesst Berufung
auf Grundlagenirrtum aus
arg.: Grundsatz der Spezialität
arg.: Rechtssicherheit
BGE 109 II 319 «gestohlener Personenwagen»
Am 20.6.1978 verkaufte G dem K einen gebrauchten BMW zum Preis
von 15.000 CHF. Der BMW war im Feb. 1978 über einen Garagisten in
Bellinzona aus Italien eingeführt worden. Sodann war er nacheinander
von verschiedenen Autohändlern gekauft worden, bis ihn der H
schliesslich Ende Februar an G verkauft hatte.
Im
Rahmen eines
Strafverfahrens
stellte
die
Tessiner
Staatsanwaltschaft fest, dass es sich um einen gestohlenen
Personenwagen handelte. Der italienische Eigentümer war
zwischenzeitlich von seiner Versicherung entschädigt worden.
Im Oktober 1978 erfuhr K von der Herkunft seines Wagens. Mit
Schreiben vom 10.11.1978 erklärte er G, dass er den Vertrag wegen
eines Willensmangels für ungültig halte. Er forderte den Kaufpreis
zurück und erklärte, den Wagen für K zur Verfügung zu stellen. K berief
sich auf seine Gutgläubigkeit sowie darauf, dass der Eigentümer sich
bis heute nicht um Rückerlangung des Wagens bemüht habe.
Wie ist die Rechtslage?
Grundlagenirrtum gem. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
«Ein Käufer kann sich auf einen Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR berufen, wenn er sich
über eine Rechtslage oder über einen bestimmten Sachverhalt geirrt hat, die er nach Treu und Glauben im
Geschäftsverkehr als notwendige Vertragsgrundlage betrachten durfte. Es genügt daher nicht, dass der Käufer
sich über den Inhalt oder Umfang der gegenseitigen Leistungen oder bloss über die Wirkungen des Vertrages
getäuscht hat; erforderlich ist vielmehr eine falsche Vorstellung, die notwendigerweise beiden Parteien
bewusst oder unbewusst gemeinsam und bei objektiver Betrachtung eine unerlässliche Voraussetzung für den
Abschluss des Vertrages gewesen ist (…). Das Obergericht hält für erwiesen, dass beide Parteien bei
Vertragsabschluss der Ansicht gewesen sind, der Beklagte könne dem Kläger das Eigentum am BMW
verschaffen, da sie vom Diebstahl nichts gewusst, sondern ahnungslos verhandelt hätten. Dem Kläger sei auch
zu glauben, dass er den Wagen nicht gekauft hätte, wenn er sich der Gefahr bewusst gewesen wäre, ihn einem
besser Berechtigten herausgeben zu müssen. Seine falsche Vorstellung über die Herkunft des Fahrzeuges sei
daher subjektiv eine notwendige Voraussetzung für den Vertragsabschluss gewesen. Fragen könne sich bloss,
ob seine Vorstellung auch objektiv als wesentlich anzusehen sei.
Was das Obergericht in der Meinung anführt, diese Frage sei zu verneinen, geht schon im Ausgangspunkt fehl.
Wenn beide Parteien sich über Tatsachen geirrt haben, die für ihre Willensbildung und ihre gegenseitigen
Willensäusserungen entscheidend gewesen sind, so müssen ihre falschen Vorstellungen nach Treu und
Glauben im Geschäftsverkehr auch als notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet werden. Dies gilt um so
mehr, als nach der allgemeinen Lebenserfahrung angenommen werden muss, dass bei Kenntnis des wahren
Sachverhalts weder der eine noch der andere zu einem Kauf Hand geboten hätte, musste diesfalls doch jeder
mit einer Strafverfolgung wegen Hehlerei rechnen; der Kläger will sich deswegen nach Aufdeckung des
Diebstahls denn auch enthalten haben, den Wagen weiterzuverkaufen. Dass er das gestohlene Fahrzeug
unbekümmert darum gekauft und verkauft hätte, wagte selbst der Beklagte nie zu behaupten; er hielt der
Berufung des Klägers auf Grundlagenirrtum bloss entgegen, dass er den Wagen ebenfalls gutgläubig erworben
habe und geschützt sei, der Kläger aber so oder anders bloss einen Herausgabeanspruch gemäss Art. 934 Abs.
2 ZGB zu befürchten habe und eine unrichtige Einschätzung dieses Risikos sich nicht als wesentlicher Irrtum
bezeichnen lasse (…).»
Konkurrenz zu Art.192 OR:
«Schliesslich kann im Ernst auch nicht von einer Gefährdung der
Rechtssicherheit die Rede sein, wenn der Kläger den Kauf wegen einseitiger
Unverbindlichkeit zu Fall bringen und damit die vorausgehenden Verträge
ebenfalls in Frage stellen könne, obschon dazu kein begründeter Anlass mehr
bestehe. Das Obergericht verkennt, dass ein gestohlenes Fahrzeug auch nach
Ablauf von fünf Jahren mit dem Makel des Diebstahls behaftet bleibt. Dem
Kläger die Berufung auf Grundlagenirrtum verweigern, hiesse von ihm
verlangen, dass er den Diebstahl im Falle eines Wiederverkaufs ausdrücklich
erwähnt, was zwar Treu und Glauben im Geschäftsverkehr (…), nicht aber
seinem Interesse entspricht, oder dass er den Makel verschweigt und sich
dem Vorwurf absichtlicher Täuschung aussetzt. Um so weniger kann ihm
verwehrt werden, seine Vorgänger die Folgen dieser Nachteile tragen zu
lassen. BGE 41 II 364 ff. steht dem nicht entgegen, zumal es dort bloss um
einen Irrtum im Beweggrund ging. Die Auffassung des Obergerichts spricht im
Ergebnis nicht für, sondern gegen die Rechtssicherheit, läuft sie doch darauf
hinaus, widerrechtlichen Geschäften mit gestohlenen Fahrzeugen Vorschub
zu leisten.»
Rechtsgewährleistung beim Forderungskauf,
Art. 171ff. OR
Zedent
debitor
angebliche Forderung
cessus
Abtretung der angeblichen Forderung
KEIN ANSPRUCH
Gutgläubiger Zessionar
Rechtsgewährleistung beim Forderungskauf,
Art. 171ff. OR
Zedent
debitor
angebliche Forderung
cessus
A Anspruch aus
Art. 171 Abs. 1 OR
KEIN ANSPRUCH
Gutgläubiger Zessionar
Art. 171 Abs. 1 OR:
• Haftung für Bestand (Verität) der Forderung
 Existenz
 jede Eigenschaft der Forderung, die sie
nach Treu und Glauben haben sollte
• Keine Haftung für Zahlungsfähigkeit (Bonität)
des Schuldners
Verjährung
• Art. 127ff. OR
• Art. 2 Abs. 1 KGTG (und Art. 196a OR)
• Art. 210 OR bzw. Art. 219 Abs. 3 OR ist nicht
anwendbar
Kulturgüterschutz, KGTG
KGTG = Bundesgesetz über den internationalen
Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz,
KGTG) v. 20. Juni 2003 (Stand am 1. Januar 2012)
- Umsetzung der UNESCO-Konvention 1970 ins
Landesrecht
- Regelung der Einfuhr von Kulturgut in die
Schweiz, seine Durch- und Ausfuhr und seine
Rückführung aus der Schweiz sowie Massnahmen
gegen die rechtswidrige Übereignung.
- Verhinderung von Diebstahl, Plünderung und
illegale Ein- und Ausfuhr von Kulturgut
Art. 16 KGTG Sorgfaltspflichten
1 Im Kunsthandel und im Auktionswesen darf Kulturgut nur übertragen werden,
wenn die übertragende Person nach den Umständen annehmen darf, dass das
Kulturgut:
a. nicht gestohlen worden ist, nicht gegen den Willen der Eigentümerin oder des
Eigentümers abhanden gekommen ist und nicht rechtswidrig ausgegraben worden ist;
b. nicht rechtswidrig eingeführt worden ist.
2 Die im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen sind verpflichtet:
a. die Identität der einliefernden Personen oder der Verkäuferin oder des Verkäufers
festzustellen und von diesen eine schriftliche Erklärung über deren
Verfügungsberechtigung über das Kulturgut zu verlangen;
b. ihre Kundschaft über bestehende Ein- und Ausfuhrregelungen von Vertragsstaaten
zu unterrichten;
c. über die Beschaffung von Kulturgut Buch zu führen und namentlich den Ursprung
des Kulturgutes, soweit er bekannt ist, und den Namen und die Adresse der
einliefernden Person oder der Verkäuferin oder des Verkäufers, die Beschreibung
sowie den Ankaufspreis des Kulturguts aufzuzeichnen;
d. der Fachstelle alle nötigen Auskünfte über die Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten
zu erteilen.
Rechtsfolgen von Art. 16 KGTG?
• Verbot, Verträge ohne entsprechende Sorgfalt
abzuschliessen
• Nichtigkeit des Kaufvertrages, der unter
Verstoss gegen die Sorgfaltspflichten
entstanden ist
• Kann sich auch der Verkäufer auf die
Nichtigkeit berufen?
Sachgewährleistung, Art. 197-210 OR